Karl Nehammer kann sich höhere Grundsteuern vorstellen. Sie sind keine „neuen Steuern“, so dass die ÖVP ihr Gesicht wahrte. Durchführung und Ertrag bleiben ein Problem.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Karl Nehammer kann sich zwar keine Vermögens- und keine Erbschaftssteuer, wohl aber höhere Grundsteuern vorstellen. Tatsächlich können nur sie einen Teil der Milliarden erbringen, die mindestens nötig sein werden, wenn die künftige Regierung ein Budget erstellen will, das den Forderungen der EU entspricht und mit den wirtschaftlichen Problemen zu Rande kommt, die auf uns zukommen: Wir befinden uns bereits mitten in einer Rezession; Deutschlands Autoindustrie und deren österreichische Zulieferer erleben bereits eine existentielle Krise; aber in Zukunft droht ihnen auf dem für sie wichtigsten Markt, den USA, ein Zoll von 50 Prozent.
Damit zurück zur Eingangsnachricht: Sie wurde zwar nicht falsch, aber irreführend verkündet. Eine „Vermögenssteuer“, die exakt diesen Namen trägt und jedes Vermögen, von Geld über Immobilien bis hin zur Briefmarkensammlung umfasst, gibt es meines Wissens nur mehr in der Schweiz. Überall sonst meint man mit „Vermögensteuern“ vermögensbezogene Steuern und deren überall wichtigste ist weit vor der Erbschaftssteuer die Grundsteuer. Grundsteuern haben wir schon, so dass die ÖVP ihr Versprechen „keine neue Steuer“ einzuführen, formal halten kann. Nur ist Österreichs Grundsteuer anders als im Rest der Welt lächerlich gering, denn sie bemisst sich nach den sogenannten „Einheitswerten“, die trotz Verdreifachung im Jahr 1973 mit dem Verkehrswert fast nichts zu tun haben: Oft liegt er über dem Zehnfachen des Einheitswerts. 2008 führte diese Divergenz dazu, dass der Verfassungsgerichtshof einem Kläger Recht gab, der in der Erbschaftsteuer ein Instrument der Ungleichbehandlung sah, denn jemand, der ein Grundstück im Wert von 5 Millionen erbte, zahlte eine lächerlich geringe Erbschaftssteuer, während sie für jemanden, der 5 Millionen in bar erbte und kein Verwandter des Erblassers war, 60 Prozent erreichte. Der VGH trug der Regierung die Reparatur dieses Fehlers auf, aber die ÖVP war dazu nicht fristgerecht bereit und so haben wir seither keine Erbschaftsteuer und weiterhin grotesk niedrige Einheitswerte. Sie sind nicht nur niedrig, sondern werden der Grundsteuer außerdem auf überaus komplizierte Weise, mit vielen Ausnahmen und möglichen Einflussnahmen der zuständigen Gemeinden, zugrunde gelegt: Die Gemeinden können einen „Hebesatz“ festlegen, der Mehreinnahmen zulässt, aber es gibt dafür keine klare Regel. Derzeit erlösen die Gemeinden aus Grundsteuern nur gerade 800 Millionen Euro. Eine problemlose Möglichkeit, diese Steuer adäquater zu gestalten, hätte darin bestanden, die Einheitswerte „wertgesichert“ mit der Inflation zu erhöhen: Dann läge der Ertrag heute um die zwei Milliarden, die dem Bund insofern zu Gute kämen, als er den Gemeinden dann im Wege des Finanzausgleiches entsprechend weniger überweisen müsste. Doch die Wertsicherung wurde versäumt.
Die Grundsteuer jetzt dennoch so zu gestalten, dass sie mehr einbringt, stößt leider auf etliche Hürden. So zahlt sie derzeit nicht, wie das logisch wäre, der Eigentümer einer vermieteten Wohnung, sondern er kann sie als Teil der Betriebskosten dem Mieter verrechnen, sodass ihre Erhöhung höhere Mieten bedingte. Schon mittelfristig brächten höhere Grundsteuern Mietern allerdings Vorteile: Es wäre dann nicht mehr möglich, Grundstücke zu horten, bis sie den maximalen Preis erreichen. Baugrund stünde rascher und billiger zur Verfügung so dass er auch rascher und billiger verbaut werden könnte. Man muss das künftige Mietrecht also zwar ändern, aber das kann nicht nur zu Lasten der Vermieter gehen.
Am schwierigsten ist freilich die Festlegung neuer, dem Verkehrswert angenäherter Einheitswerte. Den geringsten Aufwand erforderte ein Gesetz, das sie verzehnfachte, so wie man sie verdreifacht hat – aber mit dem Zusatz, dass jeder, der die neue Bewertung unzutreffend findet, sie gerichtlich anfechten kann und die Kosten erstattet erhält, wenn er gewinnt. Das Problem: Der VGH könnte die Verzehnfachung im Gegensatz zur Verdreifachung als mit dem bisherigen Gesetz nicht mehr vereinbar ansehen.
