Die Welt eherner Wähler Donald Trumps

Die Millionen, die Donald Trump trotz des Sturms aufs Kapitol gewählt haben, bleiben weiterhin ihr größtes Risiko – bis hin zum Bürgerkrieg.

Der Chefredakteur der Schweizer Weltwoche Roger Köppel vermutete richtig im ZIB-Gespräch mit Robert Treichler vom profil wie  ich, dass Donald Trump die Wahl gewinnt. Sicher ist er der einzige deutschsprachige Chefredakteur, der das begrüßte: Es sei unsinnig, Trump als Faschisten zu verteufeln und eine Missachtung der Millionen, die ihn wählen.

Für mich sind die Millionen, die Trump trotz des Sturms aufs Kapitol wählten, das größte Risiko der bisher demokratisch so gesichert scheinenden USA. Ansonsten sollte uns das Phänomen Millionen politisch Blinder nicht fremd sein: Auch für Adolf Hitler stimmten Millionen, obwohl „Mein Kampf“ ein Bestseller war und die SA schon jüdische Geschäfte zertrümmert hatte. Die zweite Parallele: Hitlers wie Trumps Erfolg hat nicht nur viel mit Rassismus, sondern auch viel mit wirtschaftlichem Abstieg zu tun: Voran abgehängte weiße Männer geringer Bildung sehen in Trump den Präsidenten, unter dem es ihnen am besten ging.

Die Soziologin Arlie Russell Hochschild hat fünf Jahre die Trump-Hochburg Louisiana studiert, um in die Welt jener weißen, älteren, evangelikalen Männer einzudringen, die bis heute der harte Kern seiner Wähler sind. Das Ergebnis hat sie in dem Buch „Strangers In Their Own Land“ (Fremde im eigenen Land) zusammengefasst, aus dem ich hier referiere. Voran Daten: Louisiana ist der zweitärmste US-Bundesstaat und zählt zum historischen „Süden“. Zugleich ist es „Tea Party“-Land: hat diese Retro-Gemeinde USA-weit 20 Prozent – rund 40 Millionen – Anhänger, so bekennen sich in Louisiana 50 Prozent zu ihr. Vom Süden ausgehend ist die Tea Party zu Kopf, Rückgrat und Muskulatur der republikanischen Partei geworden.

Ihren Hass auf „Democrats“ und „Washington“ begründen Tea Party Anhänger etwa so:

  • Die bringen uns, die Arbeitenden, durch hohe Steuern um unser Geld, um es den Nichtstuern zuzustecken.
    Ihre Medien wollen uns vorschreiben, wie wir zu denken haben.
  • Dabei befürworten sie Todsünden wie Abtreibung oder Homosexualität und wenden sich von Jesus ab.
  • Alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten bestreiten die Evolution, weil es Wähler bringt: Unglaubliche 42 Prozent der Amerikaner halten für gut möglich, dass Jesus 2050 auf Erden wiedergeboren wird.

Der Abstand zu den Demokraten ist überall zur Kluft geworden. Der Republikaner Dwight D. Eisenhower hat Spitzenverdiener mit 91 Prozent besteuert und massive Infrastruktur-Investitionen getätigt – Republikanern von heute sind 40 Prozent Spitzensteuersatz zu viel und sie fordern selbst bei Bildung oder Gesundheit Budgetkürzungen. Dabei sind republikanische Staaten durchgehend ärmer als demokratische und hängen weit mehr von Bundesmitteln ab: sie haben mehr Arbeitslose, mehr minderjährige Mütter mehr Kranke. In Louisiana kamen zur Armut größte Umweltprobleme: Das Wasser war durch Rückstände der Ölindustrie so vergiftet, dass Krebs ganze Familien hinwegraffte. Dennoch sind selbst Hinterbliebene mit der Tea-Party für die Abschaffung der Bundesumweltschutzbehörde EPA.

Was geht in den Familienvätern vor, die die USA so unwirtlich erleben? Hochschild beschreibt es mit einem Bild, das ihre Gesprächspartner durchwegs zutreffend nennen: Sie sehen sich in einer Warteschlange am Fuß eines Bergs, der unverändert den amerikanischen Traum verbirgt: ein Häuschen, ein Auto und Kinder, die es noch weiterbringen. Doch mit fünfzig stehen sie noch immer in der Warteschlange, obwohl sie immer hart gearbeitet haben. Der Grund kann also nur sein, dass sich andere vor ihnen eingereiht haben:

  • Schwarze, die sie weit hinter sich glaubten – weil „Washington“ ( in Wahrheit ein Urteil des einstigen Supreme Court) Unternehmen, die Staatsaufträge erhalten, vorschreibt, sie vor Weißen zu Facharbeitern auszubilden.
  • Frauen, die dieses Urteil mit schlechteren Noten als Männer studieren lässt.
    Selbst Schwule, Zuwanderer und Flüchtlinge genießen angeblich „Washingtons“ Unterstützung.
  • Wer aber unterstützt sie? Worauf können sie „politisch korrekt“ noch stolz sein? Auf ihre Arbeit – obwohl sie schlechter denn je bezahlt wird? Sind sie stolz, Weiße zu sein, gelten sie als Rassisten. Sind sie stolz, heterosexuell zu sein, gelten sie als homophob. Sind sie stolz, Christen zu sein, gelten sie als beschränkt. Sie sind Fremde im eigenen Land. Nur Donald Trump weiß sie zu schätzen. (Ende der Hochschild -Analyse.)

Tatsächlich hat Trump ihnen wirtschaftlich genützt: indem er Importe, die mit Produkten der traditionellen US-Industrie konkurrieren, mit Zöllen belegte oder unterband, sicherte er ihnen Jobs. Indem er (in Wahrheit zu Gunsten von Aktionären) die Körperschaftssteuer von 36 auf 21 Prozent senkte, bewirkte er überraschend, dass ihre Löhne stiegen, weil in einer boomenden Wirtschaft Arbeitskräfte knapp wurden.

Joe Biden, der mindestens so protektionistisch agierte und dessen Investitionen in die Infrastruktur die Wirtschaft viel nachhaltiger ankurbeln, hatte das Pech, daß eine Inflation, für die er nichts kann (ihre Wurzel war die Einigung Wladimir Putins mit der OPEC, Öl zu verknappen) seine Bilanz verhagelte – das hat mit Harris den Sieg gekostet.

 

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Die Probleme humaner Migrationspolitik

Nur Dänemarks extrem restriktive, inhumane Flüchtlingspolitik konnte den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten stoppen

Ursula Von der Leyen begrüßte es als „spannendes Experiment“: In einem eingezäunten Lager bei Tirana sollen Männer, die Asyl in Italien erhofften, einen Bescheid abwarten. Obwohl ein Gericht die erste solche Aktion als unzulässig erklärte, will Georgia Meloni an dem mit Albanien vereinbarten „exterritorialen Asylzentrum“ festhalten, und etliche EU-Staaten verfolgen die Idee weiter. Etwas abschreckende Wirkung dürfte ihr innewohnen – für eine Lösung halte ich sie so wenig wie der Migrationsexperte Gerald Knaus: Dazu brauchte es Abkommen mit Ländern, die, wie die Türkei, bereit sind, Personen zu behalten, die abzuschieben wären oder sie auf- oder zurücknähmen – und die fehlen. Noch vor zehn Jahren hätte die EU freilich schon Melonis albanisches „Anhaltelager“ – denn das ist es – als “inhuman“ gegeißelt.

Florian Klenk fordert “das Strafrecht gegen die Feinde der offenen Gesellschaft in Stellung zu bringen”, wo sie von Islamisten unter den Zuwanderern bedroht ist und dennoch bei einer “fein austarierten” Migrationspolitik zu bleiben, die weiterhin human ist“. Das war auch mein Zugang zur Migrationspolitik, aber ich weiß nicht, ob er sich aufrechterhalten lässt. Denn es gibt offenbar die vom deutschen Neurologen Hoimar von Dithfurt behauptete vorsteinzeitliche Prägung unseres Stammhirns, wonach die Zuwanderung sehr vieler „Fremder“ als massive Bedrohung wahrgenommen wird, auch wenn man kein Faschist ist, sie heuer extrem zurückgegangen ist und die eigene Bevölkerung vieler Länder schrumpft.

Die einzige Asylpolitik, die den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten aufzuhalten vermochte, war die der sozialdemokratischen Regierungschefin  Dänemarks, Mette Frederiksen, die eine  Asylpolitik betreibt, die Klenks und meine Anforderungen an Humanität kaum erfüllt: Auch in Dänemark müssen Migranten Asylbescheide wie in Albanien in geschlossenen Lagern abwarten; Wertsachen können ihnen zur Verrechnung abgenommen werden; sie erhalten neben Sachleistungen kaum Geld, weil es, heimgeschickt, helfen könnte, eine weitere Flucht zu finanzieren; Familiennachzug wird maximal erschwert; wer abgeschoben werden kann, wird abgeschoben, selbst wenn er einen gesuchten Beruf hat. Das Asylrecht handhabt Dänemark denkbar restriktiv: Krieg allein ist bekanntlich so wenig ein Asylgrund wie die Herrschaft der Taliban – das bekommen Syrer wie Afghanen deutlich zu spüren. In Summe führte diese von allen Parteien begrüßte Politik dazu, dass zehn Millionen Dänen einen Bruchteil der Migranten und Asylanten Österreichs beherbergen.

Ich habe leider die Sorge, dass humane Migrationspolitik, selbst wenn sie das Strafrecht energisch gegen Feinde der offenen Gesellschaft unter den Zuwandernden in Stellung bringt, die extreme Rechte derart stärkt, dass wir bald keine offene Gesellschaft mehr haben. Denn zu den zitierten emotionalen Problemen bringt massive Zuwanderung auch sehr reale Probleme mit sich, die in unteren sozialen Schichten, die die Mehrheit rechter Wähler stellen, am größten sind: Sie drückt Löhne, verschärft die Konkurrenz um günstigen Wohnraum oder Betreuung durch Kassenärzte und mindert die Zukunftschancen von Kindern, die Schulklassen besuchen, in denen die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Auch die schiere Zahl der Migranten ist in Staaten, die die EU zum Sparen verpflichtet, ein Problem: Es ist teuer, viel mehr Lehrer und viel mehr Ärzte auszubilden oder so viel mehr Polizisten anzustellen, dass die von Migranten mitverursachte Kriminalität von der Bevölkerung nicht als massive Bedrohung (siehe oben) wahrgenommen wird, obwohl die Zahl der Bluttaten wie eh und je sinkt.

