Unsere Schuldenquote von 77,8 Prozent ist ein Scheinproblem. Dass wir zu den höchsten Lohnstückkosten der EU produzieren ist ein echtes. Was macht den Unterschied?
Österreich wird bekanntlich demnächst, wie Frankreich oder Italien schon jetzt, von der EU dafür bestraft werden, dass sein Budgetdefizit drei Prozent überschreitet und dass es sich der Staatsschuldengrenze von 60 Prozent des BIP kaum genähert hat. Der Chef des Fiskalrates Christoph Badelt hat pflichtgemäß vor der kommenden Strafe gewarnt und Sparsamkeit gefordert, aber immerhin auch kurz darauf hingewiesen, dass die Corona-Krise und die hohe Inflation zu bewältigen waren, Holger Bonin, Chef des Instituts für höhere Studien, hat das immerhin sehr deutlich getan. Beide hätten freilich auch darauf hinweisen können, dass die Drei- wie die 60 Prozentgrenze der EU höchst umstritten sind. Die Studie von Kenneth Rogoff, auf die sie sich beruft, enthält bekanntlich einen erwiesenen Rechenfehler, hat Staaten, deren Daten seiner These von der Schädlichkeit hoher Staatsschulden widersprechen, ungenügend berücksichtigt und sein Resultat kam überhaupt nur auf der Basis einer einzigen Wirtschaftskrise – der Neuseelands im Jahr 1951- zustande. Dazu hätten sie auch in Frage stellen können, ob die von der EU verhängten Strafzahlungen weise sind? Was sie Frankreich, Italien oder Österreich kosten, können diese Staaten weniger in ihre Wirtschaft investieren.
Alle Diskussionen zu diesem Thema leiden darunter, dass „Schulden“ des Staates stets negativ mit „Schuld“ assoziiert werden, während Sparen des Staates mit der positiven Tugend der Sparsamkeit verwechselt wird. Natürlich soll Österreich „sparsam“ wirtschaften: Natürlich ist es verfehlt, den Flughafen Schwechat zum vielfachen Preis des vergleichbaren Flughafens von Malaga auszubauen; das größte mir diesbezüglich bekannte Fiasko bestand darin, das AKH zum sechsfachen Preis eines gleich großen, gleich ausgestatteten Klinikums in Aachen zu errichten. Dennoch hat man das den beiden Bauherrn, Wiens Bürgermeister Leopold Graz und Finanzmister Hannes Androsch nie zum Vorwurf gemacht, denn zumindest Androsch konnte ins Treffen führen, dass er Österreich auf andere Weise massiv voran gebracht hat: Er hat zwar stets Budgetdefizite gemacht, aber unser Wohlstand ist nie stärker als in seiner Ära gewachsen, hat der Staat sein Geld doch höchst erfolgreich investiert.
Die Unsinnigkeit, der Staatsschuldenquote überragende Bedeutung zuzumessen, ist am besten am Beispiel Japans zu illustrieren. Sie ist mit 252,4 Prozent die höchste der entwickelten Welt und müsste laut Rogoff die größte Pleite der Geschichte bedingen. Aber Japans Wirtschaft wuchs heuer mit 1,2 Prozent besser als die sparende deutsche und Japans Rating liegt wie das deutsche bei Tripple A. Leute, die Japans Daten als Einwand gegen die Staatsschuldenhysterie nicht gelten lassen wollen, weisen darauf hin, dass es seine Schulden voran bei der eigenen Bevölkerung hat – aber warum soll es schlimmer sein, dass Österreich sie bei Deutschen, Amerikanern oder auch Japanern hat? Wobei man allerdings auch das Rating der führenden Agenturen von Moodys bis Fitsch nicht so ernst nehmen sollte: Sie beurteilten auch die toxischen US-Derivate von 2009 mit Tripple A und vergaben die gleiche Note an Spanien, das Tage später seine größte Immobilienkrise erlebte. Am vernünftigsten ist es, sich die größten Unternehmen eines Landes anzusehen und da weiß man gleich, warum Japan nicht pleite ist: Sein größtes Unternehmen, Toyota, verzeichnete 2022 mit einem globalen Umsatz von 338,5 Milliarden US-Dollar ein Umsatzwachstum von 18,4 Prozent; das Konglomerat Mitsubishi, steigerte seinen Umsatz um 24,8 Prozent auf 196,5 Milliarden.
So wie man sich also Japans beste Unternehmen anschauen soll, soll man das auch in Österreich tun: Da verzeichnete unser größtes Unternehmen, die OMV, dank Ölpreisexplosion seinen höchsten Umsatzerlös von 39 Milliarden. Und trotz denkbar schlechter Stahlkonjunktur stieg selbst der Umsatzerlös der VOEST von 2021 auf 2022 um 39 Prozent, auch wenn das nur Millionen, statt wie davor Milliarden einbrachte. Ähnlich gut funktionieren unsere vielfach weltmarktführenden Mittel- und Kleinbetriebe. Natürlich hätte die Regierung sie treffsicherer durch Corona und Inflation führen können – aber sie hat sie über diese Krisen hinweggebracht und daher sind unsere 77,8 Prozent Staatsschuldenquote für Leute, die etwas von Wirtschaft verstehen- anders als die EU-Kommission- ein Scheinproblem.
