Hure für die Reichen

Der Chef der Industrie-nahen Agenda Austria Franz Schellhorn hat in einer Diskussion mit der Chefin des ÖGB-nahen Momentum-Instituts Barbara Blaha über Andreas Bablers Erbschaftsteuer gemeint, die anderthalb Milliarden, die man daraus vielleicht erziele, könne man vergessen, denn sie wären doch ein völlig unzureichender Betrag.

Ähnlich äußerte sich der Chef des Instituts für höhere Studien IHS, Holger Bonin, der meint der Freibetrag könne nicht bei anderthalb Millionen Euro sondern müsse deutlich darunter liegen. Beide haben insofern recht, als die Erbschaftssteuer in ihrer auch vom ÖGB erwogenen Ausgestaltung sicher nicht die Beträge einbrächte, die Babler für eine Unzahl von Wohltaten ausgeben will – aber anderthalb Milliarden derart zu verachten scheint mir bei Ökonomen trotzdem etwas befremdlich.

Wesentlich war eine Tafel, die Babler im Zuge seiner Auseinandersetzung um dieses Thema viel zu kurz im Fernsehen zeigte: Nur in zwei Staaten, der Slowakei und Mexiko sind Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern geringer als in Österreich, wo sie bei nur 0,6 Prozent des BIP liegen, während es im Schnitt der OECD 2,5 Prozent sind. Würden sie auf dieses Niveau angehoben, so nähme der Staat um die sieben Milliarden mehr ein um die man – und auch das ist wesentlich- die Steuern auf Arbeit senken könnte. Vor der Erbschaftsteuer, die man tatsächlich nicht mit einer Freigrenze von anderthalb Millionen ausstatten muss, um das berühmte Enkerl zu schonen, dem die Oma ihre Wohnung vermacht, ist fast überall die Grundsteuer die wichtigste der vermögensbezogenen Steuern, während bei uns diesbezüglich jene lächerlichen Einheitswerte gelten, die den Verfassungsgerichtshof veranlassten, die Erbschaftsteuer aufzuheben, weil jemand, der ein Grundstück im Wert von einer Million Euro erbte eine ungleich geringere Steuer bezahlte, als jemand der eine Million in bar erbte. Der VfGH trug der rot-schwarzen Regierung auf, das zu reparieren, nicht aber die Erbschaftssteuer abzuschaffen. Doch die ÖVP war nicht bereit, diese Reparatur innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist mit zu beschließen und so blieb es bei den lächerlichen Einheitswerten und war die Erbschaftsteuer gestorben. Wie schrieb doch der abgesetzte Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid angesichts der Steuersache Siegfried Wolf  einem Mitarbeiter: „Vergiss nicht. Du hackelst im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure für die Reichen“. Charakteristischer Weise will auch der angebliche „Volkskanzler“  Herbert Kickl keine Erbschaftssteuer und das Volk ist schlicht genug, der FPÖ demnächst die Mehrheit zu verschaffen.

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Die hilflosen Programme unserer Parteien

Die Spar-Vorschriften der EU schließen gutes Wirtschaften aus. Es ist daher fast egal, wie die Wirtschaftsprogramme der Parteien beschaffen sind- es gibt nur Abstufungen.

 Ursula von der Leyen, die sich für ihre kommende Amtszeit vor allem vorgenommen hat, die Wirtschaft der EU zu stärken, tut mit deutscher Gründlichkeit das Gegenteil: Indem die EU- Kommission ihre stärksten Volkswirtschaften (von Österreich über Italien und Frankreich bis Deutschland) mit Strafe bedroht, sofern die öffentliche Hand (der Staat) nicht spart, vertieft sie die aktuelle Rezession, die die EZB ausgelöst hat, indem sie nicht verstand, dass die Teuerung durch verknapptes Erdgas etwas völlig anderes ist, als eine durch überhöhte Löhne beschleunigte Inflation. Ich berufe mich auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz, indem ich, so sehr Sie dessen überdrüssig sein mögen, wiederhole, dass die Wirtschaftspolitik der EU der Mathematik widerspricht: Wirtschaftswachstum bedeutet, dass Unternehmen mehr (oder Wertvolleres) verkaufen; das ist nur möglich, wenn andere mehr  einkaufen; die Konsumenten tun das in Krisenzeiten nicht, sondern sparen lieber; kauft der Staat ebenfalls weniger ein, weil auch er spart (zum Sparen gezwungen ist) wären Unternehmen schwachsinnig, wenn sie ihre Anlagen dennoch erweiterten, um mehr zu produzieren, denn sie fänden keine Käufer. Allfällige Mehreinkäufe durch Staaten, Unternehmen und Konsumenten außerhalb der EU machen dieses Manko nicht wett. Deshalb wächst die Wirtschaft der sparenden EU seit 24 Jahren so ungleich weniger als die der USA, die keine entsprechende Spar-Vorschrift kennt. Obwohl die Republikaner, aber auch viele Demokraten aus ideologischen Gründen auch dafür wären, dass der Staat seine Leistungen kürzt, geschieht das nicht, weil beide Seiten immer ein hohes Militärbudget akzeptieren, das via Zulieferunternehmen ein gewisses Wirtschaftswachstum sicherstellt, während die strikte Leugnung der wirtschaftlichen Logik in der EU beziehungsweise der Eurozone  in die aktuelle Rezession gemündet ist.