Dazu kommt das Problem der Zuwanderung aus besonders fremden Kulturen: Frauen, die sich nicht von männlichen Ärzten behandeln lassen, Männer, die nicht mit Lehrerinnen sprechen, Testosteron strotzende Burschen mit einem uns völlig fremden Frauenbild. Es ist leider nicht so, dass Mädchen in Miniröcken sich überflüssig vor Übergriffen fürchten. Und alle Frauen bewegt die Sorge, dass eine Gesellschaft, die sich endlich in Richtung zu ihrer Gleichberechtigung verändert hat, sich wieder rückwärts entwickeln könnte. Auch dass der Antisemitismus in einer Bevölkerung, der er sowieso nicht fremd ist, um so viele islamische Antisemiten wächst, muss besorgen.

Ich habe im Wahlkampf die TV-Diskussion zwischen Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger und FPÖ-Chef Herbert Kickl in einem Lokal verfolgt und sicher hat Kickl dabei keinen NEOS-Wähler und Meinl-Reisinger keinen FPÖ-Wähler für sich gewonnen. Aber bei den Unentschlossenen, auf die es ankam, hat Kickl umso mehr gepunktet, je mehr er auf konkrete Probleme zu sprechen kam, auch wenn er sie übertrieb: Es genügt, sie einmal selbst erlebt zu haben, um ihm ihre Übertreibung zu glauben. Nicht zuletzt hatte er mit Erfolg darauf hingewiesen, dass das Asylrecht – siehe Dänemark – auch sehr viel restriktiver und dennoch EU- und rechtskonform gehandhabt werden kann. Ich fürchte, dass ein Land, das wie Österreich bereits besonders viele Flüchtlinge aufgenommen hat, es leider wie Dänemark handhaben muss, um den “Endsieg” von Kickl und Co zu verhindern. Mir deshalb Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen, wird insofern nicht ganz leicht sein, als ich Zeit meines Lebens Flüchtlinge in meine Wohnung aufgenommen und das Badezimmer mit ihnen geteilt habe.

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Chronist einer roten Eiterbeule

Hans Pretterebner war idealer Ghostwriter eines brillanten Presseanwalts, der mit “LUCONA” den unglaublichsten Kriminalfall in der Ära roter Polit-Justiz aufdeckte.

Hans Pretterebner ist tot. Mit dem Buch „Der Fall Lucona“ beschrieb er das unglaublichste Verbrechen der Nachkriegsschichte. Unglaublich in seiner Brutalität: Udo Proksch, alias Serge Kirchhofer sprengte mit dem Schiff Lucona auch dessen Mannschaft in die Luft. Unglaublich durch die engen Beziehungen Pokschs zur SPÖ. Und unglaublich wegen des Verlaufs des Strafverfahrens: Obwohl gar nicht so lang nach der Tat im Jahr 1977 massive Verdachtsmomente vorlagen, wurde Proksch erst 1992 wegen sechsfachen Mordes verurteilt.

Die Vorgeschichte: Proksch, Zuwanderer aus einer nationalen deutschen Familie machte viel Geld als Brillendesigner. Dank witziger todernst vorgetragener Vorschläge zur „Senkrechtbestattung“ und beträchtlichem Exhibitionismus erlangte er eine gewisse Berühmtheit in der Wiener Szene: Es störte ihn nicht, dass man erzählte, er pisse vor Freundinnen ins Zimmer oder schieße in Wände und Decke.

Ich lernte ihn durch meinen, leider wie Proksch alkoholabhängigen, sensiblen profil Kollegen Reinhard Tramontana kennen, der ihn als Genie verehrte und für die Schönheit seiner Frau bewunderte. Zumindest sie, die Schauspielerin Erika Pluhar, bewunderte ich auch – umso verblüffter war ich, als ich Proksch erstmals sah: Klein, aufgedunsen, mit schmutzigen Fingernägeln wirkte er auf mich nur abstoßend und was er von sich gab, sprach nur für seine NS-Sozialisation. Aber damit stand ich alleine da: Nicht nur Tramontana hielt ihn für genial.

Tatsächlich genial war seine Idee, nach Oben gelangten roten Politikern mit der Gründung des „Club 45“ oberhalb der Konditorei Demel die Sehnsucht nach bürgerlicher Noblesse zu erfüllen: Ein „Herrenklub“ mit erlesenem Mobiliar samt Escort-Damen. Mitgründer und idealtypisches Mitglied war Wiens Bürgermeister Leopold Gratz, der einen Jaguar statt eines Mercedes fuhr und Whisky statt Wein trank. Bruno Kreisky und Heinz Fischer waren die einzigen roten Granden, die den Club nur einmal besuchten, für die anderen war er politischer Treffpunkt mit der Chance auf galante Abenteuer im Separee, die Proksch durch ein Guckloch filmte.

Vergleichbar perfide plante er seinen kriminellen Coup: Laut Papieren belud er den Frachter Lucona gemeinsam mit seinem Freund Hans Peter Daimler mit einer Uranaufbereitungsanlage, die er im Gegenwert von 15,4 Millionen Euro bei der „Bundesländer“ versicherte. Als die Lucona an einer der tiefsten Stellen des Ozeans sank, hatte er allerdings das Pech, dass sechs von 12 Matrosen wie durch ein Wunder gerettet wurden. Die Erzählung eines dieser Geretteten weckten bei der „Bundesländer“, Zweifel an der Zufälligkeit des Unglücks: Sie engagierte den Rechtsanwalt Werner Masser, um den Fall zu überprüfen.

Jemand besseren hätte sie dafür nicht finden können:  Ich kannte Masser als Anwalt des profil, für das er die heikelsten Prozesse gewonnen hatte und später erreichte er beim Europäischen Gerichtshof die Aufhebung des Urteils, mit dem ich der Ehrenbeleidigung an Bruno Kreisky schuldig gesprochen worden war, weil ich sein Verhalten in der Causa Wiesental „ungeheuerlich“ genannt hatte. (Das EuGH-Urteil erlangte presserechtliche Grundsatzbedeutung). Ähnlich erfolgreich agierte Masser in der Causa Lucona: Er fand heraus, dass die angebliche Uranaufbereitungsanlage aus Teilen eines Plastikextruders bestand, den Proksch zur Fertigung von Brillen verwendet hatte, dazu aus Teilen einer Bergbauanlage sowie von Bundesheergeräten, die er von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf geschenkt bekommen hatte. Als Masser schließlich herausfand, dass Proksch sich bei einem Bundesheer-Experten eingehend über Sprengungen und Zeitzünder informiert hatte, ergab sich für ihn, zusammen mit der Erzählung eines geretteten Matrosen, der einen Knall gehört haben wollte, das ziemlich klare Bild eines fast perfekten Verbrechens.

Gerald Freihofner in der Wochenpresse und ich im profil vermochten dieses Bild Woche für Woche nachzuzeichnen, gab uns Masser doch jede seiner Recherchen samt Belegen weiter. (Er schlug mir auch vor, sie zu einem Buch zu verarbeiten, aber ich lehnte ab, weil ich bei der Beurteilung der SPÖ nie so unbefangen wie der spätere FP-Abgeordnete Pretterebner gewesen wäre.)

Das Phantastische war nur: Obwohl Wochenpresse und profil Proksch durch Jahre offen des Mordes ziehen, leitete die Staatsanwaltschaft unter Justizminister Christian Broda kein Verfahren gegen ihn ein. Nur für mich war das nicht wirklich erstaunlich, hatte sie es bei Kriminalfällen, die die SPÖ in Verlegenheit bringen konnten, doch noch nie getan. Auch Brodas FP-Nachfolger Harald Ofner in der rot-blauen Koalition Fred Sinowatz‘ fand „die Suppe zu dünn“ für eine Anklage. Erst unter dem parteilosen Rechtsgelehrten Egmont Foregger als Justizminister der Regierung Franz Vranitzky kam es endlich zu einem Strafverfahren und Prokschs Verhaftung, nachdem ein Tauchroboter Sprenglöcher der Lucona zu filmen vermochte. Dennoch versuchte Leopold Gratz, Proksch mit Dokumenten über den Kauf einer Urananlage zu helfen, die sich als Fälschungen herausstellten und Ähnliches tat Innenminister Karl Blecha, um das Verfahren zu verzögern. Die widerrechtliche Enthaftung ermöglichte Proksch sogar die Flucht, bis er 1989 wieder verhaftet und 1992 verurteilet werden konnte.

Eine eindringlichere Begründung für eine parteiunabhängige Staatsanwaltschaft als den Fall Lucona kenne ich nicht.

 

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Wie die EU die Rezession maximiert

Die Sparauflagen der EU maximieren die Rezession. Das Exportland Österreich steht vor extrem schwierigen Jahren. Die FPÖ regieren zu lassen, ist eine Überlegung wert.

Langsam kommen auch „Institut für Wirtschaftsforschung“ (WIFO) und „Institut für höhere Studien“ (IHS) drauf:  Österreich befindet sich mit Deutschland in einer Rezession, in der es nicht zuletzt deshalb schlechte Karten hat, weil die Lohnstückkosten seiner Exportindustrie nach der letzten Lohnrunde zu den höchsten der EU zählen.

Das „Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche“ (WIIW), das seit Jahrzehnten die präzisesten ökonomischen Prognosen abgibt, teilt auch meine hier deponierten Sorgen bezüglich der Konsequenzen zusätzlichen Sparens des Staates, wie die EU es uns derzeit abverlangt: Es beeinträchtigte unser  Wirtschaftswachstum erheblich.

WIIW-Experte Philipp Heimberger sagt darüber hinaus auch klar, was die Logik der EU sagen müsste: Wenn sie alle ihre Mitglieder gleichzeitig zum Sparen vergattert, so kumulieren die negativen Effekte und ihre Wirtschaftsleistung muss sinken. Von dieser Ansicht Heimbergers ist es nur mehr ein kleiner Schritt zu dem hier im Juni zitierten, mit Zahlen belegten Urteil des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stieglitz: “Europa spart sich kaputt“.

Folgt man den Berechnungen des Chefvolkswirts des Finanzhauses Namura, Richard Koo, so führt das, wenn man es fortsetzt, in die von ihm so benannte „Bilanzrezession“, wie sie Weltwirtschaftskrisen vorhergeht.

Ich führe das nicht an, um Sie zu erschrecken, sondern um vor Augen zu führen, dass nicht nur ich, sondern doch recht namhafte Ökonomen die Wirtschaftspolitik der EU-Kommission für gemeingefährlich halten, weil sie der von mir so oft strapazierten Saldenmechanik widerspricht: Wirtschaft kann nicht wachsen, wenn sich nicht irgendwer zusätzlich verschuldet; da Unternehmen das derzeit nicht tun, muss es der Staat sein, der auch genügend ihm zufallende Aufgaben hat: Er muss in den Klimaschutz investieren, Europas Verteidigungsfähigkeit gegenüber Russland stärken und die Leitungen ausbauen, die umfassende Digitalisierung erlauben, denn die ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt bis hin zur künstlichen Intelligenz.

