Man höre auf Ralf Rangnick!

Der deutsche Trainer unsrer Nationalelf versteht nicht nur besonders viel von Fußball, sondern mindestens soviel von Politik. Er warnt eindringlich vor Rechtsextremismus.

Österreich feiert den Aufstieg als Gruppensieger ins Achtelfinale der Europameisterschaft. Ich auch, denn im Sport bin ich so „national“, dass Herbert Kickl seine Freude an mir hätte. Aber obwohl unsere Fußballer nie schlecht waren, zweifle auch ich nicht daran, dass der deutschen Trainer Ralf Rangnick entscheidenden Anteil an diesem Erfolg hat: Er machte aus 26 Einzelspielern jenes verschworene Kollektiv, als das die Mannschaft auftritt. „Professor Rangnick“, wie eine Zeitung ihn nannte, lehrte sie Gemeinsinn: Indem jeder Spieler jedem Mitspieler schneller denn je zur Hilfe kommt, wurde aus jedem Zweikampf ein Dreikampf mit österreichischer Mehrheit. Indem Rangnick möglichst viele Spieler einsetzt, vermeidet er Kränkungen. Indem er Spielern, um deren Qualität er weiß, auch dann vertraut, wenn sie einmal schlechter spielen, vermittelt er Sicherheit. Dass er Marko Arnautovic vertraute, obwohl Inter-Mailand dessen Vertrag nicht verlängern will, weil er zu oft verletzt und zu alt sei, hat zweifellos dazu geführt, dass Arnautovic wie ein Berserker rackert.

Rangnick genießt in der Mannschaft nie da gewesenes Vertrauen, weil es wohl auch noch nie da war, dass jemand ein mehrjähriges Millionengehalt als Trainer von Bayern München ausschlägt, um das Vertrauen zu rechtfertigen, das die Mannschaft in ihn setzt. Er ist mehr als nur ein guter Fußballtrainer.

Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er von Politik mindestens so viel wie von Fußball versteht. So beantwortete er die Frage, was ihn derzeit besonders bewegt im Standard mit folgenden Worten: „Was momentan passiert, macht mich nachdenklich und traurig. In Deutschland und in Österreich gibt es politische Strömungen und Entwicklungen, die mir große Sorgen bereiten… Wenn uns die Historie beider Länder etwas gelehrt hat, dann ist es die Gefahr, die von Rechtsextremismus und Faschismus ausgeht. Man redet derzeit offen von Remigration und Deportation, manche finden das auch noch gut, für mich sind diese Begriffe schrecklich… Ich sehe die Gefahr, dass die Rechtsextremen an die Macht kommen und einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Minderheiten werden verantwortlich gemacht: Es sind die Juden, die Ausländer – man findet irgendwen, der schuld daran ist, warum es uns schlecht geht. Dabei geht es uns in Europa immer noch relativ gut“.

Besser kann man es nicht sagen. Paul Schulmeister, der mit dem „Bündnis für Demokratie und Respekt“ eine FP-Regierung verhindern will, sollte diese Aussage auf die Homepage des Bündnisses stellen und auf Flugblättern verbreiten. Wenn die Österreicher schon nicht auf die Warnungen von Andreas Babler, Karl Nehammer, Werner Kogler oder Beate Meinl Reisinger vor einem Wahlsieg der FPÖ hören, so hören sie vielleicht auf die Warnung Ralf Rangnicks und fragen sich, ob Sebastian Kurz wirklich recht hat, wenn er behauptet, die türkis-blaue Koalition hätte besonders viel geleistet. Denn sie hat die Corona-Pandemie besonders teuer gehandhabt, die Zusammenlegung der Krankenkassen hat bisher keine Milliarde eingebracht, sondern nur viel Geld gekostet. Voran sozial Schwache, die die FPÖ zu vertreten behauptet, haben gelitten: die Zahlung für ein drittes Kind fiel weg und FP-Sozialministerin Beate Hartinger -Klein erklärte, von monatlich 150 Euro könne man tadellos leben. Natürlich sind die Gehälter der Arbeiter auch in dieser Ära real um bis zu zwanzig Prozent gesunken, auch wenn Deutschlands Lohnzurückhaltung daran die Hauptschuld trug. Und natürlich wurde die Migration auch unter Innenminister Kickl nicht besser bewältigt, weil er eine „einfache Lösung für ein komplexes Problem“ versprach und nur erreichte, die „Ausländer dafür verantwortlich zu machen, dass es uns schlecht geht.“

Leute, die im Sport viel leisten vertreten- im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung- selten rechtsextreme Positionen: sie wissen zu genau, was „Leistung“ ist. So antwortete mir der später weltbeste Tennisspieler Thomas Muster, als ich ihn nach seiner Meinung über den damals denkbar populären FP-Chef Jörg Haider fragte: „Ein Schreier, mit nichts dahinter“ – nur verbot ihm sein Manager Ronnie Leitgeb leider, sich damit zitieren zu lassen. Heute lässt sich Frankreichs Superstar Kylian Mbappé nichts mehr verbieten: Er warnt so eindringlich vor einem Wahlsieg Marine Le Pen´s wie Ralf Rangnick vor einem Wahlsieg von AfD und FPÖ.

