Die Sparauflagen der EU maximieren die Rezession. Das Exportland Österreich steht vor extrem schwierigen Jahren. Die FPÖ regieren zu lassen, ist eine Überlegung wert.
Langsam kommen auch „Institut für Wirtschaftsforschung“ (WIFO) und „Institut für höhere Studien“ (IHS) drauf: Österreich befindet sich mit Deutschland in einer Rezession, in der es nicht zuletzt deshalb schlechte Karten hat, weil die Lohnstückkosten seiner Exportindustrie nach der letzten Lohnrunde zu den höchsten der EU zählen.
Das „Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche“ (WIIW), das seit Jahrzehnten die präzisesten ökonomischen Prognosen abgibt, teilt auch meine hier deponierten Sorgen bezüglich der Konsequenzen zusätzlichen Sparens des Staates, wie die EU es uns derzeit abverlangt: Es beeinträchtigte unser Wirtschaftswachstum erheblich.
WIIW-Experte Philipp Heimberger sagt darüber hinaus auch klar, was die Logik der EU sagen müsste: Wenn sie alle ihre Mitglieder gleichzeitig zum Sparen vergattert, so kumulieren die negativen Effekte und ihre Wirtschaftsleistung muss sinken. Von dieser Ansicht Heimbergers ist es nur mehr ein kleiner Schritt zu dem hier im Juni zitierten, mit Zahlen belegten Urteil des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stieglitz: “Europa spart sich kaputt“.
Folgt man den Berechnungen des Chefvolkswirts des Finanzhauses Namura, Richard Koo, so führt das, wenn man es fortsetzt, in die von ihm so benannte „Bilanzrezession“, wie sie Weltwirtschaftskrisen vorhergeht.
Ich führe das nicht an, um Sie zu erschrecken, sondern um vor Augen zu führen, dass nicht nur ich, sondern doch recht namhafte Ökonomen die Wirtschaftspolitik der EU-Kommission für gemeingefährlich halten, weil sie der von mir so oft strapazierten Saldenmechanik widerspricht: Wirtschaft kann nicht wachsen, wenn sich nicht irgendwer zusätzlich verschuldet; da Unternehmen das derzeit nicht tun, muss es der Staat sein, der auch genügend ihm zufallende Aufgaben hat: Er muss in den Klimaschutz investieren, Europas Verteidigungsfähigkeit gegenüber Russland stärken und die Leitungen ausbauen, die umfassende Digitalisierung erlauben, denn die ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt bis hin zur künstlichen Intelligenz.
Der Österreich von der EU auferlegte Zwang, nicht nur 2,5, sondern, wie man jetzt weiß, über 3 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich einzusparen, um sich der wissenschaftlich nie seriös begründeten Staatsschuldenquote von 60 Prozent des BIP anzunähern, ist die Krönung des diesbezüglichen Widersinns. Dass auch Italien, Frankreich, Belgien, Spanien oder Finnland mehr sparen sollen und dass alle anderen Staaten es schon bisher tun, maximiert (siehe oben) den negativen Effekt.
Gelingt es nicht, die EU-Kommission durch einen gemeinsamen Vorstoß der Betroffenen zur Besinnung zu bringen, so steht Österreich die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten bevor. Ich frage mich daher, ob es nicht das Beste wäre, ihre Bewältigung einer Regierung aus FPÖ und ÖVP unter Volkskanzler Herbert Kickl zu überlassen, halten beide Parteien die Sparpolitik der EU doch für richtig und lehnen die einzige Möglichkeit, mehr Geld für Investitionen zu erhalten, indem man die vermögensbezogenen Steuern erhöhte, aufs Energischste ab. Verbunden mit der in der Vergangenheit erwiesenen besonderen Unfähigkeit ihrer Wirtschaftsakteure müsste diese Regierung innerhalb kürzester Zeit ökonomisch so krachend scheitern, dass die FPÖ vielleicht für ein paar Jahrzehnte wieder zur Kleinpartei schrumpfte. (Ganz würde man sie nie los, denn die Österreicher neigen faschistoidem Denken und Fühlen mehr als andere Völker zu.)
Was mich davon abhält, der SPÖ ausdrücklich die Fortsetzung ihrer Opposition zu empfehlen, ist zum einen, dass ich den Österreichern zumindest krachendes ökonomisches Scheitern doch lieber ersparte, zum anderen, dass ich mich sorge, dass es Kickl gelingen könnte, Österreich in seiner Regierungszeit Orbanistan anzunähern, auch wenn ihm die Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen fehlt.
Nicht zuletzt halte ich für nicht ganz ausgeschlossen, dass eine Koalition aus ÖVP und SPÖ es doch um eine Nuance besser als Kickl machte. Denn Karl Nehammer scheint den Widersinn staatlichen Sparens zumindest zu ahnen, hat er in den jüngsten, den Sparauflagen der EU folgenden Diskussionen, doch dafür plädiert, besser das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Allerdings brauchte es auch dafür staatliches Geld und die einzige Möglichkeit, es trotz Maastricht zu erhalten, bestünde darin, die vermögensbezogenen Steuern (nicht nur die Erbschaftssteuer) zu erhöhen und damit die Senkung der Steuern auf Arbeit zu finanzieren, denn damit verbesserte man jedenfalls die Wirtschaftsstruktur.
Beate Meinl-Reisinger, die das in einem luziden Intervall zu verstehen schien, ist davon leider wieder abgekommen und empfiehlt stattdessen die absurde Schuldenbremse (auch wenn der Staat natürlich sparsam wirtschaften soll.)
Hätte ich es ursprünglich für sinnvoll gehalten, eine türkis-rote Regierung um die NEOs zu erweitern, um ihre Stabilität zu erhöhen, so sehe ich darin keinen Vorteil mehr – nur mehr Streit.
Es muss jemandem – ich bleibe bei der WiFO -Steuer- Expertin Margit Schratzenstaller- gelingen, Karl Nehammer vom Vorteil vermögensbezogener Steuern in Relation zu Steuern auf Arbeit zu überzeugen, während Philipp Heimberger ihn weiter darin bestärken müsste, dass Sparen des Staates der falsche Weg ist.
Wenn das nicht gelingt, verstünde ich, wenn die SPÖ die Opposition dem Regieren vorzöge.
Ein Kommentar
Lieber Herr Lingens, guter Artikel. Mir scheint, die Grünen stehen Ihren Ideen am nächsten. Leider wurden sie, obwohl sie mit Abstand die besten MinisterInnen hatten, mehr oder weniger abgewählt. Ca. 4%-Punkte gingen von den Grünen an Babler und Nehammer, wohl in der Hoffnung, dass damit Kickl verhindert wird. Schade drum.