Kein Programm spart ein

Vor diesem tristen Hintergrund sind die Wirtschaftsprogramme zu beurteilen, mit denen Österreichs Parteien in den Wahlkampf ziehen: Es ist ziemlich egal, was sie vorschlagen, denn sie können es unter der Aufsicht der EU nicht einhalten. Der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, der, anders als Stieglitz, offenbar nichts an den wirtschaftlichen Grundsätzen der EU auszusetzen hat, hat sehr klar erläutert, warum das so ist: Österreich muss, um den Vorschriften der EU-Kommission zu genügen, 2,5 Milliarden Euro im Jahr einzusparen, und das schließt Steuersenkungen oder gar zusätzliche Leistungen aus. Wenn die ÖVP in ihrem Wirtschaftsprogramm meint, man käme ohne Einsparungen aus, indem man die Körperschaftssteuer und die Lohnnebenkosten senkt, weil das die Wirtschaft ankurbelt, so ist das für Badelt wie für mich blanke Illusion. (Die Gesellschaftssteuern wurden mit der Begründung, dadurch die Investitionen zu befördern, bereits halbiert und diese sind dennoch so niedrig wie nie, weil Investitionsentscheidungen der Unternehmen in erster Linie davon abhängen, ob sie in Zukunft bessere Geschäfte erwarten.) Die von der ÖVP gleichfalls geforderte Senkung der Lohnnebenkosten ist für Badelt wie mich ein Nullsummenspiel, weil dann eben der Familienlastenausgleich und die Sozialversicherung Zuschüsse aus dem Budget erhalten müssten. Völlig ausgeschlossen ist unter den gegebenen Umständen die von allen Parteien angestrebte Senkung der Lohnsteuern, denn sie erhöhte das staatliche Defizit dramatisch, statt es zu vermindern.

Aus den gleichen Gründen wie das Wirtschaftsprogramm der ÖVP, ist für Badelt wie für mich auch Wirtschaftsprogramm der Neos blanke Illusion, das dem der ÖVP weitgehend gleicht. Einig sind sich beide Parteien auch in der massiven Ablehnung  vermögensbezogener Steuern, wie der Erbschafts- oder der Grundsteuer, obwohl uns die Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts oder der OECD beides seit Jahren dringend empfehlen, weil sie dazu beitrügen, die Steuern auf Arbeit zu senken. Dass auch Beate Meinl-Reisinger das nicht versteht,  hatte ich bisher für unwahrscheinlich gehalten.

Restlos absurd ist erwartungsgemäß das Wirtschaftsprogramm der FPÖ: Auch sie, die angeblich den kleinen Mann vertritt, lehnt vermögensbezogene Steuern aufs Energischste ab und verspricht dennoch eine unmögliche Lohnsteuersenkung. Die notwendigen Einsparungen will sie erzielen, indem man Migranten keine Mindestsicherung mehr ausbezahlt, obwohl das erstens EU-rechtswidrig wäre und zweitens nur einen Millionenbetrag einbrächte. Die Grünen drücken sich um dumme konkrete Aussagen und verweisen nur darauf, dass ökologische Maßnahmen Arbeit schaffen, wobei sie darauf vergessen, dass sie auch Geld kosten.

Nur Babler hätte Chancen

Das einzige Wirtschaftsprogramm, das den Ansprüchen der EU theoretisch genügen könnte, ist das der SPÖ unter Andreas Babler: Indem er die Erbschaftssteuer und die Gesellschaftssteuer erhöhte, erzielte er Mehreinnahmen, die noch höher sein könnten, wenn er auch eine adäquate Grundsteuer forderte. Nur will Babler diese Mehreinnahmen nicht nutzen, um das Budget zu sanieren, sondern um daraus weitere Sozialausgaben zu bestreiten, so dass ihm Parteikollegin Doris Bures bekanntlich mangelnde Ernsthaftigkeit vorgeworfen hat. Wenn man die wirtschaftlichen Grundsätze der EU mit Christoph Badelt für richtig hält, bleibt Österreich in den kommenden Jahren in der Tat nichts anderes übrig als unter Schmerzen die genannten 2,5 Milliarden pro Jahr einzusparen. Nur dass das zu einer immer massiveren Rezession führen wird: Man kann Wirtschaftspolitik nicht gegen Mathematik und Logik betreiben.

 

 

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Der zunehmend entmachtete Wähler

In den USA hat das Große Geld gewaltigen Einfluss darauf, wer Präsident wird. In Europa weiß der Wähler zunehmend seltener, welcher Koalition er zur Regierung verhilft.