Charakteristisch ist, dass jemand wie Rangnick die Gefahr des Rechtsextremismus und die Notwendigkeit von Gemeinsinn in allen Zusammenhängen so klar wie in Österreich und Deutschland sieht. Auf die Frage nach einem Comeback Donald Trumps antwortete er im zitierten Standard-Interview: „Ja, womöglich wird Trump wiedergewählt. Wie kann das sein nach der Erstürmung des Kapitols? Trump verbreitet Angst, Hass und Verschwörungstheorien. Was ist los mit den USA? Wir reden von künstlicher Intelligenz – ich habe viel mehr Sehnsucht nach der natürlichen Intelligenz. Unser Planet hat so viele Probleme: Klima, Armut, Kriege, Flucht… Kann man wo nicht überleben, ist es purer Selbsterhaltungstrieb, dass man woanders hingeht… Nehmen wir den Klimawandel. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr sagen können: Kümmern wir uns in ein paar Jahren darum. Wir können alles nur gemeinsam lösen, es ist ein gemeinsamer Planet.“

Auch da kann man nur sagen: Man höre auf Ralf Rangnick!

 

 

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Die Renaissance des Antisemitismus

Der mit Flüchtlingen aus der arabischen Welt importierte  Israel- Hass kann das feste Fundament des heimischen Antisemitismus nutzen. Auschwitz hat es nicht unterspült.

 Der Extremismus-Forscher Peter Neumann warnte im Gespräch mit Armin Wolf,  dass die Ereignisse in Gaza eine neue Welle islamistischen Terrors in Europa auslösen könnten, die gefährlicher als die der Jahre 2015/16 mit den Attentaten auf die Zeitschrift  Charlie Hebdo, das Theater Bataclan oder den Berliner Weihnachtsmarkt sein könnte. Seine Argumente: Das Netz strotze von Videos, die mit den Bilden verletzter Kinder in Gaza maximal zu radikalisieren vermögen; Israel des „Völkermordes“ zu beschuldigen biete die Möglichkeit, maximale Gegengewalt zu fordern; „Gefährder“, die sich zum „Islamischen Staat“ bekennen, hätten plötzlich wieder ein Thema, das ihnen ermöglicht, jeden Moslem zum Dschihad aufzurufen: Zum Endkampf der islamischen Welt gegen Israel als Inkarnation des „Westens“. Er, Neumann fürchte, dass die Rückwirkung dieses Dschihad gegen Israel in Europa dazu führt, dass Juden sich hier nicht mehr sicher fühlen können. Jüngste Vorfälle an Schulen scheinen ihn zu bestätigen.

Dass Europa dem Antisemitismus mit der Aufnahme so vieler muslimischer Flüchtlinge neue Nahrung verschafft hat, entpuppt sich damit als unerwartet gefährlich, obwohl der Islam „Juden“ primär neutraler als das Christentum gegenübersteht: Sie sind für den Koran zwar „Ungläubig“ mit entsprechend  negativen Eigenschaften, aber es wird ihnen nicht, wie vom zweiten Vatikanischen Konzil, vorgeworfen, „auf den Tod Jesu gedrungen“ zu haben. Es blieb dem Christentum vorbehalten, diese emotionale Grundlage für den Holocaust zu schaffen.

