Die Wahl 2024 entscheidet, ob uns die Kickl-FPÖ regiert – und die SPÖ hat keinen überzeugenden Spitzenkandidaten. Vielleicht ist eine Ämterteilung ein gangbarer Ausweg.
Wenn man die FPÖ Herbert Kickls wie ich für faschistoid hält, muss man die Wahlen von 2024 als wichtigste der 2. Republik ansehen. Denn die Österreicher sind ein Volk, das diese FPÖ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur stärksten Partei macht, so dass die reale Gefahr besteht, dass sie uns künftig regiert.
Die Gefahr bestünde nicht, wenn Karl Nehammer wie Pamela Rendi-Wagner, Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger erklärte, dass verbindliche Zusammenarbeit mit der FPÖ im Bund für ihn nicht in Frage kommt – aber das wird er nicht. Darüber verärgerte Linke sollten sich freilich erinnern, dass es der große Bruno Kreisky war, der 1970 den Cordon sanitaire durchbrach, der eine solche Zusammenarbeit ausschloss. Die von ihm arrangierte rot-blaue Koalition unter Fred Sinowatz`, nicht die schwarz-blaue unter Wolfgang Schüssel war der endgültige Tabubruch.
Diesmal wird die FPÖ anders als damals noch dazu die eindeutig stärkste Partei sein und das macht die aktuelle Situation so dramatisch: Eine FP-dominierte Regierung bleibt uns nur erspart, wenn SPÖ, Grüne und NEOS gemeinsam mehr Mandate als ÖVP und FPÖ erreichen. In jedem anderen Fall wird die ÖVP mit der FPÖ koalieren, weil Mitregieren ihrem Wirtschaftsflügel unverzichtbar scheint und man sich der erfolgreichen Zusammenarbeit unter Sebastian Kurz erinnert, auch wenn nun Kickl Kanzler sein wird.
Damit ist, um das zu verhindern, unerlässlich, dass Rot-Grün-Pink bis 2024 eine Mehrheit gegenüber Blau-Schwarz erringt und das ist deshalb so schwierig, weil sie in einem ähnlichen Wählerreservoir fischen und es nichts bringt, wenn sie einander Wähler wegnehmen. Es kann nur gelingen, wenn der SP-Kanzler-Kandidat Wähler aus der FPÖ und der ÖVP hinzugewinnt oder Nichtwähler zu SP-Wählern macht.
Dafür scheint primär Hans Peter Dokozil am besten geeignet. Nicht nur seine eigenen Umfragen, sondern auch Umfragen unabhängiger Institute sagen, dass die SPÖ mit ihm an der Spitze besser abschnitte. Nur sind Umfragen unter theoretischen Annahmen höchst ungenau – dass der ehemalige rote ORF- Intendant Gerhard Zeiler erklärte, eine Doskozil-SPÖ auf keinen Fall wählen, hat kaum weniger Gewicht als eine solche Umfrage. Erhebliches Gewicht hat allerdings auch der Umstand, dass Ex-Kanzler Christian Kern offenkundig dem Team Doskozils angehört und ihn in Zukunft beraten wird, denn Wirtschaftskompetenz wird für den Erfolg wesentlich sein. Derzeit fordert Doskozil mit dem Mindestlohn etwas jedenfalls Vernünftiges und hat ihn, wenn auch an suboptimaler Stelle, nämlich bei den eigenen Landesbediensteten, auch verwirklicht. Auch die Anstellung Pflegender beim Land ist nichts Optimales, aber dafür Reales. Und ein landeseigenes Busunternehmen war eine ziemlich gute, grüne Idee.
Was am meisten gegen Doskozil spricht, ist sein Verhalten gegenüber Pamela Rendi-Wagner: Sie durch Monate schlecht zu machen, ohne selbst zu kandidieren, war parteischädigend. Deshalb ist leider nicht sicher, dass Doskozil unter Rechten und Nichtwählern so viele Wähler hinzugewinnt, wie er innerhalb der SPÖ zu Nichtwählern macht.
Die von ihm kritisierte Pamela Rendi-Wagner hat in meinen Augen freilich bewiesen, dass sie Kanzlerkandidatin nicht kann. Ihr Ehrgeiz ist beeindruckend, sie sagt auch nichts grundlegend falsches, aber es ist charakteristisch, dass kaum jemand weiß, was sie sagt. Dass die SPÖ in einer für sie optimalen politischen Situation so schlecht abschneidet, liegt jedenfalls nicht nur dran, dass Doskozil ihre Stellung ständig geschwächt hat und Herbert Kickl ein so perfekter Demagoge ist – Rendi-Wagner ist (anders als Gesundheitsministerin) einfach nicht überzeugend. Und dass sie erst jetzt einen anderen Parteisekretär neben (statt anstelle von) Christian Deutsch sucht, zeigt, dass sie einfach zu wenig vom politischen Handwerk versteht.