Wenn US-Kommentatoren begründen, warum Kamala Harris gute Chancen hat, Donald Trump zu schlagen, führen sie an erster Stelle an, wie viele Spenden-Millionen  sie in kurzer Zeit zu mobilisieren vermochte. Auch mich freut ihre gute finanzielle Lage im konkreten Fall – nur dass es eigentlich gespenstisch ist, dass die Wahl zum US-Präsidenten offenbar stark davon abhängt, wie viel Geld ein Kandidat zur Verfügung hat. Es wäre nicht ganz so problematisch, wenn durchwegs der die meiste Spenden einnähme, der sich eben von vornherein der größeren Beliebtheit erfreut, denn ein einzelner Sympathisant darf ihm maximal dreitausend Dollar spenden. Nur tun sich Kandidaten, die voran die weiße Oberschicht ansprechen, dabei sehr viel leichter als Kandidaten, die stark auf Farbige und Latinos angewiesen sind. Soeben wurde die mögliche Höhe der Spende zudem erhöht: Ein republikanischer Spender aus Alabama klagte gegen die Begrenzung der Spenden auf eine Person, weil das der Meinungsfreiheit widerspreche und der Supreme Court gab ihm mit 5 Stimmen republikanischer Höchstrichter gegen 4 Stimmen demokratischer Höchstrichter recht. Seither kann man die dreitausend  Dollar mehreren Kandidaten, vor allem aber zusätzlich der Partei des bevorzugten Kandidaten spenden.

Der angebliche Schutz der Meinungsfreiheit spielt aber eine für die US-Demokratie noch viel verheerendere Rolle:  2010 entschied der Supreme Court, dass Meinungsfreiheit nur gewährleistet sei, wenn  auch Unternehmen, Gewerkschaften oder andere Lobbys Geld dafür einsammeln und ausgeben dürfen, bestimmte politische Inhalte zu propagieren und Kandidaten zu unterstützen. Damit war die Möglichkeit geschaffen, den Wahlkampf mit Hilfe sogenannter „PACs“ (Political action commitee)oder „Super-PACs“ zu gewinnen. Der Hauptunterschied  besteht darin, dass ein PAC sein Geld direkt an Kandidaten und Parteien vergeben kann, beim Einsammeln aber massiven Beschränkungen unterliegt. Super-PACs hingegen sind zwar verpflichtet, ihr Geld nicht in Hinblick auf eine bestimmte Partei oder einem bestimmten Kandidaten, sondern „unabhängig“ für ihre politischen Anliegen zu verwenden, unterliegen beim Einsammeln des Geldes aber keinerlei Beschränkung. Dass sie nachträglich bekannt geben müssen, wer ihnen wie viel gespendet hat, schafft zwar eine gewisse Transparenz, mindert ihre Problematik aber kaum: Mit den gewaltigen Summen, die Superpacs einsammeln können, ist ihr Einfluss auf die Politik zwangsläufig gewaltig. Ein Unternehmen Elon Musks darf Donald Trump zwar kein Geld überweisen, wohl aber dem Super-PAC MAGA Inc. 40 Millionen Dollar, denn warum soll es nicht dessen unabhängiges Interesse sein, to Make Amerika Great Again. Dazu interviewte Musk Trump drei Sunden auf X (vormals Twitter), ohne dass es als Spende gilt.

Die zitierte Entscheidung des Supreme Court von 2010 gilt nicht nur für die Wahl des Präsidenten, sondern auch jedes einzelnen Gouverneurs, Senators oder sonstigen Mandatar und sorgt damit zwangsläufig für einen gewaltigen Einfluss des großen Geldes auf die Politik – bösartig könnte man sagen: In den USA lassen sich politische Entscheidungen kaufen. Man kann sich nur damit trösten, dass Kandidaten der Demokraten nicht zwingend weniger Pacs und Superpacs als Kandidaten der Republikaner an ihrer Seite haben. So hatte die Demokratin Hillary Clinton zum Beispiel ein größeres Wahlkampfbudget als Donald Trump und unterlag ihm dennoch. Denn ein Wahlsystem, bei dem bestimmte Staaten viel mehr „Wahlmänner“ pro Einwohnerschaft haben und bei dem in machen Staaten alle Wahlmänner dem Kandidaten gehören, der dort gesiegt hat (The Winner Takes It All), selbst wenn dieser Sieg ein ganz knapper war, machte möglich, dass Hillary Clinton die Wahl auch verlieren konnte, obwohl sie insgesamt fünf Millionen Stimmen mehr als Trump bekommen hatte.

Europas Wahlsysteme sind dem der USA also sowohl rein technisch weit überlegen als auch ungleich weniger dem großen Geld ausgeliefert, obwohl es natürlich auch in Österreich von Bedeutung ist, wenn Millionäre wie die Brüder Fellner oder Christoph und Eva Dichand  mit den größten Zeitungen Meinung machen. Trotzdem lehrt der Vergleich mit den USA hoffentlich, unser System der hohen staatlichen Parteienfinanzierung, der Spenden- und Wahlkampfkosten Obergrenzen zu schätzen, statt es zu kritisieren. Bei uns und in vielen anderen Ländern Europas schränkt ein ganz anderes Problem die Durchsetzung des Wählerwillens zunehmend ein: Indem es zunehmend weniger Länder mit zwei extrem großen Parteien gibt, hängt die tatsächliche Regierung zunehmend von Koalitionen ab. Und da Parteien nicht gezwungen sind, vorher bekanntzugeben, mit wem sie koalieren, hat der Wähler immer weniger Einfluss, zu welcher Regierung es kommt. Dass es in Deutschland zur eher links dominierten Regierung aus SPD, Grünen und FDP statt zur rechts dominierten aus CDU/CSU, FDP und Grünen gekommen ist, entschied nicht der Wähler, sondern Christian Lindner als FDP-Chef. Und wer demnächst ÖVP oder SPÖ wählt, weil er sich deren Koalition wünscht und auf keinen Fall Herbert Kickl zum Kanzler haben will, kann ihn dennoch bekommen, wenn Karl Nehammer  den Hut nehmen muss, weil die ÖVP nur Dritte geworden ist. Die ständige Politiker-Aussage „Das wird der Wähler entscheiden“, wird so zunehmend zur Frotzelei. Die Medien müssen dringend Koalitionsaussagen einfordern, sonst wird die Politikverdrossenheit wachsen.

