Adolf Hitler schuf die industrielle Basis. Der Marshall-Plan lieferte Kapital. Bruno Kreisky waren Schulden mit Erfolg lieber als Arbeitslose. Wieso erstarkte die FPÖ?
Dankenswert sucht der ORF mit zahlreichen Sendungen zu vermitteln, was 80 Jahre zweiter Republik bedeuten. Patriotische Mythen erfreulich vermeidend lieferte die erste Sendung einen Überblick: Es stimmt zwar, dass Talent und Fleiß der Bevölkerung wesentlich dazu beitrugen, dass Österreich mit der zweiten Republik zu einem der reichsten Länder Europas wurde, aber die Bevölkerung der ersten Republik war nicht minder fleißig. Mit noch nicht vertriebenen jüdischen Wissenschaftlern besaß sie sogar das viel größere wirtschaftliche Potential und erlebte dennoch die größte Krise. Äußere Umstände machten den großen Unterschied: Nach dem ersten Weltkrieg forderten die Sieger von Österreich untragbare Reparationszahlungen und eine von den USA ausgehende Krise addierte sich mit einer gleichartigen Krise in Europa zur Weltwirtschaftskrise. Nach dem zweiten Weltkrieg hingegen hatten die die USA ihre Krise dank John M. Keynes überwunden und unterstützten die Kriegsverlierer mit dem Marshallplan.
Die für Zuseher vermutlich ungewohnteste Erkenntnis: Österreichs industrielle Basis schuf Adolf Hitler. Er baute die Ölindustrie aus, und auch wenn das nach dem Krieg nur der russischen Besatzungsmacht zugutekam, die selbst die Anlagen abtransportierte, war was verblieb, doch Basis der OMV. Vor allem aber schuf Hitler mit den Herman Göring -Werken in Linz die Basis der VOEST. Ihre Verstaatlichung war viel weniger sozialistisches Anliegen als von den USA unterstützter Weg, sie zu behalten- letztlich erreichten sie, dass Deutschland sie Österreich als Entschädigung überließ. Jörg Haiders Lob für Hitlers „gute Beschäftigungspolitik“ war für sich allein zwar empörend, aber sachlich richtig: Der mit seiner Regierung in Deutschland einsetzende Aufschwung war entscheidend dafür, dass er so viele Anhänger gewann, und jeder Aufschwung profitiert von Aufrüstung. Dass Hitlers Krieg alles vernichtete, ist ein anderes Kapitel.
Die Wirtschaft unmittelbar nach dem Krieg hatte mit heutiger Wirtschaft nichts gemein: „Markt“ war nur der Schwarzmarkt, ansonsten mussten verschiedenste Vorschriften ungewisses Angebot mit übergroßer Nachfrage in Einklang bringen. Erst in den 60er Jahren erreichte es diese Nachfrage und erst 1967 gab es eine der heute typischen Diskrepanzen. Finanzminister Stephan Koren überwand diese erste Konjunkturdelle mit Defizit Spending. Dass er ausgegebenes Geld mit Steuern auf Alkoholika und Autos wieder hereinbrachte, führte 1970 zur Niederlage der VP-Alleinregierung gegen Bruno Kreiskys SPÖ und mündete ein Jahr später in deren Alleinregierung. Koren, nun Chef der Notenbank, überzeugte Finanzminister Hannes Androsch, den Schilling weiter an die D- Mark zu binden und leitete damit eine wichtige Etappe ökonomischen Erfolgs ein: Um trotz des „harten“ Schillings erfolgreich zu exportieren, mussten alle Betriebe Qualität und Produktion ihrer Waren optimieren – es entstanden jene führenden Klein- und Mittelbetriebe, die bis heute Rückgrat unserer Wirtschaft und vermutlich Gegenstand kommender Sendungen sind.
Krisen überwand Österreich immer durch Defizit Spending: Kreiskys Ausspruch „Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger Sorgen als hunderttausend Arbeitslose“ erwies sich nachträglich immer als richtig. Doch Kreisky gewann seine letzte Wahl auch, nachdem er groben wirtschaftlichen Unfug angerichtet hatte: Seine Erklärung, dass der Staat für alle Kredite der verstaatlichten Industrie hafte, verschaffte der VOEST unbegrenzten Kredit, den sie auf dem Terminmarkt verspekulierte, worauf Österreichs größte Banken und die VOEST nur mehr vom Staat gerettet werden konnten. Kreisky schadete das so wenig wie der Lucona -Krimi, der zwei seiner Minister schwer belastete. Selbst für die ungeheuerliche Verleumdung Simon Wiesenthals kritisierten ihn nur ganze 12 Personen. Ich schrieb damals – und meine bis heute- dass es ein Glück war, dass Kreisky ein Demokrat war, denn die Österreicher folgten ihm blind. Es wünschen sich ja nicht nur 7 Prozent einen „starken Führer“, den kein Parlament behindert, sondern 20 finden das eher gut. Autoritäres Regieren hat hierzulande mehr Chancen als anderswo und das beantwortet zu einem Teil die Frage dieser ORF Sendung, wieso die FPÖ Herbert Kickls die meisten Stimmen auf sich vereint. Die Journalistin Anneliese Rohrer machte dafür Versäumnisse der Nachkriegszeit verantwortlich: Es sei unerträglich gewesen, wie ÖVP und SPÖ den Staat zwischen sich aufteilten – jemand, der kein Parteibuch besessen hätte, sei chancenlos gewesen. Gleichzeitig hätte man sich nie mit der Mittschuld an den NS-Verbrechen auseinandergesetzt – so sei zu erklären, dass selbst jemand zur Wahl steht, der nach dem Verbotsgesetz verurteilt wurde.
