Das aktuelles Schuldenproblem löst die FPÖ nicht schlechter als ÖVP oder NEOS -es ist die EU, die es zum Risiko macht. Für kritische Medien ist die FPÖ lebensgefährlich.
Die Plattform #aufstehn sammelt Unterschriften, um ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne dazu zu bewegen, doch neuerlich die Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit zu versuchen, um Herbert Kickl als Kanzler abzuwenden. Ich habe unterschrieben, obwohl ich dafür nur eine marginale Chance sehe – aber ich will mir nicht vorwerfen, sie nicht genützt zu haben. Denn ich halte das Aufgeben dieses Versuches seitens der NEOS für eine Katastrophe: Auch ich habe Probleme mit der Sprache Andreas Bablers, aber seine Forderung, Vermögen, das nur in der Slowakei und Mexiko weniger als bei uns besteuert wird, höher zu besteuern, sei es um die Steuern auf Arbeit zu senken oder unser Budgetloch zu reduzieren, ist wahrhaftig nicht absurd. Aber vermutlich war der Einfluss Vermögender auf Beate Meinl-Reisinger doch so groß, dass sie diese Überlegung weder angestellt noch gar gegenüber Karl Nehammer vertreten hat. Und natürlich war die ÖVP immer das zentrale Problem: Ihre ökonomische Sturheit ist seit Sebastian Kurz zur Lähmung geworden. Dagegen kann man dem Chef der Industriellenvereinigung Georg Knill, der derzeit die höchsten Lohnstückkosten der EU zu verkraften hat, viel schwererer verübeln, dass ihm bei der Lektüre des FP- Programms das Wasser im Mund zusammenläuft, lehnt es doch nicht nur Vermögensteuern ab, sondern empfiehlt auch, die Körperschaftsteuer auf 10 Prozent zu halbieren, nicht entnommene Gewinne gar nicht zu besteuern. (Zum Vergleich: die US-Körperschaftsteuer beträgt nach ihrer drastischen Reduktion durch Donald Trump 21Prozent). Zu begreifen, dass es die Nachfrage gefährlich reduziert, wenn man Vermögende (Wohlhabende) kaum besteuert, während die große Mehrheit derer, die wenig haben und daher soviel wie möglich kauften, hoch besteuert, ist von Industriellen leider zu viel verlangt. So wenig wie man historisches Bewusstsein von ihnen erwarten kann: Auch für die Industrie war es am Ende fatal, selbst Adolf Hitler zum Kanzler gemacht zu haben.
Allerdings müssten selbst Teenagern von minimaler politischer Bildung spätestens seit Mitte der Vorwoche klar sein, wie sehr eine FP-geführte Regierung die Demokratie gefährdet. Bekanntlich nahmen französische Journalisten Aussagen der FP-Mandatare Harald Stefan und Markus Tschank mit dem Handy auf, wonach die ÖVP „jämmerlich“ sei und man „eigentlich aus der EU austreten müsse“. Selbst wenn man in diesen Aussagen nur den Widerspruch zu Kickls Beteuerungen sieht, musste einem Angst und Bange werden, wenn man erlebte, wie Wiens FP-Obmann Dominik Nepp reagierte, als Der Standard diese Aussagen publizierte: „Wir haben Österreich fünf gute Jahre versprochen“ postete er auf X, „fünf gute Jahre, wenn es mit diesem ‚Scheissblatt‘ endlich vorbei ist“. Im angefügten Hashtag erklärte er wie: Man könnte ja die Presseförderung überdenken. Eigentlich müsste VP-Chef Christian Stocker eine Gänsehaut haben, nachdem er gehört hat, wie Nepp und FP-Generalsekretär Christian Hafenecker mit dem ORF oder mit Der Standard, das heißt mit kritischen Meinungen, umgehen wollen. Aber VP-Funktionäre haben seit gut zehn Jahren eine Elefantenhaut.
Dabei wäre sogar eine Rückkehr der ÖVP zu Verhandlungen mit SPÖ, und NEOS rein technisch nicht schwer: Finanzminister Gunter Mayr müsste Brüssel nur bekanntgeben, dass Österreich die von ihm bereits gemeldeten und akzeptierten Einsparungen auch in dieser Regierungskonstellation durchführt. Andreas Babler müsste sich dann zwar ärgern, dass Vermögende keinen Beitrag leisten und Beate Meinl Reisinger müsste bedauern, dass große Reformen, etwa die Anpassung des Pensionsantrittsalters an die gestiegene Lebenserwartung fehlen, aber die Demokratie vor Herbert Kickl zu schützen, müsste ihnen das eigentlich wert sein. Nur wird es das Georg Knill das sicher nicht wert sein.
