Nur Dänemarks extrem restriktive, inhumane Flüchtlingspolitik konnte den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten stoppen
Ursula Von der Leyen begrüßte es als „spannendes Experiment“: In einem eingezäunten Lager bei Tirana sollen Männer, die Asyl in Italien erhofften, einen Bescheid abwarten. Obwohl ein Gericht die erste solche Aktion als unzulässig erklärte, will Georgia Meloni an dem mit Albanien vereinbarten „exterritorialen Asylzentrum“ festhalten, und etliche EU-Staaten verfolgen die Idee weiter. Etwas abschreckende Wirkung dürfte ihr innewohnen – für eine Lösung halte ich sie so wenig wie der Migrationsexperte Gerald Knaus: Dazu brauchte es Abkommen mit Ländern, die, wie die Türkei, bereit sind, Personen zu behalten, die abzuschieben wären oder sie auf- oder zurücknähmen – und die fehlen. Noch vor zehn Jahren hätte die EU freilich schon Melonis albanisches „Anhaltelager“ – denn das ist es – als “inhuman“ gegeißelt.
Florian Klenk fordert „das Strafrecht gegen die Feinde der offenen Gesellschaft in Stellung zu bringen“, wo sie von Islamisten unter den Zuwanderern bedroht ist und dennoch bei einer „fein austarierten“ Migrationspolitik zu bleiben, die weiterhin human ist“. Das war auch mein Zugang zur Migrationspolitik, aber ich weiß nicht, ob er sich aufrechterhalten lässt. Denn es gibt offenbar die vom deutschen Neurologen Hoimar von Dithfurt behauptete vorsteinzeitliche Prägung unseres Stammhirns, wonach die Zuwanderung sehr vieler „Fremder“ als massive Bedrohung wahrgenommen wird, auch wenn man kein Faschist ist, sie heuer extrem zurückgegangen ist und die eigene Bevölkerung vieler Länder schrumpft.
Die einzige Asylpolitik, die den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten aufzuhalten vermochte, war die der sozialdemokratischen Regierungschefin Dänemarks, Mette Frederiksen, die eine Asylpolitik betreibt, die Klenks und meine Anforderungen an Humanität kaum erfüllt: Auch in Dänemark müssen Migranten Asylbescheide wie in Albanien in geschlossenen Lagern abwarten; Wertsachen können ihnen zur Verrechnung abgenommen werden; sie erhalten neben Sachleistungen kaum Geld, weil es, heimgeschickt, helfen könnte, eine weitere Flucht zu finanzieren; Familiennachzug wird maximal erschwert; wer abgeschoben werden kann, wird abgeschoben, selbst wenn er einen gesuchten Beruf hat. Das Asylrecht handhabt Dänemark denkbar restriktiv: Krieg allein ist bekanntlich so wenig ein Asylgrund wie die Herrschaft der Taliban – das bekommen Syrer wie Afghanen deutlich zu spüren. In Summe führte diese von allen Parteien begrüßte Politik dazu, dass zehn Millionen Dänen einen Bruchteil der Migranten und Asylanten Österreichs beherbergen.
Ich habe leider die Sorge, dass humane Migrationspolitik, selbst wenn sie das Strafrecht energisch gegen Feinde der offenen Gesellschaft unter den Zuwandernden in Stellung bringt, die extreme Rechte derart stärkt, dass wir bald keine offene Gesellschaft mehr haben. Denn zu den zitierten emotionalen Problemen bringt massive Zuwanderung auch sehr reale Probleme mit sich, die in unteren sozialen Schichten, die die Mehrheit rechter Wähler stellen, am größten sind: Sie drückt Löhne, verschärft die Konkurrenz um günstigen Wohnraum oder Betreuung durch Kassenärzte und mindert die Zukunftschancen von Kindern, die Schulklassen besuchen, in denen die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Auch die schiere Zahl der Migranten ist in Staaten, die die EU zum Sparen verpflichtet, ein Problem: Es ist teuer, viel mehr Lehrer und viel mehr Ärzte auszubilden oder so viel mehr Polizisten anzustellen, dass die von Migranten mitverursachte Kriminalität von der Bevölkerung nicht als massive Bedrohung (siehe oben) wahrgenommen wird, obwohl die Zahl der Bluttaten wie eh und je sinkt.
Dazu kommt das Problem der Zuwanderung aus besonders fremden Kulturen: Frauen, die sich nicht von männlichen Ärzten behandeln lassen, Männer, die nicht mit Lehrerinnen sprechen, Testosteron strotzende Burschen mit einem uns völlig fremden Frauenbild. Es ist leider nicht so, dass Mädchen in Miniröcken sich überflüssig vor Übergriffen fürchten. Und alle Frauen bewegt die Sorge, dass eine Gesellschaft, die sich endlich in Richtung zu ihrer Gleichberechtigung verändert hat, sich wieder rückwärts entwickeln könnte. Auch dass der Antisemitismus in einer Bevölkerung, der er sowieso nicht fremd ist, um so viele islamische Antisemiten wächst, muss besorgen.
Ich habe im Wahlkampf die TV-Diskussion zwischen Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger und FPÖ-Chef Herbert Kickl in einem Lokal verfolgt und sicher hat Kickl dabei keinen NEOS-Wähler und Meinl-Reisinger keinen FPÖ-Wähler für sich gewonnen. Aber bei den Unentschlossenen, auf die es ankam, hat Kickl umso mehr gepunktet, je mehr er auf konkrete Probleme zu sprechen kam, auch wenn er sie übertrieb: Es genügt, sie einmal selbst erlebt zu haben, um ihm ihre Übertreibung zu glauben. Nicht zuletzt hatte er mit Erfolg darauf hingewiesen, dass das Asylrecht – siehe Dänemark – auch sehr viel restriktiver und dennoch EU- und rechtskonform gehandhabt werden kann. Ich fürchte, dass ein Land, das wie Österreich bereits besonders viele Flüchtlinge aufgenommen hat, es leider wie Dänemark handhaben muss, um den „Endsieg“ von Kickl und Co zu verhindern. Mir deshalb Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen, wird insofern nicht ganz leicht sein, als ich Zeit meines Lebens Flüchtlinge in meine Wohnung aufgenommen und das Badezimmer mit ihnen geteilt habe.
3 Kommentare
Auch wenn ich nicht in allen Details mit Ihnen übereinstimme: Danke für den Kommentar und Ihr persönliches Engagement über Jahre !
All die nun sichtbar werdenden Probleme waren schon vor 10 Jahren klar erkennbar wenn man die Welt mit offenen Augen bereist hat und etwas länger in fremden Ländern und Kulturen gelebt hat. Aber die Zeder und Mordio schreienden Naiven waren weit in der Überzahl und auch jetzt noch entscheiden total weltfremde EU Richter, wer und wie viele nach Europa einreisen dürfen, selbstverständlich ohne Papiere, dafür aber sofort vollversorgt aus dem zunehmend mit Schulden alimentierten Sozialtöpfen. Auch in Österreich führen die linksgrünen Herz Jesu Lauchsozialisten das grosse Wort. Herr Lingen gehört(e) leider auch zu den Naiven, obwohl er es hätte besser wissen können.
Ja das liebe Geld regiert die Welt. Das macht auch vor Journalisten, Richtern, Ärzten, Politikern nicht halt.
An den Taten wird man sie erkennen. Dass sich die Wähler die Taten ansehen und ihre Entscheidung treffen, wäre ja auch eine denkbare Möglichkeit, den Sieg von Trump zu erklären.