Kursrückgang: Ein Wahlgeschenk für Trump

In bundesweiten Umfragen zurückgefallen, kann Donald Trump die Demokraten dank gesunkener Aktienkurse für angeblich katastrophales Wirtschaften verantwortlich machen.

Donald Trump lag, wenn auch nur bundesweit, in Umfragen erstmals hinter Kamala Harris, als ihm am vergangenen Montag ein Wahlgeschenk zuteil wurde. das er in den kommenden Wochen ausschlachten wird: Der Einbruch der US-Börsen gibt ihm die Möglichkeit zu behaupten, dass die Administration Biden-Harris katastrophal gewirtschaftet hätte- so wenig das der Wahrheit entspricht. Weil viele Amerikaner Aktien besitzen können die hohen Verluste sehr prominenter, (populärer) Aktien auch direkten Einfluss auf das Wahlverhalten haben.

Anlass der Kursverfalls (S&P -4 Prozent Nasdaq 100 -5,5 Prozent) waren bekanntlich überraschend schlechte Daten vom US-Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit war signifikant gestiegen und die Zahl neuer Jobs lag signifikant unter den Erwartungen. Das konnte die Sorge wecken, dass die US- Wirtschaft einer Rezession entgegengeht und als Lokomotive „westlichen“ Wirtschaftswachstums ausfällt, nachdem schon Deutschland als Lokomotive europäischen Wirtschaftswachstums ausgefallen ist. Jedenfalls führte diese Sorge zu einer Panik an der Börse von Tokio, weil dort drei Ängste  zusammentrafen:

  • Das gestiegene Risiko eines Flächenbrandes in Nahost schürte die Angst, dass sich Öl und Lieferungen durch den Suezkanal neuerlich verteuern.
  • Eine Aufwertung des Yen schürte die Angst, dass Japans Waren im Export zu teuer wären.
  • Wenn mit den USA  Japans größter Exportmarkt tatsächlich schwächelte, so  musste das begreifliche Angst vor einem dramatischen Rückgang japanischer Exporte schüren.

Summiert bewirkten diese Ängste Japans schlimmsten Börsencrash seit Jahrzehnten. (Nikkei -12,4 Prozent) Die Schockwelle, die der Mega-Crash der fünftgrößten Börse der Welt auslöste, ließ, den Zeitzonen folgend, zuerst Europas Börsen einbrechen und erreichten vergangenen Montag Mittag unserer Zeit ihren Ausgangspunk USA. Dort brachen voran die Aktien massiv ein, die zuvor einen vielleicht übertriebenen Hype erlebt hatten- allen voran NVIDIA (- 14,5 Prozent) das Chips für „Künstliche Intelligenz“ herstellt: Die Investoren zweifelten plötzlich, dass KI so rasch Gewinne generieren wird. Der allen Börsen eigene Herdentrieb riss alle Technologie-Werte mit nach unten. Ebenso unter die Räder kam die seit jeher massiv überbewertete Aktie von Tesla, weil der Gewinn aus dem E-Auto-Geschäft zuletzt sehr dürftig ausgefallen war. Und weil Starinvestor Warren Buffet sich von der Hälfte seiner Apple-Aktien trennte, stürzte auch diese prominente Aktie ab und das riss sämtliche Kurse mit, so wenig das dem Zustand der US-Wirtschaft entsprach.

Dass die Arbeitslosen-Zahl, die am Beginn dieser Kettenreaktion steht, so hoch ausgefallen war, hatte nämlich einen speziellen Grund: Weil es in den USA, wie in der EU, 2022 eine Inflation gegen 10 Prozent gegeben hat, hatte die US-Notenbank FED schon vor der EZB die Zinsen erhöht. Sinn dieser Maßnahme laut Lehrbuch: ein Boom soll abklingen, die Auslastung der Unternehmen soll sinken und die Arbeitslosigkeit soll steigen, so dass es Arbeitskräften schwer fällt, Lohnerhöhungen durchzusetzen. Denn offenbar sah die FED die Hauptursache für die Inflation in überhöhten Löhnen. Diese Sicht war in den USA nicht so unberechtigt wie in der EU, denn sowohl unter Donald Trump wie unter Joe Biden waren die Löhne stark gestiegen. Der größere Teil der Inflation wurde auch in den USA durch die weltweite drastische Verteuerung von Öl und Gas bewirkt, die die Kürzung der Öl-Förderung durch Russland und die OPEC mit sich gebracht hat.

Allerdings gingen der Öl und Gaspreis schon sehr bald wieder zurück, weil die USA mehr in ihr Fracking investierten, weil Norwegen mehr Gas förderte, weil kleine Produzenten außerhalb der OPEC mehr Öl lieferten und alternative Energiequellen zunahmen. Im gleichen Ausmaß ging die Inflation zurück, die ich lieber Teuerung nenne, solange es sich nicht um einen sich selbst verstärkenden Prozess handelt, bei dem Lohnerhöhungen die entscheidende Rolle spielen. War die von der EZB extrem rasch vorgenommene massive Zinserhöhung mit Sicherheit falsch, weil die Reallöhne in der EU vielfach sogar gefallen waren, so war die Zinserhöhung der FED  insofern besser  gerechtfertigt, als hohe Löhne jedenfalls eine Rolle für die Teuerung spielten, vor allem aber, weil die USA unter Biden reichlich investierten, so dass Geld nach der Überwindung der Pandemie, anders als in der EU, nicht mehr billig sein musste, um Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Dennoch war die FED vorsichtiger als die EZB vorgegangen, indem sie ihre Zinsen in viel kleineren Schritten erhöht hatte, obwohl die starke US -Wirtschaft teureres Geld viel besser als die schwache EU-Wirtschaft vertrug Vorerst hat die US-Börse die Hälfte ihrer Verluste jedenfalls schon aufgeholt und die FED dürfte bald einen größeren Zinsschritt nach unten vornehmen. Ob er reichen wird, die Wahlchancen von Kamala Harris und Tim Walz durch perfekte Konjunkturdaten zu unterstützen erhöhen, ist schwer zu sagen.

 

 

 

Ein Kommentar

  1. Trump redet eine Menge Unsinn. Seinen Anhängern ist das egal, sie wählen ihn auf jeden Fall. Für die Wechselwähler ist noch viel Zeit zum Überlegen, und bis zum November können die Börsen schon wieder ganz anders aussehen. Die Entscheidung wird sich m.E. mehr auf der emotionalen Ebene abspielen: alter weißer Mann, der hemmungslos über die Gegner herzieht, aber die Aura des erfolgreichen Geschäftsmannes hat, gegen farbige jüngere Frau – mit positiver Ausstrahlung, die die Politik der vergangenen Jahre mitverantworten muss, – und einen humorvollen weißen Vize, der offenbar die Sprache der einfachen Leute spricht. Der Ausgang ist derzeit total offen, in den nächsten Monaten kann noch viel passieren.

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