Der alltägliche heimische Antisemitismus war noch vor kurzem ein ganz ungenierter: Mein Religionslehrer klagte, „dass es hier fast wie in einer „Judenschule“ zugeht; jemand war „jüdisch, aber gar nicht geizig“ oder „ein Jude, aber ein netter Mensch“. Wie viel die Bevölkerung bei Kriegsende sehr wohl von „Auschwitz“ ahnte, geht daraus hervor, dass „bis zur Vergasung“ eine populäre Redewendung ist. Zu glauben, dass dieser Antisemitismus mit „Auschwitz“ endet, war eine Illusion: In Wirklichkeit musste das schlechte Gewissen, das der Holocaust voran Deutschen und Österreichern bescherte, sie veranlassen, im Verhalten von Juden unverändert nach Eigenschaften zu suchen, die verständlicher machen, dass die Generation ihrer Eltern und Großeltern zu m größten Teil zwar nur mittelbar, aber gar nicht so selten auch unmittelbar, am Holocaust beteiligt war. Schließlich gab es tausende Bewacher der Vernichtungslager, Tausende, die in Wehrmachts- oder SS-Einheiten an Massenerschießungen mitwirkten, Tausende die Verhaftungen vornahmen oder die Deportation nach Polen organisierten. Wenn man diese Abertausend Deutschen und Österreicher, mit denen man womöglich verwandt war, nicht wie Daniel Goldhagen im gleichnamigen Buch unter „Hitlers willige Vollstrecker“ reihen wollte, musste man psychologisch das Bedürfnis haben, den Juden durch ihr Verhalten zumindest eine leise Mitschuld an dem zuzuschreiben, was ihnen zugestoßen ist. Voran in Österreich glaubt man, dieses angeblich „jüdische“ Verhalten sogar seit jeher zu kennen und sah sich darin bestätigt, dass man es den Juden in so vielen anderen Ländern nachsagt.

Es gibt also genug genuinen Antisemitismus, aber es gab auch Fortschritte: So erlebte ich etwa die Wahl-Großmutter eines Bekannten als geeichte Antisemitin, auch wenn sie meinte, man hätte die Juden „nicht gleich umbringen müssen“; als die Israelis die von ihr als Untermenschen betrachteten Araber in nur sechs Tagen besiegten, fand sie es „toll wie die kämpfen“;  als jemand ihr zu sagen wagte, dass sie die Juden doch immer für feig gehalten hätte, wies sie ihn entrüstet zurecht: „Die Israelis sind doch keine Juden!!!“. Die Gründung Israels, so sieht man, hat die Juden gestärkt. Ihr Enkel, und das krönt die Entwicklung, verliebte sich in eine Jüdin, trat ihr zuliebe zum Judentum über und trägt die Kippa. Juden persönlich zu kennen vermindert Antisemitismus am meisten. Dass ziemlich viele Österreicher Israel bereisten war diesbezüglich nützlich.

Dass der mittlerweile zumindest nicht mehr ganz so virulente heimische Antisemitismus durch die Zuwanderung arabischer Muslime neue Nahrung erhielt war zum Teil schlicht historisches Pech: Syrienkrieg und Irakkrieg lösten zwingend Flüchtlingswellen aus. Aber leider vermögen heimischer und zugewanderter Antisemitismus einander gegenseitig zu stärken: „Die Israelis behandeln die Palästinenser genau wie die Nazis die Juden behandelt haben“, ist die dafür typische Formulierung, die seit dem 7. Oktober  zum Sieg der Hamas im Informationskrieg geführt hat: Persönlicher, brutalster Mord wird vielfach weniger geächtet, als vielleicht zu massives israelisches Bombardement, das leider unschuldige Opfer fordert, und das aus humanitären Gründen zu unterbrechen meines Erachtens schon früher richtig gewesen wäre, auch wenn es der Hamas ermöglichte sich neu zu formieren. Nur war es auch nicht absurd, die Pause wie Benjamin Netanjahu mit der Forderung nach der Freilassung von Geiseln zu verknüpfen.

Ich hege zwar den Verdacht, dass er den Krieg so führt wie er ihn führt, weil er den totalen Sieg braucht, um der Absetzung und einem Strafverfahren wegen Korruption zu entgehen – aber wenn man kein Antisemit ist, erwartet man von einem Juden nicht automatisch, dass er sich anders als die meisten Menschen benimmt.

 

 

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Die Naivität der Putin-Versteher

„Wladimir Putin ist ein gewalttätiger Mann. Einer wie sie ihre Frau prügeln“. Es wird so lange Kriege geben, wie es das Patriarchat gibt.

Alle Welt rätselt, was Wladimir Putin bewegt? Die Antwort gab die ukrainische Bachmann-Preisträgerin Tanja Maljartschuk: „Er ist ein gewalttätiger Mann. Einer, wie sie zwanzig Jahre ihre Frau prügeln. Einer, der mit seiner Aggression nicht zu Rande kommt.“ Man muss das leider verallgemeinern: Krieg ist Männersache – untrennbar verbunden mit dem Patriarchat. Alle Kriege wurden von Männern losgetreten; nur Männer waren so blöd, jubelnd in den 1. Weltkrieg zu ziehen – auch wenn Frauen sie dafür bewunderten; Hitlerjungen waren stolz, schon Männer zu sein, als Adolf Hitler sie in den „Volksturm“ berief. Auch wenn manche Feministinnen gravierende Unterschiede der Geschlechter leugnen, gibt es die höhere männliche Aggression abseits sozialer Rollenbilder: Buben raufen von Geburt an mehr als Mädchen. Hier  lohnt ein Blick auf unsere nächsten Verwandten, die Affen: Wenn man Schimpansen Stäbe zum Spiel anbietet, nehmen Weibchen sie in den Arm – Männchen werfen und fechten mit ihnen. Siegreiche männliche Gorillas trommeln gegen ihre Brust um allen „ich bin der größte“ zu sagen – das ist Putins zweites Motiv.