Der Österreich von der EU auferlegte Zwang, nicht nur 2,5, sondern, wie man jetzt weiß, über 3 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich einzusparen, um sich der wissenschaftlich nie seriös begründeten Staatsschuldenquote von 60 Prozent des BIP anzunähern, ist die  Krönung des diesbezüglichen Widersinns. Dass auch Italien, Frankreich, Belgien, Spanien oder Finnland mehr sparen sollen und dass alle anderen Staaten es schon bisher tun, maximiert (siehe oben) den negativen Effekt.

Gelingt es nicht, die EU-Kommission durch einen gemeinsamen Vorstoß der Betroffenen zur Besinnung zu bringen, so steht Österreich die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten bevor. Ich frage mich daher, ob es nicht das Beste wäre, ihre Bewältigung einer Regierung aus FPÖ und ÖVP unter Volkskanzler Herbert Kickl zu überlassen, halten beide Parteien die Sparpolitik der EU doch für richtig und lehnen die einzige Möglichkeit, mehr Geld für Investitionen zu erhalten, indem man die vermögensbezogenen Steuern erhöhte, aufs Energischste ab. Verbunden mit der in der Vergangenheit erwiesenen besonderen Unfähigkeit ihrer Wirtschaftsakteure müsste diese Regierung innerhalb kürzester Zeit ökonomisch so krachend scheitern, dass die FPÖ vielleicht für ein paar Jahrzehnte wieder zur Kleinpartei schrumpfte. (Ganz würde man sie nie los, denn die Österreicher neigen faschistoidem Denken und Fühlen mehr als andere Völker zu.)

Was mich davon abhält, der SPÖ ausdrücklich die Fortsetzung ihrer Opposition zu empfehlen, ist zum einen, dass ich den Österreichern zumindest krachendes ökonomisches Scheitern doch lieber ersparte, zum anderen, dass ich mich sorge, dass es Kickl gelingen könnte, Österreich in seiner Regierungszeit Orbanistan anzunähern, auch wenn ihm die Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen fehlt.

Nicht zuletzt halte ich für nicht ganz ausgeschlossen, dass eine Koalition aus ÖVP und SPÖ es doch um eine Nuance besser als Kickl machte. Denn Karl Nehammer scheint den Widersinn staatlichen Sparens zumindest zu ahnen, hat er in den jüngsten, den Sparauflagen der EU folgenden Diskussionen, doch dafür plädiert, besser das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Allerdings brauchte es auch dafür staatliches Geld und die einzige Möglichkeit, es trotz Maastricht zu erhalten, bestünde darin, die vermögensbezogenen Steuern (nicht nur die Erbschaftssteuer) zu erhöhen und damit die Senkung der Steuern auf Arbeit zu finanzieren, denn damit verbesserte man jedenfalls die Wirtschaftsstruktur.

Beate Meinl-Reisinger, die das in einem luziden Intervall zu verstehen schien, ist davon leider wieder abgekommen und empfiehlt stattdessen die absurde Schuldenbremse (auch wenn der Staat natürlich sparsam wirtschaften soll.)

Hätte ich es ursprünglich für sinnvoll gehalten, eine türkis-rote Regierung um die NEOs zu erweitern, um ihre Stabilität zu erhöhen, so sehe ich darin keinen Vorteil mehr – nur mehr Streit.

Es muss jemandem – ich bleibe bei der WiFO -Steuer- Expertin Margit Schratzenstaller- gelingen, Karl Nehammer vom Vorteil vermögensbezogener Steuern in Relation zu Steuern auf Arbeit zu überzeugen, während Philipp Heimberger ihn weiter darin bestärken müsste, dass Sparen des Staates der falsche Weg ist.

Wenn das nicht gelingt, verstünde ich, wenn die SPÖ die Opposition dem Regieren vorzöge.

 

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Veränderte “Feuer bei Moskau” den Krieg?

Ein russischer Beobachter glaubt, dass erfolgreiche Angriffe der Ukraine auf russische Ziele Putins Rückhalt gefährden, wenn, sie anhalten. Ein anonymisiertes Interview.

 “Boris”, wie ich ihn hier nennen will, war in den Achtzigerjahren -seit damals kennen wir einander- jemand, von dem man sich halbwegs glaubwürdige Informationen erhoffte, wenn man die Sowjetunion als Journalist besuchte. Er hatte innerhalb des Regimes eine höhere Funktion inne, die ihm Einblicke in die Machtverhältnisse gewährte. Mich verblüffte er damals durch seinen Kenntnisreichtum, mit dem er mir die Schwierigkeiten beschrieb, die sich Moskau durch den Einmarsch in Afghanistan eingehandelt hatte. Später, als unser Verhältnis freundschaftlicher wurde, erwies er sich als engagierter Anhänger Wladimir Putins. Heute, längst pensioniert, ist er das immer noch. Er versteht nur nicht, warum der in seinen Augen so erfolgreiche Staatschef sich auf den Ukrainekrieg eingelassen hat. Was er mir über den aktuellen Stand dieses Krieges sagt, scheint mir spannend, so wenig ich überprüfen kann, wie weit es zutrifft

Lingens: Was schätzt Du so an Putin?

Boris: Er hat das Chaos beendet, in das Russland mit Boris Jelzin gestürzt ist. Erst mit ihm hat das Land wieder funktioniert, haben bewaffnete Überfälle aufgehört, wurden Geschäftszeiten oder Fahrpläne wieder eingehalten. Er hat den Oligarchen den Großteil dessen, was sie gestohlen haben, wieder abgenommen und dem Staat zurückgegeben. Die Wirtschaft konnte sich erholen. Natürlich blieb sie weiter viel zu abhängig von Öl und anderen Bodenschätzen, aber es sind doch auch zusätzliche Wirtschaftszweige entstanden. Zwar immer noch viel zu viele Großbetriebe, aber doch auch Mittel- und Kleinbetriebe, nicht zuletzt in Kooperation mit ausländischen Unternehmen. Eigentlich war es eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Es ist der Bevölkerung immer besser gegangen.

Lingens: Dass die Staatsführung immer autoritärer wurde hat niemanden gestört?

Boris: Die wenigsten. Man kann Russland nicht anders führen. Dass es den Leuten soviel besser gegangen ist, war jedenfalls viel wichtiger.

Lingens: Du sagst, dass diese Verbesserung der Lebensumstände seit dem Ukrainekrieg in Gefahr ist?

Boris: Der Ukrainekrieg war ein mir völlig unverständlicher Fehler. Man musste wissen, dass er nicht einmal dann etwas gebracht hätte, wenn er schon gewonnen wäre: ein so großes Territorium zu beherrschen kostete nur Geld. Aber er wurde nicht gewonnen und das kostet noch mehr Geld.

Lingens: Die russische Wirtschaft wächst doch. Die Öl-Einnahmen sind trotz der Sanktionen gewaltig. Immer mehr Leute und sogar politische Parteien in der EU bezweifeln den Sinn der Sanktionen.

Boris: Die Kriegswirtschaft wächst- der Konsum leidet. Es sind nicht die Öleinnahmen aus der EU die uns abgehen – da sind die Chinesen eingesprungen. Aber erstens hängen wir jetzt von denen ab: Sie haben viele der Geschäfte übernommen, die früher die EU gemacht hat. So verkaufen sie uns jetzt ihre Autos -aber teuer. Zweites und vor allem ist alles teurerer geworden. Und zwar so gewaltig teurer, dass jeder es spürt. Natürlich geht uns McDonald´s nicht ab, wohl aber hat alles gelitten, was Hochtechnologie braucht. Elektronik wird immer schlechter, Flugzeuge fallen herunter, weil Ersatzteile fehlen.

Lingens: Das scheint auch im Krieg eine Rolle zu spielen. Besonders erfolgreich agiert Russlands Armee nicht, wenn man bedenkt, wie viel mehr Menschen sie aufbieten kann.

Boris: Auch das kann sie immer weniger. Die Musterungen sind verhasst. Und die Soldaten kosten den Staat immer mehr Geld. Er muss ihnen 2.000 Euro im Monat bezahlen. Und er muss auch den Hinterbliebenen immer mehr bezahlen, damit die Unzufriedenheit nicht zu laut wird. Und natürlich sind die russischen Waffen durch den Mangel an Hochtechnologie schlechter als die westlichen. Ich kann nur wiederholen, dass dieser Krieg ein fataler Fehler war. Nicht Putins, wohl aber seiner Berater, die ihm gesagt haben, dass das ein Spaziergang sein wird.

Lingens: Du hast mir gesagt, dass dieser Krieg in eine grundsätzlich neue, qualitativ andere Phase getreten ist – vom außen sieht es nicht so aus.

Boris: Von innen schon. Stell Dir vor, nur ein paar Kilometer von Wien entfernt brennt plötzlich die größte Raffinerie der Stadt, weil sie von einem feindlichen Geschoß getroffen wurde. Sie brennt durch Tage, so dass sogar Benzin knapp wird. So war das mit der Raffinerie, die die Ukrainische Armee, nur ein paar Kilometer von Moskau entfernt, getroffen und in Brand gesetzt hat. Jeder in Moskau hat das Feuer gesehen. Das hat, viel mehr als der ukrainische Vorstoß nach Kursk, die Einstellung der Bevölkerung zu diesem Krieg verändert. Sie ist zwar nach wie vor für Putin- aber der Teil der denkt, so um die zwanzig Prozent, ist gegen diesen Krieg.

Lingens: Du meinst, das lässt sich trennen?

Boris. Ja! Jedenfalls ziemlich lang.

Lingens: Auch wenn der Krieg noch unglücklicher verlaufen sollte?

Boris: Dann könnten Gegner Putins ihn im Geheimdienst entsorgen.

Lingens: Wird er da nicht vorher den Einsatz taktischer Atomwaffen in Betracht ziehen, um den Krieg zu gewinnen?

Boris: Das kann er nicht allein. Außerdem passiert ihm nichts, wenn er entsorgt wird. Auch Jelzin ist nach seiner Entsorgung durch Putin nichts passiert: Seine Familie hat alles was sie hatte- und das war ziemlich viel- behalten.

Lingens: Du glaubst ernsthaft, dass Putin gefährdet ist.

Boris: Noch nicht. Aber Jahre hat er nicht Zeit. Es sei denn Donald Trump wird US-Präsident.

