Man höre auf Ralf Rangnick!

Der deutsche Trainer unsrer Nationalelf versteht nicht nur besonders viel von Fußball, sondern mindestens soviel von Politik. Er warnt eindringlich vor Rechtsextremismus.

Österreich feiert den Aufstieg als Gruppensieger ins Achtelfinale der Europameisterschaft. Ich auch, denn im Sport bin ich so “national”, dass Herbert Kickl seine Freude an mir hätte. Aber obwohl unsere Fußballer nie schlecht waren, zweifle auch ich nicht daran, dass der deutschen Trainer Ralf Rangnick entscheidenden Anteil an diesem Erfolg hat: Er machte aus 26 Einzelspielern jenes verschworene Kollektiv, als das die Mannschaft auftritt. “Professor Rangnick”, wie eine Zeitung ihn nannte, lehrte sie Gemeinsinn: Indem jeder Spieler jedem Mitspieler schneller denn je zur Hilfe kommt, wurde aus jedem Zweikampf ein Dreikampf mit österreichischer Mehrheit. Indem Rangnick möglichst viele Spieler einsetzt, vermeidet er Kränkungen. Indem er Spielern, um deren Qualität er weiß, auch dann vertraut, wenn sie einmal schlechter spielen, vermittelt er Sicherheit. Dass er Marko Arnautovic vertraute, obwohl Inter-Mailand dessen Vertrag nicht verlängern will, weil er zu oft verletzt und zu alt sei, hat zweifellos dazu geführt, dass Arnautovic wie ein Berserker rackert.

Rangnick genießt in der Mannschaft nie da gewesenes Vertrauen, weil es wohl auch noch nie da war, dass jemand ein mehrjähriges Millionengehalt als Trainer von Bayern München ausschlägt, um das Vertrauen zu rechtfertigen, das die Mannschaft in ihn setzt. Er ist mehr als nur ein guter Fußballtrainer.

Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er von Politik mindestens so viel wie von Fußball versteht. So beantwortete er die Frage, was ihn derzeit besonders bewegt im Standard mit folgenden Worten: “Was momentan passiert, macht mich nachdenklich und traurig. In Deutschland und in Österreich gibt es politische Strömungen und Entwicklungen, die mir große Sorgen bereiten… Wenn uns die Historie beider Länder etwas gelehrt hat, dann ist es die Gefahr, die von Rechtsextremismus und Faschismus ausgeht. Man redet derzeit offen von Remigration und Deportation, manche finden das auch noch gut, für mich sind diese Begriffe schrecklich… Ich sehe die Gefahr, dass die Rechtsextremen an die Macht kommen und einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Minderheiten werden verantwortlich gemacht: Es sind die Juden, die Ausländer – man findet irgendwen, der schuld daran ist, warum es uns schlecht geht. Dabei geht es uns in Europa immer noch relativ gut”.

Besser kann man es nicht sagen. Paul Schulmeister, der mit dem “Bündnis für Demokratie und Respekt” eine FP-Regierung verhindern will, sollte diese Aussage auf die Homepage des Bündnisses stellen und auf Flugblättern verbreiten. Wenn die Österreicher schon nicht auf die Warnungen von Andreas Babler, Karl Nehammer, Werner Kogler oder Beate Meinl Reisinger vor einem Wahlsieg der FPÖ hören, so hören sie vielleicht auf die Warnung Ralf Rangnicks und fragen sich, ob Sebastian Kurz wirklich recht hat, wenn er behauptet, die türkis-blaue Koalition hätte besonders viel geleistet. Denn sie hat die Corona-Pandemie besonders teuer gehandhabt, die Zusammenlegung der Krankenkassen hat bisher keine Milliarde eingebracht, sondern nur viel Geld gekostet. Voran sozial Schwache, die die FPÖ zu vertreten behauptet, haben gelitten: die Zahlung für ein drittes Kind fiel weg und FP-Sozialministerin Beate Hartinger -Klein erklärte, von monatlich 150 Euro könne man tadellos leben. Natürlich sind die Gehälter der Arbeiter auch in dieser Ära real um bis zu zwanzig Prozent gesunken, auch wenn Deutschlands Lohnzurückhaltung daran die Hauptschuld trug. Und natürlich wurde die Migration auch unter Innenminister Kickl nicht besser bewältigt, weil er eine “einfache Lösung für ein komplexes Problem” versprach und nur erreichte, die “Ausländer dafür verantwortlich zu machen, dass es uns schlecht geht.”

Leute, die im Sport viel leisten vertreten- im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung- selten rechtsextreme Positionen: sie wissen zu genau, was “Leistung” ist. So antwortete mir der später weltbeste Tennisspieler Thomas Muster, als ich ihn nach seiner Meinung über den damals denkbar populären FP-Chef Jörg Haider fragte: “Ein Schreier, mit nichts dahinter” – nur verbot ihm sein Manager Ronnie Leitgeb leider, sich damit zitieren zu lassen. Heute lässt sich Frankreichs Superstar Kylian Mbappé nichts mehr verbieten: Er warnt so eindringlich vor einem Wahlsieg Marine Le Pen´s wie Ralf Rangnick vor einem Wahlsieg von AfD und FPÖ.

Charakteristisch ist, dass jemand wie Rangnick die Gefahr des Rechtsextremismus und die Notwendigkeit von Gemeinsinn in allen Zusammenhängen so klar wie in Österreich und Deutschland sieht. Auf die Frage nach einem Comeback Donald Trumps antwortete er im zitierten Standard-Interview: “Ja, womöglich wird Trump wiedergewählt. Wie kann das sein nach der Erstürmung des Kapitols? Trump verbreitet Angst, Hass und Verschwörungstheorien. Was ist los mit den USA? Wir reden von künstlicher Intelligenz – ich habe viel mehr Sehnsucht nach der natürlichen Intelligenz. Unser Planet hat so viele Probleme: Klima, Armut, Kriege, Flucht… Kann man wo nicht überleben, ist es purer Selbsterhaltungstrieb, dass man woanders hingeht… Nehmen wir den Klimawandel. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr sagen können: Kümmern wir uns in ein paar Jahren darum. Wir können alles nur gemeinsam lösen, es ist ein gemeinsamer Planet.”

Auch da kann man nur sagen: Man höre auf Ralf Rangnick!

 

 

Weiterlesen

Frankreichs unlösbares Wirtschaftsproblem

Frankreichs keineswegs  nur selbstverschuldete immer schlechtere wirtschaftliche Lage trug wesentlich zum Erfolg der Partei Marine Le Pens bei.

Wie erwartet landete das Rassemblement National Marine Le Pens im ersten Wahlgang mit 33 Prozent klar vor dem Linksbündnis NFP mit 28 und den Liberalen Emmanuel Macrons mit 20 Prozent. Nur wenn Linke und Liberale kommenden Sonntag beim zweiten Wahlgang mit großer Mehrheit gemeinsam gegen die Kandidaten Le Pens stimmen, bleibt der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU eine EU-kritische Rechtsaußen- Regierung erspart, auch wenn Staatspräsident Macron ihren Spielraum begrenzte. Würde Le Pen 2027 auch Präsidentin, so veränderte das die EU mehr als selbst der Brexit.

Die schon jetzt dramatische Entwicklung hat viele Gründe. Natürlich, wie überall, die Migration, die Frankreich seit jeher in keiner Weise bewältigt: In den “Banlieue”(Vororten), in denen Migranten sich konzentrieren, führen Vierzehnjährige derzeit mit Sprengstoffgefüllten Flaschen Bandenkrieg. Ständig herrschen Terrorwarnstufen. Dass Islamisten Lehrer köpfen und Juden ermorden, erschüttert das Land. Hinzu kommt die in allen Ländern gleiche Angst vor Massen- Zuwanderung, die der deutsche Hirn-Forscher Hoimar von Ditfurth 1989 kurz vor seinem Tod und lang vor den aktuellen Problemen so begründete: “Es gibt drei angeborene Handlungsweisen des Menschen, die aus dem vor- und frühsteinzeitlichen Dschungel stammen: Hab Angst vor jedem Menschen, den Du nicht kennst! Die Rechte Deiner Horde sind den Rechten aller anderen Kollektive übergeordnet! Du musst, wenn Du glaubst das Überleben Deiner Horde nicht anders sichern zu können, den Konkurrenten totschlagen! Wenn wir von Horden von Fremden lesen, die hier einwandern, dann revoltiert dieses Gesetz der Steinzeit in uns. Deswegen sind wir keine Faschisten. Es ist menschlich, davor Angst zu haben. Nur muss dann die Hirnrinde tätig werden … “

Sie wird es in Frankreich so wenig wie in Österreich. Zumal die wirtschaftliche Misere, in der sich das Land befindet, den Widerstand gegen Zuwanderung rational verschärft: Migranten füllen Sozialbau- Wohnungen und drücken auf die Löhne. Solange das Lohnniveau der eingesessenen Bevölkerung ein gutes und ihr Wohlstand ein passabler ist, hält sich ihr Frust in Grenzen – gerät sie in wirtschaftliche Probleme, so sprengt er sie. Und die Franzosen haben seit zirka 1998 immer größere wirtschaftliche Probleme: Indem deutsche Unternehmen die Löhne nicht mehr im Ausmaß des Produktivitätszuwachses erhöhten, errangen deutsche Waren gegenüber französischen einen Lohnstückostenvorteil von 20 Prozent, so dass Frankreich immer mehr Marktanteile verlor: Allein gegenüber Deutschland exportiert Frankreich seither um 400 Milliarden Euro weniger als Deutschland nach Frankreich. Entsprechend hat sich Frankreichs Arbeitslosigkeit verfestigt: Viel davon scheint nicht einmal mehr in der Statistik auf, weil die Betroffenen die Arbeitssuche aufgegeben haben. Sie und die registrierten Arbeitslosen sind das gesicherte Wählerreservoir Le Pens. Entsprechend hat sich auch Frankreichs soeben von der EU kritisierte Verschuldung erhöht: Ungenügend ausgelastete Betriebe lieferten dem Staat zunehmend weniger Steuern ab, während die Arbeitslosigkeit ihn zunehmend mehr kostete.