 

 

 

 

 

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Kursrückgang: Ein Wahlgeschenk für Trump

In bundesweiten Umfragen zurückgefallen, kann Donald Trump die Demokraten dank gesunkener Aktienkurse für angeblich katastrophales Wirtschaften verantwortlich machen.

Donald Trump lag, wenn auch nur bundesweit, in Umfragen erstmals hinter Kamala Harris, als ihm am vergangenen Montag ein Wahlgeschenk zuteil wurde. das er in den kommenden Wochen ausschlachten wird: Der Einbruch der US-Börsen gibt ihm die Möglichkeit zu behaupten, dass die Administration Biden-Harris katastrophal gewirtschaftet hätte- so wenig das der Wahrheit entspricht. Weil viele Amerikaner Aktien besitzen können die hohen Verluste sehr prominenter, (populärer) Aktien auch direkten Einfluss auf das Wahlverhalten haben.

Anlass der Kursverfalls (S&P -4 Prozent Nasdaq 100 -5,5 Prozent) waren bekanntlich überraschend schlechte Daten vom US-Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit war signifikant gestiegen und die Zahl neuer Jobs lag signifikant unter den Erwartungen. Das konnte die Sorge wecken, dass die US- Wirtschaft einer Rezession entgegengeht und als Lokomotive „westlichen“ Wirtschaftswachstums ausfällt, nachdem schon Deutschland als Lokomotive europäischen Wirtschaftswachstums ausgefallen ist. Jedenfalls führte diese Sorge zu einer Panik an der Börse von Tokio, weil dort drei Ängste  zusammentrafen:

  • Das gestiegene Risiko eines Flächenbrandes in Nahost schürte die Angst, dass sich Öl und Lieferungen durch den Suezkanal neuerlich verteuern.
  • Eine Aufwertung des Yen schürte die Angst, dass Japans Waren im Export zu teuer wären.
  • Wenn mit den USA  Japans größter Exportmarkt tatsächlich schwächelte, so  musste das begreifliche Angst vor einem dramatischen Rückgang japanischer Exporte schüren.

Summiert bewirkten diese Ängste Japans schlimmsten Börsencrash seit Jahrzehnten. (Nikkei -12,4 Prozent) Die Schockwelle, die der Mega-Crash der fünftgrößten Börse der Welt auslöste, ließ, den Zeitzonen folgend, zuerst Europas Börsen einbrechen und erreichten vergangenen Montag Mittag unserer Zeit ihren Ausgangspunk USA. Dort brachen voran die Aktien massiv ein, die zuvor einen vielleicht übertriebenen Hype erlebt hatten- allen voran NVIDIA (- 14,5 Prozent) das Chips für „Künstliche Intelligenz“ herstellt: Die Investoren zweifelten plötzlich, dass KI so rasch Gewinne generieren wird. Der allen Börsen eigene Herdentrieb riss alle Technologie-Werte mit nach unten. Ebenso unter die Räder kam die seit jeher massiv überbewertete Aktie von Tesla, weil der Gewinn aus dem E-Auto-Geschäft zuletzt sehr dürftig ausgefallen war. Und weil Starinvestor Warren Buffet sich von der Hälfte seiner Apple-Aktien trennte, stürzte auch diese prominente Aktie ab und das riss sämtliche Kurse mit, so wenig das dem Zustand der US-Wirtschaft entsprach.

Dass die Arbeitslosen-Zahl, die am Beginn dieser Kettenreaktion steht, so hoch ausgefallen war, hatte nämlich einen speziellen Grund: Weil es in den USA, wie in der EU, 2022 eine Inflation gegen 10 Prozent gegeben hat, hatte die US-Notenbank FED schon vor der EZB die Zinsen erhöht. Sinn dieser Maßnahme laut Lehrbuch: ein Boom soll abklingen, die Auslastung der Unternehmen soll sinken und die Arbeitslosigkeit soll steigen, so dass es Arbeitskräften schwer fällt, Lohnerhöhungen durchzusetzen. Denn offenbar sah die FED die Hauptursache für die Inflation in überhöhten Löhnen. Diese Sicht war in den USA nicht so unberechtigt wie in der EU, denn sowohl unter Donald Trump wie unter Joe Biden waren die Löhne stark gestiegen. Der größere Teil der Inflation wurde auch in den USA durch die weltweite drastische Verteuerung von Öl und Gas bewirkt, die die Kürzung der Öl-Förderung durch Russland und die OPEC mit sich gebracht hat.