 

 

 

 

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Bewältigt Türkis-Rot die Rezession?

Die FPÖ passt zu Österreich. Karl Nehammer schließt eine Koalition mit ihr unverändert aus. Jede künftige Regierung wird größte Wirtschaftsprobleme überwinden müssen.

 FPÖ-Mandatar Michael Schnedlitz hatte recht, als er meinte, Österreich hätte soeben Geschichte geschrieben: Mit 29,2 Prozent der Stimmen ist die FPÖ die stärkste rechtsextreme Partei Europas. Für diesen dramatischen Sieg sehe ich folgende Ursachen:

  • Der Anteil der Bevölkerung, der für faschistoides Denken und die Anbiederung an Diktatoren á la Wladimir Putin anfällig ist und in allen Ländern um die 25 Prozent liegt, liegt in Österreich deutlich höher. Weder der einstige Erfolg Adolf Hitlers noch der aktuelle Erfolg der FPÖ sind zufällig.
  • Überall in Europa, aber für diese Österreicher ganz besonders, ist die Zuwanderung aus sehr fremden Kulturkreisen besonders schwer zu verkraften, zumal sie große reale Probleme aufwirft: Sie drückt auf die Löhne, verschärft den Kampf um Sozialleistungen und überfordert vor allem das öffentliche Schulwesen: Wer seine Kinder nicht in Privatschulen schicken kann, erlebt, dass sie eine immer schlechtere Ausbildung erhalten, weil in Wien oft die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Alle diese Nachteile sind für die unteren sozialen Schichten, aus denen sich das Gros der FP-Wähler rekrutiert, besonders gravierend.
  • Die gleichen unteren Sozialschichten haben durch die unglückliche Wirtschaftspolitik der EU in den letzten fünfzehn Jahren beträchtliche Reallohnverluste erlitten und am meisten unter der Inflation gelitten,
  • Andreas Babler war ungeeignet, untere Sozialschichten (auch Nichtwähler) davon abzuhalten, die FPÖ vorzuziehen.

Da die ÖVP Karl Nehammer vorerst nicht in Frage stellt und er bekräftigt, dass er auf keinen Fall mit der FPÖ koalieren wird, spricht alles für Türkis-Rot, allenfalls verstärkt um die Neos, weil das die Regierungsmehrheit sehr viel stabiler machte und sie ihm wirtschaftspolitisch viel näher als die SPÖ steht. Denn welche Regierung immer wir bekommen, wird vor ökonomischen Problemen stehen, die so groß wie schon lange nicht sind: Österreich befindet sich wie sein wichtigster Handelspartner Deutschland in einer zähen systemischen Rezession. Ausgelöst wurde sie durch die EZB, die die hohen Teuerungsraten des Vorjahres rätselhafter Weise nicht auf die Preisexplosion bei Öl und Gas, sondern auf ihre lockere Geldpolitik zurückführte und mit harsch erhöhten Zinsen bekämpfte. Sie folgte damit der US-Notenbank FED bei der Bekämpfung der US-Inflation, nur dass die zwei zusätzliche Ursachen hatte: eine boomende Wirtschaft und extrem gestiegene Löhne. Was die FED tat, entsprach daher dem Lehrbuch: Die hohen Zinsen bremsten den Boom, erhöhten die Arbeitslosigkeit und erschwerten damit weitere Lohnerhöhungen. In der Eurozone, wo es weder hohe Löhne noch einen Boom gab, schwächten die hohen Zinsen die sowieso dürftige Konjunktur und bescherten Deutschland und Österreich die aktuelle Rezession. Innere Ursache für die ständig dürftige Konjunktur ist die deutsche Überzeugung, dass die Wirtschaft auch wachsen kann, wenn alle Beteiligten sparen. Dass Deutschlands Wirtschaft dennoch wuchs, lag daran, dass sie anderen Volkswirtschaften Marktanteile abjagte, indem sie dank inadäquater Löhne die preisgünstigsten Waren anbot. Doch das endete mit der immer dürftigeren Konjunktur des Euro- Raums und dem Schwächeln Chinas.

Dass sich deutsche Waren so lange so gut verkauften, ohne an Qualität gewonnen zu haben, hatte aber eine weitere Folge: Die verfettete deutsche Autoindustrie verschlief den Übergang zur E-Mobilität und befindet sich in einer existenziellen Krise. Österreich, als ihr wichtigster Zulieferer leidet zwangsläufig mit und tut sich dabei insofern besonders schwer, als auch der ÖGB die Teuerung missverstand und Lohnerhöhungen im Ausmaß der Inflation forderte: Mit 9 Prozent höheren Löhnen liegen unsere Lohnstückkosten derzeit um 7,1 Prozent über dem Durchschnitt der EU, während die deutschen 4 Prozent darunter liegen.

Das wird wirtschaftliche Erfolge unter Türkis-Rot- (Pink) in absehbarer Zeit extrem erschweren, zumal die EU nicht von “Austerity” abgeht, sondern derzeit fordert, dass wir zusätzliche 2,5 Milliarden im Jahr einsparen. Sollte die kommende Regierung unter diesen Voraussetzungen weiter Wohlstandseinbußen mit sich bringen, haben wir in fünf Jahren eine absolute Mehrheit der FPÖ.

Die größte Schwäche der wahrscheinlichen Regierung wäre zweifellos ihre ökonomische Inkongruenz: Beate Meinl Reisinger plädiert trotz des fatalen deutschen Beispiels dafür, die Schuldenbremse anzuziehen; Karl Nehammer hofft auf Wachstum, ohne zu wissen woher; Andreas Babler denkt zwar in die richtige Richtung – höhere vermögensbezogenen Steuern machten Gelder frei – aber er will sie für alles mögliche ausgeben, statt für die Senkung der Steuern auf Arbeit. Nehammer lehnt vermögensbezogene Steuern (wie übrigens Herbert Kickl) grundsätzlich ab, Meinl Reisinger, die ihnen einen Moment lang offen gegenüberzustehen schien, wenn sie der Senkung der Steuern auf Arbeit dienten, ist davon wieder abgekommen.

Kann das Wissen, dass diese Regierung zum Erfolg verdammt ist, solche Differenzen überwinden? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ein vorurteilsloses Gespräch mit der Steuerexpertin des WIFO Margit Schratzenstaller das vermag: Niedrigere Steuern auf Arbeit, die durch höhere vermögensbezogene Steuern gegenfinanziert würden, stellten eine echte Verbesserung der Struktur der Wirtschaft dar, die die Menschen in der Brieftasche spürten.

 

 

 

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ÖVP wählen verhindert Kickl am ehesten (so schwer es mir fällt):

Ich halte Hebert Kickls Kanzlerschaft (wenig überraschend) insofern für eine substantielle Gefahr, als es ihm in fünf Jahren gelingen könnt, Österreich so umzubauen, wie es sein Vorbild Viktor Orban mit Ungarn getan hat. Erstmals ziehe ich damit in Erwägung, taktisch zu wählen:

  • Karl Nehemammer, so bin ich überzeugt, wird tatsächlich nicht Steigbügelhalter für Kickl spielen, sondern bei seinem Versprechen bleiben, nicht mit der Kickl-FPÖ zu koalieren.
  • Schneidet er bei der Wahl allerdings schlecht ab, wird die ÖVP im schlimmsten Fall nur Nummer drei hinter Andreas Babler, so wird er als Obmann abgelöst und es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass sich die Industriellenvereinigung mit ihrem Wunsch nach einer blau-türkisen Regierung durchsetzt, denn die hat ihr finanziell Gewaltiges zu bieten. Natürlich die Senkung der Körperschaftssteuer, aber darüber hinaus Steuerfreiheit für nicht entnommene Gewinne. Dass das dazu führt, dass die dann an der Börse veranlagt, statt ins Unternehmen investiert werden, wird von den Wählern so wenig bedacht, wie dass die drastische Senkung der Körperschaftssteuer in den letzten zwanzig Jahren mit ständig sinkenden Unternehmensinvestitionen einherging.
  • Je besser Nehammer dagegen abschneidet, desto sicherer ist sein Verbleib an der Spitze der ÖVP und desto weniger kommt seine Ablöse und damit eine blau-türkise Koalition in Frage. Ich halte daher für möglich, für die ÖVP zu stimmen, obwohl ich auch ihren wirtschaftspolitischen Kurs ablehne. Denn natürlich wäre es höchst sinnvoll. die vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen, um die Steuern auf Arbeit zu senken (was Babler übrigens leider nie fordert.)
  • Man kann einwenden, dass auch Johanna Mikl -Leitner versprochen hatte, nicht mit der FPÖ zu koalieren und es dann doch getan hat. Aber a) ist ein Bundesland etwas anderes als der Staat; b) hat sich Mikl-Leitner nie im Ausmaß Nehammers festgelegt und c) hat sich ihr potentieller SP-Partner besonders blöd benommen, indem er erklärte, eher würde er sich die Hand abhacken als von seinen Forderungen zu lassen.
  • Garantieren, dass Nehammer nicht dennoch umfällt oder sich wegloben lässt, kann ich trotzdem nicht, aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Und selbst wenn es zur blau-türkisen Koalition kommt, ist es ein Vorteil, wenn die ÖVP dort wenigstens ein relativ starker Widerpart ist.
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Wie kann der Staat sparsamer sein?

Indem Brüssel fordert, zusätzliche Milliarden einzusparen, vertieft es die Rezession. Aber man kann Geld sparsamer einsetzen. Der Föderalismus ist das größte Hindernis.

 Wer immer Österreichs nächstes Budget erstellt, tut mir leid: folgt er Brüssels Vorgabe, jährlich zusätzliche 2,5 Milliarden Euro einzusparen, vertieft er die Rezession – folgt er ihr nicht, zahlen wir Strafe. Dazu vorweg eine Klarstellung: So sicher ich bin, dass Sparen des Staates Wirtschaftswachstum kostet, so sehr soll der Staat “sparsam” wirtschaften. Es stimmt, dass ihm das oft schwerer als privaten Investoren fällt. Im schlimmsten mir bekannten Fall, beim Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, betrugen die Kosten dank Korruption und zughörigen Abwicklungsfehlern mit 45 Milliarden Schilling (3,27 Milliarden Euro) das Sechsfache eines vergleichbaren Klinikums in Aachen. Allerdings hat Österreichs Wirtschaft selbst in diesem Fall keine 2,33 Milliarden Euro verloren, denn der Großteil des Geldes blieb dank der überhöhten Gewinne der beteiligten Firmen im Land und wurde von ihnen (hoffentlich sparsamer) reinvestiert: vom Staat ausgegebenes Geld kommt dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) selbst im schlimmsten Fall zugute. Staatsausgaben streng zu kontrollieren und die Abwicklung von Projekten durch den Staat tunlichst zu vermeiden, ist also höchst sinnvoll – große Staatsausgaben grundsätzlich abzulehnen, ist es nicht: Österreich schrieb in der Ära des für den Bau des AKH Hauptverantwortlichen Finanzministers Hannes Androsch ständig Budgetdefizite, doch Österreichs Wohlstand wuchs wie nie.