Kein französischer Präsident, auch kein ungleich fähigerer als Emmanuel Macron, hätte diese Entwicklung stoppen können. Denn wenn er die Löhne so senkte, dass Frankreich Marktanteile zurückgewänne, scheiterte er nicht nur an der ausgelösten Revolte, sondern erstickte auch noch die Binnenkonjunktur. Macron, 2017 als große Hoffnung und “Jupiter” gefeiert, als er mit seiner Bewegung “en Marche” eine beachtliche Mehrheit hinter sich versammelte, hat diese Hoffnung freilich besonders heftig enttäuscht. Statt sich mit Italien und anderen Ländern des “Südens”, die alle die gleichen Probleme haben, zusammenzutun und vielleicht dank gemeinsamen politischen Drucks zu erreichen, dass Deutschlands Gewerkschaften höhere, dem Produktivitätszuwachs entsprechende Löhne fordern, indem man ihnen erklärt, dass Deutschland wirtschaftlich gesunde Nachbarn braucht, um ihnen seine Produkte zu verkaufen, setzte er nur eine der Reformen durch, mit deren Ausbleiben die deutsche Presse seine Misere begründet: Er erreichte die natürlich richtige Anhebung des Pensionsalters um zwei Jahre, aber sie mündete in wüste Streiks. Das wieder lag nicht zuletzt an seiner abgehobenen Persönlichkeit: Er hat keine Lust mit Leuten zu verhandeln, die sich “nicht genug anstrengen”, sich die gleichen Maßanzüge wie er zu kaufen. Macron ist für das Volk das Gegenteil eines der ihren.

Marine Le Pen hingegen spricht für das Volk. Nicht dass sie Frankreichs zentrales Problem lösen könnte- konkrete Lösungen weiß das Rassemblement national so wenig wie die FPÖ – aber die herrschenden Zustände lautstark zu kritisieren, musste auf offene Ohren treffen. Hinzu kommt, dass es Le Pen zunehmend gelang, ihre Partei aus der Schmuddelecke herauszuführen: Der neue Parteiführer Jordan Bardella trägt Maßanzuge wie Macron und zeigt Verständnis für Forderungen der Industrie – niemand nimmt an, dass er den Frexit betreibt. Gleichzeitig gibt es mittlerweile eine noch rechtere Partei als das Rassemblement und zur Linken vertritt der Führer der Kommunisten Jean-Luc Mélenchon im Linksbündnis “Nouveau Front Populaire”, das sich dem Rassemblement entgegenstellte, extrem linke Positionen, so dass viele Wähler Le Pens Haltung zunehmend als vernünftige Mitte empfanden, so wenig sie es ist.

 

Weiterlesen

Das katastrophale Biden-Dilemma

Joe Bidens auch in den Augen von Parteifreunden denkbar schlechtes Abschneiden im TV-Duell mit Donald Trump – anfangs hatte er echte Aussetzer und die schon üblichen Versprecher, später fing er sich zwar merklich, konnte aber nie den Eindruck vermindern, sehr alt zu sein – ist nicht nur eine Katastrophe für die USA sondern natürlich auch für Europa – voran die Ukraine.

Trump, der die üblichen Lügen über den  ihm angeblich gestohlenen Wahlsieg wiederholte, und offen ließ ob er eine neuerliche Niederlage akzeptierte, betonte absolut glaubwürdig, dass “ein Ozean zwischen den USA und der Ukraine” läge und deren Verteidigung nicht Sache der USA sondern  der Europäer sei.

67 Prozent der Zuseher sahen laut Umfrage von CNN in Trump den klaren Sieger des Duells- nur 33 Prozent sahen ihn in Biden. Dabei hatten die Demokraten gehofft dass die TV-Konfrontation die Wende für Bidens bisher so schlechte Umfragewerte bringen könnte: In vier von 6 der wahlentscheidenden “Swing -Staaten” liegt er deutlich, in einem knapp hinter Trump, und selbst in den bundesweiten Umfragen, bei denen der demokratische Kandidat bisher selbst dann vorne lag, wenn er die Wahl wie Hillary Clinton trotz eine bundesweiten Vorsprungs von 2 Millionen Stimmen verlor,  liegt Biden hinter Trump.

Entsprechend geschockt zeigt man sich in der demokratischen Partei über den so katastrophalen Ausgang der TV-Konfrontation und erstmals wird laut über einen neune Präsidentschaftskandidaten nachgedacht. Der wäre immer noch möglich – allerding nur, wenn Beiden von sich aus auf die Kandidatur verzichtete.

Aber nichts beweist klarer, dass er tatsächlich zu alt für dieses Amt ist, als dass er trotz seiner so katastrophalen Umfragewerte nicht erkennt, dass dieser Verzicht ein Dienst an seiner Partei, an den USA und der Welt wäre.

Es nutzt nichts, dass Biden im nahen Osten wie in der Ukraine beweist, das er sehr wohl zu sinnvollem politischem Handeln fähig ist, wenn immer mehr amerikanische Wähler ihn dennoch für zu alt halten, weitere vier Jahre das anstrengendste Amt der Welt auszuüben ihm nicht mehr ihre Stimme geben. .  Nach diesem TV- Duell muss man beinahe auf ein Wunder hoffen, damit Trump nicht neuerlich Präsident des mächtigsten Staates der Welt wird,

 

Weiterlesen

Europas Auto-Industrie ist gefordert

Die Zahl neu zugelassener E-Autos ist rückläufig – dennoch gehört ihnen die Zukunft. Europas Autoindustrie muss mit China gleichziehen-  auch wenn es viel Geld kostet.

Nicht nur in Österreich, sondern EU-weit ist der Absatz von E-Autos in den ersten Monaten des Jahres rückläufig. Im vergangenen Jahr waren in Österreich von Jänner bis April 17,9 Prozent aller neu zugelassenen Pkws batterieelektrisch – heuer sind es im selben Zeitraum nur 16,6 Prozent und gleichzeitig stieg der Absatz von Diesel- und Hybridfahrzeugen. Zur Begründung gibt es sehr verschiedene Erzählungen. Eine entspricht der Kritik des österreichischen Motorenentwicklers Fritz Indra: Die Reichweite der E-Autos sei stets viel geringer als behauptet – bei Kälte oder Hitze hätte man Mühe größere Reisen zu unternehmen, zumal Tanken längere Unterbrechungen erfordere. Ein gutes Diesel-Auto sei billiger und ungleich einfacher zu nutzen. Unterstützt wird diese Erzählung davon, dass die größten Autovermieter E-Autos in ihren Flotten massiv reduzierten. Die andere Erzählung ist die von Leonore Gewessler:  E-Autos seien unverzichtbar, wenn man den CO2-Ausstoß des Verkehrs reduzieren wolle. Immer bessere Batterien erlaubten immer größere Reichweiten und man würde genügend grünen Strom erzeugen, um sie zuladen. Es gelte nur, die Ladeinfrastruktur rasch auszubauen.

Der aktuelle Rückgang des E-Auto Absatzes ist jedenfalls leicht zu erklären: Die staatliche Förderung für ihren Kauf wurde in Österreich, wie überall, deutlich reduziert. Private Kunden, die rund 30 Prozent der E-Neuwagen kaufen, werden weiter unterstützt, aber für Unternehmen, auf die  70 Prozent der Käufe entfallen, hat die Regierung die direkten Förderungen im März auslaufen lassen. Gleichzeitig werden E-Autos bezüglich Reichweite und Ladegeschwindigkeit laufend sowohl besser wie preisgünstiger, so dass Unternehmen den Kauf auch aus diesem Grund in die Zukunft schieben. Sollte es sich beim Rückgang der Verkäufe allerdings nicht nur um eine vorübergehende Delle, sondern um einen Trend handeln, so wird die türkis-grüne Regierung nicht umhin kommen, die Form ihrer Subventionen zu überdenken, wenn sie erreichen will, dass Österreichs PKW-Verkehr in absehbarer Zeit ein elektrischer wird – und billig wird das kaum sein.

Kommt hinzu, dass sie uneinig ist: Kanzler Karl Nehammer hat bekanntlich – nicht ohne innenpolitischen Erfolg – einen „Autogipfel“ einberufen, bei dem das von der EU-beschlossene „Verbrenner-Aus“ insofern in Frage gestellt wird, als es laut Nehammer „technologieoffen“ sein müsse. Nur ist es das meines Erachtens: Die EU verbietet Verbrenner ab 2035 nicht, sondern verlangt nur, dass beim Auspuff kein CO2 herauskommt – lässt sich das mittels Verbrennen von E-Fuels erreichen, so ist es zugelassen, wenn auch in meinen Augen teuer. Für die Autoindustrie ist die EU-Ansage jedenfalls klar und gibt ihr Planungssicherheit. Trotzdem  werden die großen Autoproduzenten auch Diesel- und Benzinmotoren weiterentwickeln, weil Lastautos noch länger damit fahren werden und weil sie ihre Autos ja auch in Länder verkaufen wollen, in denen es noch lange keine Lade-Infrastruktur gibt.

Letztlich, so glaube ich, wird Elektromobilität sich durchsetzen: Die Batterietechnik macht enorme Fortschritte, E-Autos beschleunigen optimal und E- Motoren sind besonders robust, weil sie  weniger Teile haben, die kaputt werden können. Entscheidend für die CO2- Bilanz wird freilich bleiben, ob die Produktion grünen Stroms mit dem Mehrbedarf Schritt hält, der sich nicht nur durch immer mehr E-Autos, sondern auch immer mehr Wärmepumpen, vor allem aber durch den enormen Stromverbrauch der Digitalisierung ergibt. Nur wenn dieser viele zusätzliche Strom tatsächlich grün erzeugt werden kann und nicht womöglich Kohlekraftwerke zugeschaltet werden müssen, wird sich der CO2- Ausstoß tatsächlich vermindern. Gewessler ist davon überzeugt – ich halte angesichts des Fortschritts der Photovoltaik für zulässig, darauf zu hoffen.