Allerdings gingen der Öl und Gaspreis schon sehr bald wieder zurück, weil die USA mehr in ihr Fracking investierten, weil Norwegen mehr Gas förderte, weil kleine Produzenten außerhalb der OPEC mehr Öl lieferten und alternative Energiequellen zunahmen. Im gleichen Ausmaß ging die Inflation zurück, die ich lieber Teuerung nenne, solange es sich nicht um einen sich selbst verstärkenden Prozess handelt, bei dem Lohnerhöhungen die entscheidende Rolle spielen. War die von der EZB extrem rasch vorgenommene massive Zinserhöhung mit Sicherheit falsch, weil die Reallöhne in der EU vielfach sogar gefallen waren, so war die Zinserhöhung der FED  insofern besser  gerechtfertigt, als hohe Löhne jedenfalls eine Rolle für die Teuerung spielten, vor allem aber, weil die USA unter Biden reichlich investierten, so dass Geld nach der Überwindung der Pandemie, anders als in der EU, nicht mehr billig sein musste, um Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Dennoch war die FED vorsichtiger als die EZB vorgegangen, indem sie ihre Zinsen in viel kleineren Schritten erhöht hatte, obwohl die starke US -Wirtschaft teureres Geld viel besser als die schwache EU-Wirtschaft vertrug Vorerst hat die US-Börse die Hälfte ihrer Verluste jedenfalls schon aufgeholt und die FED dürfte bald einen größeren Zinsschritt nach unten vornehmen. Ob er reichen wird, die Wahlchancen von Kamala Harris und Tim Walz durch perfekte Konjunkturdaten zu unterstützen erhöhen, ist schwer zu sagen.

 

 

 

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Der keineswegs gebremste Klimawandel

Allen österreichischen, deutschen und europäischen Erfolgsmeldungen zum trotz wird weltweit nicht weniger, sondern mehr CO2 in die Atmosphäre geblasen.

Um ausnahmsweise einen Erfolg zu vermelden, präsentierte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Grafik, die illustriert, wie sehr der CO2- Ausstoß in seiner kurzen Amtszeit zurückgegangen ist. Die Opposition spricht zwar von getürkten Daten, weil nicht die neuesten herangezogen worden seien, aber tendenziell steht der Rückgang außer Zweifel. Ähnliches gilt für Österreich, wenn Leonore Gewessler entsprechende Erfolge vermeldet und auch Ursula von der Leyen sagt die Wahrheit, wenn sie den Erfolg ihres „Green Deal“ feiert: Die EU hat ihren CO2 Ausstoß tatsächlich gesenkt.

Nur kommt es fürs Klima nicht darauf an wie viel CO2 die EU in die Atmosphäre entlässt, sondern wie viel weltweit dorthin entlassen wird. Und da gilt es einen simplen ökonomischen Tatbestand zur Kenntnis zu nehmen: Jeden Liter Öl und jeden Kubikmeter Gas, den wir in der EU weniger verbrennen, verbrennen andere Volkswirtschaften, von Brasilien über Indien bis China mehr. Alles Öl und Gas, das gefördert wird, wird gekauft, verbrannt und entlässt CO2 in die Atmosphäre. Nur wenn weltweit weniger fossile Brennstoffe gefördert werden, verringert sich der CO2 -Ausstoß. Deshalb war der grauenhafte Krieg in der Ukraine eine Zeit lang gut für den Planeten, denn um ihn vorzubereiten, brauchte Russland mehr Geld und einigte sich mit der OPEC, die Förderung zu drosseln, um den Preis durch Knappheit zu erhöhen. Die USA, die Saudi-Arabien sonst immer bewegt hatten, die Förderung nicht zu drosseln und den Preis moderat zu halten, indem sie drohten, dem Königshaus sonst keine Waffen zu liefern, akzeptierten die Preiserhöhung dieses Mal, weil sie durch Fracking selbst zum größten Öl/Gas Produzenten der Welt geworden waren.

Die Drosselung der weltweiten Förderung hielt freilich nur kurz an. Nicht zuletzt, weil voran der erhöhte Gaspreis zu einer gewaltig erhöhten Inflation führte, unter der voran Europa litt, wurde die Gasförderung bald wieder erhöht, indem Norwegen sie verstärkte und die USA ihr Fracking wieder hochfuhren. Die weltweite Förderung fossiler Brennstoffe nahm zu Lasten des Planeten wieder zu und sorgte – viel mehr als die Zinserhöhungen der Notenbanken – dafür, dass die Inflation sukzessive zurückging.

Man kann die Menge fossiler Brennstoffe, die jährlich gefördert werden dürften, um den weltweiten CO2-Ausstoß so zu reduzieren, dass man das gesetzte Klimaziel erreicht, in etwa errechnen und das geschieht auch. Es gibt von den Vereinten Nationen seit 2017 einen jährlichen Bericht über die sogenannte „production gap“: Das ist die Lücke zwischen dem, was an Einschränkung bei der Förderung und Produktion fossiler Energieträger auf Weltebene notwendig wäre und dem, was tatsächlich geschieht. Im Vorwort des Reports von 2023 heißt es: „Die Regierungen planen, bis 2030 mehr als die doppelte Menge an fossilen Brennstoffen zu produzieren und zu verbrauchen als es mit dem Pfad zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5°C vereinbar ist. Mit anderen Worten: Die EU, Deutschland oder Österreich können ihren CO2 Ausstoß noch so sehr reduzieren – es bewirkt nichts, solange weltweit weiter munter Öl, Gas und Kohle gefördert werden. „Nur wenn es gelingt, die Produzenten fossiler Energieträger, von denen es auf der Welt rund zwanzig gibt (darunter die USA als eine der größten), davon zu überzeugen, dass sie ihre Produktion Schritt für Schritt herunterfahren müssen“, formuliert der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck, „kann mit einer rationalen Klimapolitik begonnen werden.“