Verzichtet man deshalb auf diese einfache Möglichkeit, bleibt nichts anderes übrig, als die Einheitswerte völlig neu festzulegen, wobei es die seinerzeit dafür zuständigen Abteilungen nicht mehr gibt. So sinnvoll die Neufestlegung auch ist – WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller sieht darin eine nachhaltige Strukturverbesserung- so relativ aufwendig und langwierig ist sie leider. In Fachkreisen wird daher auch eine wenig aufwendige Variante der Besteuerung großer Vermögen diskutiert: Man könnte den Zeitraum für die vorzeitige „Abschreibung für Abnutzung“ (AfA) einer Immobilie von 65 Jahren auf 100 Jahre erstrecken, so dass statt eines Fünfundsechzigstel des Kaufpreises jedes Jahr nur mehr ein Hundertstel steuermindernd geltend gemacht werden könnte.
Am leichtesten wäre es freilich, zuerst eine rasch administrierbare Erbschaftsteuer mit einer Million Euro Freigrenze und dann, wie in allen Ländern, weniger komplizierte substantielle Grundsteuern einzuführen, die tatsächlich die Milliarden erlösen, die man braucht, um nicht nur unser Budgetdefizit, sondern voran die Steuern auf Arbeit zu reduzieren. Aber ÖVP und leider auch Neos wollen die Vermögensverteilung, exakt wie die FPÖ, so wenig wie möglich verändern. Und nicht einmal dieser Gleichklang mit Herbert Kickl stimmt sie nachdenklich.
3 Kommentare
Passt zwar nicht dazu, aber
jetzt sieht man ja was Ihre Empfehlung bringt taktisch „Nehammer“ zu wählen.
Herr Lingens, von Ihnen hätte ich mir bessere Analysen erwartet.
Sie wissen duch selbst ganz genau, dass man Parteilisten wählt und
eben keine Spitzenkandidaten.
Desinformation nennt man so etwas.
Mir war bis vor wenigen Tagen nicht bewußt, dass wir einen neuen Finanzminister namens Gunter Mayr haben. Dieser Herr Mayr hat kürzlich verlautbart, dass man „überhaupt keine neuen Steuern“ braucht, um das Budget einigermaßen zu sanieren.
Es ist mir absolut nicht verständlich, warum die Medien nicht ein ganz großes Thema aus dieser Aussage machen. Seit Wochen hören und lesen wir, dass das Budget total aus dem Ruder gelaufen ist und dass erhebliche neue Steuern erforderlich sind. Wenn dann jemand kommt, noch dazu der Finanzminister (!), der das Gegenteil behauptet, dann würde ich doch erwarten, dass das große Schlagzeilen macht und dass die Koalitionsverhandler sofort auf dieses Thema aufspringen. Und sollten sie das nicht tun, dann würde ich mir erwarten, dass die Medien sie lautstark dazu auffordern.
Wie kann es sein, dass ein Finanzminister sagt, „überhaupt keine neuen Steuern“ sind notwendig, die Koalitionsverhandler ignorieren das und die Medien schauen einfach zu?
zitiere Presse-Newsletter vom 10.12.2024
[…] Auch wenn es hier thematisch nicht dazu passt, noch eine Anmerkung zur laufenden Grundsteuerdiskussion, die an dieser Stelle in der Vorwoche analysiert worden ist: Die Steuererhöhungsverfechter kommen jetzt vermehrt mit dem Argument, die Grundsteuer sei seit den Siebzigerjahren nicht mehr erhöht, also an die Inflation angepasst worden, müsste also dringend angehoben werden.
Glauben Sie nicht alles, was von Koalitionsverhandlern und deren eingebetteten Ökonomen kommt. Dieses Argument ist einfach falsch. Laut Daten der Nationalbank und des Statistischen Zentralamts hat sich das Aufkommen an der Grundsteuer B (das ist die, die alle Nicht-Land- und Forstwirte zahlen) seit 1995 etwas mehr als verdoppelt. Der Verbraucherpreisindex ist seither aber „nur“ um 83 Prozent gestiegen. Das Geheimnis hinter diesem Rätsel heißt „Hebesatz“. Den haben die Gemeinden jetzt ausgereizt. Um ihnen einen realen Werterhalt der Steuer zu ermöglichen, müsste man nur diesen Hebesatz indexieren. Alles andere ist keine Anpassung, sondern eine Steuererhöhung.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Josef Urschitz
josef.urschitz@diepresse.com […]