Indem Brüssel fordert, zusätzliche Milliarden einzusparen, vertieft es die Rezession. Aber man kann Geld sparsamer einsetzen. Der Föderalismus ist das größte Hindernis.
Wer immer Österreichs nächstes Budget erstellt, tut mir leid: folgt er Brüssels Vorgabe, jährlich zusätzliche 2,5 Milliarden Euro einzusparen, vertieft er die Rezession – folgt er ihr nicht, zahlen wir Strafe. Dazu vorweg eine Klarstellung: So sicher ich bin, dass Sparen des Staates Wirtschaftswachstum kostet, so sehr soll der Staat “sparsam” wirtschaften. Es stimmt, dass ihm das oft schwerer als privaten Investoren fällt. Im schlimmsten mir bekannten Fall, beim Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, betrugen die Kosten dank Korruption und zughörigen Abwicklungsfehlern mit 45 Milliarden Schilling (3,27 Milliarden Euro) das Sechsfache eines vergleichbaren Klinikums in Aachen. Allerdings hat Österreichs Wirtschaft selbst in diesem Fall keine 2,33 Milliarden Euro verloren, denn der Großteil des Geldes blieb dank der überhöhten Gewinne der beteiligten Firmen im Land und wurde von ihnen (hoffentlich sparsamer) reinvestiert: vom Staat ausgegebenes Geld kommt dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) selbst im schlimmsten Fall zugute. Staatsausgaben streng zu kontrollieren und die Abwicklung von Projekten durch den Staat tunlichst zu vermeiden, ist also höchst sinnvoll – große Staatsausgaben grundsätzlich abzulehnen, ist es nicht: Österreich schrieb in der Ära des für den Bau des AKH Hauptverantwortlichen Finanzministers Hannes Androsch ständig Budgetdefizite, doch Österreichs Wohlstand wuchs wie nie.
Das alles ist für Österreichs künftigen Finanzminister freilich irrelevant. Da wir EU-Mitglied sind, hat er Brüssels Sparvorgabe zu erfüllen. Es bleibt ihm also nur der von Karl Nehammer empfohlene Weg, Budgetposten für Budgetposten in Frage zu stellen. Der Aufschrei derer, denen etwas weggenommen wird, wird freilich gewaltig sein, denn “Förderungen”, wie sie voran zur Diskussion stehen, sind selten sinnlos und weniger Fördergeld wird dem BIP auf jeden Fall fehlen. Um zwei große Spar-Kandidaten zu analysieren: Natürlich ist die Förderung des Klimaschutzes durch Wärmepumpen und den Umstieg auf E-Autos teuer; es war vielleicht falsch, die Förderung von Firmenautos zu beenden, während sie für reiche Tesla-Käufer vielleicht überflüssig war. Aber Förderung erfolgreich zu differenzieren ist extrem schwierig und die finanziell wichtigere Frage lautet: Schafft unsere Wirtschaft ein BIP, das uns die rasche Reduktion des CO2 Ausstoßes gestattet? Ähnlich teuer sind hohe Beamtenpensionen und absurde Pensionsverträge für Mitglieder der Nationalbank – aber es sind Verträge und wenn die Senkung gewisser Pensionen die Kaufkraft senkt, senkt das auch das BIP. Klar ist einzig: Die Pensionspolitik muss berücksichtigen, wie sehr die Lebenserwartung gestiegen ist. Ansonsten sind Eingriffe ins Pensionssystem einmal mehr extrem schwierig und am wichtigsten ist abermals: Schafft die Generation, die die Pensionen der vorangegangenen Generation finanzieren soll ein BIP, das ihr das ermöglicht?
Die Regierung sollte daher meines Erachtens lieber prüfen, was die größten “einheimischen” Hindernisse für Wirtschaftswachstum sind. Die ÖVP wird sofort auf zu hohe Unternehmenssteuern verweisen, aber deren gewaltige Reduktion in den letzten zwanzig Jahren geht mit einem denkbar niedrigen Investitionsniveau einher. Ebenso umstritten ist, ob die Abschaffung der Lohnnebenkosten der Wirtschaft wirklich hilft, denn gleichzeitig kann sie Kaufkraft kosten und jedenfalls schafft sie ein Loch im Budget.
Mit Sicherheit nutzen würde uns hingegen, interne Hindernisse für die sparsame Allokation von Mitteln zu beseitigen und das größte davon ist überbordender Föderalismus in einem Land von der Größe Bayerns. Statt Großspitäler so zu errichten, dass sie ein maximales Einzugsgebiet versorgen, baute jedes Bundesland sein eigenes, selbst wenn es dem des Nachbarbundeslandes benachbart ist. Einige Bundesländer kennen kaum befahrene Autobahnen, weil ihre Landesfürsten sie durchzusetzen vermochten. Das Wiener U-Bahn Netz wird nicht auf nahe Ortschaften im schwarzen Niederösterreich erweitert. Die Gesundheitspolitik wird durch die Unterscheidung in Bundes- und Landeskompetenzen unendlich erschwert- bis heute hat Österreich bei einer Pandemie keine Übersicht über die jeweiligen Betten-Kapazitäten.