Ich bin diesbezüglich zurückhaltender: Es ist zu jeder Zeit rational, Technologien zu entwickeln, die den CO2-Ausstoß vermindern. Nur versprächen weniger Hektik und mehr Nachdenken dabei größeren Erfolg. So bewirkte nur eine viel höhere CO2-Steuer, dass immer die Technologie zum Zug käme, die am billigsten das meiste CO2 eliminiert, während man derzeit im Dunklen tappt. So ermittelte etwa der Think-Tank „Transport und Environment“ erst jetzt, dass Schweröl verbrennende Schiffe im Hafen von Rotterdam mehr CO2 als alle Autos der Niederlande ausstoßen und dass die Schifffahrt -Kreuzfahrt- und Containerschiffe- zu den zweifellos größten CO2 Emittenten zählt. Es brauchte also vermutlich weniger Fördermilliarden für die überwiegend europäischen Großreedern und ihren rund sechstausend Schiffe CO2-arme Motoren vorzuschreiben, als es für abermillionen Autos zu tun.

In keiner Weise verstehe ich freilich, warum man das Tempolimit für Autos nicht sofort auf 100 km/h senkt. Und wenn man Wiens öffentlichen Verkehr mit Steuern statt Fahrscheinen finanzierte, erreichte man vermutlich rasch, dass Wiener kaum mehr Auto führen. Zwar müsste man dann wohl mehr Garnituren einstellen, aber im Verhältnis zum Erfolg wäre der Aufwand gering. Auch dass man dann auf die Fahrscheine von Touristen verzichten müsste, ist kein gewichtiger Einwand -sie gäben mehr Geld in Restaurants und Geschäften aus. Es gibt also Wege den CO2-Ausstoß  relativ simpel und rasch stark zu senken.

Das oben beschriebene Grundproblem, ist freilich nur zu lösen, wenn man die 20 Produzenten fossiler Brennstoffe überzeugen kann, dass es auch für sie am besten ist, sehr viel länger vom Erlös ihrer fossilen Bodenschätze zu profitieren als durch immer größere Fördermengen im Moment noch reicher zu werden und eine Klimakatastrophe zu erleben.

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Österreichs künstliche und echte Probleme

Unsere Schuldenquote von 77,8 Prozent ist ein Scheinproblem.  Dass wir zu den höchsten Lohnstückkosten der EU produzieren ist ein echtes. Was macht den Unterschied?

Österreich wird bekanntlich demnächst, wie Frankreich oder Italien schon jetzt, von der EU dafür bestraft werden, dass sein Budgetdefizit drei Prozent überschreitet und dass es sich der Staatsschuldengrenze von 60 Prozent des BIP kaum genähert hat. Der Chef des Fiskalrates Christoph Badelt hat pflichtgemäß vor der kommenden Strafe gewarnt und Sparsamkeit gefordert, aber immerhin auch kurz darauf hingewiesen, dass die Corona-Krise und die hohe Inflation zu bewältigen waren, Holger Bonin, Chef des Instituts für höhere Studien, hat das immerhin sehr deutlich getan. Beide hätten freilich auch darauf hinweisen können, dass die Drei- wie die 60 Prozentgrenze der EU höchst umstritten sind. Die Studie von Kenneth Rogoff, auf die sie sich beruft, enthält bekanntlich einen erwiesenen Rechenfehler, hat Staaten, deren Daten seiner These von der Schädlichkeit hoher Staatsschulden widersprechen, ungenügend berücksichtigt und sein Resultat kam überhaupt nur auf der Basis einer einzigen Wirtschaftskrise – der Neuseelands im Jahr 1951- zustande. Dazu hätten sie auch in Frage stellen können, ob die von der EU verhängten Strafzahlungen weise sind? Was sie Frankreich, Italien oder Österreich kosten, können diese Staaten weniger in ihre Wirtschaft investieren.

Alle Diskussionen zu diesem Thema leiden darunter, dass „Schulden“ des Staates stets negativ mit „Schuld“ assoziiert werden, während Sparen des Staates mit der positiven Tugend der Sparsamkeit verwechselt wird. Natürlich soll Österreich „sparsam“ wirtschaften: Natürlich ist es verfehlt, den Flughafen Schwechat zum vielfachen Preis des vergleichbaren Flughafens von Malaga auszubauen; das größte mir diesbezüglich bekannte Fiasko bestand darin, das AKH zum sechsfachen Preis eines gleich großen, gleich ausgestatteten Klinikums in Aachen zu errichten. Dennoch hat man das den beiden Bauherrn, Wiens Bürgermeister Leopold Graz und Finanzmister Hannes Androsch nie zum Vorwurf gemacht, denn zumindest Androsch konnte ins Treffen führen, dass er Österreich auf andere Weise massiv voran gebracht hat: Er hat zwar stets Budgetdefizite gemacht, aber unser Wohlstand ist nie stärker als in seiner Ära gewachsen, hat der Staat sein Geld doch höchst erfolgreich investiert.