Was sonst über Putins Motive behauptet wird, widerlegt sich bei jeder Konfrontation mit den Fakten. Voran die Version der „Putin- Versteher“, die nirgends so zahlreich wie in Österreich und Deutschland sind: Es sei doch verständlich, dass er Russland durch die NATO-Osterweiterung bedroht fühle – ein kluger, Frieden suchender Westen hätte sie unterlassen. Weil, so setze ich boshaft fort, Russland allen Grund hat, sich vor Polen, Estland oder Lettland zu fürchten, während diese Länder nicht den geringsten Grund zur Furcht vor Russland haben, nachdem sie im Zuge des Hitler-Stalin Paktes (über den zu sprechen Putin soeben verbietet) auf Befehl des Kremls überfallen wurden.

Für Putin-Versteher verkörpert die NATO das Böse, obwohl sie laut einsehbarer Verträge, ein Verteidigungsbündnis ist. Obwohl sie in ihren Mitgliedsländern nie, wie der Warschauer Pakt in Ungarn, einen Volksaufstand mit Panzern in Blut oder den Prager Frühling im Keim erstickt hat. In den wenigen Fällen, in denen die NATO militärisch agierte, besaß sie die Bewilligung des UN-Sicherheitsrates, in dem Russland ein Veto-Recht besitzt. Es gab einen einzigen „Out of Area“ -Einsatz der NATO ohne solche Bewilligung, weil sie an Russlands Veto scheiterte: er richtete sich gegen Slobodan Milosevic, um zu verhindern, dass nach tausenden Bosniern auch tausende Albaner serbischen Massakern zum Opfer fallen. Aus dieser Aktivität auf besondere Aggressivität der NATO zu schließen, überlasse ich dem Leser.

Es ist ein Märchen, dass jemand Russland zugesichert hätte, die NATO nicht nach Osten zu erweitern – das war mit Russland abgesprochen, und das Abkommen enthält die NATO-Zusage, im Osten keine Atomwaffen zu lagern und voran die Selbstverteidigungsfähigkeit neuer Mitglieder zu stärken – deshalb wurden US-Kontingente dort stets gering gehalten. Dieses Abkommen setzt Putin jetzt aufs Spiel, denn die NATO bräche kein Völkerrecht, wenn sie es angesichts seines Einmarsches in der Ukraine als hinfällig erachtet. Tatsächlich ist das Teil der „Sanktionen“, die die NATO verwirklichen kann: sie kann von nun an in Polen, im Baltikum oder Rumänien zu ihren Raketen ebenso Atomsprengköpfe dislozieren, wie Putin sie auf der anderen Seite der Grenze bei seinen jüngsten Manövern vorgeführt hat.

Dass Putin dieses Risiko eingeht, widerlegt ein anderes Märchen: Dass er nämlich ein brillanter Taktiker sei. In Wahrheit hat sein Säbelrasseln das Gegenteil dessen bewirkt, was er fordert: Die NATO wird sich zwar nicht in die Ukraine ausdehnen, in die sie sich gar nicht ausdehnen wollte,  aber er hat die Ukrainer nun wirklich zu überzeugten militärischen Gegnern; alle NATO-Staaten erhöhen ihr Verteidigungsbudget; Polen oder Balten werden am massivsten aufrüsten; In Rumänien verstärkt die NATO ihre Präsenz.

Propagandistisch sollte die NATO Russland laut anbieten, auch NATO-Mitglied zu werden, wie das lange angedacht gewesen ist – es gibt bis heute ein eigenes NATO-Russland -Gesprächsformat diese Annäherung vorzubereiten. Die NATO wäre sicher bereit, Russland gegen Angriffe wessen immer zu verteidige – es sei denn es wäre die eigene Bevölkerung, die Putins Regime in Frage stellt.