Dass das Thema in Österreich so viele Emotionen weckt, liegt daran, dass unsere Zuliefer-Industrie  für die deutsche Autoindustrie hunderttausende Arbeitsplätze sichert. Diese bisher weltführende deutsche Autoindustrie hat bei der Produktion von E-Autos und vor allem der für sie nötigen Batterien bekanntlich einen beträchtlichen Rückstand gegenüber China. Die USA, deren Autoindustrie in der gleichen Lage ist, wehrt sich, indem sie chinesische E-Autos mit 100 Prozent Zoll belastet. Die EU geht vorsichtiger vor: für kleinere Autos von BYD erhöht sie ihn auf 17,4, für mittlere von Geely auf 20 und für große des chinesischen VW-Partners SAIC auf 38,1 Prozent.  Begründet wird das, wie in den USA, zu Recht damit, dass die chinesische E- Auto- Industrie vom Staat hoch subventioniert wird. Renault, das bei kleinen E- Autos mit China konkurriert, hätte lieber höhere Zölle gesehen, Mercedes, Audi oder BMW, die ihre Top-Modelle, gleich ob als Verbrenner oder elektrisch, dank ihrs Prestiges in China bisher weiter gut verkauft haben, hätten sich eher niedrigere gewünscht, denn sie fürchten, dass die Gegenzölle, die China zweifellos verhängen wird, ihr  Geschäft dort killen könnten.

Letztendlich  wird es jedenfalls nötig sein, dass Europas Autoindustrie auf dem Sektor der E-Autos mit China gleichzieht. Zölle können dafür die nötige Zeit verschaffen – Innovation ersetzen  können sie nicht. Europas  Autoindustrie ist gefordert und es kann sein, dass sie und Österreichs Zulieferindustrie nicht ohne massive staatliche Förderung auskommen.

 

 

Weiterlesen

Soll man Industrien mit Zöllen schützen?

Obwohl sie Freihandel predigen, schützen die USA US-Produkte wie nie zuvor. In Europa hält man das, voran in Deutschland, für einen groben Fehler.

 Die USA schützen sich wie nie zuvor gegen ausländische Konkurrenz, indem Joe Biden US-Produkte steuerlich massiv begünstigt. De facto hat diese steuerliche Begünstigung die gleiche Wirkung wie Zölle und auch dabei sind die USA nicht zimperlich. So schützen sie ihre Autoindustrie vor E-Autos aus China, indem sie die mit 100 Prozent Zoll belasten. In der EU schützt man die eigene Autoindustrie nur mit durchschnittlich 20 Prozent Zoll vor Chinas Konkurrenz und voran in Deutschland hält man auch das für einen großen Fehler (siehe auch meinen kommenden Text  über E-Mobilität)

Der Freihandel ist ein Dogma des (Neo)liberalismus: Durch ihn ginge es den Menschen weltweit am besten, weil jedes Land produziere, was es am besten könne und der Handel für sinnvollen Tausch sorge. Die aktuellste Unterstützung dieser sicher nicht falschen These kam von Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und besagt, dass Freihandel auch für alle Produkte die größten Serien zulässt – und je größer die Serie, desto billiger das Produkt. Auch das ist natürlich nicht falsch, nur gibt es Einwände: Wenn deutsche Produkte in Spanien verkauft werden, ist der Weg kurz, wenn sie in den USA verkauft werden, ist er lang und Umweltorganisationen beklagen seit jeher, dass die Wegkosten nicht korrekt berechnet werden: Mit Schweröl betriebene Lastschiffe verpuffen gigantische Mengen CO2 und beschleunigen den Klimawandel erheblich. Nur ein hoher CO2-Preis gestaltete die Wegkosten halbwegs korrekt.

Sicher falsch ist die vom Weltwährungsfonds vertretene Forderung, dass Staaten, die er unterstützt, Freihandel üben müssen: Selbst die teuersten EU- Lebensmittel sind billiger als die, die Afrikas Staaten derzeit selbst herzustellen vermögen und ihre Lebensmittelunternehmen überleben die Konkurrenz nicht. Industrien unterentwickelter Länder können sich vielmehr nur hinter Zollmauern entwickeln: Die Autoindustrie Südkoreas entstand hinter Zollmauern von 400 Prozent. Allerdings kommt immer der Moment, in dem  die Konkurrenz aus dem Ausland notwendig wird, um den industrielle Elan aufrecht zu halten und die Preise zu dämpfen – heute wären schon 20 Prozent Zoll Südkoreas auf Auslands-Autos verrückt. Vielleicht ersieht man aus diesen Beispielen: In manchen Bereichen der Wirtschaft sind  einfache Lösungen nicht möglich, schon weil sie sich mit der Zeit verändern müssen.

So haben deutsche Ökonomen die Zölle, die die USA auf chinesischen Stahl verhängte, anfangs als Eigentor bezeichnet – die USA würden unter hohen Stahlpreisen leiden – aber am Ende hat auch die EU sie verhängt. Und diejenigen, die jetzt hohe Zölle der EU auf chinesische E-Autos fordern erinnern an das Schicksal der EU insbesondere der deutschen Solar-Industrie: die war ursprünglich ziemlich stark – bis Billigware aus China sie umbrachte. China hat nicht nur billige Arbeitskräfte, sondern auch die geringsten Umweltauflagen und längst nicht mehr die schwächste Technologie. Wenn dazu hohe staatliche Förderung kommt,  muss man sich manchmal mit allen Mitteln wehren.

PS: In meinem Kommentar zum Rechtsruck der  EU „Wie die EU sich selbst beschädigt hat“

habe ich an Hand des Buches „The Euro“ (Deutsche  Ausgabe: „Europa spart sich kaputt“) von Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ausgeführt, wie sehr die EU sich wirtschaftlich schadet, indem sie den Euro völlig anders als den Dollar gestaltet hat und von den Ländern, die ihn einführen, voran Sparen des Staates fordert. Mit dem Ergebnis, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA seither doppelt so stark wie das der EU gewachsen ist, weil sie sich wirtschaftlich nicht mehr so gut wie vor dem Euro entwickelt hat: Die 19 Länder der Eurozone haben in allen Belangen, Wirtschaftswachstum, Produktivität, Arbeitslosigkeit schlechter abgeschnitten als die Länder ohne Euro und die Kluft zwischen armen und reichen Bürgern und armen und reichen Ländern der Eurozone hat sich nicht verringert, sondern vergrößert: So ist voran in der Arbeiterschaft eine wachsende Schicht von Menschen entstanden, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen und dazu neigen, rechtsextreme Parteien zu wählen.

Das hat bei Lesern wie Kollegen zu der Frage und dem Einwand geführt, wieso denn trotz der wirtschaftlich so erfolgreichen USA jemand wie Donald Trump gewählt wurde und gute Chancen hat wiedergewählt zu werden? Die Erklärung: Auch in den USA hat der Neoliberalismus zu einer immer größeren Kluft zwischen Superreichen und Abgehängten geführt, denen es besonders schlecht geht, weil die soziale Absicherung so gering ist – diese Leute haben vom Milliardär Trump eine Verbesserung ihrer Lage erhofft. Und  Trump – das hat Europas Berichterstattung ob seiner abstrusen sonstigen Politik unterschlagen – hat ihre Lage tatsächlich verbessert. Er hat nicht nur die Steuern der Reichen unsinnig (zu Lasten eines soliden Budgets) gesenkt, sondern durchaus sinnvoll auch die des Mittelstands und der Unterschicht. Vor allem aber hat er jene Amerikaner, die in der traditionellen Industrie, etwa der Stahlindustrie, gearbeitet haben, durch Zölle auf chinesische Importe davor geschützt, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und das wurde ihm von diesen Menschen gutgeschrieben. Mittlerweile hat Biden Trumps Wirtschaftspolitik voll übernommen und sogar ausgebaut. Trotzdem bleibt diese, die USA bevorzugende Politik im Kopf vieler Amerikaner weiterhin mit Trump verbunden.

Weiterlesen

Wieso rückten die reichen USA nach rechts?

In meinem vorherigen Kommentar zum Rechtsruck bei der EU-Wahl „Wie die EU sich selbst beschädigt hat“, habe ich an Hand des Buches „The Euro“ (Deutsche Ausgabe: „Europa spart sich kaputt“) von Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ausgeführt, wie sehr die EU sich wirtschaftlich geschadet hat, indem sie den Euro völlig anders als den Dollar gestaltet hat und von den Ländern, die ihn einführen, voran Sparen des Staates fordert.

Mit dem Ergebnis, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA um 60 Prozent wuchs, während das der EU nur um 30 Prozent gewachsen ist, weil sie sich wirtschaftlich nicht mehr so gut wie vor dem Euro entwickelt hat und die 19 Länder der Eurozone in allen Belangen,Wachstum, Produktivität, Arbeitslosigkeit, schlechter als die Länder ohne Euro abgeschnitten haben. Gleichzeitig hat sich die Kluft zwischen armen und reichen Bürgern und armen und reichen Ländern der Eurozone nicht verringert, sondern vergrößert und es ist, voran innerhalb der Arbeiterschaft, eine wachsende Schicht von Menschen entstanden, die sich als wirtschaftlich abgehängt empfinden oder fürchtet abgehängt zu werden und daher dazu neigen, rechtsextreme Parteien zu wählen.

