Österreich zählt zu den fünf Staaten, die mehr EU- Investitionen in die Zukunft und mehr Wachstum verhindert haben. Rein ökonomisch wird die FPÖ kaum schlechter agieren.
Während wir mit unserm Budgetdefizits kämpfen, gibt es in der EU seit längerem viele Mandatare, die die Finanzierung künftiger Aufgaben der Union wie ich für unzureichend halten: Ihr Wirtschaftswachstum bleibt seit zwei Jahrzehnten deutlich hinter dem der USA zurück; viele Länder erleben wie wir eine Rezession; rundum scheitern Regierungen, während rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien Höhenflüge erleben – nicht, weil alle Bürger rechtsextrem geworden wären, sondern weil rund 25 Prozent seit zwei Jahrzehnten Reallohnverluste erleiden.
Das war nicht immer so: Im Burgenland wurden Anfang 2000 aus einem Euro des EU-Strukturfonds fünf Euros, die seine Wirtschaft vorantrieben. Weil es laut Draghi-Bericht, 800 Milliarden Euros brauchte, um die grüne und digitale Transformation der EU voranzutreiben planten EU- Parlament und EU- Kommission einen entsprechenden Fonds: Er kam nicht zustande, weil die “frugalen (enthaltsamen) Vier“, Dänemark, Schweden, Holland und Österreich gemeinsam mit Deutschland erklärten, ihm nicht zuzustimmen. Andere Überlegungen der Kommission- etwa zwischen einem strukturellen Budget der Staaten, das den Maastricht-Kriterien unterliegt und einem Budget für Investitionen in die Zukunft zu unterscheiden- starben mit dem Fonds. Österreich zählt damit zu den Staaten, die die wirtschaftliche Fortentwicklung der EU- und derzeit auch die Überwindung der Rezession- entscheidend behindern. Diese Haltung begann mit Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel – beide lehnten jedes Abgehen vom Sparen des Staates und jede Erhöhung des EU-Budgets kategorisch ab- und hat sich mit Karl Nehammer und Magnus Brunner nicht geändert, so wenig sie in Österreich sparsam gewirtschaftet haben.
Damit bin ich bei dem von Brunner hinterlassenen Budgetloch, das wir laut EU – in meinen Augen widersinnig – durch „Sparen des Staates“ schließen müssen. Denn die die „frugalen Vier“ und Deutschland opponierten 2023 auch am heftigsten dagegen, die Staatsschuldenbremse neuerlich auszusetzen: Beschlossen wurde lediglich, sie zu flexibilisieren, indem es sieben Jahre Zeit gibt, sich dem EU-Sparziel zu nähern.
Damit konfrontiert ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die FP-VP- Regierung unter Herbert Kickl, denn seine EU-Feindlichkeit und Putin-Freundlichkeit halten die ÖVP kaum ab, mit ihm zu koalieren, zumal Neuwahlen ihn nur stärker machten.
Zwar bin ich fast sicher, dass die Kickl-Regierung den EU- Fonds so stur wie die Regierung Karl Nehammers abgelehnt hätte und ganz sicher, dass sie Demokratie und Rechtsstaat gefährdet, aber dass sie die aktuelle Situation schlechter als ÖVP, SPÖ und NEOS meistert, schließe ich aus: Es wird ihr gelingen, das drohende EU- Defizitverfahren abzuwenden, indem sie schon im aktuellen Budget 6,3 Milliarden einspart. Das ist nach Ansicht des renommiertesten österreichischen Ökonomen Erich Streissler inmitten einer Rezession zwar höchst kritisch, aber Kickl beginnt es zumindest schonend, indem er Bildungskarenz und den Klimabonus streicht und E-Autos vielleicht weniger fördert, obwohl das unserer Autozulieferindustrie schadete und ein Versäumen des Klimaziels Milliarden kosten kann. Viel Geld ist auf lange Sicht zu sparen, wenn man das Pensionsalter der massiv gestiegenen Lebenserwartung anpasst und da die FPÖ dank ihrer jüngeren Wählerschaft viel weniger als ÖVP und SPÖ auf Pensionisten angewiesen ist, könnte Kickl der EU diese Anpassung im Rahmen des Siebenjahrespfad anbieten, obwohl es vorerst Kaufkraft kostet. Notfalls könnte er das Aussetzen der von ihm so heftig kritisierten Teilnahme an „Skyshield“ gegenüber der ÖVP mit dem Sparzwang rechtfertigen und anders als bisher dürfte er kaum höhere Rüstungsausgaben fordern. Das sparte in Zukunft und setzte nur gewohntes Trittbrettfahren fort. Schließlich kann Kickl Geld sparen, indem er russisches Gas vielleicht sogar zu Sonderkonditionen kauft.