Weil ich Knill wie Kickl gegenüber selbstverständlich fair sein will, gestehe ich ihnen zu, dass die Maßnahmen, auf die FPÖ und ÖVP sich bisher geeinigt haben, die Wirtschaft nicht gleich abwürgt, handelt es sich doch um den einfachen Anfang: Die Bildungskarenz zu streichen, erhöht sogar den wirtschaftlichen Output, denn sie hat die berufliche Fortbildung kaum befördert, nur Geld und Arbeitsleistung gekostet. Die im EU-Vergleich besonders hohe Förderung für E-Autos oder Wärmepumpen zu reduzieren, kostet die Wirtschaft zwar Aufträge, aber es stellt die Klimaziele nicht in Frage und das wichtige Klimaticket bliebe erhalten. Den Klimabonus zu streichen, ist zwar ökologisch sogar sinnvoll, verringert aber massiv und voran zu Lasten sozial Schwacher die Kaufkraft, denn die CO2-Abgabe muss ja erhalten bleiben.
Dagegen muss eine Senkung der Körperschaftsteuer nicht völlig schief gehen: In den USA mussten die Unternehmen Teile ihrer erhöhten Gewinne an die Arbeitnehmer weitergeben, weil es an Arbeitskräften mangelte -das kann auch hier passieren.
Obwohl die FP-VP- Maßnahmen also meines Erachtens die relativ besten waren, wenn man dem Sparzwang der EU nachkommen muss und vermögensbezogene Steuern tumb ausschließt, wird das Ende des Klimabonus, die geplanten Gebührenerhöhung und die Einsparung der Ministerien die Inlandskaufkraft doch deutlich senken. Da die EU gleichzeitig die Auslandkaufkraft senkt, indem sie bereits acht Staaten Defizitverfahren androht, wird sich die Rezession letztlich vertiefen. Dafür wird die FPÖ nichts können – für das Aushungern kritischer Medien dagegen sehr wohl.
6 Kommentare
Mit Verlaub möchte ich noch einen Gedanken einbringen, dem, so scheint mir, seit den Ereignissen von letzter Woche in den USA aber leider auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, mehr und mehr an Gewicht zukommt:
– die ÖVP sollte sich – gottseidank nicht nur nach meiner Meinung – jetzt nicht in eine erzwungene Koalition mit der FPÖ einlassen.
– Neuwahlen sind anzustreben, selbst wenn klar ist, daß deren Resultat die Stimmenverhältnisse von heute nicht wirklich verändern wird.
– im Zuge des Wahlkampfs kann zumindest versucht werden, die Rethorik zum Besseren zu drehen und die ÖVP muß nicht mehr das „kategorische NEIN“ zur Zusammenarbeit mit FPÖ/Kickl schultern, mit dem sie sich jetzt selbst aber vor allem ihre Wähler betröge.
– das kann zwar – außer natürlich es geschähe ein Wahlwunder – ziemlich sicher nicht Kickl’s Kanzlerschaft verhindern, aber in den darauf folgenden Koalitionsverhandlungen kann man dann nochmals wertvolle Zeit schinden / gewinnen.
WARUM DAS ALLES?
– bis zu einer dann eventuell neuen Regierung bliebe die jetzige „technische Regierung“ im Amt und Schallenberg Kanzler.
– das wäre zwar für Österreichs Regierungsfähigkeit nicht besonders gut, ABER
– das hieße auch, daß Schallenberg im EU Rat säße, um Österreich zu vertreten, und – noch – nicht Kickl …. und das zumindest, sagen wir mal, im ersten Halbjahr 2025, oder aber auch noch länger.
– angesichts der Tatsache allerdings, daß zu erwarten ist, daß genau in diesem Zeitraum die wesentlichen Weichen betr. Trump-EU-Rußland-Ukraine u.v.m. gestellt werden, wäre das von immenser Bedeutung; umso einiger die EU in eben dieser Zeit auftritt, und umso verlässlicher Österreich da vertreten ist, desto besser.
Also nochmal: die ÖVP darf sich jetzt nicht in eine erzwungene Koalition mit der FPÖ einlassen.