Es gibt allerdings zwei echte Probleme:
- Unsere Löhne wurden anlässlich der Inflation zu stark erhöht, weil man von der Benya-Formel ausging, die auf Grund der Ölpreisexplosion nicht mehr anzuwenden war und weil unser Haupthandelspartner Deutschland sie wie stets am wenigsten erhöhte. Das kostet unsere Exportindustrie Konkurrenzfähigkeit und muss bei der nächsten Lohnrunde berücksichtigt werden.
- Wir leiden an Facharbeitermangel. Dank unserer zuvor sehr zurückhaltenden Lohnpolitik haben wir, wie Deutschland, von anderen Ländern viele Aufträge hinzugewonnen, die abzuwickeln sind. Am ehesten ließe sich der Fachkräftemangel lindern, indem die vorhandenen Arbeitskräfte später in Pension gehen – aber das tun sie nicht, obwohl sie auf Grund der steigenden Lebenserwartung auch immer mehr Pensionisten finanzieren müssen. Vernünftiger Weise muss die Lebensarbeitszeit der dramatisch gestiegenen Lebenserwartung automatisch angepasst werden. Aber das geschieht nicht, weil Pensionisten die größte Wählergruppe sind.
6 Kommentare
Danke wie immer für die Aufarbeitungen.
Ich tue mir aber wirklich schwer mit der allgemeinen Aussage „Unsere Löhne wurden anlässlich der Inflation zu stark erhöht, “ – ich weiß was Sie meinen, denke ich zumindest, aber Sie gehen hier diesmal selber einer Sache auf den Leim: Ja, die Antwort auf Inflation sollte auf keinen Fall grundsätzlich heißen, die Gehälter erhöhen…aber wenn die Verkaufspreise der Firmen bereits angepasst wurden an diese, dann ist die Frage wohl danach, von welchen Menschen nun sehr Löhne erhöhen und von wem nicht.
Meiner Ansicht ist die Frage eher, was zuerst passiert und wie die Wirtschaft und danach die Politik darauf reagiert: 1. Was ist mit Finanzmarkt und warum, 2. passiert mit den Kosten der Firmen? 3. und nun mit den Verkaufs-Preisen? …4. und dann aber sehr wohl: und was nun mit den Löhnen? Ich kann Ihre Aussage meiner Schwiegermutter nicht argumentieren, denn Sie hat recht: Sie braucht jeden Cent mehr! Bzw. auch: was ist mit meinen Kosten (ich bin Klein-Unternehmer), geht sich das aus? (sehr knapp kann ich Ihnen versichern – hoffe ich)
So sehe ich zumindest die Reihenfolge und die richtige soziale Betrachtung. Danke.
Sie haben Recht – wie immer. Leider lesen offenbar weder unsere Politiker noch die der EU Ihre gescheiten Beiträge …
Herr Thomas Hüttl,
Danke für Ihre Rückmeldung. Ich weiß, dass der Kauf von Dingen, die man sich nicht leisten kann, heute mit Sondervermögen bezahlt wird. Dieses Vermögen wird sicher bald mit Zinsen belohnt werden. Uneingeschränkt Geld drucken können, bis dato, nur die Amerikaner, weil die FED in privaten Händen liegt. Unrecht wird aber nicht zu Recht, Lügen werden nicht zur Wahrheit, auch dann nicht wenn man es umbenennt. Weiblen bleiben Weiblein.
Männlein bleiben Männlein. Schulden bleiben Schulden. Ein Staat muss und kann fremdes Geld in die Hand nehmen. Doch nicht Milliarden für Genspritzmittel, Lockdowns Produktivitätseinschränkungen, Gesundheitsbeeinträchtigungen der gespikten Leichtgläubigen, Sky Shild, unsägliche Sanktionen usw.
Aber es gibt auch Menschen, die erklären uns, dass der Frieden durch Waffengewalt entsteht. Oder noch besser die immerwährende Klimaveränderung lässt sich durch CO2 Einsparung abwenden. Dabei sinkt die Atemfrequenz der Lebewesen bei geringem CO2 Gehalt der Luft. Das Wachstum der Pflanzen reduziert sich. Das soll die Lösung sein.???? MÄRCHENERZÄHLER* an die Front.
Männlein bleibt Männlein usw.
– Gott ich habe Angst vor Menschen wie Ihnen die alles in einen Topf werfen. Absolut gerechtfertigte Kritik an Politik und Wirtschaft und im gleichen Atemzug solche Aussagen uvm. die einfach Schwachsinn sind – Sie müssen bitte Ihre Bilder überarbeiten. Die Hälfte Ihrer Kritik soll die Welt hören, ja, aber andere Hälfte ist nicht nur veraltet und konservativ, sondern Verschwörungstheorie und gefährlich! Bitte differenzieren Sie! Meine Freunde können Mann oder Frau sein wie sie wollen – die Natur hat allen Lebewesen alle möglichen Erscheinungsformen gegeben. Wie ein Mensch sich fühlt, so ist er – so lange ein Mensch den anderen nicht angreift, darf er sein wie er will – es geht sie genau gar nichts an, wie jemand anders fühlt – alles andere ist faschistisch und aggressiv dumm.