Damit bin ich zurück bei seiner Einschätzung durch Tanja Maljartschuk: Putin ist einfach ein gewaltbereiter Macho. Mich wundert immer, wie man ihn anders einschätzen konnte: Er hat sich dem Geheimdienst KGB zu einem Zeitpunkt angeschlossen, zu dem der unter Leonid Breschnew und Juri Andropov nicht grundsätzlich anders als unter Stalin agierte – diese Art Agent zu sein, hat ihn gereizt. Mit den beim KGB erlernten Methoden hat er die Anarchie unter Kontrolle bekommen, die im Russland Boris Jelzins herrschte. Aber zu umfassender Macht ist er erst gelangt, indem er im brutalen Krieg gegen Tschetschenien, das Selbstständigkeit suchte, den Ausnahmezustand verhängte. Seither hat er diesen Ausnahmezustand zur Norm gemacht, indem er eine unabhängige Justiz so ausgeschaltete, wie unabhängige Medien oder zivilen Widerstand. Und natürlich konnten Morde und Mordversuche an politischen Gegnern nur mit seinem Einverständnis geschehen. Er ist einfach ein Mann, der Gewalt übt. Die einzige Sprache die er verstünde, ist die einer NATO die sehr viel stärker als er ist. Diese NATO hat Joe Biden leider nicht zur Hand.

 

 

 

 

 

 

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Ungerechter geht nicht

„Dancing Stars“ ist wirklich ein grandioses Fernsehformat. Denkbar unterhaltend lehrt es politisch unglaublich Wichtiges:

  • Dass man mit optimalen Lehrern in kurzer Zeit unglaubliche Fortschritte erzielen kann.
  • Dass selbst denkbar Unbegabte passable Leistungen erzielen können, wenn sie optimal unterrichtet werden und man ihnen etwas Zeit gibt.
  • Oder dass Kunst- und Tanzen eine Kunst ist und Menschen verändern kann: Anfangs Harte und Steife können innerhalb weniger Wochen weich und schmiegsam werden.

Mich hat die gestrige Sendung in meiner politischen Überzeugung bestätigt, dass Geschworenengerichte abgeschafft gehören und man Volksabstimmungen in Österreich so weit wie irgend möglich meiden soll: Die Gleichberechtigung des „Public Voting“ mit dem Voting der Jury hat zum zweiten Mal dazu geführt, dass ein Paar ausgeschieden ist, dass ebenso gut das Siegespaar sein könnte, während um drei Klassen schwächer Paare im Bewerb geblieben sind.

Das scheint mir etwas zu viel der Ungerechtigkeit, selbst wenn es „nur“ um eine Unterhaltungssendung geht.

Drag Queen Tamara hat sich vor ein paar Wochen begreiflicherweise zutiefst über ihr ähnlich ungerechtes Ausscheiden gekränkt – die Schauspielerin Edita Malovčić hat es mit professioneller Eleganz hingenommen. Dennoch hat der ungarische Wertungsrichter Balázs Ekker zu recht erklärt, dass ihn das Ganze an einen Faschingsscherz erinnert.

Das Urteil der Jury kann mehr Gewicht haben

Mir ist klar, dass die Verbindung von professioneller Wertung mit telefonischer Wertung durch die Zuseher den besonderen Reiz dieser Sendung ausmacht, und es hat auch etwas Sympathisches an sich, wenn das Publikum den schwächsten Kandidaten über die ersten Runden bringt, indem es honoriert, wie sehr er sich plagt.

Aber ich weiß nicht, ob es der Sendung auf die Dauer gut tut, wenn sie als extrem ungerecht wahrgenommen wird.

Es gäbe ab der fünften Staffel einen eleganten Ausweg, der sich Freitag optimal angeboten hätte. Konkret hat die Jury zuerst jedes Paar mit dem von ihm vorgeführten Tanz bewertet und das hat wie immer zu einer akzeptablen Reihung geführt. Danach wertete die Jury ein zweites Mal im Rahmen eines Tanz-Marathons und wieder kam eine akzeptable Reihung heraus. In der Folge wurden die beiden Wertungen zusammengeführt und es ergab sich eine neue, quasi optimierte Jury-Wertung, die dann wie jedes Mal gleichberechtigt durch die Publikumswertung ergänzt wurde und das zitierte denkbar ungerechte Resultat ergab.

Vermieden hätte man dieses extrem ungerechte Resultat denkbar einfach, wenn man die Punkte der beiden Jury-Wertungen zusammengezählt und dann die Punkte aus der Publikumswertung hinzugezählt hätte- denn die Wertung der professionellen Jury wäre dann zweifach, die des Publikums nur einfach in die Endwertung eingeflossen.

