Hinter Trumps Zöllen stehen die linken Thesen eines republikanischen Ökonomen, den selbst der Chef- Berater Barack Obamas schätzt. Ihre Umsetzung krankt an Trump.
Hatte Donald Trump der Welt noch eben den totalen Zollkrieg erklärt und 11 Milliarden Dollar Aktienvermögen vernichtet, so zwangen ihn die Börsen schon vorigen Mittwoch zu 90 Tagen Waffenstillstand – einzig bei China beharrt er auf 145 Prozent Zoll, nahm aber Computer und Handys aus. Vorerst gilt er weiter nicht nur zu Recht als lebensgefährlich für Demokratie und Rechtsstaat der USA, sondern auch fürs Funktionieren der Weltwirtschaft. In den Worten des scheidenden deutschen Kanzlers Olaf Scholz: „Seine Zölle sind ein Anschlag auf eine Handelsordnung, die überall auf dem Globus Wohlstand geschaffen hat.“ Auch meiner hat gelitten: Was ich in sechzig Jahren erarbeitet und in Aktien angelegt habe, ist um ein Viertel geschrumpft. Dennoch will ich versuchen, Trumps Politik emotionslos zu beurteilen: Es gibt sehr wohl Ungleichgewichte im Handel der USA mit Ländern, die Branchen hoch subventionieren, Umwelt-Standards negieren oder zu künstlich abgesenkten Löhnen produzieren, sonst hätten sie nicht trotz überlegener Dienstleistungen (Google, Facebook, Amazon) ständig Handelsbilanzdefizite über 100 Milliarden Dollar.
Ideologischer Hintergrund für Trumps Politik sind Thesen des US-Ökonomen Oren Cass, der meint, dass die Republikaner Wahlen nur gewinnen können, wenn sie sich der Probleme der Arbeiter annehmen. Die sieht sein Buch „Once and Future Worker“ (Der einstige und künftige Arbeiter) so: Während eine winzige Oberschicht unendlich reich wurde, sind ihre Löhne kaum gestiegen und ist ihre soziale Absicherung und Lebenserwartung gesunken. Cass bezweifelt, dass „der Markt“ diese Probleme löst und stellt brisante Fragen: Kann nur Wirtschaftswachstum und wachsender Konsum Jobs sichern? Was bedeutet das für die Umwelt? Muss man Produktion in Länder mit immer billigeren Arbeitskräften verlagern? Wie soll die Industrie des Sun Valley den Wegfall von Millionen Jobs in der traditionellen Industrie egalisieren? Ist Arbeit, von der man seine Familie erhalten kann, nicht wichtiger als alles andere?
Die New York Times schätzte sein Buch ebenso als hervorragend ein wie Barack Obamas ökonomischer Chef-Berater Jason Furman oder Trumps Vize J.D. Vance, der mit der „Hillbilly-Elegie“ das Schicksal Abgehängter beschrieb. Ob Trump es gelesen hat, weiß ich nicht, aber eine seiner Reden scheint es zu popularisieren: „Das Establishment beschützte sich selbst, aber nicht die Bürger unseres Landes. Seine Triumphe sind nicht die euren …für zu viele unserer Bürger existiert eine andere Realität: Mütter und Kinder in unseren Städten sind gefangen in Armut; verrostete Fabriken sind wie Grabsteine über das Land verteilt: eine nach der anderen wurden sie geschlossen, verließen unser Land, ohne auch nur einen Gedanken an die Millionen amerikanischer Arbeiter zu verschwenden, die zurückgelassen wurden. Das Vermögen unserer Mittelklasse wurde aus ihren Häusern gerissen und über die ganze Welt verteilt.“ Wüsste man nicht, dass der Milliardär Trump die Steuern für seinesgleichen genauso stark wie für Mittel-und Unterklasse gesenkt hat, man meinte, einen Sozialisten zu hören. Der Republikaner Oren Cass könnte es sein: er fordert starke Gewerkschaften, Kollektivverträge und Umverteilung. Er war es, der zum Schutz der Arbeiter vorschlug, was als Trumps „Basiszoll“ bekannt wurde: Die USA möge importierte Güter mit 10 Prozent Zoll belegen. Höhere Zölle begründet das US-Finanzdepartment so: „Länder wie China, Deutschland, Japan und Südkorea haben eine Politik verfolgt, die den Binnenkonsum ihrer eigenen Bürger unterdrückt, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportprodukte künstlich zu steigern. Zu dieser Politik gehören egressive Steuern, fehlende Strafen für Umweltzerstörung und Maßnahmen, die darauf abzielen, die Löhne der Arbeitnehmer im Verhältnis zur Produktivität zu drücken“.
