Österreichs Problem heißt auch „EU“

Österreichs „hausgemachte Probleme“ sind gravierend, aber lösbar. Allerdings nur dann nachhaltig, wenn die EU ihre Wirtschaftspolitik grundsätzlich ändert.

Dass Österreichs Wirtschaft heuer um 0,3 Prozent schrumpfen dürfte und damit Schusslicht der EU ist, während Malta mit 4,3 Prozent wächst, ist zweifellos das gravierendste Problem seit langem.  Dennoch soll man es richtig einordnen: Malta ist eine Steueroase, Österreichs BIP pro Kopf ist unverändert 3.500 Euro höher als das deutsche, auch wenn Deutschland seit drei Jahren das Gegenteil einer „Konjunkturlokomotive“ der EU ist.  Seine Ökonomen schreiben das seiner angeblich verringerten Konkurrenzfähigkeit zu. Dass es dennoch einen Handelsbilanzüberschuss von jährlich 80 Milliarden Dollar gegenüber den USA erzielt, passt zwar nicht zu dieser Diagnose, wird von den Ökonomen aber negiert, so sehr Donald Trumps Zölle sie erschüttern.

In Bezug auf Österreichs diagnostiziert der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) Gabriel Felbermayr, dass unser aktuelles Finanz-Problem „zum größten Teil hausgemacht“ ist, – ich sehe einen mindestens so großen Anteil bei der EU.  Zuerst zu den „hausgemachten“ Problemen: Das älteste davon ist unsere überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas, das uns allerdings erlaubt hat, Stahl und Aluminium, besonders billig zu produzieren. Mit der extremen Verteuerung von Gas durch die von der OPEC und Russland gedrosselte Förderung, mussten sich alle Güter Österreichs daher überdurchschnittlich verteuern. (Es stimmt nicht, dass die Regierung die Teuerung besonders schlecht gemanagt hat: Ungarn, das zu total von russischem Gas abhängt, hatte die höchste Inflation, die Schweiz, die kein Gas braucht, hat keine Inflation)

Mit der Gas-Verteuerung, die zwangsläufig unseren Wohlstand mindern musste, hängt der größte hausgemachte Fehler zusammen: Die sonst so vernünftigen Gewerkschaften haben Lohnerhöhungen gemäß der Benya-Formel (Erhöhung =Inflation + Produktivitätssteigerung) gefordert, obwohl die minimal war, und vor allem, obwohl die Inflation nicht durch übliche Lohnerhöhungen, sondern durch die außergewöhnliche Gaspreis-Explosion verursacht war, so dass ich sie lieber „Teuerung“ als „Inflation“ nenne. Dass die EZB sie dennoch wie eine gefährliche, sich selbst verstärkende Inflation mit einer harschen Zinserhöhung bekämpft hat, hat die Rezession ausgelöst. Der „hausgemachte“ Fehler der Gewerkschaften hat dazu geführt, dass die Löhne in Österreichs exportintensiver Metallindustrie um neun Prozent stiegen, während sich die Gewerkschaften unseres Hauptkonkurrenten Deutschland mit 2,4 Prozent und einer Einmalzahlung begnügten. Als ich hier über kritisch hohe Lohnstückkosten schrieb, warf mir der Ökonom Kurt Bayer in einem Leserbrief Fehlinformation der Falter-Leser vor – heute lassen Felbermayr und der Direktor des „Instituts für höhere Studien (IHS) Holger Bonin keinen Zweifel daran, dass unsere hohen Lohnstückkosten ein zentrales hausgemachtes Problem sind.  Dennoch haben in gewisser Hinsicht auch Bayer und die Gewerkschaften recht: Es ist ein zentrales Problem der EU, dass sie zugelassen hat, dass Deutschland seine Löhne durch zwei Jahrzehnte nicht adäquat erhöht hat, obwohl permanente Handelsbilanzüberschüsse eines Landes unzulässig sind und auch das Zwei-Prozent-Inflationsziel mit zu niedrigen Löhnen nicht erreicht werden kann.

Letztlich drückte Deutschlands Niedriglohnpolitik auf alle Löhne der EU und damit auf ihre Kaufkraft, womit wir bei einem weiteren gemeinsamen Problem sind: Weil die EU-eigene Kaufkraft besonders niedrig ist, muss sie besonders viel exportieren und wird daher besonders unter Trumps Zöllen leiden. Am Rande waren die zu niedrigen deutschen Löhne eine unzureichende Peitsche für die Steigerung der Produktivität.

Das mit Abstand größte Problem bleiben jedoch Maastrichtkriterien und „Staatsschuldenbremse“. Seit es sie gibt, fällt die EU in allen Wirtschaftsdaten mehr und mehr hinter die USA zurück: Wirtschaftswachstum, Produktivität und Löhne der USA steigen ungleich stärker, sie überwinden Krisen rascher und haben kaum Arbeitslosigkeit. Das ist kein Augenblicksbefund, sondern es musste so sein. Den Grund hat Bonin in seiner Pressstunde für Österreich angeführt, aber er gilt für alle hochentwickelten Volkswirtschaften:  die Bürger kaufen – schon gar in Zeiten wie diesen- nicht wesentlich mehr ein, selbst wenn ihre Löhne steigen, sondern legen mehr Geld auf die hohe Kante. Tut mir leid, immer die gleiche Frage zu stellen: Wie sollen die Unternehmen mehr verkaufen -wie soll die Wirtschaft wachsen – wenn der Staat gleichzeitig weniger einkauft, weil er spart? Das ist nicht nur jetzt so, sondern so lange, wie dem Staat Sparen vorgeschrieben ist. Nur wenn er sich, wie die USA, für gemeinsame Zwecke (etwa: ein starkes Heer, Kilmaschutz, KI) verschulden kann, kann die Wirtschaft wachsen. Wenn die EU das nicht begreift, werden sich ihre, und damit unsere,- Probleme verstärken, statt verringern.