Ich möchte anfügen: Die Phase parlamentarischer Demokratie, die die Monarchie ablöste, war in Österreich eine der kürzesten: Die erste Republik war sehr begrenzt eine wirkliche Demokratie, unterhielten Sozialisten wie Christlichsoziale doch bewaffnete Milizen und träumten erstere doch auch von der Diktatur des Proletariats, während zweitere nur zu gern mit Engelbert Dollfuss zu Austrofaschisten wurden. Dass es so wenig Erfahrung darin gibt, Gefahren für die Demokratie zu erkennen, macht den Erfolg der FPÖ am ehesten verständlich. Dass große Teile der Bevölkerung wirtschaftlichen Abstieg erleben, lässt sie wie in der Zwischenkriegszeit den Parlamentarismus verachten.
5 Kommentare
Die kolonialistisch-imperialistisch Ausbeutung der Länder Afrikas, Südamerikas und Süd-Ost Asiens – besonders im Bezug auf Rohstoffe, geringere Umweltstandards, Hungerlöhne – ist nach wie vor Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung in den EU Ländern. Dazu kommt der EU-interne Kolonialismus: Holz- und Erdölfladerei in Rumänien, Raub erwerbstäriger Bevölkerung (Gesundheit und Pflege, Gastronomie, Tourismus) aus Bulgarien, Ungarn, Rumänien. u.v.a.
„… sachlich richtig aber empörend …“
Über diesen Satz sollte man nachdenken …
… wenn schon Sachlichkeit empört!
Sehr geschätzter Herr Lingens, wie Sie richtigerweise feststellen, war die Phase einer parlamentarischen Demokratie in Österreich sehr kurz. Heute sind wir auch sehr weit davon entfernt. Über verfassungswidrige Verordnungen wurde in der Coronazeit agiert. Über die Cofag wurden Betriebe am Leben gehalten, die insolvetsreif gewesen sind. Der Arbeitsmoral wurde großer Schaden zugeführt. Das Misstrauen in die Politik ist stark gestiegen. Andersdenkende werden diffamiert, beschuldigt, Brandmauern errichtet, von der aktiven Politik ausgesperrt. Auch wenn es die zwangfinanzierten Medien nicht berichten, gibt es noch immer (trotz DSA) glaubwürdige Informationen im Netz. Es ist auch nicht zu verwundern, wenn ganz offensichtlich zu sehen ist, wie die Frau Von der Leyen ungestraft, selbstherrlich am Parlament vorbei agiert. Im Kriegsrecht und in der Immunität kann man halt machen was man will. Koste es was es wolle.
Gute Beschäftigungspolitik ist sicher nicht Aufrüsten mit Sondervermögen, ohne an die Folgen zu denken. Gute entfesselnde Beschäftigungspolitik ist u.a. eine radikale Entrümpelung der Bürokratie, eine klare Gesetzgebung, die eine überbordende Normierungswut überflüssig macht, die menschliche Arbeitskraft von der Steuer befreit. Arbeistlose Steuerberater, Juristen und freiwerdende Arbeistkräfte in unzähligen Lohnbüros könnten den Arbeitsmarkt für produktive Tätigkeiten zur Verfügung stehen.
Österreich hatte eine blühende Textilwirtschaft, Schuhindustrie u.v.m.
Diese Produkte sollten wieder im eigenen Kontinent hergestellt werden. Der Weltmarkt fördert nur die Ausbäutung und Versklavung der Menschen. Donald Trump bricht einmal die verkrusteten Strukturen auf und sammelt über legitime Zölle, Geld für den hochverschuldeten Staat. Viele abgewanderte Industriezweige kehren nach Amerika zurück. So verkehrt wird wohl der Weg über Zölle nicht sein. Not macht erfinderisch.
Ein hervorragender geschichtlicher Überblick, den man zur Pflichtlektüre in der Oberstufe der AHS machen sollte!
besser und kürzer kann man die vergangenen 100 jahre nicht darstellen!