Die Industrie zog Herbert Kickl Karl Nehammer vor. Dabei wird eine FP-VP- Regierung die Rezession vertiefen. Deren rasche Überwindung schließt Maastricht leider aus.
Von der „Wirtschaft“ bedrängt hat Karl Nehammer das Handtuch geworfen. So anständig er ist, so absurd war die Begründung: Die zuletzt von Andreas Babler gar nicht mehr geforderten vermögensbezogenen Steuern, hätten der Wirtschaft doppelt genützt: Indem sie erlaubt hätten, die Steuern auf Arbeit zu senken, hätten sie die Kaufkraft erhöht und zugleich künftige Anstellungen verbilligt.
Dass Generalsekretär Christian Stocker Nehammer als Interimsobmann folgt, um mit Herbert Kickl zu verhandeln, passt ins türkise Bild, hat er ihm zuvor doch die Eignung zum Parlamentarier abgesprochen. Wann die FP-VP- Regierung steht ist offen- ich erwarte sie bald. So gut wie gewiss ist hingegen ein EU- Defizitverfahren und sicher muss der Kampf gegen die Rezession sofort einsetzen.
Von der Regierung Nehammer begangene Fehler mögen die Rezession befördert haben – ausgelöst hat sie die verfehlte Zinspolitik der EZB. Und auch die Grundprobleme Österreichs wie der EU sind nicht nationalen Fehlern, sondern den Maastricht-Kriterien geschuldet, die den Staat zum Sparen zwingen.
Der Glaube der EU, voran Deutschlands, man könne dürftiges Wirtschaftswachstum durch staatliches Sparen überwinden, obwohl auch Konsumenten und Unternehmen sparen, ist widersinnig, weil dann denkunmöglich mehr verkauft werden, die Wirtschaft also wachsen kann. Der Hinweis auf den aktuellen Überschuss Griechenlands beweist nur Unkenntnis: Griechenlands Sparen unter Aufsicht der EU-Troika mündete in ein Fiasko, von dem es sich erst jetzt, 15 Jahre später, erholt, wobei es der Bevölkerung immer noch miserabel geht. Einen Überschuss kann jeder Staat erringen, der Leistungen kürzt.
Ich weiß nicht, wie viele Top-Ökonomen es braucht, der EU (Deutschland, Österreich) zu erklären, dass Staatshaushalte etwas anderes als der Haushalt der schwäbischen Hausfrau sind. Mir genügte Österreichs durch Jahrzehnte renommiertester Ökonom, Erich Streissler, der in Wien Volkswirtschaft unterrichtete und, obwohl für seine Keynes-kritische Haltung bekannt, lehrte: „In einem hat (John Maynard) Keynes zweifellos recht: In einer Krise darf und kann der Staat nicht sparen.“ Wirtschaftsnobelpreisträger Paul A. Samuelson nennt Sparen in seinem Lehrbuch „eine private Tugend, die für eine Volkswirtschaft verhängnisvoll sein kann.“ Der aktuelle Nobelpreisträger Daron Acemoglu meinte zur Staatsschuldenbremse: „Es macht keinen Sinn, sich derart die Hände zu fesseln.“ Und Nobelpreisträger Joseph Stieglitz rechnete in dem Buch „Europa spart sich kaputt“ schon 2016 vor, dass die Wirtschaft der EU seit Maastricht weit langsamer als davor wächst.
Doch die EU bleibt stolz darauf, ihre Staatsschuldenquote seit der Finanzkrise auf 86 Prozent gesenkt zu haben, während die der USA 119 Prozent erreicht. Wie die Menschen das Ergebnis erleben interessiert offenbar nicht: Im Jahresschnitt wuchs die Wirtschaft der USA mit 2,1 Prozent fast doppelt so stark wie die der EU (1,2 Prozent); entsprechend stärker stiegen die US-Löhne und die Arbeitslosigkeit, die in den USA längst Vollbeschäftigung gewichen ist, verharrt in der EU bei 6,5 Prozent.
„Aber wer soll die immer höheren Staatsschulden bezahlen?“, pflegen ORF- Moderatorinnen aufgeregt zu fragen: Niemand! Sie werden roulierend erneuert. Wie hoch die Zinsen der Finanzmärkte für neues Geld sind, hängt davon ab, wie gut die Wirtschaft läuft – deshalb erdrückt ihre Last weder die USA noch Japan mit 250 Prozent Staatsschuldenquote. Sie erdrückt auch Österreich in keiner Weise, denn unsere Wirtschaft ist stark, differenziert und elastisch: Der Automotoren -Spezialist AVL-List entwickelt bereits Schiffsmotoren. Die pinke Rede von Österreichs „Pleite“ ist trotz der großen, aktuellen Probleme Unsinn.
Auch der Glaube an den Segen staatlichen Sparens wäre längst als solcher entlarvt, hätte Deutschland nicht vorgeführt, dass seine Wirtschaft trotz dieses Sparens herausragend wächst. Doch das lag daran, dass es – unter Missachtung der EU-Forderung nach zweiprozentiger Inflation – seine Arbeitskräfte nicht mehr der Produktivität entsprechend entlohnte und mit so verbilligten Waren anderen Volkswirtschaften Märkte wegnehmen konnte. Nur fand dieses Exportmodell jetzt zwingend Grenzen: Lauter sparende EU-Staaten können sich nicht weiter zu Gunsten Deutschlands verschulden; China ist selbst Großexporteur; und die USA, die sich am meisten zu Deutschlands Vorteil verschuldet haben, haben es satt und drohen mit Zöllen. So sieht die ökonomische Welt aus, in der die EU uns zum Sparen vergattert.
Was bedeutet das für Österreichs künftige Regierung? Ich glaube, sie wird dem geforderten Sparkurs folgen: Das wird die Rezession vertiefen und den Rückstand der EU auf die USA vergrößern. Verringern kann ihn nur eine Reform der Maastricht -Kriterien. Die zu erreichen müsste theoretisch das Ziel jeder neuen österreichischen Regierung sein: Indem sie sich voran mit den Regierungen in Paris und Rom, zusammentäte hätte sie faire Chancen auf Erfolg. Deutsche werden zwar nie zugeben, sich grundlegend geirrt zu haben, aber man könnte die Regeln gesichtswahrend dahin modifizieren, dass Investitionen in die Zukunft, in Klimaschutz, Verteidigung oder Digitalisierung nicht mehr unter „Schulden“ zählen. Nur das wendete vielleicht eine sehr schmerzhafte Krise ab, wenn die USA tatsächlich Zölle einheben. Nur wird die FP-VP-Regierung diesen Versuch nicht unternehmen.