Mit Verlaub möchte ich noch einen Gedanken einbringen, dem, so scheint mir, seit den Ereignissen von letzter Woche in den USA aber leider auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, mehr und mehr an Gewicht zukommt:
– die ÖVP sollte sich – gottseidank nicht nur nach meiner Meinung – jetzt nicht in eine erzwungene Koalition mit der FPÖ einlassen.
– Neuwahlen sind anzustreben, selbst wenn klar ist, daß deren Resultat die Stimmenverhältnisse von heute nicht wirklich verändern wird.
– im Zuge des Wahlkampfs kann zumindest versucht werden, die Rethorik zum Besseren zu drehen und die ÖVP muß nicht mehr das „kategorische NEIN“ zur Zusammenarbeit mit FPÖ/Kickl schultern, mit dem sie sich jetzt selbst aber vor allem ihre Wähler betröge.
– das kann zwar – außer natürlich es geschähe ein Wahlwunder – ziemlich sicher nicht Kickl’s Kanzlerschaft verhindern, aber in den darauf folgenden Koalitionsverhandlungen kann man dann nochmals wertvolle Zeit schinden / gewinnen.
WARUM DAS ALLES?
– bis zu einer dann eventuell neuen Regierung bliebe die jetzige „technische Regierung“ im Amt und Schallenberg Kanzler.
– das wäre zwar für Österreichs Regierungsfähigkeit nicht besonders gut, ABER
– das hieße auch, daß Schallenberg im EU Rat säße, um Österreich zu vertreten, und – noch – nicht Kickl …. und das zumindest, sagen wir mal, im ersten Halbjahr 2025, oder aber auch noch länger.
– angesichts der Tatsache allerdings, daß zu erwarten ist, daß genau in diesem Zeitraum die wesentlichen Weichen betr. Trump-EU-Rußland-Ukraine u.v.m. gestellt werden, wäre das von immenser Bedeutung; umso einiger die EU in eben dieser Zeit auftritt, und umso verlässlicher Österreich da vertreten ist, desto besser.
Also nochmal: die ÖVP darf sich jetzt nicht in eine erzwungene Koalition mit der FPÖ einlassen.
Ich denke ÖVP und NEOS hätten sich zum Beispiel mit einem Peter Hanke rasch auf einen vernünftigen Kurs einigen können und uns damit vor dieser auf uns zukommende Katastrophe bewahren können.
Das Problem ist zweifellos, dass vor allem die SPÖ, aber auch die ÖVP derzeit ohne wirklich wählbarem Spitzenkandidat auskommen muss.
Babler ohne innenpolitische Erfahrung, ohne wirtschaftliche oder außenpolitische Kompetenz hätte nie soweit kommen dürfen Regierungsverhandlungen führen zu dürfen.
„Ich bin Marxist“, ohne offenbar wirklich erklären zu können was er damit meint, ist einfach zu wenig ökonomische Kompetenz.
Werde bei der #aufstehen Plattform auch unterschreiben, ist aber sicher zu wenig um später sagen zu können, man hat eh alles versucht die Katastrophe zu verhindern
Noch ein paar „Ausländermorde“, dann haben FPÖ, AfD, … in ihren Ländern die absolute Mehrheit. Die „Hitlerei“ interessiert nur mehr sehr wenige Menschen. Der wirtschaftliche Abschwung in Europa ist vor allem den „Guten“ geschuldet.
Es ist natürlich toll, wenn man sich moralisch überlegen fühlt …
Bin völlig ihrer Meinung! Man muss alles versuchen um die FPÖ außen vor zu halten. Dafür ist es für die anderen Parteien Wert, über ihren Schatten zu springen und es nochmals zu versuchen.
Der Bereich Wirtschaft war von vornherein der, bei dem FPÖ und ÖVP sich am nächsten waren. Beim Sparpaket wird der Teufel im Detail liegen. Wo FPÖ und ÖVP allerdings eine gemeinsame Linie bei EU, Außenpolitik, Verteidigung, Medien u.ä. finden werden, bleibt spannend. Insofern ist die gemeinsame Regierung keineswegs so in trockenen Tüchern, wie die FPÖ uns glauben lassen möchte. Allerdings habe ich auch jeden Glauben verloren, dass die anderen Parteien zu einem tragfähigen Regierungsübereinkommen finden würden, selbst wenn sie es nochmals versuchten. Doch ja, „Wunder gibt es immer wieder …“ und die Hoffnung stirbt zuletzt.