Die Umsetzung all dieser Überlegungen entsprach Trumps Sozialisierung, Verstand und Temperament: Cass` Zweifel am Markt, sein Eintreten für starke Gewerkschaften oder Umverteilung nahm er nicht wahr und konzentrierte sich nur auf „Zölle“. Statt das Verhalten der vom Finanzdepartment kritisierten Länder der Reihe nach mit ihren Regierungen zu diskutieren und- durchaus auch mittels Drohungen- zu tragbare Kompromissen zu gelangen, schwang er die Zoll-Keule ohne Rücksicht auf Verluste. Sie traf als erstes die Amerikaner selbst, indem ihr Aktienbesitz erodierte, ihre Pensionsfonds Geld verloren und ihre Teuerung demnächst explodiert. Entsprechend heftig die Demonstrationen der Bevölkerung und der Streit unter US-Ökonomen.
Wie das alles ausgeht, wage ich nicht zu sagen. Im Moment erfüllen der Schweiz und Europas größter Pharma-Konzerne Roche und Novartis und Taiwans und der Welt größter Chip-Produzent TSMC Trumps Erwartung, indem sie Mega-Investitionen in den USA planen, mit denen sie kaum allein bleiben werden – aber die Börsenkurse stürzten alle gemeinsam ab. Bei China dürften die USA stur bleiben- um so weniger können sie es überall sonst in Asien sein. Gegenüber der EU könnten die 10 Prozent Basiszoll an die Stelle der angedrohten 20 Prozent treten, nur bei Autos könnte sich Trump versteifen. Es sei denn, Deutschland verpflichtet sich noch weit mehr US-Waffen und LNG als schon jetzt zu kaufen. Dann ist selbst der von Ursula von der Leyen angebotene zollfreie Handel denkbar, den Deutschland 2013 ablehnte. Man muss sich oft erst die Finger verbrennen.
4 Kommentare
Danke wieder einmal für die erhellenden Hintergründe!!!
– Arme arbeitende Menschen – was für eine Schande, für jedes reiche Land. Der Republikaner Oren Cass hat natürlich Recht, zu 100 Prozent. (Ist auch in Österreich gültig und anwendbar, SPÖ bitte kommen …)
– Zölle sollte es überall geben, auch in europäischen und besonders auch in afrikanischen Staaten, um eigene Bevölkerungsgruppen und Branchen zu schützen. Genau im not-abwehrenden Ausmaß, nicht mehr.
– Was mir in allen (!) Kommentaren zu Trump als Politiker abgeht, ist 1. die Sicht auf Donald Trump, den Parade-Narzissten, und 2. den eindimensionalen Geschäftemacher.
1. Erstes Ziel eines Narzissten ist es, im Mittelpunkt zu stehen, alle anderen sollen möglichst geschockt sein und aufgeregt durcheinander reden, wartend welcher Aufreger als nächstes kommt. Zölle? Wonderful, bestes Thema ever für 1.
2. Jetzt kann er, der „Dealer“, das „Problem“ lösen – durch Ausnahme, Verschieben, zeitlich Aussetzen, etc. – und jedes Mal Auftritte, Fotos und News, News, News! Staaten können der Reihe nach antanzen, lächeln, huldigen, usw. Wonderful, Narzissten-Herz was willst Du noch mehr?