Die angeführten Daten haben bei Lesern wie Kollegen zu der Frage und dem Einwand geführt, wieso denn trotz der wirtschaftlich so erfolgreichen USA jemand wie Donald Trump gewählt wurde und gute Chancen hat wiedergewählt zu werden? Die Erklärung:

  • Auch in den USA hat der Neoliberalismus trotz der wirtschaftlich insgesamt so guten Entwicklung zu einem immer größeren Auseinanderklaffen von Arm und Reich geführt und den Armen und Abgehängten geht es dort noch viel schlechter als in der EU, weil die soziale Absicherung viel geringer ist – diese Leute haben von Trump eine Verbesserung ihrer Lage erhofft.
  • Trump- das hat die Berichterstattung in Europa meist unterschlagen- hat ihre Lage tatsächlich verbessert. Er hat nicht nur die Steuern der Reichen unsinnig (zu Lasten eines soliden Budgets) gesenkt, sondern durchaus sinnvoll auch die des Mittelstands und der Unterschicht. Vor allem aber hat er jene Amerikaner, die in der traditionellen Industrie, etwa der Stahlindustrie, gearbeitet haben, durch Zölle auf chinesische Importe davor geschützt, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und das wurde ihm von diesen Menschen gutgeschrieben – ohne sein Versagen bei Corona hätte er vermutlich schon die letzte Wahl nicht verloren. Mittlerweile hat Joe Biden Trumps Wirtschaftspolitik voll übernommen, ja ausgebaut, indem er in den USA erzeugte Produkte steuerlich vor allen Importen begünstigt. Dennoch bleibt diese, die USA bevorzugende Politik im Kopf vieler Amerikaner weiterhin mit Donald Trump verbunden.
Weiterlesen

Wie die EU sich selbst beschädigt hat

Gemessen an ihren ökonomischen Fehlern hätte der Rechtsruck der EU schlimmer ausfallen können. Seit Einführung des Euro funktioniert sie ökonomisch schlechter als davor.

 Die EU-Wahlen haben nicht ganz den erwarteten Rechtsruck gebracht: Nur in Österreich und Frankreich hat die extreme Rechte dramatisch zugenommen. EU-weit haben die Parteien der Mitte weiter eine klare Mehrheit, auch wenn Grüne und Liberale Einbußen erlitten. Die EU ist nur beschädigt: Mandatare, die sich mit Viktor Orban eine illiberale Demokratie vorstellen können oder mit Herbert Kickl meinen, dass Recht der Politik zu folgen hätte, sind deutlich mehr geworden. Entsprechend geschwächt ist die EU als Friedensprojekt: FPÖ, AfD oder das Rassemblement Nationale mit Marine Le Pen’s kritisieren durchwegs die Sanktionen gegen Russland und wollen kein Geld zur Verteidigung der Ukraine aufwenden. Allerdings ist die Rechte gespalten: Le Pen ist die AfD zu braun, Italiens Giorgia Meloni steht klar auf Seiten der Ukraine, schätzt die EU und dürfte für Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin stimmen.

Nur dass von der Leyen leider Mitschuld daran trägt, dass unerlässliche ökonomische Reformen unterblieben sind: Die EU als Wirtschaftsprojekt, so urteilt Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, und meine ich mit ihm, ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Kluft zwischen armen und reichen Bürgern ist ebenso gewachsen wie die zwischen armen und reichen Ländern. Sowohl in den armen wie in den reichen Ländern ist die Schicht derer gewachsen, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen und für rechtsextreme Parteien votieren. Insofern ist der Rechtsruck der EU selbstverschuldet.

Zentrale Ursache für das Zurückbleiben des Wirtschaftsprojekts hinter den Erwartungen ist nach Meinung von Stiglitz, die ich teile, die Einführung des Euro unter Bedingungen, die sich völlig von denen des Dollar unterscheiden:

o Während beim Dollar nie der geringste Zweifel bestand, dass die USA in ihrer Gesamtheit für ihn haften, waren diese Zweifel beim Euro aufgrund der Einwände Deutschlands so groß, dass er beinahe gescheitert wäre, hätte Mario Draghi ihn nicht mit der Erklärung, ihn mit allen Mitteln, also auch denen Deutschlands, zu verteidigen, gerettet. Dennoch ist der deutsche Bundesgerichtshof bis heute nicht überzeugt, dass das rechtens war. Das aber bewirkt, dass Länder wie Spanien oder Italien nach wie vor viel höhere Zinsen für Kredite zahlen als Deutschland oder Österreich, während in den USA Bundesstaaten wie Massachusetts, die ständig am Rand der Pleite stehen, nur minimal höhere Zinsen als Kalifornien zahlen.

  • Die USA sind eine Transferunion, in der die Mittel für Verteidigung, Gesundheit, vor allem aber für die Bewältigung der Arbeitslosigkeit von der Bundesregierung kommen, während deutsche und österreichische Politiker gar nicht oft genug erklären können, dass die EU „nicht zur Transferunion verkommen darf“.
  • Die US-Bundesregierung unterstützt Bundesstaaten, die in Probleme geraten sind zwar nicht, sondern erwartet, dass sie diese selbst bewältigen, was angesichts der niedrigen Zinsen freilich viel leichter als in der EU ist, aber sie schreibt ihnen nicht vor, wie sie ihre Probleme bewältigen sollen: Wenn sie meinen, dass höhere Staatsausgaben der richtige Weg sind, so können sie ihn beschreiten. Zwar sind auch viele US- Politiker der Ansicht, dass der Staat so wenig wie möglich ausgeben soll, aber spätestens beim Militärbudget halten sie sich nicht daran. Die EU hingegen macht ihren Mitgliedern Sparen des Staates zur Vorschrift: Sie müssen ihre Budgets von der Kommission bewilligen lassen und sind verpflichtet, dabei eine Staatsschuldenquote von 60 Prozent des BIP zu erreichen und eine „Staatsschuldenbremse“ in ihrer Verfassung zu verankern.

Die Auswirkung:

  • Das Bruttoinlandsprodukt der USA ist in den letzten drei Jahrzehnten um 60 Prozent gewachsen, das der EU um 30 Prozent. Der Abstand im BIP pro Kopf der EU zu dem der USA hat sich seit dem Sparpakt verdreifacht.
  • Hatte der gemeinsame Markt zu einer massiven Verbesserung der wirtschaftlichen Performance der EU geführt – Österreich ist ein Paradebeispiel – so endet dieser Aufwärtstrend mit dem Euro: Seither hat die EU in allen Belangen – BIP pro Kopf, Produktivität, Arbeitslosigkeit- schlechter abgeschnitten, als im Zeitraum vor seiner Einführung. Innerhalb der EU haben sich die 19 Mitglieder der Eurozone ökonomisch schlechter entwickelt als die Mitglieder ohne Euro.
  • Am Dramatischsten ist, dass die Angleichung von Wohlstand und wirtschaftlicher Potenz, zu der der Euro führen sollte, so gar nicht gelungen ist. Die Länder des Südens blieben immer weiter zurück, weil sie aufgrund der von Deutschland (Österreich und Holland haben mitgemacht) ausgehenden Lohnzurückhaltung immer mehr Marktanteile verloren. Am Beispiel Spaniens, das ich gut kenne: Die Arbeitslosigkeit beträgt heute immer noch 11,5 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit 28 Prozent- das sind die höchsten Werte nicht nur der EU, sondern der OECD Länder, obwohl Spanien nach Corona einen beispiellosen Tourismus- Boom erlebt. 26 Prozent der Spanier sind „arm“. Dem entspricht die niedrigste Geburtenrate der EU. Zusammen mit den niedrigsten Investitionen in Forschung und Entwicklung sind das Zahlen, die nahe einen „failed state“ kennzeichnen. Und das am Ende eines Wirtschaftsprojekts, das gemeinsamen Wohlstand versprochen hat.

Solange die EU ihre Wirtschaftspolitik nicht ändert, wird Europa immer weiter hinter die USA oder China zurückfallen und als Friedensprojekt zunehmend Probleme haben.

 

Weiterlesen

Fürchtet Euch endlich!

Putin ist dabei in der Ukraine zu siegen – Scholz wie Biden lieferten ihr nie die nötigen Waffen. Während Putins Kriegsindustrie boomt, spart die EU, bis er sie angreift.

 Auf Youtube gibt Österreichs Militäranalyst Markus Reisner einen präzisen Überblick über die militärische Situation der Ukraine. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Meinung, dort habe sich nur wenig am herrschenden Patt geändert, zeigt er auf, wie sehr sich die Lage zu Gunsten Russlands geändert hat: Hatte sie bisher  “nur” 60 Prozent der kritischen ukrainischen Infrastruktur an Kraftwerken und Produktionsstätten zerstört, so dürften es jetzt gegen 80 Prozent sein. Denn die Ukraine ist immer weniger in der Lage, russische Dronen,  Bomber, vor allem aber Marschflugkörper abzuwehren. Sie schießt nur mehr 30 Prozent der Marschflugkörper ab, während Russlands Kriegsindustrie mittlerweile in der Lage ist, sie in jeder gewünschten Menge zu produzieren. Gleichzeitig stoßen auch die russischen Truppen langsam aber sicher immer weiter vor: Putin schickt frisch eingezogene Soldaten als Kanonenfutter voraus und stößt mit gut ausgebildeten nach. Gleichzeitig sind russische Präzisionswaffen in der Lage, ukrainische Verteidigungsanlagen zu zertrümmern, so dass die russischen Truppen sie früher oder später durchbrechen werden.

Putins boomende Kriegsindustrie lässt Russland nicht verarmen, sondern stärkt, wie jede Großinvestition des Staates, im Gegenteil die Konjunktur. Sollte Wolodymyr Selenskyj nicht sehr bald sehr viel mehr überlegene Waffen – Marschflugkörper, Luftabwehrsysteme, Raketenwerfer, Flugzeuge – erhalten, so befürchte ich mit Reisner, dass die Ukraine diesen Krieg vielleicht  noch heuer verlieren könnte. Nur der Ordnung halber will ich es auch positiv formulieren: Nur wenn die Ukraine rasch und in ausreichender Zahl alle angeführten Waffen erhält, hat sie die Chance, im Rahmen einer neuerlichen Offensive vielleicht wieder soviel Boden zu gewinnen, dass Putin doch zu einem Verhandlungsfrieden bereit ist, bei dem er sich mit der Annexion der Krim und von Teilen des Donbass begnügt. Aber ich zweifle, dass das geschieht. Denn der “Westen” wird von Zauderern geführt: Er ist nicht einmal dann in der Lage eine Front zu halten, wenn ihm statt auf eigene Truppen  todesmutige ukrainische Truppen zur Verfügung stehen er ihnen die überlegenen Waffen, die sie brauchten, durchaus liefern könnte.