Die Unsinnigkeit, der Staatsschuldenquote überragende Bedeutung zuzumessen, ist am besten am Beispiel Japans zu illustrieren. Sie ist mit 252,4 Prozent die höchste der entwickelten Welt und müsste laut Rogoff die größte Pleite der Geschichte bedingen. Aber Japans Wirtschaft wuchs heuer mit 1,2 Prozent besser als die sparende deutsche  und Japans Rating liegt wie das deutsche bei Tripple A. Leute, die Japans Daten als Einwand gegen die Staatsschuldenhysterie nicht gelten lassen wollen, weisen darauf hin, dass es seine Schulden voran bei der eigenen Bevölkerung hat – aber warum soll es schlimmer sein, dass Österreich sie bei Deutschen, Amerikanern oder auch Japanern hat?  Wobei man allerdings auch das Rating der führenden Agenturen von Moodys bis Fitsch nicht so ernst nehmen sollte: Sie beurteilten auch die toxischen US-Derivate von 2009 mit Tripple A und vergaben die gleiche Note an Spanien, das Tage später seine größte Immobilienkrise erlebte. Am vernünftigsten ist es, sich die größten Unternehmen eines Landes anzusehen und da weiß man gleich, warum Japan nicht pleite ist: Sein größtes Unternehmen, Toyota, verzeichnete 2022 mit einem globalen Umsatz von 338,5 Milliarden US-Dollar ein Umsatzwachstum von 18,4 Prozent; das Konglomerat Mitsubishi, steigerte seinen Umsatz um 24,8 Prozent auf 196,5 Milliarden.

So wie man sich also Japans beste Unternehmen anschauen soll, soll man das auch in Österreich tun: Da verzeichnete unser größtes Unternehmen, die OMV, dank Ölpreisexplosion seinen höchsten Umsatzerlös von 39 Milliarden. Und trotz denkbar schlechter Stahlkonjunktur stieg selbst der Umsatzerlös der VOEST von 2021 auf 2022 um 39 Prozent, auch wenn das nur Millionen, statt wie davor Milliarden einbrachte. Ähnlich gut funktionieren unsere vielfach weltmarktführenden Mittel- und Kleinbetriebe. Natürlich hätte die Regierung sie treffsicherer durch Corona und Inflation führen können – aber sie hat sie über diese Krisen hinweggebracht und daher sind unsere 77,8 Prozent Staatsschuldenquote für Leute, die etwas von Wirtschaft verstehen- anders als die EU-Kommission- ein Scheinproblem.

Es gibt allerdings zwei echte Probleme:

  • Unsere Löhne wurden anlässlich der Inflation  zu stark erhöht, weil man von der Benya-Formel ausging, die auf Grund der Ölpreisexplosion nicht mehr anzuwenden war und weil unser Haupthandelspartner Deutschland sie wie stets am wenigsten erhöhte. Das kostet unsere Exportindustrie Konkurrenzfähigkeit und muss bei der nächsten Lohnrunde berücksichtigt werden.
  • Wir leiden an Facharbeitermangel. Dank unserer zuvor sehr zurückhaltenden Lohnpolitik haben wir, wie Deutschland, von anderen Ländern viele Aufträge hinzugewonnen, die abzuwickeln sind. Am ehesten ließe sich der Fachkräftemangel lindern, indem die vorhandenen Arbeitskräfte später in Pension gehen – aber das tun sie nicht, obwohl sie auf Grund der steigenden Lebenserwartung auch immer mehr Pensionisten finanzieren müssen. Vernünftiger Weise muss die Lebensarbeitszeit der dramatisch gestiegenen Lebenserwartung automatisch angepasst werden. Aber das geschieht nicht, weil Pensionisten die größte Wählergruppe sind.

 

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Ein einsamer britische Hoffnungsschimmer

Großbritannien wird sich unter Labour wirtschaftlich erholen. Frankreich nur, wenn Deutschland seine Lohnpolitik ändert. Sonst regiert 2027 Marine Le Pen.

 Es gibt noch Erfreuliches! Großbritanniens neuer Premier Sir Keir Starmer ist das Gegenteil von Herbert Kickl oder Donald Trump. So sehr er eine Gesinnung hat, so wenig ist er ein Extremist. Der Sohn eines Werkzeugmachers und einer Krankenschwester, der dank Stipendien in Oxford studierte, mit Auszeichnung promovierte und für seine Leistung als Staatsanwalt geadelt wurde, kam als Quereinsteiger zu „Labour“. War das unter dem Vorsitz von Jeremy Corbyn eine extrem linke Partei, so rückte sie Starmer, der Corbyn 2020 ablöste, energisch in die Mitte, wo sie schon 1997 unter Tony Blair Erfolge gefeiert hatte. Dass eine Maßnahme „links“ ist, reicht Starmer so wenig wie Blair – sie muss ein Problem lösen und das kann auch mit Ideen einhergehen, die als „rechts“ gelten.