Was wird am Ende bleiben? Bei den Zöllen vielleicht manch Sinnvolles. Der Weckruf, eigene Industrien aufzubauen/zu stärken, kann sich nur als richtig herausstellen.
Die Aktienkurse werden sich erholen, vermute ich, und Leute mit Einblick werden die Wellen des Auf und Ab profitabel genützt haben.
(Pardon, wenn das jetzt auch positiv für DT klingt, aber – das wirkliche Leben ist nicht immer einfach. Vorteile? Auch wenn: Die Verrohung der westlichen Gesprächssphäre ist ein fürchterlicher und unnötiger Preis, den wir alle zahlen, wenn wir solchen Leuten Raum geben. Kostet uns alle weit mehr als „nur“ Milliarden.)
Das große Thema bei Trump ist, dass er zwar in vielen Punkten recht hat (z. B. Migration, Leistungsbilanzdefizit, Staatsausgaben, etc.), aber leider nicht als Präsident der USA agiert, sondern eher wie ein Strassenschläger. Drohungen und Erpressungen, Forderungen nach Schutzgeldzahlungen, etc. gehören zu seinem Repertoire. Die Demütigung des ukrainischen Präsident im Oval Office am 28. Februar war der endgültige Beweis, dass völlig neue Verhaltensweisen und Spielregeln gelten. Ich habe knapp die Hälfte meines Erwachsenenlebens (inkl. Studium) in Amerika und/oder mit Amerikanern verbracht. In meinem Herzen habe ich mich immer als Amerikaner gefühlt. Amerika war für mich in der Tat „the shining city on the hill“ (Reagan), „the perennial country of last resort“ (Thatcher). Jetzt im Alter erkennen zu müssen, dass daraus eine Illusion geworden ist, ist nicht einfach zu verkraften.
Ja das ist so mit Illusionen. Es schmerzt, wenn Stützen der Glaubenswelt einstürzen. Wenn man glaubt mit Sondervermögen die Wirtschaft zu retten, wenn man glaubt mit Impfungen das Immunsystem zu stärken und die Gesundheit zu fördern, wenn man glaubt mit Geoingenieuring und CO2- Einsparung das Weltklima zu retten, wenn man glaubt mit Sanktionen und provozierten Kriegen Russland zu destabilisieren, wenn man glaubt Schurkenstaaten ohne UN-Mandat bombardieren zu dürfen und das als alternatieflose Intervention zu benennen, dann brechen viele Illusionen zusammen. Wir sind langsam bereit ungeschminkte Wahrheiten zu erfassen. Das verdrehen reicht nicht mehr. Wir brauchen eine Schuldenbremse und eine Lügenbremse.!!!!!
Trump will im Sinne des Nobelpreisträgers Tobin die Besteuerung der Arbeit und des Kapitals reduzieren und durch Konsumsteuern (Transaktionen und automatisierten, hochfrequenten Wertpapierhandel) ersetzen. Die Abgabenlast soll drastisch verringert werden. Diese Politik ist allemal besser für den Welthandel, als die unsäglichen Sanktionen gegen willkürlich ernannte Schurkenstaaten. Gegen die Weltmacht Russland ist dieser Wirtschaftskrieg ohnehin tödlich. Zölle sind verhandelbar. Sanktionen sind auf Zerstörung aus.
Die Steuern auf Arbeit, gehören in Zeiten der digitalisierten Fertigung ohnehin abgeschafft. Die von Alfred Dallinger erdachte Maschinensteuer ist Geschichte und wäre zu komplex. Zölle sind einfach, können transparent sein und sollten an den Preisschildern angegeben werden. Die Mehrwertsteuer auf Zölle fließen auch in den Staatshaushalt. Leiden wird die Wegwerfgesellschaft und die Abfallwirtschaft, wenn weiger Plunder gekauft, transportiert und verbrannt wird.