Am hinderlichsten sind neun verschiedene Vorschriften: Ich hatte einmal eine Firma für Heizungstechnik, deren Lizenzgeber ein großes steirisches Unternehmen war; dabei stieß ich in Wien immer wieder auf Großaufträge, die ich dem Steirer vermitteln wollte, doch deren Geschäftsführer winkte ab: “Um den Vorschriften in Wien zu genügen, müsste ich meine Leute eigens umschulen – ich bin in Wien nicht konkurrenzfähig.” Dennoch gibt es neun verschiedene Bauordnungen; neun Naturschutzgesetze, neun Katastrophenschutzgesetze – in einigen Bundesländern werden Unwetterschäden jetzt zu 20, in andren zu 100 Prozent ersetzt; wer seine Öl-Heizung in Niederösterreich gegen Wärmepumpen tauscht wird weniger als in Wien gefördert. Selbst der Jugendschutz unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Alles was nicht ausdrücklich dem Bund vorbehalten ist, obliegt dem Land und um vielfach absurde Unterschiede zu zelebrieren finanzieren wir neun Landesregierungen. Die heilige Kuh des Föderalismus zu schlachten, wäre zweifellos am billigsten, ist aber undenkbar. Doch eine Partei, die es wagte, sie zumindest abzumagern, erhöhte ihre Chancen meines Erachtens erheblich.
3 Kommentare
Ähnlich teuer sind hohe Beamtenpensionen.
Es dürfte ihnen entgangen sein, aber meine Generation Beamte ist durchgerechnet und harmonisiert, de facto bekomme ich, wenn ich mit 67 in den ruhestand trete, eine ASVG-Pension. Einen höheren Zuschuss des staates zu meiner Pension bedarf es nur, weil der dienstgeber während meiner aktiven Zeit keine Dienstgeberbeiträge zahlt.
Das eine Problem ist die EU mit ihren Vorgaben, das andere sind unsere Landes”kaiser” – nicht nur die dieses Namens, sondern die, die mit ihrer Position auch Machtbewusstsein zeigen und sich – auf Teufel komm raus – auch an diese Macht klammern.
Die Forderung Dominik Wlaznys (BIER-Partei) nach Prüfungen für Politiker scheint mir nicht so unsinnig wie manche vielleicht glauben werden. Was hatte Ursula von der Leyen als Politikerin anzubieten, als sie auf den Sessel der EU-Kommissionspräsidentin gehievt wurde? Ein knapp ein Jahr dauerndes Archäologiestudium, das ihr anscheinend so peinlich ist, dass sie es nicht einmal erwähnt und den Beginn ihres anschließenden VWL-Studiums vordatiert hat. Danach doch noch ein abgeschlossenes Medizinstudium. Danach geht die Famiie vor und sie bricht ihre Facharztausbildung ab, Seit 1990 in der CDU, mit denkbar niedrigen Zustimmungswerten. Gegen massive Proteste Abschaffung des Unterstützungsgeldes für Blinde in Niedersachsen, danach Familienministerin und rund sechs Jahre erste Verteidigungsministerin Deutschlands, gefolgt von Kramp-Karrenbauer und Christine Lambrecht: jetzt muss der ‘verfahrene Karren’ der deutschen Bundeswehr von Boris Pistorius aus dem Dreck gezogen werden.
Inzwischen aber wurde von der Leyen, die Frau mit dem so sympathischen Lächeln, von Angela Merkel zur Kommissionspräsidentin vorgeschlagen, in die Liste der 100 Mächtigsten der Welt aufgenommen und 2022 vom Forbes-Magazin sogar zur ‘mächtigsten Frau der Welt’ gekürt.
Ein typisches Beispiel dafür, dass nicht ihre Leistungen als Ärztin, sondern nur die Seilschaften, denen sie sich angeschlossen hat, sie dorthin gebracht haben, wo sie heute ist.
Und die Qualifikationen unserer Landeshauptleute? Oder von Politikern generell?
Es gibt kein Fachstudium, um sich zum Politiker ausbilden zu lassen. Was man aber dafür zu brauchen scheint ist ein nicht zu kleines Selbstbewusstsein, ‘Anschieber’ und ‘Auffi’-zieher. also Menschen, die eine Karriere befördern können – weil diese hoffen, dass ihnen diese Hilfeleistung eines Tages vergolten wird, oder ein Vorgänger / eine Vorgängerin, die von der politischen Bühne abtritt und den Weg für eine(n) Neue(n) Platz macht.
So sympathisch Herrn Wlaznys Idee ist, sie wird sich leider nicht durchsetzen .
Aber vielleicht hat Frau von der Leyen im Hinterkopf doch noch aus Zeiten ihres kurzen Volkswirtschaftsstudiums einen Namen parat: John Maynard Keynes und seine Theorie von der Funktion des Staates in der Gesamtwirtschaft eines Staates.
Ja, die ehrenwerten Damen und Herren, die sie da anführen, müssten doch mit Schadenersatzklagen überhäuft werden. Dass dem nicht so ist, lässt auf ein miselsüchtiges, eigennütziges Justitzgefüge schließen. Die gute, neue Strafprozessordnung ist da sehr hilfreich.