Was wir zu Haue machen können, gehört natürlich trotzdem gemacht und ist machbar: der Föderalismus ist auszumisten. Alle Staatsausgaben und Förderungen sind auf ihre Effizienz zu überprüfen. Sozialausgaben müssen treffsicher sein: wer keine Unterstützung braucht, soll keine bekommen – moderne Datenverarbeitung macht das möglich. Das Pensionsalter muss mit der Lebenserwartung steigen. Und natürlich gehören – Bonin hat es wie ich begründet- die Steuern auf Arbeit verringert, indem man die Steuern auf Vermögen, voran die Grund- und Erbschaftssteuer, erhöht.

4 Kommentare

  1. Amerika versucht den immensen Schuldenstand mit einer u.a. durch Zölle gesteuerten Reindustrialisierung zu verringern. Der amerikanische Binnenmarkt hat einen realen Wert. Europa ist gut beraten eine längst fällige Entbürokratisierung umzusetzen und die Maastrichtkriterien einzuhalten, sonst verlassen noch mehr Leitbetriebe das sinkende Schiff.
    Kriege anzetteln um den Bankrott und die unsägliche Politik in Österreich und in Deutschland, England und Frankreich zu verschleiern, sind keine gute Lösung. Aufrüsten auch nicht. Die Menschheitsfamilie will in Frieden und Wohlstand leben und nicht für eine Massenmordindustrie Waffen produzieren. Auch wenn es für einige Menschen lukrativ ist.
    Es ist auch grotesk, wenn unsere Volksverräterin Millionen an Steuergeldern in Syrien und Kiev verteilt.

  2. Was also ist in diesem Zusammenhange jetzt das Problem der EU? Dass „sie zugelassen hat, dass Deutschland seine Löhne durch zwei Jahrzehnte nicht adäquat erhöht hat“? Der EU wird ja gerne vorgeworfen, dass sie sich in Dinge einmischt, die sie nichts angehen, aber das Aushandeln von Löhnen ist tatsächlich die einzige bedeutende wirtschaftliche Freiheit, die ausschließlich den Nationalstaaten zur Regelung bleib. Ja, die kaum steigenden Löhne in Deutschland (und der viel zu große Billiglohnsektor) sind eines der größten wirtschaftspolitischen Probleme der EU, weil dadurch Kaufkraft fehlt – mit ein Grund, warum die EU darauf angewiesen ist, zu exportieren. Aber da fehlt der EU jede Handhabe, etwas zu ändern – genausowenig wie sie etwas gegen nationale Schuldenbremsen unternehmen kann, die zwangsläufig zu einer prozyklischen Budgetpolitik führen, wenn es der Wirtschaft schecht geht, den schwersten Feher, den man in der Budgetpolitik machen kann.

  3. Es hat mich während meines Architekturstudiums in den 1970er Jahren gewundert, dass es an der TU Wien ein Wahlfach „Volkswirtschaftslehre“ gab. Man hat diese Vorlesung zwar nicht besucht, aber das Skriptum war für mich erleuchtend, weil ich damals begriffen habe, dass John Maynard Keynes mit seiner Erkenntnis Recht hat, dass der Staat in Situationen, in denen der private Konsum einbricht, die Volkswirtschaft nicht „dem freien Markt“ überlassen darf. Mit dem Begriff „deficit spending“ umschriebene Aufträge der öffentlichen Hand müssen die Wirtschaft wieder in Gang bringen, d.h. die Wirtschaft muss vom Staat selbst wieder angekurbelt werden – auch wenn die Budgetsituation so besch… aussieht wie aktuell in Österreich. Sparsamkeit wäre kontraproduktiv!
    Dass die sog. „Benya-Formel“ von den Gewerkschaften auch in der ohnehin schon durch hohe Inflation gezeichneten Situation angewendet wurde, war zwar falsch, aber verständlich, da die Corona-Jahre für einige ganz besondere Selbständige durch die gewährten „koste es was es wolle“-Zuschüsse und durch die vom BMFin nicht ausreichend ausgeübte Kontrolle für viele zu „einem Geschäft“ ohne Rückfragen / Rückforderungen geworden ist.
    „Betonkopf“ Toni Benya hätte es allerdings nicht verstanden, wenn seine Gewerkschaften anders gehandelt hätten.
    Andererseits hat er es ja auch nicht vestanden, dass er spätestens mit dem von der Gewerkschaft Bau-Holz gepushten Kraftwerksbau bei Hainburg und der unter Polizeischutz ins Auge gefassten Rodung des Auwaldes endgültig die Abspaltung der Grünen (hauptsächlich von der Sozialdemokratie!!) betrieben hat. Ruhe seiner Asche!

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