Nach solchen Aussagen habe ich auch keine Lust mehr über die anderen Dinge mit Ihnen zu reden. Sie werden so oder so glauben, dass ein Hr. Kickl die Sache besser macht…na dann hinterfragen Sie bitte Mal die Historie der FPÖ genau so kritisch an wie Sie den Rest der Welt hinterfragen.
Wenn ich die Sterberate bei der Statistik Austria abfrage, ist diese seit 2020 bis 2023 jährlich um 10 % gestiegen. Bis dorthin hatten wir eine steigende Lebenserwartung. Die Impfung wirkt offensichtlich und langfristig, positiv für die Pensionsversicherungen. Eine dramatisch gestiegene Lebenserwartung kann ich seit der massenhaften Gentherapie bei dieser Übersterblichkeit, beim bessten Willen, nicht erkennen. Ich hoffe die Statistik Austria sind keine Märchenerzähler*. Die vielen Einwanderer in unser Sozialsystem werden die Probleme auch nicht lösen! Es läuft nicht so rund, wie oft in den Massenmedien dargestellt wird. Die kriegsertüchtigung von Europa hilft auch nur der Waffenindustrie und deren Oligarchen, die die Politik diktieren. Dem Armenhaus Europa kommen wir mit unausweichlichen Schuldenrückzahlungen am schnellsten nahe. Das Schuldenmachen ist leicht. Den Bürokratismus und den Miltärischen Komplex aufblähen auch. Vielleicht gibt es da Zusammenhänge? Die stümperhafte Politik, die das zu verantworten hätte, ist jedoch nicht alternativlos. Das Schuldenjoch mussen die Bürger tragen, nicht die Verursacher. Die Bürger eines jeden Staates wollen aber in Freiheit leben und nicht Sklavendienste ausführen und dafür noch Steuern bzw. HAUSHALTSABGABEN für ungenutzte Angebote bezahlen.
Herr Plöderl,
ich kann Ihre Sicht auf die Dinge durchaus nachvollziehen, und, ich kann hier zwei Punkte von Hr. Lingens auch nicht ganz befürworten – das werde ich auch in einem Kommentar hinterfragen.
Aber da Sie hier so engagiert sind, sich also sichtlich mit diesen Themen auseinandersetzen – was ich bei jedem der das tut großartig und wichtig finde – wäre es sicher interessant ein paar Grundlagenbücher zu lesen. Für mich war das zumindest sehr wichtig.
Bei ein paar Dingen fallen Sie nämlich genau auf das hinein mit denen Hr. Lingens grundsätzlich und ganz bestimmt recht hat:
* Schulden und Sparen sind bei einem Staat nicht zu denken wie in einem Haushalt. Soweit wie ich Sie verstehe, sieht es aber bei Ihnen doch danach aus. Das ist absolut falsch – ich dachte auch so, weil man das eben so mit diesen missverständlichen Worten bezeichnet.
* Sterberate und Lebenserwartung sind zwei verschiedene Dinge – bitte nicht direkt verbinden. Wie haben zu wenig Leute, weil in einem Staates nicht jedes Jahr exakt 10.000 Menschen geboren werden und somit unheimliche Schwankungen entstehen, und noch dazu bekommen ganze Generationen weniger Kinder …
* Bitte nicht: Eine „inszenierte“ Impfung die zT tödlich wäre? …das wäre das größte Finanzdebakel, dass sich ein Staat vorstellen kann. (Und ohne Ihnen die Freunderln in der Wirtschaft ausreden zu wollen – da haben Sie wiederum recht. Aber glauben Sie mir, nicht in diesem Größenausmaß. Das ginge nicht aufgrund von hunderten Firmen die an solchen Produkten involviert sind – die also alle mitmachen und informiert sein müssten. Sie glauben das wirklich? …und es gibt unzählige schwierige Kontrollstellen (ich vertraue hier einer Freundin die genau das beruflich tut). Es wäre wirklich nicht möglich, rein technisch und rechnerisch nicht.
* Waffenindustrie und Oligarchen – ich denke, da haben Sie auch recht. Aber da reden wir von einer handvoll unsympathischer gieriger Personen – aber was hat der Staat davon?
Auf jeden Fall, wenn hier „gebackelt“ werden wollte, dann müsste hier schon wieder zeitgleich an verdammt viele Personen ein großes Stück des Kuchens abfallen – und Sie glauben wirklich, dass würde sich organisieren lassen? Niemals, es gibt nicht nur Whistle-Blowers, sondern auch ehrliche Leute wie Sie und mich, die im Laufe dieses Weges nicht mitspielen würden. Solche Dinge sind zu groß und zu breit.
Nicht Hr. Lingens Meinung bin ich – gerne meinen Kommentar lesen.