Das kann man dem dritten SP-Kandidaten Andreas Babler nicht nachsagen: In Traiskirchen mit dem größten Flüchtlingslager des Landes eine satte politische Mehrheit zu erzielen, ist ein eindrucksvolle Leistung. Ihr steht freilich eine eindrucksvolle politische Fehlleistung gegenüber: Sich mit dreißig für den Öxit auszusprechen, ist mehr als eine Jugendsünde, so sehr ich die neoliberalen Versäumnisse der EU geißle. Und dass sich mit der SJ-Frontfrau Julia Herr eine Abgeordnete für Babler engagiert, die in der Nato die Hauptschuldige des Ukrainekrieges sieht, spricht auch nicht rasend für ihn. Sein wirtschaftliches Programm ist sympathisch links, aber denkbar einfach gestrickt – ich zweifle, dass er wirtschaftliche Probleme auch nur entfernt wie Christian Kern durchschaut. Trotzdem kann ich mir von Babler am ehesten vorstellen, dass er Nichtwähler zu SP-Wählern macht, denn dieses Reservoir ist, wie Kay Michael Dankl mit der “KP plus” in Salzburg gezeigt hat, erstaunlich groß.
Damit komme ich zu folgendem wenig befriedigendem Schluss: Nur Babler und Doskozil haben eine vage Chance, die blau-schwarze Mehrheit zu verhindern, aber vermutlich wird dank der Unterstützung fast aller Parteigranden am ehesten Pamela Rendi- Wagner die SPÖ anführen. Den einzigen realistischen Ausweg halte ich daher für weit schwieriger als Christian Kern: Rendi- Wagner bleibt Parteichefin, Babler wird einer ihrer Stellvertreter und neuer Parteisekretär, Doskozil geht als Spitzenkandidat ins Rennen und alle Beteiligen sind aus Liebe zu Österreich zu diesem Kompromiss bereit.
5 Kommentare
Seit wann wird es als Gefahr gesehen, wenn die Mehrheit des Volkes die bestimmende Kraft ist? Hab ich etwas verpasst. Oder kann man sich auf Wahlmanipulationen nicht mehr wirklich verlassen? Kluge, mutige Köpfe braucht das Land. Keine Genderkasperle.
Sehr geehrter Herr Lingens!
Was würden Sie einem ratlosen Parteimitglied raten?
Wen soll dieses Mitglied bei der Mitgliederbefragung am besten wählen??
Rendi-Wagner, Doskozil, Babler oder gar
“keinen der drei” um alle drei zur Besinnung zu bringen?
Die Häme, die letzteres zur Folge hätte, möchte ich der Partei jedenfalls nicht antun.
Keiner der Drei ist geeignet !
Die Wahl wird sehr knapp ausfallen und es wird bei dem Durcheinander bleiben.
Ein unglaublicher Vorschlag im letzten Satz – das würde ja bedeuten, dass in der Politik einmal Vernunft, Realismus und Teamfähigkeit gelebt würden. Und dass die SPÖ eine echte Chance hätte …
Babler hat den größten usp, die beste Rhetorik. erinnert erstmals seit Kreisky an die Sozialdemokratie, wie sie ursprünglich gedacht war, erinnert mich an Isabel Allende, die mit ihrem “ihr müsst fordern” vom Balkon aus die Herzen eroberte, und das alles in größter Selbstverständlichkeit. Er ist der stärkste Mitbewerb zu kickl. Denn vor allem eines ignoriert die SPÖ: außerhalb ihrer Blase sind mio Menschen, die die Impfpflicht (etc) nicht verdaut haben, ob ungeimpft oder ungewollt geimpft. Und diese Spö-Stammwähler waren Kickl dankbar, über lange Zeit. Und selbst wenn sie früher die fpö oder kickl für die letztwählbaren hielten, für sie hat es sich verschoben. Dieses kickl, der Teufel, ist für sie fast hilflos lächerlich, greift nicht mehr, andere sind zum roten Tuch geworden. Bei allem verbliebenen Zweifel gegenüber der Fpö, nämlich ob sie ausreichend zähmbar wäre in einer Koalition mit der spö, und diese bleiben auch bei jenen, die
die fpö vom Altar der Ausgrenzung genommen haben. Die Menschenverachtung der Fpö, stets ausreichend Grund für ein nogo, fokussierte die Zugewanderten/Flüchtlinge. Nur, was haben die übrigen Parteien in den letzten Jahren getan? Das gleiche, nur gegenüber Millionen österreichern. Sie haben Nichtimpfer und Waffengegner mit Unmengen an rabiaten Begriffen zugeschüttet, mit Verachtung und Ächtung. Also?!
Die spö setzt daher mit ihrem Mantra “nur kein schwarz-blau” auf das falsche Pferd. Völlig falsche Taktik. Die övp ist für viele die schlimmste Partei geworden. Und zumindest 4 Parteien können das Pech der Impfpflicht und diverser Maßnahmen nicht. von ihren Händen waschen. Die spö unterschätzt das total. Mit diesem Mantra stärken Sie die fpö nur. Sie erinnern die vertriebenen entfremdeten enttäuschten ex-oder-noch-spö-Wähler nur täglich daran, von wem sie damals in der existenziellen Impfbedrängnis Hilfe bekamen, wer am ehesten die Neutralität erhält.
Babler ist außerdem die Kraft nach vor, er könnte als einziger ein bisschen vergessen machen. Dass das alles die spö unterschätzt, wird ihr zum Verhängnis werden, es bleiben. Doskozils und PRWs Hände sind mehrfach klebrig. Und selbst Kern hat den Trumpf verspielt, indem er kürzlich ebenfalls die Nichtimpfer zur Überraschung seiner fans aufs schlimmste abgewertet hat.