Zusätzliche Einnahmen, um das Budgetloch zu verkleinern, scheiden hingegen aus, weil er sich mit Christian Stocker, wie sie Montag in einer Pressekonferenz noch einmal betonten, absolut einig sind, dass vermögensbezogene Steuern nicht in Frage kommen, so sehr alle Wirtschaftsforscher sie empfehlen, um Arbeit steuerlich zu entlasten. Dagegen kommt zweifellos zustande, was Industrielle so an der FPÖ begeistert: die Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt). Eine Beinahe-Halbierung der Steuern auf die Gewinne von Unternehmen hat es freilich schon einmal gegeben, ohne dass sie deshalb mehr investiert hätten. Denn das tun sie nur, wenn sie mehr Absatz erwarten können und das können sie nicht, wenn die Konsumenten angstsparen und der Staat sparen muss. Die verringerte KöSt könnte das Budgetdefizit daher auch erheblich vergrößern.
Da mit Frankeich und Italien auch zwei unserer wichtigsten Handelspartner besonders heftig sparen müssen, Deutschland unter Friedrich Merz sparen wird und die USA Zölle verhängen dürften, fürchte ich, dass wir das Drei- Prozent-Defizit 2025/ 26 trotz aller Sparmaßnahmen neuerlich überschreiten – und eine Reihe weiterer Staaten mit uns. Dann wird die Staatsschuldenbremse entweder doch dahin reformiert, dass Investitionen in die Zukunft nicht mehr unter Schulden zählen oder man wird dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson glauben, dass Sparen zwar eine private Tugend ist, „für Volkswirtschaften aber verhängnisvoll sein kann.“
2 Kommentare
In der derzeitigen Situation sind alle ihre Prognosen nur Cafesud-lesen. Offensichtlich haben sie hellseherische Fähigkeiten.
Sehr geschätzter Herr Lingens.
Wir erleben, dass immer mehr Menschen, das Geschwafel der Leitmedien satt haben. Sie nutzen Wahlen, solange die noch stattfinden, um die zu stärken, von denen eine eigenständige Politik für das Land, die Republik Österreich erwartet wird. Das Wunder von Wörgl, hat aufgezeigt, dass in der Not nicht der Weltmarkt zählt. Wie Bauern mit Mercosurprodukten geopfert werden ist unwürdig und einer unfähigen EU-Hörigkeit geschuldet. Die versprochene Subsidiarität ist Makulatur. Wenn das Land verpfändet ist, wird es auch nicht besser.
Sie schreiben so lapidar, das Pensionsalter wird zu erhöhen sein. Das ist Pensionsraub auf Kosten der Gesundheit. Die seit 2021 bei der Statistik Austria ausgewiesene Übersterblichkeit entlastet die Pensionskassen. Studieren Sie die Todesanzeigen. 45 Beitragsjahre sind jedenfalls genug. Vielleicht sollten wir 45 Jahre verpflichtend machen. Sozialjahre bis zum Pensionsantritt können in die Berechnung eingerechnet werden. Die Wehrplicht oder ein Sozialjahr ist vor Pensionsantritt abzuleisten. Warum mit ca. 19 Jahren? Das sollte für Männer, Diverse und Frauen gleichermaßen gelten.