Ich glaube nicht einmal, dass es den Zusehern negativ aufgefallen wäre, denn es hätte durchaus logisch gewirkt.

Professionelle Wertungsrichter bewerten nun einmal seriöser als „das Volk“ so wie eine Entscheidung von Parlamentariern, die sich professionell mit einem Thema auseinandergesetzt haben, ein seriöseres Resultat als eine Volksabstimmung erbringt und man dennoch nicht behaupten kann, dass das Volk von der Entscheidung ausgeschlossen ist. Es gibt offenkundig geeignete und weniger geeignete Modi, um das Volk in Entscheidungen mit einzubeziehen.

Der aktuelle Modus der Dancing Stars scheint mir ein weniger geeigneter.

 

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Antisemitismus: Auschwitz war keine Zäsur

„Online Hass und Antisemitismus 2.0“ war das denkbar aktuelle Thema eines Vortrages, den die Kognitionswissenschaftlerin Monika Schwarz–Friesel von der Technischen Universität Berlin an der Wiener Universität hielt. Das Internet bildet „Echokammern“ in denen antisemitische Vorurteile extrem verstärkt werden, weil die Algorithmen Botschaften ähnlichen Inhalts bekanntlich für den Nutzer nach vorne reihen, so dass er sich ständig in seinem Vorurteil bestätigt fühlt. 

Antisemitismus ist Glaubenssache

In einem höchst lesenswerten Interview im Standard geht Schwarz–Friesel insbesondere auf Phänomene ein, die den Antisemitismus von anderen Rassismen unterscheiden:

Voran seine Unerschütterlichkeit: Antisemiten glauben so unerschütterlich an die Gefahr, die die „Juden“ für die Welt angeblich darstellen, „wie an die Existenz des Mondes oder der Erde“. Weil „eine derartige Inbrunst im Spiel ist“, sei ihm „mit Fakten nicht beizukommen.“

An einem aktuellen Beispiel: Obwohl noch von niemandem in irgendeiner führenden Funktion jemals erklärt oder verlangt wurde, dass man Israel nicht kritisieren dürfe, ohne für einen Antisemiten gehalten zu werden – Oscar Bronners „Standard“ hat Israels Politik so häufig kritisiert wie der „Falter“, „profil“ der „Kurier“ oder „die Presse“ – hält sich am Stammtisch wie im Netz hartnäckig die Behauptung, dass man „Israel nicht kritisieren kann, ohne für einen Antisemiten gehalten zu werden“. Sie ist für sich zu einem der charakteristischen antisemitischen Vorurteile geworden.

Der einzige Milderungsgrund für die Gräuel des Holocaust

Wie das Netz und der Stammtisch täglich vorführen, so konstatiert Schwarz-Friesel, stellt der Holocaust leider keineswegs die erwartete bzw. erhoffte “Zäsur im Antisemitismus“ dar.

Ich möchte diesen Befund durch eine Analyse meiner verstorbenen Mutter Ella Lingens ergänzen, die dieses Phänomen meines Erachtens hinreichend erklärt: Gerade weil der Holocaust, weil der industrielle Massenmord in Auschwitz ein so einmaliges, ungeheuerliches, atemberaubendes Verbrechen darstellt, müssen vor allem Österreicher und Deutsche nach einem Grund suchen, der dafür wenigstens die winzigste Erklärung, den winzigsten Milderungsrund liefert. Und der einfachste dieser Milderungsgründe laute, dass die Juden eben doch etwas an sich haben müssen, das seit zweitausend Jahren zu ihrer Verfolgung Anlass gibt.

Der Holocaust zwingt geradezu zu der Annahme, dass antisemitische Vorurteile ihre Berechtigung haben. Meines Erachtens hat er den Antisemitismus nicht nur nicht beseitigt, sondern auf diesem Weg insgeheim und unterschwellig verstärkt.

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Gott erhalte uns die hohe Abgabenquote

Sie ist ein wichtiger Beitrag zu Österreichs relativ guter wirtschaftlicher Lage und hat nicht das Geringste damit zu tun, dass die Steuern und Abgaben auf Arbeit zu hoch sind.*

 Noch nie war Österreich so einig: Christian Kern, Sebastian Kurz, Heinz Christan Strache, SPÖ, ÖVP, NEOS und so gut wie sämtliche Medien fordern dringend die Senkung der Abgabenquote von derzeit 43,1 auf höchstens 40 Prozent.

Das zeugt von ökonomischer Verwirrung: Volkswirtschaften mit seit Jahrzehnten hohen Abgabequoten (oft über 50 Prozent) wie Schweden oder Dänemark funktionieren wirtschaftlich bis heute nicht schlechter als die Schweiz mit der niedrigsten Abgabequote von 28,5 Prozent.