Man kann Krieg nur entschlossen oder gar nicht führen. So bin ich hier etwa im Krieg Israels mit der Hamas dafür eingetreten, dass Israel sich auf einen demonstrativen Luftschlag beschränken möge, weil es ein System zur billigen Abwehr auch kleinster Raketen schon so weit entwickelt hat, dass es demnächst allen Hamas-Raketen aus dem Gazastreifen abzuwehren, und weil Frieden mit Saudi Arabien und gute Beziehungen zu seinen Nachbaren für seine Sicherheit und die Befreiung der Geiseln wichtiger sind, als der Sieg über die Hamas. Aber das ist eine ganz andere Situation als die der überfallenen Ukraine: Sie hört zu bestehen auf, wenn sie nicht in der Lage ist, Russlands Truppen zurückzuschlagen. In der Ukraine hat die zögernde Kriegsführung nur Menschenleben und Chancen gekostet. So hatte sie im Zuge ihrer ersten Offensive eine große Chance auf militärischen Erfolg, weil das russische Heer erstaunlich schlecht geführt wurde: hätte Deutschland der Ukraine damals schwere Panzer geliefert, so wäre sie  in der Lage gewesen, die russischen Truppen im Donbass bis an die e Grenze zurückzudrängen – aber Scholz zögerte mit der Lieferung so lang, bis Russland Panzersperren errichtet hatte, die die Truppen der Ukraine nicht zu durchbrechen vermochten. Jetzt lieferte er keine Taurus -Marschflugkörper und ermöglichte Putins Truppen so den für ihre Offensive nötigen Nachschub aus dem Hinterland.

Es ist vermutlich richtig, dass Scholz stets im Einklang mit Joe Biden handelte, aber auch der ist ein Zauderer. Zwar konnte man für richtig halten, Putin nicht in eine so ausweglose militärische Lage zu bringen, dass er womöglich doch zu Atomwaffen greift, aber davon war man im Ukrainekrieg weit entfernt: Dass es gelungen wäre, seine Truppen zurückzudrängen, hätte ihn nicht zu Atomwaffen greifen lassen- wohl aber Friedensverhandlungen eine Chance verschafft.

Jetzt droht der Ukraine das gespenstisch Comeback Donald Trumps.  Aber kein US-Präsident, auch nicht Biden, wird Europa mit US-Soldaten vor Putin schützen, wenn es sich nicht in erster Linie selber schützt. Dazu aber braucht es einsatzfähige Armeen und eine funktionierende Waffenindustrie. Beides kostet viel Geld, das Staaten, die zum Sparen verpflichtet sind, nicht aufbringen können.

Aber um zu begreifen, dass eine funktionierende Militärindustrie nicht nur Sicherheit schafft, sondern auch die Konjunktur stützt, sind die politischen Führer der EU von Scholz bis Emmanuelle Macron ökonomisch zu ahnungslos, und auch wenn man es im Falter erörtert und mit Ziffern aus der Beendigung der Weltwirtschaftskrise belegt, wird einem “Kriegsrausch” unterstellt, statt zu begreifen, dass man “kriegstauglich” sein muss, um den Frieden zu bewahren.

So wie die EU Putin nach dem Rechtsruck im Zuge der kommenden Wahl gegenüberstehen wird, kann er beruhigt riskieren, in Moldawien und Georgien weiter vorzustoßen und wenn in den USA Trump auf Biden folgen sollte, geht er auch bei einem Angriff auf die baltischen Staaten kein zu großes Risiko ein. Sollte Biden bleiben, so bleibt es ein Risiko – aber nicht zwingend ein untragbares.

 

Weiterlesen

Christian Lindner gefährdet Deutschland

Finanzminister Christian Lindners Spar-Wahn kann Deutschlands Rezession lebensgefährlich vertiefen. Chinas E-Autos verschärfen das deutsche Problem. Wir werden mitleiden.

Deutschlands Wirtschaft hat sich exakt wie hier vorhergesagt  entwickelt: Die harsche Zinserhöhung der EZB, die erfolgte, obwohl die Teuerung, anders als in den USA, nicht das geringste mit überhöhten Löhnen, sondern nur mit verteuertem russischen Gas zu tun hatte, hat ihr Schwächeln zur  Rezession vertieft: Das Wachstum musste ständig nach untern korrigiert werden und nicht einmal die aktuellen 0,2 Prozent sind sicher. Vor allem aber konnte Deutschland die Wachstumseinbußen, die es durch das Sparen des Staates ständig erleidet, nicht mehr, wie in der Vergangenheit, durch immer größere Überschüsse im Handel mit der mit Russland, China und den USA überkompensieren. Der “Exportweltmeister” gelangte an Grenzen, weil die “Sanktionen” Exporte nach Russland massiv vermindert haben, weil die USA sich mit der steuerlichen Begünstigung eigener Waren gegen Exporte wehren und weil Chinas nach der Pandemie stotternde Wirtschaft nicht mehr soviel deutsche Exportgüter gekauft hat. Noch höhere deutsche Exporte in die EU verhindert der Spar-Pakt, indem er  allen Euro-Ländern Grenzen für ihre Verschuldung setzt.

In Summe hat das dazu geführt, dass Finanzminister Christian Lindner eingestehen musste, dass Deutschlands Steuereinnahmen bis 2028 um 80 Milliarden geringer als erwartet ausfallen dürften. Aber wer gedacht hätte, dass er dadurch begreift, wie selbstzerstörerisch die Staatsschuldenbremse ist, irrt: Lindner hat bereits erklärt, dass der Staat jetzt noch mehr sparen müsse, um die Maastricht – Kriterien einzuhalten. Geschieht das, so werden die Steuereinnahmen noch mehr schrumpfen, worauf Lindner, seiner Logik folgend, den Staat zu noch mehr Sparen vergattern müsste. Es käme dann zu etwas, was mit dem Chefökonomen des japanischen Finanzhauses Namura, Richard Koo als „Bilanzrezession“ bezeichnet wird: zu einer zwingenden fortgesetzten Schrumpfung der Wirtschaft wie anlässlich der Weltwirtschaftskrise.

Der einzige Politiker in der deutschen Regierung, der den Widersinn der Staatschuldenbremse begreift, der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, hat vergeblich gefordert, sie wenigstens diesmal auszusetzen. Doch Kanzler Olaf Scholz begreift es höchstens halb und bei Linder ist Hopfen und Malz verloren: Er sieht sich als Garant der Staatsschuldenbremse.

Die Opposition aus CDU-CSU, die es der Regierung erleichtern könnte, sie im Wege eines gemeinsamen Beschlusses auszusetzen, weidet sich lieber an Scholz` budgetären Problemen, zumal sie eigenen Schwachsinn revidieren müsste: Sie war es ja, die die Staatsschuldenbremse unter Angela Merkel in der Verfassung verankert hat.

Welche Hoffnungen gibt es, dass man in Deutschland in angemessener Zeit zu Verstand kommt?

o Selbst in Deutschland gibt es Ökonomen, die das Phänomen der „Bilanzrezession“ kennen und “Stopp” schreien müssten;

  • auch immer mehr arbeitgebernahe Wirtschaftsforschungsinstitute fordern, die Schuldenbremse zu reformieren;
  • der beliebteste deutsche Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius, will nicht zulassen, den endlich erhöhten Verteidigungsetat zu reduzieren, doch ihn trotz Staatsschuldenbremse aufrecht zu erhalten, ist nur möglich, wenn man auf die weitere Unterstützung der Ukraine verzichtet und sie damit Wladimir Putin überlässt.
  • Nicht zuletzt besteht die Hoffnung, dass den Deutschen irgendwann auffällt, wie sehr ihre Infrastruktur unter dem Sparen des Staates leidet: dass Straßen verkommen; dass die Bahn sich verspätet, weil  ihr Schienennetz verkommen ist; dass die Digitalisierung zurückbleibt, weil das Glasfasernetz zu langsam ausgebaut wird und so fort und so fort. Gar nicht zu reden von den Problemen, die eingesparte Lehrkräfte an Schulen aufwerfen werden.

Neuerdings sehe ich ein Problem, das eine breite Öffentlichkeit aufrütteln könnte: Deutschland ist mit einer massiven Zunahme von Gewaltdelikten konfrontiert und der Sprecher der Polizeigewerkschaft Manuel Ostermann führte das zu Pfingsten denkbar glaubwürdig auf das jahrelange Sparen des Staates bei Polizei und Justiz zurück. Das könnte den Druck breiter Kreise der Bevölkerung so verstärken, dass sich auch konservative Politiker zum Nachdenken über die Schuldenbremse gezwungen sehen.

Natürlich wird Deutschland weiter vom Aufschwung der Weltwirtschaft profitieren, voran weil Chinas Wirtschaftsmotor wieder besser läuft. Nur dass das Deutschland gleichzeitig unter Druck setzt: Während Deutschland diese Entwicklung verschlafen hat, erzeugt China nicht nur die weltweit mit Abstand meisten Batterien, sondern auch die preiswertesten E- Autos und ist damit zu einem der größten Player am Automarkt geworden. Die USA schützen ihre Autoindustrie daher durch 100 Prozent Zoll auf chinesische E-Autos und können das, weil sie nicht soviel nach China exportieren, dass ihnen Chinas Gegen-Zölle wehtun.  Für Deutschland hingegen entsteht ein gravierendes Problem: China antwortete auf Zölle der EU auf chinesische E-Autos zweifellos mit ähnlich hohen Zöllen auf europäische Produkte und das ginge voran zu Lasten Deutschlands, für das China ein so entscheidender Absatzmarkt geworden ist. Voran Audi, BMW oder Mercedes, deren Limousinen sich dank ihres Markenprestiges in China weiterhin gut verkaufen, müssten mit großen Einbußen rechnen. Dass das auch Rückwirkungen auf Österreich als deren größten Zulieferer hätte, liegt auf der Hand.

 

Weiterlesen

Weit links sieht man die EU wie Kickl

Die Argumente Herbert Kickls gegen die EU als „Kriegstreiber“ könnten auch von friedensbewegten deutschen Linken oder der KPÖ kommen. Zu Lasten der Ukraine.

