Fallende Aktienkurse zwangen Donald Trump im Zollkrieg einzulenken. Wer zwingt die EU, endlich mehr eigene Nachfrage zu schaffen, statt zu sparen? Was tut sie uns an?
Donald Trumps Aufruf, die Amerikaner sollten US-Aktien kaufen, nutzte nichts: In einem Land, in dem fast alle Einwohner Aktien besitzen, zwang ihn der Kurssturz, den sein Zollkrieg auslöste, zum Abrüsten: Erst nachdem er die Einigung mit China verkündete, erholten sich die Kurse – der „Markt“ in Gestalt der Börse hat Trump die Grenzen seiner Macht gezeigt.
Dabei wollte Trump ein Problem lösen, das die Grenzen des Marktes aufzeigt: Mit dem „Rustbelt“ gibt es in den USA seit Jahrzehnten einen Gürtel verrotteter traditioneller Unternehmen, deren einst gut bezahlte Arbeiter in der boomenden digitalen Industrie keine vergleichbaren Jobs finden. Ursache ihres Niedergangs: Importierte chinesische Waren sind dank hoher staatlicher Subventionen und niedriger Lohnkosten konkurrenzlos billig, und weil voran Deutschland seine Löhne nicht im Ausmaß seiner Produktivität erhöht, sind voran deutsche Autos preiswerter als ihre US-Konkurrenz.
Das entstandene Währungsproblem: Weil der Dollar seit Jahrzehnten nicht nur gegenüber dem Euro und Chinas Renminbi und Yuan, sondern auch gegenüber Japans Yen oder Südkoreas Won zu hoch bewertet ist, haben die USA ein jährliches Leistungsbilanz -Defizit von mehr als 1000 Milliarden Dollar, das schon Barack Obama und Joe Biden ein Dorn im Auge war. Durch seine Zölle, so meinte Trump, würde er dieses Defizit abbauen. Was er nicht bedachte – Bedenken sind ihm fremd – war, dass ein Zollkrieg mit der ganzen Welt wegen der Verflechtung der Weltwirtschaft kein geeignetes Instrument ist: Zölle gegen China mussten auch Apple Handys, Zölle gegen Mexiko auch dort produzierte Autos von Ford, Zölle gegen Kanada auch das für die traditionelle US-Industrie unverzichtbare Stahl verteuern. Gleichzeitig mussten verteuerte Importe aus China, Südkorea, Japan und EU die Inflation befeuern.
So wie viele Ökonomen vorhersagt hatten, verwandelte sich die Hoffnung der Amerikaner auf das von Trump versprochene „goldene Zeitalter“ schon allein wegen der allgemeinen Verunsicherung in die Angst vor einer Rezession. Trump war gezwungen, 90 Tage Waffenruhe zu erklären und die Einigung mit China zu suchen. Mit Südkorea und Groß Britannien gibt es sie ebenfalls – mit Japan und der EU wird es sie geben, denn der Schrecken bei Trump sitzt tief. Er sitzt freilich auch tief bei allen Unternehmen, die in die USA exportieren: Sie werden dort sehr wohl mehr investieren. Vor allem aber dürfte es der FED in absehbarer Zeit gelingen, den Dollar abzuwerten und das sollte das US-Leistungsbilanzdefizit sukzessive verringern. Man muss in der EU begreifen: Kein US-Präsident kann auf die Dauer zulassen, dass sich die USA um die 2000 Milliarden pro Jahr verschulden.
Eben dies aber war die Voraussetzung für den extremen Exporterfolg voran Deutschlands. Die aktuelle deutsche Krise ist nichts anderes als das Ende der Bereitschaft so vieler anderer, sich zu Deutschlands Gunsten zu verschulden. Damit ist auch die Lösung klar: Der deutsche Staat und die EU müssen sich selbst verschulden, um das nötige Wachstum zu generieren. Das hat in Deutschland soeben mit Milliardeninvestitionen in Rüstung und Infrastruktur begonnen. Irgendwann müssen auch die deutschen Löhne, und muss mit ihnen das das Lohnniveau der EU, so hoch sein, dass die Kaufkraft ihrer Bevölkerung wie in den USA ausreicht, den Großteil des Produzierten selbst zu kaufen.