Das alles ist für Österreichs künftigen Finanzminister freilich irrelevant. Da wir EU-Mitglied sind, hat er Brüssels Sparvorgabe zu erfüllen. Es bleibt ihm also nur der von Karl Nehammer empfohlene Weg, Budgetposten für Budgetposten in Frage zu stellen.  Der Aufschrei derer, denen etwas weggenommen wird, wird freilich gewaltig sein, denn “Förderungen”, wie sie voran zur Diskussion stehen, sind selten sinnlos und weniger Fördergeld wird dem BIP auf jeden Fall fehlen. Um zwei große Spar-Kandidaten zu analysieren: Natürlich ist die Förderung des Klimaschutzes durch Wärmepumpen und den Umstieg auf E-Autos teuer; es war vielleicht falsch, die Förderung von Firmenautos zu beenden, während sie für reiche Tesla-Käufer vielleicht überflüssig war. Aber Förderung erfolgreich zu differenzieren ist extrem schwierig und die finanziell wichtigere Frage lautet: Schafft unsere Wirtschaft ein BIP, das uns die rasche Reduktion des CO2 Ausstoßes gestattet? Ähnlich teuer sind hohe Beamtenpensionen und absurde Pensionsverträge für Mitglieder der Nationalbank – aber es sind Verträge und wenn die Senkung gewisser Pensionen die Kaufkraft senkt, senkt das auch das BIP. Klar ist einzig: Die Pensionspolitik muss berücksichtigen, wie sehr die Lebenserwartung gestiegen ist. Ansonsten sind Eingriffe ins Pensionssystem einmal mehr extrem schwierig und am wichtigsten ist abermals: Schafft die Generation, die die Pensionen der vorangegangenen Generation finanzieren soll ein BIP, das ihr das ermöglicht?

Die Regierung sollte daher meines Erachtens lieber prüfen, was die größten “einheimischen” Hindernisse für Wirtschaftswachstum sind. Die ÖVP wird sofort auf zu hohe Unternehmenssteuern verweisen, aber deren gewaltige Reduktion in den letzten zwanzig Jahren geht mit einem denkbar niedrigen Investitionsniveau einher. Ebenso umstritten ist, ob die Abschaffung der Lohnnebenkosten der Wirtschaft wirklich hilft, denn gleichzeitig kann sie Kaufkraft kosten und jedenfalls schafft sie ein Loch im Budget.

Mit Sicherheit nutzen würde uns hingegen, interne Hindernisse für die sparsame Allokation von Mitteln zu beseitigen und das größte davon ist überbordender Föderalismus in einem Land von der Größe Bayerns. Statt Großspitäler so zu errichten, dass sie ein maximales Einzugsgebiet versorgen, baute jedes Bundesland sein eigenes, selbst wenn es dem des Nachbarbundeslandes benachbart ist. Einige Bundesländer kennen kaum befahrene Autobahnen, weil ihre Landesfürsten sie durchzusetzen vermochten. Das Wiener U-Bahn Netz wird nicht auf nahe Ortschaften im schwarzen Niederösterreich erweitert. Die Gesundheitspolitik wird durch die Unterscheidung in Bundes- und Landeskompetenzen unendlich erschwert- bis heute hat Österreich bei einer Pandemie keine Übersicht über die jeweiligen Betten-Kapazitäten.

Am hinderlichsten sind neun verschiedene Vorschriften: Ich hatte einmal eine Firma für Heizungstechnik, deren Lizenzgeber ein großes steirisches Unternehmen war; dabei stieß ich in Wien immer wieder auf Großaufträge, die ich dem Steirer vermitteln wollte, doch deren Geschäftsführer winkte ab: “Um den Vorschriften in Wien zu genügen, müsste ich meine Leute eigens umschulen – ich bin in Wien nicht konkurrenzfähig.”  Dennoch gibt es neun verschiedene Bauordnungen; neun Naturschutzgesetze, neun Katastrophenschutzgesetze – in einigen Bundesländern werden Unwetterschäden jetzt zu 20, in andren zu 100 Prozent ersetzt; wer seine Öl-Heizung in Niederösterreich gegen Wärmepumpen tauscht wird weniger als in Wien gefördert. Selbst der Jugendschutz unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Alles was nicht ausdrücklich dem Bund vorbehalten ist, obliegt dem Land und um vielfach absurde Unterschiede zu zelebrieren finanzieren wir neun Landesregierungen. Die heilige Kuh des Föderalismus zu schlachten, wäre zweifellos am billigsten, ist aber undenkbar. Doch eine Partei, die es wagte, sie zumindest abzumagern, erhöhte ihre Chancen meines Erachtens erheblich.

 

 

 

 

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Covid 19 blüht wieder

Obwohl die Viren-Konzentration im Abwasser angeblich nicht zugenommen, hat der Herbst prompt eine neuerliche Covid19-Welle mit sich gebracht, auch wenn  nicht mehr davon gesprochen wird ist und man auch keine wirklichen Daten zur Verfügung hat, da die Krankheit nicht mehr meldepflichtig ist.

Wohl aber kann man Schlüsse daraus ziehen, wie viele Menschen in der engsten eigenen Bekanntschaft  gerade erkrankt sind und sich durch einen Test davon überzeugt haben, dass es sich um Covid 19 handelt. Auch befragte Ärzte bestätigen sofort, dass sie wieder öfter zu Patienten gerufen oder um einschlägige Rezepte gebeten werden.

Zu verdanken haben wir den Umstand, dass die Krankheit nicht verschwunden ist den Anti-Impf-Demonstrationen der FPÖ im Verein mit naiven grünalternativen Impfskeptikern, die zu einer unzureichenden Durchimpfungsrate führten, so dass keine Herdenimmunität eingetreten ist. Die blaue Mobilmachung gegen die Impfung war einmalig: Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch verstieg sich als Ärztin bekanntlich zu der Behauptung, die Intensivstationen wären nicht von Covid-19 Patienten, sondern von Impfgeschädigten überfüllt, während Herbert Kickl ein Mittel zur Entwurmung von Pferden an Stelle einer Impfung empfahl.

Dass uns Covid 19 auf diese Weise noch länger erhalten bleiben dürfte, hat sich für die FPÖ freilich mehr als gelohnt: Indem sie behauptete, das Land habe sich auf dem Weg zu einer Impf-Diktatur befunden, vermochte sie in der Zustimmung der Bevölkerung auf nie dagewesene Weise zuzulegen.  Noch einmaliger war die nachfolgende Volte: Kickl erreichte, dass sieh Karl Nehammer de facto für Fehler bei der Verhängung von “Maßnahmen” gegen die Pandemie entschuldigte, obwohl klar ist, dass solche Fehler angesichts einer völlig unbekannten, neuen Epidemie unausweichlich sind, statt dass die Führung der FPÖ sich dafür entschuldigt hätte, dass ihre Anti-Impf -Kampagne die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet und Österreich Covid- 19 auf unbestimmte Zeit erhalten hat.

 

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Österreich drohen schwierige Zeiten

Die EU tut alles, die Rezession zu vertiefen. In Deutschland kommt die Krise seiner Autoindustrie hinzu. Wir sind ihre Lieferanten mit den höchsten Lohnstückkosten.

Beate Meinl Reisinger behauptete in den “Sommergesprächen” zu wissen, wie der Staat erfolgreich sparen kann – Karl Nehammer behauptete, man könne fast ohne Sparen  auskommen, indem man die Wirtschaft belebt. Seither gilt er als unseriös und sie als seriös, fordert die EU doch 2,5 Milliarden jährliche Einsparung, obwohl Sparen des Staates Wirtschaftsprobleme noch nie behoben hat. Das einzige angebliche Gegenbeispiel- die Erholung Schwedens im Jahr 1993- trifft nicht zu: Nicht Austerity, sondern die Abwertung der Schwedenkrone und ein gleichzeitiges Lohn-Stillhalteabkommen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften hat Schwedens Krise beendet.

Erstmals in jüngerer Zeit gibt es jetzt eine Krise Deutschlands. Dank der Einhaltung der Schuldenbremse und der Zinspolitik der EZB befindet es sich im dritten Quartal einer Rezession, die mit einer substantiellen Krise seiner Autoindustrie einhergeht und keineswegs nur VW betrifft. Da deutsche Autoproduzenten den Produzenten anderer Länder dank inadäquater Löhne ständig Marktanteile abzujagen vermochten, wiegten sie sich in trügerischer Überheblichkeit und verschliefen die Elektromobilität. Leider stimmt das Sprichwort “wenn Deutschland Grippe hat, hat  Österreich Schnupfen”, zumal die von der EU verhängten Strafen gegen Länder, die ihre kontraproduktiven Schuldenregeln nicht einzuhalten vermögen, nun auch uns drohen. Nicht zuletzt droht uns besonderes Ungemach, weil unsere Zulieferindustrie den Problemen der deutschen Autoindustrie mit den höchsten Lohnstückkosten der EU gegenübersteht: Die Aufträge unserer Metallindustrie sind um 20 Prozent eingebrochen.

In der Vergangenheit haben auch die Regierungen der EU sich zumindest in Zeiten heftiger Konjunktureinbrüche wie “Corona” oder der Öl/Gas-Verteuerung der Erkenntnis John M. Keynes´ erinnert, dass der Staat sich dann eben doch verschulden muss. Nur fordert die herrschende Lehre scheinbar überzeugend, diese Verschuldung jetzt schleunigst zu beenden. Doch das verkennt eine wesentliche Veränderung der ökonomischen Grundbedingungen, mit der Keynes noch nicht konfrontiert war: In der Vergangenheit haben durchwegs die Unternehmen für die zum Wirtschaftswachstum nötige Verschuldung gesorgt- doch genau das tun sie heute nicht mehr: sie verdienen genug, um Investitionen ohne Kredite zu bestreiten. Die Mehrzahl der Unternehmen ist daher von Schuldnern zu Sparern geworden. Deshalb braucht es die Verschuldung des Staates ständig, um Wachstum zu garantieren: Er muss ständig viel Geld investieren und kann das, weil er es nicht nur druckt, sondern weil eine funktionierende Wirtschaft ständig für die Deckung des Geldes durch Güter und Leistungen sorgt.