Zu den Lebensweisheiten, die Simon Wiesenthal mir in der Überzeugung, dass sie fast immer stimmten, hinterlassen hat, zählt diese: „Die Welt ist rund – wenn man sehr weit nach links geht, kommt man rechts heraus.“ Das aktuellste Beispiel: Der hoffentlich überlebende slowakische Premier Robert Fico begann seine Karriere als Marxist und Kommunist und war jetzt nationaler Rechtspopulist wie Viktor Orban. Entsprechend häufig stimmen auch weit rechte und weit linke Argumentationen überein. So plakatierte  Herbert Kickls FPÖ bekanntlich „EU-Wahnsinn stoppen“ und versteht darunter die von Ursula von der Leyen durch ihre Unterstützung Wolodymyr Selenskis angeblich betriebene „Kriegstreiberei“ –  aber obwohl ich mir keine größere Verdrehung der Fakten vorstellen kann, unterstützt die KPÖ diese Argumentation, indem sie mit dem Slogan „Wohnen statt Kanonen“ in die EU Wahl zieht und damit genauso insinuiert, dass die Aufrüstung der EU gegen Putin eine üble Sache sei. Vor allem aber könnte das FP- Plakat auch vom „Bündnis Sarah Wagenknecht“ stammen, die lange die Ikone der friedensbewegten deutschen Linken war. Denn wenn auch mit anderen Worten forderte auch sie (gemeinsam mit Alice Schwarzer) in ihrem von vielen Österreichern unterschriebenen „Manifest für den Frieden“ im konkreten Effekt nichts anderes als Kickl“: Die EU möge Waffenlieferungen an die Ukraine „sofort stoppen“.

Die verblüffende links-rechte Übereinstimmung ist deshalb so  problematisch, weil sie so eminente konkrete Folgen hat: Wir erleben soeben eine massive russische Offensive, mit der Wladimir Putin hofft,  in dem Zeitraum, in dem die Ukraine über zu wenige potente Waffen verfügt, einen Durchbruch seiner Truppen durch die ukrainischen Verteidigungslinien und damit endgültig die Oberhand in diesem Krieg zu erzielen. Denn die Ukraine hat keine Waffen, die weit genug reichen, die russischen Truppen vom Nachschub abzuschneiden, weil Deutschland, das angesichts der monatelangen Lähmung der USA alleine in der Lage gewesen wäre, sie in Gestalt der Taurus-Marschflugkörper zu liefern, sie nicht geliefert hat. Die Argumente, die Kanzler Olaf Scholz dafür vorbringt, wurden bekanntlich selbst von seinen abgehörten Generälen widerlegt und die Wahrheit ist wohl, dass er sich vor den  Friedensbewegten der eigenen Partei, voran dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, fürchtet, der einen erheblichen Teil der SPD – Wählerschaft repräsentiert. An ihrer, wie sie meinen, richtigen Haltung hat sich nichts geändert, obwohl wir mittlerweile aus sowjetischen Akten wissen, wie sehr der sowjetische Geheimdienst Friedensbewegte für „nützliche Idioten“ hielt und die Friedensbewegung befördert und mitfinanziert hat.

Es lohnt daher Gedanken und Emotionen der beiden politisch aufs Erste so unterschiedlichen Gruppen – Rechtsextreme und friedensbewegte Linke – näher zu betrachten. So gibt es  bei der extremen Rechten trotz ihres Antikommunismus bekanntlich eine massive Sympathie für Putin als Personifizierung des starken Führers – bei der friedensbewegten Linken fehlt sie, aber es gibt eine gewisse nostalgische Sympathie für das leider gescheiterte marxistische Experiment  in Russland und jedenfalls lässt das diese Linken Putins Ärger über den Zerfall der Sowjetunion  besser als andere verstehen. Denn gemeinsam ist Rechtsextremen und friedensbewegten Linken nicht zuletzt die Antipathie gegen die USA, die zur Gewinnerin diese Entwicklung wurden. Parallel dazu verläuft weit links wie rechts das Misstrauen gegenüber der Nato, die beide entsprechend gerne für den Ukrainekrieg mitverantwortlich machen, obwohl sie noch nie in ihrer Geschichte irgendwo einmarschiert ist, um ein Territorium zu erobern.

All diese Emotionen mengen sich ebenso in den Ukrainekonflikt wie die deutsche „Vergangenheit“ und machen Scholz` Zögern, so sehr ich es kritisiere, um einiges verständlicher:  Natürlich haben Deutsche, die 60 Millionen Tote des 2. Weltkriegs zu verantworten hatten, die denkbar größte Scheu, je wieder Waffen zu produzieren. „Die Waffen nieder“, wie Österreichs Friedensnobelpreisträgerin Berta von Suttner es forderte, schien ihnen die richtige Maxime und selbst der gewaltfreie Widerstand eine realpolitische Option. Ich habe 1968 in Prag den grandiosesten gewaltfreien Widerstand miterlebt, den man sich vorstellen kann: Frauen, die versuchten, russische Panzer aufzuhalten, indem sie Blumen in ihre Kanonenrohre steckten –  dennoch haben diese Panzer die Freiheit der Tschechoslowakei in wenigen Tagen beendet. Der grundsätzliche Denkfehler der Friedensbewegten liegt darin zu meinen, es läge voran an den Waffen, dass es Kriege gibt und sich moralisch überlegen zu fühlen, indem sie schon gegen Waffen protestieren. In Wirklichkeit besteht die größte Kriegsgefahr dort, wo Männer wie Putin, die es leider immer gibt, keinen massiven bewaffneten Widerstand erwarten. Der Überfall auf die Ukraine ist dafür das klassische Beispiel.

Verteidigungsbereit und verteidigungsfähig zu sein, ist im Gegensatz dazu die größte Absicherung gegen Krieg – man ist das Gegenteil eines Kriegstreibers, wenn man fordert, die EU aufzurüsten, denn damit kann man Europa am ehesten vor weiteren Kriegen bewahren. Natürlich muss man darauf achten, dass der so geschaffene „Militärisch industrielle Komplex“ kein Eigenleben entwickelt – aber das ist sehr viel einfacher als das Verlieren des Krieges gegen einen Aggressor.

 

 

Weiterlesen

Was unterscheidet AfD und FPÖ?

Die rechtsextreme Fraktion “Identität und Demokratie” (ID) im Europäischen Parlament hat am Donnerstag gegen die Stimmen der FPÖ alle Abgeordneten der deutschen AfD ausgeschlossen.

Sie gab damit einem Antrag ihres italienischen Vorsitzenden Marco Zanni statt. Dieser hatte zuvor in einem Schreiben an die Spitzenvertreter aller ID-Mitgliedsparteien festgestellt, dass in Anbetracht “der Reihe von Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation beteiligt waren, und in Anbetracht der Tatsache, dass diese Vorfälle dem Zusammenhalt und dem Ruf der ID geschadet haben” ein Ausschluss der AfD-Abgeordneten mit sofortiger Wirkung nötig sei.

Krah hatte versucht, mit dem Zurücklegen aller Parteiämter diesem, Ausschluss zuvor zu kommen und die AFD Führung hat ihn sogar mit einen Auftrittsverbot im Wahlkampf belegt, aber es nutzte nichts mehr: Die AfD war der Mehrheit der rechten Fraktion des EU-Parlament zu rechtsextrem.

Triebende Kraft des Ausschlusses waren Italiens Staatschefin Georgia Meloni und Marine Le Pen von Frankreichs Rassemblement national. Die FPÖ Ablehnung des AfD- Ausschlusses durch die FPÖ entsprach der totalen Identifikation Herbert Kickels mit den Zielen der AfD  und  insofern verwundert es,  dass die FPÖ Le Pen und Meloni nicht mindesten so suspekt wie die AfD ist. Allerdings ist deren Spitzenkandidat  Maximilian Krah  primär wegen seiner Nähe  zu China und Russland unter Beschuss geraten und die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen seiner engen Mitarbeiter wegen Spionage für China und gegen den zweite AfD- Spitzenkandidaten Petr Bystron wegen Korruption. An Russlandnähe steht  der FP-Spitzenkandidat  für die EU-Wahl  Harald Vilimsky seinem AfD Pendant  Krah zwar kaum nach, aber keiner seiner Mitarbeiter ist der Spionage verdächtig und ein Strafverfahren wegen Korruption gibt es derzeit nur gegen andere freiheitliche Spitzenfunktionäre.

Politisch ist die FPÖ freilich noch deutlicher rechtsextrem als die AfD: sie hat bekanntlich mit unzähligen “Einzelfällen” aufzuwarten, in denen ihre Mitglieder sich als NS-Sympathisanten deklarierten, auch wenn sie dafür selten strafrechtlich verurteilt wurden. In Deutschland hingegen wurde der Vorsitzende der AfD-Fraktion Thüringen Björn Höcke kürzlich in erster Instanz verurteilt, weil er nach Ansicht des Gerichts bewusst die SA-Parole “Alles für Deutschland” verwendet hatte – bei uns hat sich noch kein Staatsanwalt an der Positionierung Kickls an “Volkskanzler” gestoßen, obwohl sich Adolf Hitler so nannte.

Der Unterschied in der öffentliche Aufmerksamkeit und der Rechtsprechung entspricht dem Unterschied in der allgemeinen Haltung zur “Vergangenheit”: In Österreich wurde der SS-Mann und langjährige Obmann der FPÖ Friedrich Peter vom Parlament unter standing ovations verabschiedet, obwohl seine Einheit zwei Jahr hindurch Woche für Woche mit Massenerschießungen von Alten, Frauen und Juden befasst war.

Andre Nationen sind da heikler: Bei Marine Le Pen und Gorgia Meloni brachte eine Äußerung Maximilian Krahs über die Waffen-SS das Fass ihrer Irritation zum überlaufen, die ich mit Simon Wiesenthal als sachlich korrekt bezeichnen müsste: Er sei nicht bereit, sagte Krah, “jedes Mitglieder der Waffen-SS als kriminell zu bezeichnen” – und das lässt sich belegen: im letzten Kriegsjahr konnte man auch als Ahnungsloser und sogar gegen seinen Willen zur Waffen-SS einberufen werden.

