Wie Putin die FPÖ zu seinem Krieg nutzt

2016 wollte die FPÖ die Sanktionen im Parlament killen, sie bekämpft sie auf Corona-Demos und Herbert Kickl macht damit Wahlkampf. Uns machen sie falsche Hoffnungen.

Es war immer schon charakteristisch für die FPÖ und ihre Wähler, dass es sie nicht irritierte, dass sie unter Heinz Christian Strache einen „Freundschaftsvertrag“ mit Putins Partei „Einiges Russland“ geschlossen hatte, obwohl “Einiges Russland“ nicht demokratischem Wettstreit dient, sondern im Gegenteil das wichtigste Instrument zur Absicherung der Diktatur Wladimir Putins ist. Ein Freundschaftsvertrag mit der griechischen Militärjunta wäre die beste historische Entsprechung.

Aber der von einer internationalen Recherchegemeinschaft ermittelte, soeben im profil veröffentliche interne Mailverkehr unter Putin-Propagandisten scheint weit mehr als Freundschaft zu belegen: FP-Abgeordnete besuchten demonstrativ die Krim, schon auf Corona -Demos wurde Putins Krieg beworben; im März wurde ein Dokument bekannt, das dem Mail des führenden russischen -Putin Propagandisten Sargis M. an einen weiteren PR-Experten Moskaus angehängt war und dessen Titel übersetzt lautet: „Entschließung zur Aufhebung antirussischer Sanktionen im österreichischen Parlament“. Passieren sollte das laut Dokument, indem der FP-Abgeordnete Johannes Hübner einen solchen Antrag im Nationalrat einbringt. Als Kosten dafür wurden 20.000 Euro plus 15.000 Euro bei erfolgreicher Abstimmung veranschlagt.

Tatsächlich brachte Hübner am 6. Juli 2016 genau diesen, wenn auch vom Parlament abgelehnten Antrag ein. Dass er dafür Geld erhalten hätte bestritt er, als das Dokument im März 2022 noch ohne begleitenden Mailverkehr ruchbar wurde.

Aber gleich ob Zahlungen erfolgten, werfen die Vorgänge doch auch einiges Licht auf den so vehementen Kampf Herbert Kickls gegen die „Sanktionen.“ Konnte man bisher annehmen, dass er nur sofort begriff, wie erfolgreich es sein musste, der Regierung vorzuwerfen, dass sie die aktuelle Teuerung verantwortet, indem sie sich den Sanktionen anschloss, so drängt sich immer mehr der Verdacht auf, dass Kickl recht gut wissen könnte, wie sehr er Putins Agenda unterstützt.

Wie Kickls meiste Behauptungen ist auch die, dass die Sanktionen die Teuerung ausgelöst hätten, falsch:  Die massive Drosselung der Öl-Förderung, die ihr zu Grunde liegt, wurde von der OPEC und Putin schon 2018/19 in Vorbereitung seines Krieges beschlossen. Und er benützte die Abhängigkeit der EU von seinem Erdgas auch dann als Waffe, wenn ihm keine Sanktionen angedroht worden wären, weil es seine mit Abstand stärkste Waffe gegen die Unterstützung der Ukraine ist. Eigentlich müsste Kickl zugestehen, dass er gegen diese Unterstützung ist – Alexander Van der Bellen hat begreiflicherweise erklärt, dass er ihn deshalb nicht mit einer Regierungsbildung betraute- aber Kickl muss dieses Eingeständnis nicht machen: Die Gleichzeitigkeit von Sanktionen und Teuerung genügt FP- Wählern, das eine für die Ursache des anderen zu halten.

Wie sehr die Sanktionen Putin schmerzen, geht nicht zuletzt aus dem aufgezeigten Bemühen hervor, sie aufzubrechen. Aber natürlich schmerzen sie auch uns. Es gibt nur zwei Sanktionen, die große Wirkung entfalten und null Probleme bereiten: Russland jeden Zugang zu Hochtechnologie zu sperren, denn das wirft seine industrielle Produktion auf Jahrzehnte hinaus zurück und erschwert zugleich unmittelbar seine Waffenproduktion. Und die Vermögen Russlands und aller Unterstützer Putins einzufrieren und sie bei der Reise in die EU dem Risiko der Verhaftung auszusetzen.

Die Einigung der EU auf einen maximalen Ölpreis, mindert zwar seine Einnahmen, aber es gibt genug Abnehmer außerhalb der EU, um diese Minderung nicht dramatisch ausfallen zu lassen. Für die Wirtschaft der EU ist weniger russisches Öl zwar auch nicht lebensgefährlich, aber doch ein Problem, weil Putin und OPEC auf diesen Höchstpreis mit dem Versuch reagieren, die Ölförderung noch weiter zu drosseln, so dass der Ölpreis nur langsam fällt, obwohl die USA wieder mehr in ihr Fracking investieren. Nur befördert weiterhin eher teures Öl wie nichts anderes die Erschließung alternativer Energien, die uns alleine befähigt, eine Klimakatastrophe abzuwehren.   

Weit kritischer wäre ein Erdgas- Höchstpreis, den die EU denn auch nicht beschlossen hat: Zwar könnte Russland sein Gas mangels Leitungen nicht so leicht teuer an andere Abnehmer verkaufen, aber Europa, Deutschland und allen voran Österreich litten dramatisch unter einem Lieferstopp: LNG aus den USA, das die Lücke vor allem füllen müsste, kostet das Doppelte.

Gleichzeitig strotzt die Hoffnung, dass der russische Staat durch Embargos pleite gehen könnte, wie Ratingagenturen glauben machten, nachdem sie die russische Währung auf Ramschniveau heruntergestuft hatten, von ökonomischer Ahnungslosigkeit: Staaten, die über eine eigene Notenbank verfügen, können immer für genug Geld sorgen. (Im Übrigen hat Russland trotz Beschlagnahmen auch noch ausreichend Devisen.) Genauso falsch ist die Hoffnung, dass Putin dank Embargos zu wenig Geld für Waffen und Munition haben könnte. Russische Waffen kauft er mit Rubeln, die ihm seine Notenbank beliebig liefern kann – ausländische Waffen braucht er nicht. Waffenimporte machen nur gerade 0,7 Prozent der gigantischen russischen Waffenexporte aus, die die zweitgrößten hinter der USA sind.

Mit Abstand am ehesten kann (soll) man Putin mit größeren Waffenlieferungen an die Ukraine am Schlachtfeld zum Einlenken zwingen – mit Rohstoff- Embargos kann man es nicht.

Ein Kommentar

  1. Einverstanden. Aber viel bedeutender erscheint mir Der Lingens-Text über den Mythos Neutralität, den ich eben kommentiert habe – aber offenbar geht ern icht durch.
    Ich versuchs hier noch einmal:
    Danke für diese besonders vielseitig beleuchtete und trotzdem ganz klare, eindeutige und auch genügend kurz gehaltene Darstellung von unwiderlegbaren Tatsachen. Ich hoffe, dieses Traktat erreicht möglichst viele Österreicher und insbesondere alle Politiker, die in Österreich an den Schlüsselstellen werken. Mir ist zwar bewusst, dass es einen langwierigen Prozess brauchen wird, diesen absurden Neutralitäts-Mythos in den Köpfen unserer Bevölkerung zu löschen, aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben.
    (Mag. Friedelwolf WICKE-JABORNEGG
    auf der Webseite meiner Frau Edith SCHREIBER-Wicke

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