Keynes selbst hat auch nie behauptet, dass seine These nur zur Überwindung von Krisen taugt. Zu dieser Ansicht kamen Ökonomen erst angesichts des Ölschocks 1973: Die Staaten gaben damals mehr Geld aus, aber statt dass die Konjunktur ansprang, stagnierte die Wirtschaft bei gleichzeitig durch höhere Ausgaben beförderter Inflation. Das hatte zwei Ursachen: die eingesetzten Summen waren oft zu gering, um Wachstum zu generieren, vor allem aber bekämpften die Zentralbanken die Inflation mit drastisch erhöhten Zinsen – das zu schwache Gas-Geben war also immer von harschem Bremsen begleitet und funktionierte entsprechend schlecht. Daraus resultierte der Schlachtruf “Keynes ist tot”, statt dass man erkannt hätte, dass das Vorgehen von Staat und Notenbank sehr viel besser und vor allem auch mit den Gewerkschaften, abgestimmt werden muss.

So hat die EZB auch diesmal harsch gebremst, um eine Inflation zu bekämpfen, die freilich längst im Abklingen war, weil sie nicht auf einer Preis-Lohn-Spirale, sondern der befristeten Verteuerung von  Öl/Gas beruhte. Dass EZB-Chefin Christine Lagarde dennoch so vorging, lag an einem doppelten Missverständnis: Sowohl daran, den Unterschied zur Preis-Lohn-Spirale nicht zu sehen, wie daran, sich voran von deutschen Ratsmitgliedern einreden zu lassen, die lockere Geldpolitik der EZB hätte die Inflation verschuldet, obwohl sie durch ein Jahrzehnt fast von Deflation begleitet war.

Leider missverstand auch der ÖGB das Wesen der aktuellen Inflation: Er nahm die bewährte Benya- Formel (Lohnerhöhung = Inflation des abgelaufenen Jahres + Produktivitätszuwachs) zum Ausgangspunkt seiner Lohnforderungen, obwohl die Inflation nicht wie sonst auf der mäßigen Lohnerhöhung des abgelaufenen Jahres, sondern der massiven Verteuerung von Öl und Gas beruhte: Mit Tariflohnerhöhungen um die 9 Prozent waren wir EU-Spitzenreiter und das ist deshalb so kritisch, weil unser wichtigster Handelspartner Deutschland seine Tariflöhne nur um 2,6 Prozent erhöhte, weil man das Wesen der Teuerung dort besser begriff – ohne freilich zu verstehen, dass Deutschlands inadäquate Tariflöhne eine kräftige Steigerung nicht nur vertrügen, sondern brauchten.

Derzeit äußert sich die Rezession nur in leicht erhöhter Arbeitslosigkeit, aber sie wird steigen. Wir müssen hoffen, dass der ÖGB das Exportproblem bei künftigen Lohnforderungen berücksichtigt; vielleicht gelingt es unseren Unternehmen auch einmal mehr, die Qualität ihrer Produkte so zu steigern, dass ihr Export kaum leidet, und im Inland sollte ihnen die gestiegene Kaufkraft zu Gute kommen. Nicht zuletzt könnte ein US-Boom die EU-Rezession lindern. Dass die EU von Austerity abgeht, habe ich zu hoffen aufgehört.

 

 

 

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Hure für die Reichen

Der Chef der Industrie-nahen Agenda Austria Franz Schellhorn hat in einer Diskussion mit der Chefin des ÖGB-nahen Momentum-Instituts Barbara Blaha über Andreas Bablers Erbschaftsteuer gemeint, die anderthalb Milliarden, die man daraus vielleicht erziele, könne man vergessen, denn sie wären doch ein völlig unzureichender Betrag.

Ähnlich äußerte sich der Chef des Instituts für höhere Studien IHS, Holger Bonin, der meint der Freibetrag könne nicht bei anderthalb Millionen Euro sondern müsse deutlich darunter liegen. Beide haben insofern recht, als die Erbschaftssteuer in ihrer auch vom ÖGB erwogenen Ausgestaltung sicher nicht die Beträge einbrächte, die Babler für eine Unzahl von Wohltaten ausgeben will – aber anderthalb Milliarden derart zu verachten scheint mir bei Ökonomen trotzdem etwas befremdlich.

Wesentlich war eine Tafel, die Babler im Zuge seiner Auseinandersetzung um dieses Thema viel zu kurz im Fernsehen zeigte: Nur in zwei Staaten, der Slowakei und Mexiko sind Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern geringer als in Österreich, wo sie bei nur 0,6 Prozent des BIP liegen, während es im Schnitt der OECD 2,5 Prozent sind. Würden sie auf dieses Niveau angehoben, so nähme der Staat um die sieben Milliarden mehr ein um die man – und auch das ist wesentlich- die Steuern auf Arbeit senken könnte. Vor der Erbschaftsteuer, die man tatsächlich nicht mit einer Freigrenze von anderthalb Millionen ausstatten muss, um das berühmte Enkerl zu schonen, dem die Oma ihre Wohnung vermacht, ist fast überall die Grundsteuer die wichtigste der vermögensbezogenen Steuern, während bei uns diesbezüglich jene lächerlichen Einheitswerte gelten, die den Verfassungsgerichtshof veranlassten, die Erbschaftsteuer aufzuheben, weil jemand, der ein Grundstück im Wert von einer Million Euro erbte eine ungleich geringere Steuer bezahlte, als jemand der eine Million in bar erbte. Der VfGH trug der rot-schwarzen Regierung auf, das zu reparieren, nicht aber die Erbschaftssteuer abzuschaffen. Doch die ÖVP war nicht bereit, diese Reparatur innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist mit zu beschließen und so blieb es bei den lächerlichen Einheitswerten und war die Erbschaftsteuer gestorben. Wie schrieb doch der abgesetzte Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid angesichts der Steuersache Siegfried Wolf  einem Mitarbeiter: “Vergiss nicht. Du hackelst im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure für die Reichen“. Charakteristischer Weise will auch der angebliche “Volkskanzler”  Herbert Kickl keine Erbschaftssteuer und das Volk ist schlicht genug, der FPÖ demnächst die Mehrheit zu verschaffen.

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Zwei Getriebene ihrer Strafverfahren

Wenn Benjamin Netanjahu nicht siegreicher Staatschef bleibt und Donald Trump nicht neuerlich Präsident wird, droht beiden Gefängnis. Das schürt ihre Gewaltbereitschaft.

In ihrer perfekten Antrittsrede als Kandidatin der Demokraten versprach Kamala Harris, gemeinsam mit Joe Biden alles zu tun, um mit Israel eine haltbare Lösung des Gaza -Konflikts auszuhandeln: Bekanntlich soll Waffenruhe und die Freilassung von 33 der vielleicht fünfzig noch lebenden Geiseln (nachdem zuletzt 6 nur mehr tot geborgen wurden) zu einem Waffenstillstand führen, der in einem Stufenplan, bei dem Israels Armee den Gazastreifen nur noch befristet kontrolliert, letztlich im Verein mit dem Westjordanland in einen Palästinenserstaat mündet.

Aber dazu braucht es meines Erachtens ein Wunder: Die Hamas hofft unverändert, dass die Hisbollah nicht nur wie jüngst hunderte Raketen auf Tel Aviv feuert, sondern voll in den Krieg gegen Israel eintritt; und selbst der Generalstreik bewegt Benjamin Netanjahu nicht zu einem echten Waffenstillstand. Zwar hat er Feuerpausen zugestimmt, um die Kinder im Gazastreifen gegen Polio zu impfen – aber nur, weil das Fernsehen andernfalls nach den vielen im Krieg getöteten Kindern auch noch ständig die verkrüppelten Opfer einer Polio-Epidemie zeigte,  die die Weltgesundheitsorganisation ihm zum Vorwurf machte. Vor allem hat er gleichzeitig eine massive Militäraktion im Westjordanland begonnen, die seine ultrareligiösen Regierungspartner begeistert, aber sicher nicht auf die Bereitschaft schließen lässt, dort Israels Siedlungen zu reduzieren. Netanjahu weiß:  nur solange er Krieg führt, bleibt er gestützt auf die Ultraorthodoxen Staatschef – und nur solange er Staatschef ist, entgeht er einem anhängigen Strafverfahren wegen Korruption.

Der gesamte Gaza -Konflikt wäre anders verlaufen, wenn es dieses Strafverfahren nicht gäbe. Denn als Netanjahus Versuch den Obersten Gerichtshof zu entmachten, ihn die Zustimmung der Arbeiterpartei zu seiner Regierung kostete, konnte er nur Premier bleiben, indem er die abstruse Koalition mit den Ultrareligiösen einging. Deren extrem offensive Siedlungspolitik zog nach sich, dass Truppen, die die Grenze zum Gazastreifen schützen sollten, ins Westjordanland verlegt wurden, um Siedler zu schützen. Das aber hat es der Hamas am 7. Oktober so leicht gemacht, diese Grenze zu durchbrechen und in Israel ein Massaker anzurichten. Seither gibt es den Gaza-Krieg, den Netanjahu nur deshalb als Staatschef führen kann, weil alle Israelis in dieser Situation Einigkeit demonstrieren wollen.

Nachdem Netanjahu die Hamas zuvor gefördert hat, um einen Palästinenserstaat zu verhindern, will er sie jetzt bekanntlich auslöschen und zerbombt im Gazastreifen auch Schulen und Spitäler, da die Hamas dort ihre Hauptquartiere hat. Das ist zwar ein permanentes Kriegsverbrechen der Hamas, aber vierzigtausend Palästinenser zu töten, um die Hamas auszulöschen, gerät ebenfalls zum Kriegsverbrechen, wenn der Bevölkerung ausreichende Hilfe versagt bleibt.

Eine Lösung für das entstandene Mega- Problems weiß ich nicht – aber ohne Netanjahus Angst vor einem Strafurteil wäre es nie in dieser Dimension entstanden. Und weil Netanjahu einem Strafverfahren nur entkommt, solange er Premier einer Kriegsregierung ist, wird er meines Erachtens versuchen, so lange Krieg zu führen, bis sich seine Hoffnung auf eine neuerliche Präsidentschaft Donald Trumps erfüllt. Dann nämlich kann er das Westjordanland und den Gazastreifen annektieren und würde sein Strafverfahren ob dieses historischen Verdienstes wohl eingestellt.