Der Ausschuss aus der IH-Fraktion hat mit Maximilian Krah sicher dennoch keinen Falschen getroffen, auch wenn die Aussage, dass man als Mitglied der Waffen SS nicht zwingend kriminell sein musste, für sich alleine genommen, richtig war. Man wägt in anderen Ländern nur genauer: Äußerungen werden selten für sich alleine betrachtet.

 

 

Weiterlesen

Lena Schilling – überbewertet

Ich gebe zu, dass ich mich schon für Lena Schillings Lobau- Tunnel Protest nicht wirklich begeistern konnte.

Ich bin zwar auch der Meinung, dass man möglichst wenig neue Straßen bauen soll, weil sie sich immer mit Verkehr füllen, aber die Seestadt Aspern ist das größte Sozialbauprojekt Europas und es sollen dort in Zukunft doppelt so viele Leute wohnen wie schon jetzt. Selbst wenn sie alle E- Autos haben sollten, werden sie einen Verkehrsweg in den Süden brauchen. Und wenn die Tangente nicht restlos überlastet werden soll, scheint der Lobau- Tunnel tatsächlich die beste Lösung und ist jedenfalls eine, die die Umwelt maximal schont. Da der Tunnel extrem teuer kommt, glaube ich, dass die Stadt tatsächlich alle Alternativen geprüft und diese als die sinnvollste empfunden hat. Natürlich kann ich mich vor allem der Kosten wegen dennoch irren, aber ich glaube nicht, dass man das aus einem Protest- Camp in der Lobau heraus besser beurteilen kann.

Umso mehr hat mich verwundert, dass die Grünen Lena Schilling die so verantwortungsvolle Position der grünen Spitzenkandidatin für die EU- Wahl übertragen haben. Ich halte das für eine Geringschätzung der Politik. Die Voraussetzungen, die sie für diese Position mitgebracht hat, könnte man boshaft „sexistisch“ nennen: Sie ist eine Frau, sie ist jung und sie ist ausnehmend hübsch. Da schadet es offenbar nicht einmal, dass sie nicht wusste, dass Norwegen nicht zur EU gehört.

Die nunmehr im Standard gegen sie vorgebrachten Vorwürfe hätte es meines Erachtens gar nicht gebraucht, um Schilling als Fehlbesetzung zu qualifizieren. Sie erweisen sich nunmehr freilich als echtes grünes Handicap: Jemand, der sich gerichtlich verpflichten muss, eine Verleumdung anderer Personen nicht zu wiederholen, wäre für jede Partei ein problematischer Kandidat, für die Grünen mit ihrem hohen Anspruch ist sie es im besonderen Ausmaß. Auch ihre anderen Behauptungen, die in verschiedenen Varianten immer davon ausgehen, sie sei sexuell belästigt oder zumindest bedrängt worden, machen vor allem den Eindruck, dass es jemandem extrem darauf ankommt, im Mittelpunkt zu stehen. Frauen haben mit diesem Vorwurf ein extrem scharfes Instrument in der Hand. Denn das Delikt ist mit hoher Strafe bedroht und die Strafbehörden neigen heutzutage dazu, der Frau, die es behauptet, nahezu automatisch recht zu geben.

Ich kenne privat den Fall einer Borderlinerin, die ihrem Partner die Nase und Schulter brach und dennoch wurde immer er von seiner Wohnung weggewiesen und verurteilt. Ich glaube, dass man erstens in der Justiz über diese Problematik nachdenken soll und meine zweitens, dass entsprechende Behauptungen einer Politikerin besonders problematisch sind. Die grüne Parteispitze hat auf den Bericht des „Standard“ nicht anders reagiert als die Parteien, deren Reaktion sie normalerweise kritisiert: Man hat die Reihen fest hinter Schilling geschlossen und die Vorwürfe als dreckige Verschwörung und „Gefurze“ abgetan. Nun ist schon schwer denkbar, dass ausgerechnet der „Standard“ einer Verschwörung gegen die Grünen Platz geben soll und für restlos ausgeschlossen halte ich, dass ausgerechnet Fabian Schmid sich dafür hergegeben haben soll. Ich kenne wenige investigative Journalisten, die so genau recherchieren und bei ihren Vorwürfen so vorsichtig sind.

Weiterlesen

Künstliche Intelligenz hautnah!

Die Begeisterung meines Enkels für Roboter hat mich in eine Vorstellung des Theaters “Theo” in Perchtoldsdorf verschlagen, wo unter dem Titel “Kim” ein Stück über künstliche Intelligenz uraufgeführt wurde.

Erwartet habe ich mir denkbar wenig: Wenn ein Autor sich eilig eines noch dazu wissenschaftlichen Themas annimmt, weil es gerade “in” ist, kommt normalerweise Dilettantisches heraus. Aber Florian Staffelmayrs Stück über den Roboter Kim übertrifft alle Erwartungen. Der Autor versteht wirklich etwas von künstlicher Intelligenz, und gleich ob man selbst mehr oder weniger davon versteht – nachdem man dem Stück eine Stunde lang gefolgt ist, ist man  gescheiter: Man bergreift die enormen mit KI verbundenen Möglichkeiten und das kaum minder große damit verbundene Risiko. Denn das Stück kommt nicht belehrend, sondern als unglaublich lebensnahe Geschichte daher: Eine junge Frau wird für ein Projekt engagiert, bei dem der Roboter “Kim” Emotionen erlernen soll, indem er die Emotionen der jungen Frau, die gerade das Scheitern einer Beziehung erlebt hat, kopiert und speichert. Denn er soll vor allem für Vereinsamte eingesetzt werden und denen eine Empathie entgegenbringen, die ihm bisher noch fremd ist.

Die Beziehung zu der jungen Frau gestaltet sich denn auch anfangs scheinbar technisch, wenn auch  ungemein witzig: Man erlebt Kims Programmierung durch das Lernprogramm und seinen (ihren) Erfolg beim Einsatz in einem Heim. Danach dreht sich das Stück: Die junge Frau verliebt sich in Kim und will nicht wahrhaben,  dass es ein Roboter und kein Mensch ist. Letztlich hält sie das nicht aus und macht die Mensch-Maschine kaputt.

Das alles ist, wie gesagt, in erster Linie unglaublich witzig, ehe es ebenso berührend wird und lebt nicht zuletzt von einer hervorragenden Aufführung: Alle drei Darsteller – die junge Frau, der Projektmanager und vor allem Kim – spielen glänzend.

Für Kinder ab etwa 8 Jahren ist die Aufführung so reizvoll wie sie für Erwachsene spannend ist: sie haben ihren Spaß am Roboter, während die Eltern darüber nachdenken, was er für die Zukunft bedeutet. Leider gibt es Abendvorstellungen nur mehr am 18: Mai und am 24 Juni um 18Uhr, aber  an mehrere Tagen  finden um um 10 Uhr Vormittag Vorstellungen für Jugendliche statt, zu denen man auch als Erwachsener Tickets bekommen kann. In Wirklichkeit gehört eine Aufführung von solcher Aktualität dringend vom Theater der Jugend und vor allem vom Fernsehen übernommen. Besser kann man Bildung und Unterhaltung schwer verbinden.

Karten: 01 86683400  oder kontakt@theaterort.at  Adresse: Perchtoldsdorf, Beatrixgasse 5a

Weiterlesen

Die Zählebigkeit ökonomische Irrtümer

Kenneth Rogoffs denkbar problematische Studie, wonach hohe Staatsschulden Wachstum kosten, kosteten die EU viel Wachstum. Ihre neuen Schuldenregeln sind kaum besser.

Die EU modifiziert ihre Staatsschuldenregeln: Zwar dürfen Budgetdefizite unverändert drei Prozent nicht überschreiten und ist weiter eine Staatsschuldenquote von 60Prozent anzustreben, aber die Staaten können eigene Pläne vorlegen, wie sie in maximal 7 Jahren dorthin gelangen. Damit haben sich die “Sparer” der EU, angeführt von Deutschland und Österreich klar durchgesetzt- dagegen waren fast nur Grüne, die meinen, so wären erhöhte Ausgaben für den Klimaschutz nicht zu bewältigen.

Anlass für die längerfristige Lösung gab Frankreich, dessen Staatsschuld bis Ende des Jahres mit 2,3 Billionen Euro die in absolute höchste der EU sein dürfte. „Frankreich droht wie Griechenland zu einem finanzpolitischen Problem für Europa zu werden. Nur viel größer“, titelte die “Neue Zürcher Zeitung”. Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” vermied zwar den Vergleich mit Griechenland, forderte aber umso dringender, die Staatsschuldenbremse einzuhalten.

Dabei sollte man sich dringend Griechenlands erinnern: Bekanntlich versuchte eine von Deutschland angeführte Troika, Griechenlands beträchtliche wirtschaftliche Probleme zu lösen, indem sie es zu massivem Sparen zwang. Der Erfolg: Griechenlands BIP pro Kopf stürzte von 32.280 Dollar auf 17,900 Dollar ab, seine Staatsschuldenquote stieg von 146 auf 181 Prozent. Sparen des Staates ist, anders als Sparsamkeit des Staates, alles eher als ein ökonomisches Heilmittel. Denn auch der Austerity-Pakt, der die EU seit 2012 via Strafe zum Sparen zwingt, kostete nur Wachstum: Das BIP pro Kopf der EU, das 2012 um 18.565 Dollar unter dem der USA lag, liegt 2022, (dem Zeitpunkt der letzten gesicherter Zahlen) um 38.898 Dollar darunter.