Anders als in Deutschland wird der Staat in Österreich von der EU bekanntlich zum Sparen gezwungen und das kann aus Gründen der Mathematik nicht gut gehen, weil schon die Konsumenten sparen. Leider deuten WIFO- Chef Gabriel Felbermayr oder IHS-Chef Holger Bonin dieses Risiko in ihren Reden nur an: Man dürfe sicher nicht radikal sparen, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen. Finanzminister Markus Marterbauer hat in seiner Budgetrede zumindest angefügt, dass er sich in Brüssel für eine Reform der Maastricht Kriterien einsetzen würde. In Wirklichkeit wäre das die zentrale Aufgabe aller Genannten: der EU-Kommission klarzumachen, dass Sparen des Staates widersinnig ist. Natürlich soll er „sparsam“ wirtschaften und hat das, am augenfälligsten bei der Förderung für E-Autos nicht getan, indem sie Leuten zuteilwurde, die sich sowieso Teslas leisten können. Diverse Staatsausgaben wären zweifellos besser zu organisieren – aber nicht um sie einzusparen, sondern um besser zu zielen.
Marterbauers wirksamstes Argument krankt aus dem gleichen Grund. So sagt er, dass wir sparen müssen, um hohe Zinszahlungen zu vermeiden. Nur dass Österreichs jüngste Staatsanleihen in Kenntnis eines drohenden Defizitverfahrens vielfach überzeichnet waren oder dass Japan trotz der horrenden Staatsschuldenquote von 235 Prozent minimale Zinsen zahlt, weil es wirtschaftlich gut funktioniert. Österreich wird daher nur dann höhere Zinsen zahlen müssen, wenn es wirtschaftlich zurückfällt – und genau das kann das Sparen des Staates bewirken.
Wie WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller meine ich, dass die Regierung Gott sei Dank bisher so wirtschaftsschonend wie möglich vorgeht – nur das höhere Kilometergeld ist problematisch. Und die sture Ablehnung vermögensbezogener Steuern durch NEOS und ÖVP war auch für Marterbauer nicht zu überwinden: Lieber benachteiligt man Österreichs Banken durch eine Abgabe im Konkurrenzkampf, als diese Steuern auf das durchschnittliche EU-Niveau anzuheben. Er muss sich leider damit abfinden, dass unsere bürgerlichen Parteien weniger als er von bürgerlicher Ökonomie verstehen.
Ein Kommentar
Wer bleibt auf dem Schuldenberg und den überflüssigen Mordwaffen sitzen, wenn er sich irrt der Herr Lingens?Aufrüsten war immer das Vorspiel zum Völkermord (Krieg). Von der geschichtlichen Geopolitik liese sich viel ableiten und Leid vermeiden. Zusammenhänge erkennen und Punkte verknüpfen hilft auch, die derzeit sehr antidemokratische, autoritäre Zeit einzuordnen. Vorurteile, Diffamierungen, Vermutungen gehören scheinbar zum aktuellen, mit Steuermitteln geförderten journalistischen Stil.
Trump muss einen unglaublich verschuldeten Haushalt ins Lot bringen. Da ist die Steigerung der Innlandsproduktion ein probates Mittel. Atomwaffen braucht die Menschheit nicht. Ist auch schmutzige Arbeit, Waffen herzustellen. Zölle sind sauber, transparent, und flexibel einsetzbar. Wird die Energieinfrastruktur, so wie in Deutschland zerstört, helfen auch keine hohen Lohnabschlüsse. Die Produktion folgt den stabilen Energiequellen.