Während Netanjahu Trumps Wahl also erhofft, herrscht in den USA und in Europa unter Demokraten wachsende Freude über die immer besseren Umfrage-Ergebnisse Kamala Harris`. Dabei wird ein eminentes Risiko verdrängt: Es ist höchst ungewiss, dass Trump eine Niederlage hinnimmt. Schon als er die Wahl gegen Joe Biden verlor, hat er seine Anhänger bekanntlich zum Marsch aufs Kapitol aufgestachelt – das Risiko, dass er sie diesmal zum Bürgerkrieg aufruft, ist eminent. Denn bisher kamen diverse ihm drohende Strafverfahren nicht zustande, weil die US-Justiz langsam funktioniert und weil von ihm ernannte Richter den Republikanern die klare Überzahl im Supreme Court verschafft haben. Aber wenn er nicht neuerlich Präsident wird, lassen sich Strafurteile gegen ihn nach menschlichem Ermessen nicht mehr vermeiden: Wenn er in Georgia, wo es darum geht, dass er dessen Wahlleiter Brad Raffensperger aufgefordert hat, ihm dringend die für seinen Sieg in diesem Bundestaat nötigen 12.000 Wählerstimmen zu beschaffen, verurteilt wird, geht er bis ans Lebensende ins Gefängnis. Und diese Verurteilung abzuwenden ist nicht leicht: Es gibt nicht nur die Aussage Raffensbergers, sondern auch Geständnisse anderer in die Vorgänge in Georgia involvierter Mitangeklagter. Auch dass Trump beim Supreme Court erreicht hat, dass er bezüglich aller Handlungen, die er in seiner Funktion als Präsident gesetzt hat, Immunität genießt, hilft ihm in Georgia wenig, denn einen Anruf, ihm dringend fehlende Stimmen zu beschaffen, können selbst von ihm ernannte Höchstrichter schwer unter seine Funktion als Präsident subsumieren. Dennoch, und das ist das Absurde an der Situation, hielte ich es für ein Glück, wenn es so wäre. Denn dann müsste Trump nicht Angst haben, im Fall seiner Wahlniederlage im Gefängnis zu landen – so hingegen muss er sie sehr wohl haben, und das Risiko, dass er es vorzieht, seine Anhänger zum Bürgerkrieg aufzurufen, weil ihm “zum zweiten Mal der Wahlsieg gestohlen wurde”, ist gewaltig.

 

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Die hilflosen Programme unserer Parteien

Die Spar-Vorschriften der EU schließen gutes Wirtschaften aus. Es ist daher fast egal, wie die Wirtschaftsprogramme der Parteien beschaffen sind- es gibt nur Abstufungen.

 Ursula von der Leyen, die sich für ihre kommende Amtszeit vor allem vorgenommen hat, die Wirtschaft der EU zu stärken, tut mit deutscher Gründlichkeit das Gegenteil: Indem die EU- Kommission ihre stärksten Volkswirtschaften (von Österreich über Italien und Frankreich bis Deutschland) mit Strafe bedroht, sofern die öffentliche Hand (der Staat) nicht spart, vertieft sie die aktuelle Rezession, die die EZB ausgelöst hat, indem sie nicht verstand, dass die Teuerung durch verknapptes Erdgas etwas völlig anderes ist, als eine durch überhöhte Löhne beschleunigte Inflation. Ich berufe mich auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz, indem ich, so sehr Sie dessen überdrüssig sein mögen, wiederhole, dass die Wirtschaftspolitik der EU der Mathematik widerspricht: Wirtschaftswachstum bedeutet, dass Unternehmen mehr (oder Wertvolleres) verkaufen; das ist nur möglich, wenn andere mehr  einkaufen; die Konsumenten tun das in Krisenzeiten nicht, sondern sparen lieber; kauft der Staat ebenfalls weniger ein, weil auch er spart (zum Sparen gezwungen ist) wären Unternehmen schwachsinnig, wenn sie ihre Anlagen dennoch erweiterten, um mehr zu produzieren, denn sie fänden keine Käufer. Allfällige Mehreinkäufe durch Staaten, Unternehmen und Konsumenten außerhalb der EU machen dieses Manko nicht wett. Deshalb wächst die Wirtschaft der sparenden EU seit 24 Jahren so ungleich weniger als die der USA, die keine entsprechende Spar-Vorschrift kennt. Obwohl die Republikaner, aber auch viele Demokraten aus ideologischen Gründen auch dafür wären, dass der Staat seine Leistungen kürzt, geschieht das nicht, weil beide Seiten immer ein hohes Militärbudget akzeptieren, das via Zulieferunternehmen ein gewisses Wirtschaftswachstum sicherstellt, während die strikte Leugnung der wirtschaftlichen Logik in der EU beziehungsweise der Eurozone  in die aktuelle Rezession gemündet ist.

Kein Programm spart ein

Vor diesem tristen Hintergrund sind die Wirtschaftsprogramme zu beurteilen, mit denen Österreichs Parteien in den Wahlkampf ziehen: Es ist ziemlich egal, was sie vorschlagen, denn sie können es unter der Aufsicht der EU nicht einhalten. Der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, der, anders als Stieglitz, offenbar nichts an den wirtschaftlichen Grundsätzen der EU auszusetzen hat, hat sehr klar erläutert, warum das so ist: Österreich muss, um den Vorschriften der EU-Kommission zu genügen, 2,5 Milliarden Euro im Jahr einzusparen, und das schließt Steuersenkungen oder gar zusätzliche Leistungen aus. Wenn die ÖVP in ihrem Wirtschaftsprogramm meint, man käme ohne Einsparungen aus, indem man die Körperschaftssteuer und die Lohnnebenkosten senkt, weil das die Wirtschaft ankurbelt, so ist das für Badelt wie für mich blanke Illusion. (Die Gesellschaftssteuern wurden mit der Begründung, dadurch die Investitionen zu befördern, bereits halbiert und diese sind dennoch so niedrig wie nie, weil Investitionsentscheidungen der Unternehmen in erster Linie davon abhängen, ob sie in Zukunft bessere Geschäfte erwarten.) Die von der ÖVP gleichfalls geforderte Senkung der Lohnnebenkosten ist für Badelt wie mich ein Nullsummenspiel, weil dann eben der Familienlastenausgleich und die Sozialversicherung Zuschüsse aus dem Budget erhalten müssten. Völlig ausgeschlossen ist unter den gegebenen Umständen die von allen Parteien angestrebte Senkung der Lohnsteuern, denn sie erhöhte das staatliche Defizit dramatisch, statt es zu vermindern.

Aus den gleichen Gründen wie das Wirtschaftsprogramm der ÖVP, ist für Badelt wie für mich auch Wirtschaftsprogramm der Neos blanke Illusion, das dem der ÖVP weitgehend gleicht. Einig sind sich beide Parteien auch in der massiven Ablehnung  vermögensbezogener Steuern, wie der Erbschafts- oder der Grundsteuer, obwohl uns die Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts oder der OECD beides seit Jahren dringend empfehlen, weil sie dazu beitrügen, die Steuern auf Arbeit zu senken. Dass auch Beate Meinl-Reisinger das nicht versteht,  hatte ich bisher für unwahrscheinlich gehalten.

Restlos absurd ist erwartungsgemäß das Wirtschaftsprogramm der FPÖ: Auch sie, die angeblich den kleinen Mann vertritt, lehnt vermögensbezogene Steuern aufs Energischste ab und verspricht dennoch eine unmögliche Lohnsteuersenkung. Die notwendigen Einsparungen will sie erzielen, indem man Migranten keine Mindestsicherung mehr ausbezahlt, obwohl das erstens EU-rechtswidrig wäre und zweitens nur einen Millionenbetrag einbrächte. Die Grünen drücken sich um dumme konkrete Aussagen und verweisen nur darauf, dass ökologische Maßnahmen Arbeit schaffen, wobei sie darauf vergessen, dass sie auch Geld kosten.

Nur Babler hätte Chancen

Das einzige Wirtschaftsprogramm, das den Ansprüchen der EU theoretisch genügen könnte, ist das der SPÖ unter Andreas Babler: Indem er die Erbschaftssteuer und die Gesellschaftssteuer erhöhte, erzielte er Mehreinnahmen, die noch höher sein könnten, wenn er auch eine adäquate Grundsteuer forderte. Nur will Babler diese Mehreinnahmen nicht nutzen, um das Budget zu sanieren, sondern um daraus weitere Sozialausgaben zu bestreiten, so dass ihm Parteikollegin Doris Bures bekanntlich mangelnde Ernsthaftigkeit vorgeworfen hat. Wenn man die wirtschaftlichen Grundsätze der EU mit Christoph Badelt für richtig hält, bleibt Österreich in den kommenden Jahren in der Tat nichts anderes übrig als unter Schmerzen die genannten 2,5 Milliarden pro Jahr einzusparen. Nur dass das zu einer immer massiveren Rezession führen wird: Man kann Wirtschaftspolitik nicht gegen Mathematik und Logik betreiben.

 

 

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Der zunehmend entmachtete Wähler

In den USA hat das Große Geld gewaltigen Einfluss darauf, wer Präsident wird. In Europa weiß der Wähler zunehmend seltener, welcher Koalition er zur Regierung verhilft.

Wenn US-Kommentatoren begründen, warum Kamala Harris gute Chancen hat, Donald Trump zu schlagen, führen sie an erster Stelle an, wie viele Spenden-Millionen  sie in kurzer Zeit zu mobilisieren vermochte. Auch mich freut ihre gute finanzielle Lage im konkreten Fall – nur dass es eigentlich gespenstisch ist, dass die Wahl zum US-Präsidenten offenbar stark davon abhängt, wie viel Geld ein Kandidat zur Verfügung hat. Es wäre nicht ganz so problematisch, wenn durchwegs der die meiste Spenden einnähme, der sich eben von vornherein der größeren Beliebtheit erfreut, denn ein einzelner Sympathisant darf ihm maximal dreitausend Dollar spenden. Nur tun sich Kandidaten, die voran die weiße Oberschicht ansprechen, dabei sehr viel leichter als Kandidaten, die stark auf Farbige und Latinos angewiesen sind. Soeben wurde die mögliche Höhe der Spende zudem erhöht: Ein republikanischer Spender aus Alabama klagte gegen die Begrenzung der Spenden auf eine Person, weil das der Meinungsfreiheit widerspreche und der Supreme Court gab ihm mit 5 Stimmen republikanischer Höchstrichter gegen 4 Stimmen demokratischer Höchstrichter recht. Seither kann man die dreitausend  Dollar mehreren Kandidaten, vor allem aber zusätzlich der Partei des bevorzugten Kandidaten spenden.