Die Abgabenquote hat weithin sichtbar keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Performance eines Landes. Wie absurd es ist die „40 Prozent“ als Optimum anzusehen, zeigt ein Blick auf die aktuelle Abgabenstatistik – am nächsten kommen dieser Ziffer derzeit Griechenland mit 41,2 und Ungarn mit 38,8 Prozent.

Es geht in Österreich also in keiner Weise um die „Abgabenquote“ im Allgemeinen (die uns unter die erfolgreichen Staaten reiht) sondern es geht ausschließlich darum, dass „Arbeit“ mit hohen Steuern und besonderes hohen Abgaben belastet ist.

Darin sehen alle Ökonomen zu Recht einen wirtschaftlichen Nachteil, denn es mindert die Kaufkraft und behindert Anstellungen, weil die hohen Lohnkosten abschreckend auf Unternehmer wirken.

Wie also wollen die wichtigsten politischen Akteure die Senkung der Abgaben auf Arbeit erreichen?

Christian Kern will zum Ausgleich vermögensbezogene Steuern erhöhen, Apple oder Starbucks aus Steuerschlupflöchern vertreiben und natürlich, wie alle, bei der Verwaltung sparen. Kurz will die Vermögenssteuern auf keinen Fall erhöhen und fast nur bei der Verwaltung- voran ihrer „Bürokratie“- Einsparungen erzielen. Steuerhinterziehung will sein Finanzminister schon lange bekämpfen. Strache redet in etwa wie Kurz.

Einsparungen- aber nur für Ausgaben

 Ich will auch Einsparungen bei der Verwaltung erzielen – allerdings nur, wenn sie dadurch nicht schlechter funktioniert und der Staat das eingesparte Geld an anderer Stelle ausgibt.

Warum ich so denke, habe ich an dieser Stelle schon einmal zu erklären versucht: In einer Nachfrage-Krise, in der die Bevölkerung sich teils aus Zukunftsangst, teils angesichts gesunkener Reallöhne mit Ausgaben zurückhält, und die Unternehmer eben deshalb keine Erweiterungsinvestitionen tätigen (sich also ebenfalls mit Ausgaben zurückhalten) darf nicht auch noch der Staat seine Ausgaben senken. (So lehrte mich zumindest der mit Abstand wichtigste bürgerliche Ökonom des Landes, Erich Streissler.)

Ich behaupte, dass dies ein mathematisches Gesetz (im Gegensatz zu wandelbaren ökonomischen Theorien) ist: Die Wirtschaft kann nur messbar wachsen, wenn mehr verkauft wird; es kann nur mehr verkauft werden, wenn mehr eingekauft wird. Wenn alle Beteiligten ihre Einkäufe reduzieren (sparen), muss die Wirtschaft so stagnieren, wie sie das in Europa derzeit trotz der alljährlichen Jubelmeldungen tut. (Dass sie immerhin zaghaft wächst, liegt an der Geld-Schwemme der EZB und daran, dass der Spar-Pakt nicht eingehalten wird bzw. eigehalten werden kann: Überall außer in Deutschland ist die Staatsschuldenquote der sparenden Staaten gestiegen, weil ihr Sparen das Wachstum des BIP stets stärker als die Staatsschuld vermindert hat.

Sparsamkeit versus Sparen

Weil ich deshalb seit 2012 gegen den Spar-Pakt anschreibe, bin ich in den Ruf eines Vergeudungsfreudigen Menschen geraten. Auch das zeugt von ökonomischer Verwirrung: Es beruht darauf, dass nicht zwischen „Sparen des Staates“ und „Sparsamkeit“ des Staates unterschieden wird.

Der Staat muss natürlich so sparsam wie möglich agieren – wenige haben so heftig wie ich kritisiert, dass etwa das Wiener AKH oder der Skylink doppelt so teuer wie  gleich große Bauwerke in Aachen oder in Málaga ausgefallen sind- dergleichen ist fahrlässig bis kriminell.

Aber es hat nichts damit zu tun, dass er Staat derzeit in Summe nicht sparen soll. Allenfalls lässt es sich so formulieren: Der Staat muss Misswirtschaft derzeit besonders energisch bekämpfen bzw. besonders sparsam agieren, weil er besonders dringend alle Mittel dazu verwenden soll, sie an der richtigen Stelle – zum Beispiel für Schulen und Universitäten – auszugeben. Denn es ist derzeit besonders wichtig, die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitslosigkeit wenigstens so weit wie möglich in Grenzen zu halten.

