Trump lässt uns und der Ukraine Chancen

Wenn die EU der Ukraine dank Trumps Einverständnis Patriot-Systeme finanziert und dazu Marschflugköper lieferte und ihre Heere aufrüstet, hätte Frieden durchaus Chancen.

Wenn Ich Donald Trump etwas glaube, dann, dass er Krieg nicht mag und gern den Friedensnobelpreis erhielte. Völlig ausgeschlossen ist das nicht, seit er begreift, dass nicht Wolodymyr Selenskyj, sondern Wladimir Putin Frieden im Weg steht. Dass er der Ukraine nun doch Patriot-Systeme zugesteht, stärkt ihr Durchhaltevermögen erheblich, zumal EU-Staaten sie rasch aus eigenen Beständen liefern und bei den USA nachbestellen kann. Wenn die EU darüber hinaus den Mut hat, ihr auch offensive Systeme, wie Marschflugkörper, zu liefern, kann das Putin, auch wenn deren Einsatz in Russland streng begrenzt wird, durchaus zum Einlenken bewegen. Nur bezweifle ich Tempo wie Mut.

Hauptproblem der Ukraine ist stets, dass sie nur 39 Millionen Einwohner gegenüber 143 Millionen Russlands hat, so dass sie ihre Truppen kaum ergänzen kann- einen Abnützungskrieg verliert sie. Um Erfolg zu haben, braucht sie überlegene, statt höchstens gleichwertige Waffen. Nur wenn ihr eine Offensive gelingt, bei der sich die Frontlinie Russlands Grenze nähert, kann sie erreichen, dass Putin in Friedensverhandlungen einwilligt, weil er sich sagt: Besser die Krim zu haben und Sanktionen loszuwerden, als zu riskieren, etwas von seiner Beute zu verlieren.

Um Selenskyjs Armee in diese überlegene Lage zu versetzen, braucht es neben mehr Mut viel mehr Geld. Bisher haben EU und USA die Ukraine gemeinsam unterstützt, jetzt muss es die EU allein tun. Ein Patriot-System kostet eine Milliarde Euro und die Ukraine braucht zehn; Taurus-Marschflugkörper, die eine Million kosten, braucht sie unzählige. Betrachtet man die 3,5 Prozent des BIP, die Europas Nato -Staaten künftig für Rüstung aufbringen sollen unter dem Gesichtspunkt, dass zu diesem Bedarf der Ukraine der Nachrüstungsbedarf aller Armeen der EU-Staaten kommt, scheint mir das keineswegs zu viel.

Der bekannte Soziologe Max Haller erhob dagegen vorige Woche Einwände, auf die ich eingehen will. Voran bezweifelt er, dass man sich auf den Krieg vorbereiten muss, wenn man Frieden will: „Aggressive Herrscher waren jederzeit bereit, ein Land anzugreifen, auch wenn es gut gerüstet war. Beide Weltkriege wurden ausgelöst, als bereits Aufrüstungsspiralen im Gang waren.“ Doch Haller lässt außer Acht, dass Adolf Hitler erlebte, dass die Alliierten seine Überfälle auf Österreich und die Tschechoslowakei einfach hinnahmen- das musste ihn glauben lassen, sie seien nicht bereit zu kämpfen, und eine größere Einladung zum Angriff gibt es nicht.

Haller hält für unwahrscheinlich, dass Putin Nato – Staaten angreift, nachdem er erlebt hat, wie schwer ihm schon der Sieg über die Ukraine fällt. Ich auch – aber mich (und die Moldawier) störte schon, wenn er Moldawien angriffe. Vor allem aber scheint mir Krieg so furchtbar, dass man zu seiner Vermeidung auch ein unwahrscheinliches Szenario in Betracht ziehen muss, das da wäre: Putin greift Litauen an und Trump versagt jeden Beistand, weil es ihm viel zu unwichtig ist. Meines Erachtens muss eine verantwortungsbewusste EU daher allein in der Lage sein, Putin abzuschrecken.

In Hallers Sicht „übersteigt allein die Rüstung Westeuropas schon jetzt die russische“. Doch er irrt insofern, als nur die „Rüstungsausgaben“ derzeit die russischen übersteigen – Russlands „Rüstung“ aber seit Jahrzehnten eine gewaltige ist, während die Heere der EU durch Jahrzehnte kaputtgespart wurden. Es geht also ums Aufholen eines gewaltigen Nachholbedarfs und leider stimmt nicht, „dass die Rüstungsindustrie im Falle eines Angriffst rasch hochgefahren werden kann“- der Ukrainekrieg beweist das Gegenteil.

Meinem Argument, dass Rüstungsausgaben auch der Wirtschaft nutzen, hält Haller entgegen, dass Infrastruktur-Ausgaben ihr viel mehr nützen. Das schrieb auch ich – ich fügte nur an, dass ihr selbst Rüstungsausgaben nützen. Wenn Haller meint, dass sie „Abrüstung verhindern“ irrt er: Der Nato-Doppelbeschluss, russischen Raketen in Europa Nato-Raketen gegenüberzustellen, führte zu einem großen Abrüstungsschritt. Und wenn Haller daran erinnert, dass die Sowjetunion „sich zu Tode gerüstet hat“ zeigt das, wie nützlich Aufrüsten sein kann: In der Ära Ronald Reagans planten die USA ein Laser-Abwehrsystem und die UdSSR, die trotz kommunistischer Misswirtschaft mithalten wollte, zerbrach daran und löste sich auf.

Schließlich hält Haller „für fraglich, dass nur Militärpräsenz und Atomschirm der USA Europa vor Vorstößen der Roten Armee bewahrten“: Durch die Teilung der Einflusssphären in Jalta hätte die UdSSR mehr Macht denn je besessen – „welches Interesse hätte sie gehabt, weiter nach Westen zu marschieren?“

Ein solches Interesse war zum Beispiel die Sicherung des kommunistischen Putschs in der CSSR, danach das Niederschlagen des Ungarn-Aufstandes und zuletzt des Prager Frühlings. Wo ihr der Westen anfangs keinen Widerstand entgegensetzte, in Afghanistan, ist sie auch über die Einflusssphäre hinaus vorgestoßen. Es wird nie zu klären sein, ob wirklich die Nato die UdSSR von Vorstößen nach Westeuropa abgehalten hat, aber mir reicht, dass ihre Existenz von achtzig Jahren Frieden begleitet war. Insofern glaube ich, anders als Haller, dass Henry Kissingers „Gleichgewicht des Schreckens“ zwar keine absolute, aber die relativ größte Sicherheit vor Krieg bietet und man sehr wohl zum Krieg rüsten muss, um den Frieden zu bewahren. Dass man dabei immer auch verhandeln soll, glaube auch ich: Je stärker EU und Ukraine sind, desto eher wird auch Putin verhandeln.

 

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