Es lohnt daher, die Studie Kenneth Rogoffs, die dazu führte, Staatsschulden für so nachteilig zu halten, näher anzusehen: Rogoff hat zusammen mit der Ökonomin Carmen Reinhart 40 Volkswirtschaften durch 200 Jahre bezüglich ihrer Verschuldungs- und Wachstumsdaten zurückverfolgt und will dabei entdeckt haben, dass die Wirtschaft zwischen einer Verschuldung von mit 60 bis 90 Prozent des BIP um 2.8 Prozent wachse, über dieser magischen Grenze sacke das Wachstum aber ab. Bei jeder anderen Wissenschaft wäre das schon empirisch restlos falsifiziert: das Wachstum der mit 123 Prozent verschuldeten USA ist in keiner Weise abgesackt sondern weit höher als das der sparenden EU mit nur 83 Prozent Schulden. Aber auch die Studie als solche ist wissenschaftlich denkbar problematisch. So zeigten Ökonomen der Universität Massachusetts, dass Rogoff einige Daten sehr merkwürdig gewichtet und einzelne Länder, die trotz hoher Schulden kräftig gewachsen waren, ausgeklammert hatte. Nach ihrer Berechnung wuchs die Wirtshaft auch oberhalb der 90 Prozentgrenze noch um 2.1 Prozent. Zudem deckten sie einen peinlichen Rechenfehler auf: Rogoff und Steinhart hatten eine Formel im Tabellenkalkulationsprogramm Excel falsch programmiert. Diesen Rechenfehler, der seinerzeit einen Skandal auslöste und den Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der Rogoffs Behauptung immer verworfen hatte, veranlasste, über eine von Rogoff entdeckte “Exel -Depression” zu spotten,  haben die Autoren eingeräumt, aber behauptet, er alleine hätte das Ergebnis bloß minimal verändert. Doch auch für das von ihnen errechnete Endergebnis ist nur ein einziges Ereignis – die Wirtschaftskrise Neuseelands im Jahre 1951- verantwortlich. “Ein einziges Ereignis vor 60 über für die aktuelle Wirtschaftspolitik entscheiden zu lassen, macht einfach keinen Sinn “, schrieb dazu der Ökonom Gavyn Davies in der “Financial Times” und Andrew Hughes Hallet, von der George Mason University nennt Rogoffs Studie schlicht “simplistisch”: Der Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsprodukt und dem öffentlichem Schuldenstand biete nie ein vollständiges Bild, denn er lasse völlig außer Acht, wie produktiv die staatlichen Investitionen sind.

Der deutsche Ökonomen Heiner Flassbeck nennt sie Studie daher “grundsätzlich unsinnig”: “Es ist ihr theoretischer Grundfehler, dass man sich empirische Reihen anschaut und dann sagt: Ei sieh da, als der Staat höhere Defizite gemacht hat, ist das Wachstum zurückgegangen. Denn vielleicht war es genau umgekehrt: vielleicht hat er höhere Defizite gemacht, weil das Wachstum zurückgegangen ist. Auch 2008 sind die Staatsschulden gestiegen – aber nicht, weil die Staaten ihre Schulden dümmlich erhöhten, sondern weil sie ihre Banken retten und die eingebrochene Konjunktur mit Investitionen stabilisieren mussten. Wenn man diese Zusammenhänge nur von außen anschaut, kann man dennoch eine Korrelation von steigenden Staatsdefiziten und schwachem Wirtschaftswachstum finden”. Mich warnte Karl Popper vor Jahrzehnten vor etwas, was er die “Kübelmethode” angeblicher Wissenschaften nannte: “Man erstellt Statistiken und sucht eine Korrelation mit anderen Statistiken, ohne um einen inneren Zusammenhang zu wissen- so kann man auch entdecken, dass die Geburtenrate von der Zahl der Störche abhängt.”

Nur die Saldenmechanik formuliert ein gültiges ökonomische Gesetz: Unternehmen können nur soviel verkaufen, wie andere Marktteilnehmer einkaufen – wenn der sparende Staat weniger einkauft, können sie zwingend weniger verkaufen, sofern kein anderer Einkäufer an seine Stelle tritt. Deshalb ist die Staatsschuldenbremse in Zeiten, in denen das ausbleibt immer eine Wachstumsbremse.

 

 

 

 

 

 

 

 

Weiterlesen

Auch Trump opfert die Ukraine nicht

Der überraschende Sinneswandel Donald Trumps bewahrt die Ukraine vor der drohenden Niederlage. Ihren Erfolg behindern EU-Rechtsruck, Schuldenbremse und Friedensbewegte.

Bereits seit einem Jahr konfrontieren mich russische Freunde mit der wachsenden Enttäuschung, dass der “Westen” der Ukraine nur so zögerlich schwere Waffen und nicht einmal genug Munition liefert, “denn dass Putin diesen Krieg verliert, ist unsre einzige Chance, ihn loszuwerden.” Bis zum letzten Wochenende konnte ich ihrem Pessimismus immer Weniger entgegensetzen-ich sah die Ukraine den Krieg verlieren. Donald Trumps überraschender Sinneswandel, stimmt deshalb optimistisch, weil er der Ukraine auch dann eine Chance gibt, wenn er Joe Biden ablösen sollte.

Auch in Bidens Team gibt es Politiker, die die Chance sehen, dass Putin über eine Niederlage in der Ukraine stürzt. Doch Biden selbst ist vorsichtiger – und ich bin es mit ihm: der “Westen” muss nur alles tun, damit Wladimir Putin diesen Krieg nicht gewinnt. Der nicht nur semantische Unterschied: es ist zwar höchst unwahrscheinlich, aber nicht absolut ausgeschlossen, dass Putin doch zu Atomwaffen greift, ehe er den Krieg offenkundig verliert. Das will Biden nicht riskieren und so hat er im Einklang mit seiner der kriegsmüden Bevölkerung immer erklärt, keine Truppen zu entsenden. Damit ließ er Putin auch immer einen gesichtswahrenden Ausweg, den der freilich nur suchen wird, wenn die Ukraine ihn militärisch dazu zwingt: wenn er  über einen Frieden verhandeln muss, bei dem er ihr Terrain samt Donbass räumt, die Krim aber russisch bleibt -schließlich hat Nikita Chruschtschow sie der Ukraine 1954 ohne Volksabstimmung geschenkt. So problematisch dieser Verhandlungsfriede auch wäre, weil er Putins Aggression unverändert belohnte, scheint er mir doch die einzige realistisch Chance, ein fortgesetztes Blutbad zu vermeiden.

Derzeit kann von Verhandlungen freilich nicht die Rede sein – viel eher ist zu fürchten, dass die Ukraine den Krieg verliert. Sie hat nun einmal nur 38 Millionen Einwohner, gegenüber 144,2 Millionen Einwohnern Russlands. Nur überlegene Bewaffnung hätte dieses Manko beseitigt, doch diese Möglichkeit hat Kanzler Olav Scholz vergeben: Deutschland liefert der Ukraine viel zu spät die schweren Panzer, die ihre Sommeroffensive zum Erfolg geführt hätten. So kann Putin die Infrastruktur der Ukraine weiter erfolgreich zerstören und langsam aber sicher Terrain gewinnen.

Weil Trumps Republikaner die USA bis jetzt blockierten, ermannte sich die EU: sie beschloss ein 50 Milliarden -Hilfspaket und liefert aus Deutschland ein Luftabwehrsystem und aus Tschechien Munition. Zudem schlug Generalsekretär Jens Stoltenberg schlug einen 100 Milliarden-Fonds der NATO vor, um den Nachschub der Ukraine für längere Zeit zu sichern. Ungarns Viktor Orban hat freilich schon Widerstand signalisiert und wenn der erwartete Rechtsruck im EU-Parlament stattfindet, weil Österreich durch mehr FP-Mandatare, Frankreich durch mehr Mandatare Marine Le Pens, oder Deutschland durch mehr AfD -Mandatare vertreten ist, stehen auch weitere EU-Gelder auf vorerst auf ungewissen Beinen. Schon allein der Ukraine wegen müsste man diesen Rechtsruck unter die historischen Katastrophen zählen. Den Hauptgrund dafür sehe ich unverändert im Sparen der Staaten und in der von Deutschland praktizierten Lohnzurückhaltung. Franz Schellhorn von der Agenda Austria hielt mir entgegen, dass die Löhne in der EU doch gestiegen wären – aber leider nur wenn man die Inflation außer Acht lässt. Vor allem hat jene Unterschicht massiv Kaufkraft verloren, aus der die Mehrheit der Wähler von FPÖ, AfD oder Marine Le Pen kommt.

Entscheidend für das Schicksal der Ukraine ist aber zweifellos die Haltung der USA. Bisher hatten die Republikaner ein 61 Milliarden-Hilfspaket bekanntlich im Auftrag des wahlkämpfenden Donald Trump blockiert – aber selbst er kann lernen: Indem er jetzt erklärte, die Unterstützung der Ukraine liege sehr wohl im Interesse der USA, verwarf er alles bisher Gesagte und das Paket wird endlich beschlossen.

Damit auch die EU rechtzeitig und ökonomisch verträglich Ihren Teil zu Waffenlieferungen beitragen kann, braucht es aber nicht nur viel Geld, sondern auch den blitzartigen Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie, und der erfordert von den EU-Staaten nicht nur massive Basisinvestitionen, sondern auch die Bereitschaft Jahr für Jahr zwei Prozent des BIP für Rüstung auszugeben, denn die Rüstungsbetriebe brauchen diese Gewissheit, um zu investieren. In Deutschland scheitert diese Bereitschaft gleichermaßen am Widerstand Friedensbewegter, die Aufrüstung zur Verteidigung für Kriegstreiberei halten, wie am Widerstand der FDP, die zwar energisch für Waffenhilfe an die Ukraine eintritt, ihren Wählern aber versprochen hat, die Staatsschulden nicht zu erhöhen. Die CDU-CSU verhält sich diesbezüglich nicht anders als bisher die Republikaner: Sie torpediert das von Olaf Scholz geforderte Aussetzen der Staatsschuldenbremse, weil sie ihn damit vor Probleme stellen kann. So musste seine Regierung bekanntlich eine Mehrbelastung der Landwirtschaft beschließen, um die Schuldengrenze einzuhalten und beschwor damit  einen Bauernaufstand herauf. Selbst Mehrausgaben zur Belebung der angeschlagenen deutschen Wirtschaft scheitern an der Schuldengrenze: die widersinnige Schulden-Phobie des Ökonomen Kenneth Rogoff behindert die rasche Überwindung der Rezession nicht anders als die rechtzeitige Waffenhilfe für die Ukraine. Auch ökonomischer Unsinn kann eine historische Katastrophe sein.

 

Weiterlesen