Der angebliche Schutz der Meinungsfreiheit spielt aber eine für die US-Demokratie noch viel verheerendere Rolle:  2010 entschied der Supreme Court, dass Meinungsfreiheit nur gewährleistet sei, wenn  auch Unternehmen, Gewerkschaften oder andere Lobbys Geld dafür einsammeln und ausgeben dürfen, bestimmte politische Inhalte zu propagieren und Kandidaten zu unterstützen. Damit war die Möglichkeit geschaffen, den Wahlkampf mit Hilfe sogenannter “PACs” (Political action commitee)oder “Super-PACs” zu gewinnen. Der Hauptunterschied  besteht darin, dass ein PAC sein Geld direkt an Kandidaten und Parteien vergeben kann, beim Einsammeln aber massiven Beschränkungen unterliegt. Super-PACs hingegen sind zwar verpflichtet, ihr Geld nicht in Hinblick auf eine bestimmte Partei oder einem bestimmten Kandidaten, sondern “unabhängig” für ihre politischen Anliegen zu verwenden, unterliegen beim Einsammeln des Geldes aber keinerlei Beschränkung. Dass sie nachträglich bekannt geben müssen, wer ihnen wie viel gespendet hat, schafft zwar eine gewisse Transparenz, mindert ihre Problematik aber kaum: Mit den gewaltigen Summen, die Superpacs einsammeln können, ist ihr Einfluss auf die Politik zwangsläufig gewaltig. Ein Unternehmen Elon Musks darf Donald Trump zwar kein Geld überweisen, wohl aber dem Super-PAC MAGA Inc. 40 Millionen Dollar, denn warum soll es nicht dessen unabhängiges Interesse sein, to Make Amerika Great Again. Dazu interviewte Musk Trump drei Sunden auf X (vormals Twitter), ohne dass es als Spende gilt.

Die zitierte Entscheidung des Supreme Court von 2010 gilt nicht nur für die Wahl des Präsidenten, sondern auch jedes einzelnen Gouverneurs, Senators oder sonstigen Mandatar und sorgt damit zwangsläufig für einen gewaltigen Einfluss des großen Geldes auf die Politik – bösartig könnte man sagen: In den USA lassen sich politische Entscheidungen kaufen. Man kann sich nur damit trösten, dass Kandidaten der Demokraten nicht zwingend weniger Pacs und Superpacs als Kandidaten der Republikaner an ihrer Seite haben. So hatte die Demokratin Hillary Clinton zum Beispiel ein größeres Wahlkampfbudget als Donald Trump und unterlag ihm dennoch. Denn ein Wahlsystem, bei dem bestimmte Staaten viel mehr “Wahlmänner” pro Einwohnerschaft haben und bei dem in machen Staaten alle Wahlmänner dem Kandidaten gehören, der dort gesiegt hat (The Winner Takes It All), selbst wenn dieser Sieg ein ganz knapper war, machte möglich, dass Hillary Clinton die Wahl auch verlieren konnte, obwohl sie insgesamt fünf Millionen Stimmen mehr als Trump bekommen hatte.

Europas Wahlsysteme sind dem der USA also sowohl rein technisch weit überlegen als auch ungleich weniger dem großen Geld ausgeliefert, obwohl es natürlich auch in Österreich von Bedeutung ist, wenn Millionäre wie die Brüder Fellner oder Christoph und Eva Dichand  mit den größten Zeitungen Meinung machen. Trotzdem lehrt der Vergleich mit den USA hoffentlich, unser System der hohen staatlichen Parteienfinanzierung, der Spenden- und Wahlkampfkosten Obergrenzen zu schätzen, statt es zu kritisieren. Bei uns und in vielen anderen Ländern Europas schränkt ein ganz anderes Problem die Durchsetzung des Wählerwillens zunehmend ein: Indem es zunehmend weniger Länder mit zwei extrem großen Parteien gibt, hängt die tatsächliche Regierung zunehmend von Koalitionen ab. Und da Parteien nicht gezwungen sind, vorher bekanntzugeben, mit wem sie koalieren, hat der Wähler immer weniger Einfluss, zu welcher Regierung es kommt. Dass es in Deutschland zur eher links dominierten Regierung aus SPD, Grünen und FDP statt zur rechts dominierten aus CDU/CSU, FDP und Grünen gekommen ist, entschied nicht der Wähler, sondern Christian Lindner als FDP-Chef. Und wer demnächst ÖVP oder SPÖ wählt, weil er sich deren Koalition wünscht und auf keinen Fall Herbert Kickl zum Kanzler haben will, kann ihn dennoch bekommen, wenn Karl Nehammer  den Hut nehmen muss, weil die ÖVP nur Dritte geworden ist. Die ständige Politiker-Aussage “Das wird der Wähler entscheiden”, wird so zunehmend zur Frotzelei. Die Medien müssen dringend Koalitionsaussagen einfordern, sonst wird die Politikverdrossenheit wachsen.

 

 

 

 

 

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Kursrückgang: Ein Wahlgeschenk für Trump

In bundesweiten Umfragen zurückgefallen, kann Donald Trump die Demokraten dank gesunkener Aktienkurse für angeblich katastrophales Wirtschaften verantwortlich machen.

Donald Trump lag, wenn auch nur bundesweit, in Umfragen erstmals hinter Kamala Harris, als ihm am vergangenen Montag ein Wahlgeschenk zuteil wurde. das er in den kommenden Wochen ausschlachten wird: Der Einbruch der US-Börsen gibt ihm die Möglichkeit zu behaupten, dass die Administration Biden-Harris katastrophal gewirtschaftet hätte- so wenig das der Wahrheit entspricht. Weil viele Amerikaner Aktien besitzen können die hohen Verluste sehr prominenter, (populärer) Aktien auch direkten Einfluss auf das Wahlverhalten haben.

Anlass der Kursverfalls (S&P -4 Prozent Nasdaq 100 -5,5 Prozent) waren bekanntlich überraschend schlechte Daten vom US-Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit war signifikant gestiegen und die Zahl neuer Jobs lag signifikant unter den Erwartungen. Das konnte die Sorge wecken, dass die US- Wirtschaft einer Rezession entgegengeht und als Lokomotive “westlichen” Wirtschaftswachstums ausfällt, nachdem schon Deutschland als Lokomotive europäischen Wirtschaftswachstums ausgefallen ist. Jedenfalls führte diese Sorge zu einer Panik an der Börse von Tokio, weil dort drei Ängste  zusammentrafen:

  • Das gestiegene Risiko eines Flächenbrandes in Nahost schürte die Angst, dass sich Öl und Lieferungen durch den Suezkanal neuerlich verteuern.
  • Eine Aufwertung des Yen schürte die Angst, dass Japans Waren im Export zu teuer wären.
  • Wenn mit den USA  Japans größter Exportmarkt tatsächlich schwächelte, so  musste das begreifliche Angst vor einem dramatischen Rückgang japanischer Exporte schüren.

Summiert bewirkten diese Ängste Japans schlimmsten Börsencrash seit Jahrzehnten. (Nikkei -12,4 Prozent) Die Schockwelle, die der Mega-Crash der fünftgrößten Börse der Welt auslöste, ließ, den Zeitzonen folgend, zuerst Europas Börsen einbrechen und erreichten vergangenen Montag Mittag unserer Zeit ihren Ausgangspunk USA. Dort brachen voran die Aktien massiv ein, die zuvor einen vielleicht übertriebenen Hype erlebt hatten- allen voran NVIDIA (- 14,5 Prozent) das Chips für “Künstliche Intelligenz” herstellt: Die Investoren zweifelten plötzlich, dass KI so rasch Gewinne generieren wird. Der allen Börsen eigene Herdentrieb riss alle Technologie-Werte mit nach unten. Ebenso unter die Räder kam die seit jeher massiv überbewertete Aktie von Tesla, weil der Gewinn aus dem E-Auto-Geschäft zuletzt sehr dürftig ausgefallen war. Und weil Starinvestor Warren Buffet sich von der Hälfte seiner Apple-Aktien trennte, stürzte auch diese prominente Aktie ab und das riss sämtliche Kurse mit, so wenig das dem Zustand der US-Wirtschaft entsprach.

Dass die Arbeitslosen-Zahl, die am Beginn dieser Kettenreaktion steht, so hoch ausgefallen war, hatte nämlich einen speziellen Grund: Weil es in den USA, wie in der EU, 2022 eine Inflation gegen 10 Prozent gegeben hat, hatte die US-Notenbank FED schon vor der EZB die Zinsen erhöht. Sinn dieser Maßnahme laut Lehrbuch: ein Boom soll abklingen, die Auslastung der Unternehmen soll sinken und die Arbeitslosigkeit soll steigen, so dass es Arbeitskräften schwer fällt, Lohnerhöhungen durchzusetzen. Denn offenbar sah die FED die Hauptursache für die Inflation in überhöhten Löhnen. Diese Sicht war in den USA nicht so unberechtigt wie in der EU, denn sowohl unter Donald Trump wie unter Joe Biden waren die Löhne stark gestiegen. Der größere Teil der Inflation wurde auch in den USA durch die weltweite drastische Verteuerung von Öl und Gas bewirkt, die die Kürzung der Öl-Förderung durch Russland und die OPEC mit sich gebracht hat.

Allerdings gingen der Öl und Gaspreis schon sehr bald wieder zurück, weil die USA mehr in ihr Fracking investierten, weil Norwegen mehr Gas förderte, weil kleine Produzenten außerhalb der OPEC mehr Öl lieferten und alternative Energiequellen zunahmen. Im gleichen Ausmaß ging die Inflation zurück, die ich lieber Teuerung nenne, solange es sich nicht um einen sich selbst verstärkenden Prozess handelt, bei dem Lohnerhöhungen die entscheidende Rolle spielen. War die von der EZB extrem rasch vorgenommene massive Zinserhöhung mit Sicherheit falsch, weil die Reallöhne in der EU vielfach sogar gefallen waren, so war die Zinserhöhung der FED  insofern besser  gerechtfertigt, als hohe Löhne jedenfalls eine Rolle für die Teuerung spielten, vor allem aber, weil die USA unter Biden reichlich investierten, so dass Geld nach der Überwindung der Pandemie, anders als in der EU, nicht mehr billig sein musste, um Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Dennoch war die FED vorsichtiger als die EZB vorgegangen, indem sie ihre Zinsen in viel kleineren Schritten erhöht hatte, obwohl die starke US -Wirtschaft teureres Geld viel besser als die schwache EU-Wirtschaft vertrug Vorerst hat die US-Börse die Hälfte ihrer Verluste jedenfalls schon aufgeholt und die FED dürfte bald einen größeren Zinsschritt nach unten vornehmen. Ob er reichen wird, die Wahlchancen von Kamala Harris und Tim Walz durch perfekte Konjunkturdaten zu unterstützen erhöhen, ist schwer zu sagen.

 

 

 

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