Ich habe den Eindruck, dass Christian Kern das etwas besser als Sebastian Kurz versteht

Die zu kurz gedacht Verwaltungsreform

 Mein Eindruck vom mangelnden Verständnis Kurz` rührt daher, dass seine Spar-Vorschläge auf mich so wenig glaubwürdig wirken, dass ich fürchte, dass er in Wirklichkeit doch nur staatliche Leistungen einsparen will. So fordert er zuvorderst „Bürokratie-Abbau“. Nun gibt es zwar sicher Bürokratiekosten, die vor allem aus jenem falsch verstandenen Föderalismus resultieren, den vor allem schwarze Landesfürsten nicht preisgeben. Aber die Hauptkosten sind zweifellos die Personalkosten der Beamtenschaft. Und die hat die rotschwarze Koalition zwischen 2005 und 2015 von 299.773 auf 212.410 um fast ein Drittel reduziert, ohne gleichzeitig die Zahl der Staatsangestellten zu erhöhen. Sonst hätte Österreich laut OECD nicht, gemeinsam mit der Schweiz und Deutschland, die wenigsten Staatsangestellten pro Kopf der entwickelten Welt. (Um die 10 Prozent mit Unterschieden hinterm Komma.)

Ich kann mir daher nicht so recht vorstellen, wie Kurz durch weiteren Bürokratieabbau wirklich Milliarden einsparen will.

Der Bereich, in dem der Staat mit Abstand am meisten einsparen kann, ohne dass, die Leistung für die Bürger sinkt – das Spitalswesen- kommt in seinen Statements (freilich auch in denen seiner Konkurrenten) nicht vor.

Auch die Steuerhinterziehung will Kurz seit jeher, und nun auch Kern ausdrücklich, eindämmen. Kern spricht dabei von Starbucks oder Apple und ich wünsche ihm bei seinem Vorhaben das Glück, das die gesamte EU diesbezüglich bisher nicht hatte. Realistischer ist wohl die intensivere Verfolgung vieler kleiner heimischer Steuerschwindler wie Hans Jörg Schelling sie schon zur Gegenfinanzierung der aktuellen Steuerreform propagiert hat.

Aber bekanntlich hat sie schon dazu nicht ausgereicht. Wie soll sie dann plötzlich Milliarden bringen?

Das gilt auch für die vielen wertvollen Vorschläge der Rechnungshofes, die Kern wie Kurz, wie Strache natürlich übernehmen wollen: Nicht dass ich die hunderten Millionen, die in der Verwaltung auch abseits der Reduktion der Beamtenschaft eingespart werden können, verachtete – aber die Milliarden, um die man die Steuern auf Arbeit senken möchte, sehe ich nicht.

So wenig wie beim „Durchforstung des Subventionsdschungels“. So schwärmt Kurz etwa zu Recht vom größeren soziokulturellen Zusammenhalt der Landbevölkerung. Der beruht nicht zuletzt darauf, dass Trachtenvereine, Kegelvereine, Stadtbildverschönerungsvereine, Volksmusik-Kapellen, ländlich Holz-Architektur und vieles mehr gefördert werden. Das ist nicht nur soziokulturell relevant sondern trägt auch zur Kaufkraft bei. Ich glaube nicht, dass man es mindern soll.

Dass Österreich die Förderung sozialen Wohnbaus nicht völlig aufgegeben hat, erweist sich soeben als Segen und spiegelt sich in der derzeit stärksten Bautätigkeit der EU. Und dass Österreich Forschung und Entwicklung deutlich stärker als der EU-Durchschnitt fördert, wird Kurz hoffentlich auch nicht antasten.

Ich werde feiern, wenn die Förderungen rundum transparenter werden. Aber dass man in diesem Bereich Milliarden einsparen kann und soll, halte ich erstens für eine Illusion und zweitens für gefährlich.

Weil der Staat „in der Krise nicht sparen soll.“ (Streissler)

* Weil diesbezüglich totale Verwirrung herrscht; Die Abgabenquote eines Staates umfasst alles, was zwangsweise eingetrieben wird: Alle Steuern, von der Lohnsteuer über die Körperschaftssteuer oder die Mehrwertsteuer bis zur Tabaksteuer. Hinzu kommen alle Gebühren. Und hinzu kommen alle Sozialabgaben von der Kranken- über die Arbeitslosen- bis zur Pensionsversicherung. Löhne und Gehälter sind hingegen primär fast nur von der Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen betroffen.Daher ist die Entlastung von Löhnen und Gehältern etwas so anderes als die Absenkung der staatlichen Abgabenquote.

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