19 Sanktionspakete haben Putin nur wenig gestört, aber Energie für uns verteuert. Dabei erleichterte billige russische Energie die Waffenlieferungen an die Ukraine.
Dass die EU soeben das 19. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen hat und am zwanzigsten arbeitet, signalisiert schon von diesen Zahlen her, dass die Wirkung der Sanktionen voran im Bereich Erdöl und Erdgas sehr überschaubar ist. Wirklich weh tut Wladimir Putin nur, dass er keine Produkte der Hochtechnologie mehr erhält: Das lässt russische Flugzeuge wegen fehlender Ersatzteile vom Himmel fallen und erschwert die Entwicklung moderner Waffen.
Dass die EU schon durch Jahre kein russisches Erdöl mehr kauft, lässt Putin dagegen kalt – er verkauft es an China, Japan, Südkorea und trotz Trumps Zöllen an Indien, auch wenn er Pipelines ausbauen musste. Bei Erdgas war das Transportproblem größer und die EU vor allem ursprünglich sein mit Abstand größte Abnehmer. Mittlerweile ist einmal mehr China der größte Kunde, aber auch Japan und die Türkei sind Großabnehmer und über die türkische Pipeline fließt russisches Erdgas auch weiterhin in die EU, voran die Slowakei und Österreich, dessen Abhängigkeit von Erdgas immer besonders groß war (was unsere besonders hohe Inflationsrate anlässlich der Verteuerung russischen Gases erklärt.). 2024 erreichten Chinas Gasimporte einen Rekordwert von 31 Milliarden Kubikmetern und 2025 dürften es 38 Milliarden Kubikmeter sein. Das ist geschätzt die Hälfte der Mengen, die Putin durch das Ende des Transits über die Ukraine verloren gehen.
Die derzeit größten Einnahmen erzielt er aber mit dem Flüssiggas LNG, das mit Tankern aus den Fördergebieten Sibiriens durchs Eismeer nach Europa verschifft wird. Die EU ist diesbezüglich Putins größter Abnehmer, wobei Frankreich, Belgien und die Niederlande die größten Mengen kaufen. Auch Deutschland ist ein guter Kunde: SEFE als Nachfolger von Gazprom- Germania, importiert allein im laufenden Jahr LNG- Lieferungen im geschätzten Wert von zwei Milliarden Euro. Aber selbst Spanien, das Gas ursprünglich preiswert aus Algerien bezog (und deshalb keine Inflation hatte) kauft russisches LNG. Was in den Gasterminals zwischen Huelva in Spanien und Klaipéda in Litauen ankommt, macht die EU heute zum größten Flüssiggaskunden Russland- weit vor China und Japan. Und der Durst wächst stetig: In der ersten Hälfte des Jahres 2025 haben europäische Kunden deutlich mehr Flüssiggas aus Russland gekauft als 2024. Die Gesamtmenge übersteigt dabei sogar jene, Menge, die zuvor über die Ukraine-Pipeline verkauft wurde. Im vergangenen Jahr erreichten Russlands LNG-Exporte ihren bisherigen Rekord.
Wie die EU damit bisher und weiterhin Putins Krieg finanziert, hat Greenpeace im September ausgerechnet. Der russische Exportkonzern Yamal LNG hat demnach allein in den ersten drei Kriegsjahren Flüssiggas für 34 Milliarden Euro verkauft und rund 5,4 Milliarden als Steuer an den Staat abgeführt. Dafür kann Putin sechs Millionen Artilleriegranaten, also das Doppelte der aktuellen Jahresproduktion beschaffen. Frankreich, Spanien, Belgien oder die Niederlande haben seit 2022 deutlich mehr Geld für LNG nach Russland überwiesen, als sie der Ukraine an bilateraler Hilfe geleistet haben.
In Summe gehen Ökonomen davon aus, dass der Wegfall aller Verkäufe über die Ukraine- Pipeline Russland nur etwa 0,2 bis 0,3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) kostet – viel zu wenig, um Putins Kriegsmaschinerie eine Delle zuzufügen. Gleichzeitig büßt die Ukraine 0,5 Prozent ihres BIP ein, weil sie keine Transit -Gebühren mehr erhält. Daher das große Ziel für das zwanzigste Sanktionspaket: ab 1 Jänner 2027 will die EU kein russisches LNG mehr kaufen.
Ich bin nur nicht sicher, dass Sanktionen, die fossile Brennstoffe betreffen, wirklich der richtige Weg sind, Russland zum Einlenken zu bewegen. Das Argument „Wir finanzieren durch unsere Einkäufe dieser Brennstoffe Russlands Krieg gegen die Ukraine“ klingt zwar sehr überzeugend, aber ich weiß nicht, ob es wirklich so stark ist. In der Vergangenheit galt für Europa immer die Überlegung (der Vorwurf), dass seine entwickelten Länder enorm davon profitieren, unterentwickelten Ländern billig ihre Rohstoffe abzukaufen. Das unterentwickelte Russland war dabei unser Hauptlieferant für die fossilen Brennstoffe Erdöl und Erdgas. Zwar wurde beides wesentlich teurer, weil Putin 2020 mit der OPEC eine Förderkürzung vereinbarte, aber das ist lange vorbei. Ich zweifle daher, dass es unserer Wirtschaft guttut, wegen der Sanktionen kein billiges russisches Gas mehr zu kaufen: Die Slowakei, die allerdings auch an den Transitgebühren verdiente, büßt ohne russisches Gas zum Beispiel 0,3 Prozent ihres BIP ein.
Ich frage mich daher, ob die Nachteile, die Europa erleidet, indem es den Kauf billiger fossiler Energie aus Russland beendet, nicht größer als die sind, die Putin erleidet. Denn es ist ja nicht so, dass Russland für seine fossilen Brennstoffe kein Geld mehr erhielte – es erhält es nur von anderen Staaten. Ein Boykott, an dem so viele große Staaten sich nicht beteiligen, hat immer nur sehr begrenzte Wirkung. Jedenfalls gelte es eingehend zu berechnen, ob es für die EU nicht besser wäre, der Ukraine auf dem Wege einer Wirtschaft, die auf der Basis billiger russischer Energie besser als jetzt funktioniert, mehr Waffen zu liefern. Man brauchte ja nicht zur viel zu großen einstigen Abhängigkeit zurückzukehren. Erdgas des Klimawandels wegen durch Solarenergie zu ersetzen, bliebe unverändert wichtig, zumal sie immer billiger wird.