In seiner erste Rede forderte er den vernichtend geschlagenen Kurzzeit – Premier der Torys Rishi Sunak zu respektieren: Auch der hätte sein Bestes gegeben. (Tatsächlich rettete Sunak das Land vor einem, von seiner Vorgängerin Liz Truss ausgelösten Finanz- Fiasko.) Zur Finanzministerin bestellte Starmer die ausgewiesene Ökonomin Rachel Reeves, zum Außenminister den schwarzen Anwalt David Lammy, der wie er mit Auszeichnung promoviert hatte. Dessen erste Initiative: Blitzbesuche in Berlin, Warschau und Stockholm, während Verteidigungsminister John Healey Wolodymyr Selenskyj in Odessa versicherte, dass Großbritannien weiter voll hinter der Ukraine steht. Bezüglich der EU erhofft Lammy Wiederannäherung („Reset“) und die sollte auch die EU anstreben, statt sich zu freuen, wie sehr der Brexit den Briten schadet. Er ist als „Volksentscheid“ zwar kaum rückgängig zu machen, aber die EU könnte mit Großbritannien zu ähnlichen Verträgen wie mit der Schweiz gelangen und Handelsbarrieren abbauen. Schließlich ist die britische Atommacht ihr militärisch mit Abstand wichtigster Partner, wenn sie sich nach einem Sieg Donald Trumps nicht mehr voll auf die USA verlassen kann.

Starmers dringendstes Anliegen ist das Ankurbeln der Wirtschaft. Haben Deutschlands Konservative die EU im Geist der schwäbischen Hausfrau niedergespart, so sparten die britischen Torys aus tiefster neoliberaler Überzeugung: Das Kaputtsparen des „National Health Service“ war dafür symptomatisch. Großbritanniens wirtschaftlicher Vorsprung vor der EU (gemessen in realem BIP pro Kopf) schrumpfte voran zu Lasten der Unterschicht von 17.000 auf 10.000 Dollar – entsprechend wuchs die Schere zwischen „arm“ und „reich“. Labour plant daher ein gewaltiges Sozialbau-Programm, das sowohl die Wohnungsnot lindern als die Wirtschaft beleben sollte. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt.

Ähnliche Zuversicht  gegenüber Frankreich fällt mir schwer. Präsident Emmanuel Macron wird es politisch zwar bis 2027 auf Kurs gegen Wladimir Putin halten – aber wirtschaftlich wird die Regierung, wer immer sie anführt, angesichts eines restlos gespaltenen Parlaments, kaum erfolgreicher als bisher sein. Das aber wird den Wunsch der Bevölkerung nach totalem Wechsel hin zu Marine Le Pen beflügeln. Denn so sehr das Migrationsproblem die Franzosen mit Terror und Bandenkriegen in Atem hält, scheint mir ihre wirtschaftliche Misere doch zentrale Ursache ihrer Unzufriedenheit: Lag ihr reales BIP pro Kopf 2008 mit 45.516 Dollar noch um 8.472 Dollar über dem der EU, so sind es 2023 nur mehr 3.637 Dollar. Für die Mehrheit der Franzosen bedeutete das fünfzehn Jahre wirtschaftlichen Abstiegs. Zentrale Ursache dieser Entwicklung sind nicht, wie man voran in deutschen Zeitungen liest, „versäumte Hausaufgaben“ (bis 2000  lagen Frankreich und Deutschland wirtschaftlich fast gleichauf), sondern ist- tut mir leid es zu wiederholen- der Umstand, dass Deutschland seine Löhne seit 2000 weniger erhöhte als seinem Produktivitätszuwachs entsprach. Spätestens 2008 waren deutsche Waren damit so viel billiger als französische, dass Käufer sie trotz aller Produkttreue zunehmend bevorzugten. Frankreich verlor dramatisch Marktanteile an Deutschland. Allein nach Deutschland exportierte es 2022 um 47 Milliarden Euro weniger als Deutschland nach Frankreich. Während in Deutschland Arbeitskräfte fehlen (es herrscht Vollbeschäftigung bei nur 4,3 Prozent Jugendarbeitslosigkeit) liegt Frankreichs Arbeitslosigkeit noch immer bei 7,4 Prozent, bei Jugendlichen bei gespenstischen 27 Prozent. Verursacht die hohe Arbeitslosigkeit dem Staat hohe Kosten, so lieferten ihm Frankreichs Betriebe immer weniger Steuern ab, weil sie mangels Auslastung weniger Gewinne machen. Da sich Frankeich in der EU (anders als US-Bundesstaaten in den USA) neues Geld zu deutlich höheren Zinsen als Deutschland leihen muss, wuchs seine Verschuldung so deutlich, dass die Neue Zürcher Zeitung sogar den Euro gefährdet sieht.

All das hätte auch ein ökonomisch viel versierterer Präsident als Emmanuel Macron nicht abwenden können. Denn hätte er versucht, die Löhne der Franzosen massiv zu senken, um Marktanteile zurückzuerobern, so hätte er nicht nur einen  Aufstand ausgelöst, sondern auch noch Frankreichs Binnenkonjunktur erstickt. Besserung erlebte Frankreich nur, wenn Deutschlands Gewerkschaften deutlich höhere Löhne durchsetzten, aber das Gegenteil war bei der letzten Lohnrunde der Fall: Deutschland erhöhte seine Tariflöhne am wenigsten und wird daran angesichts seiner Rezession kaum etwas ändern. Damit macht es Marin Le Pen nach menschlichem Ermessen 2027 zu Frankreichs Präsidentin.

 

 

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Frankreichs unlösbares Wirtschaftsproblem

Frankreichs keineswegs  nur selbstverschuldete immer schlechtere wirtschaftliche Lage trug wesentlich zum Erfolg der Partei Marine Le Pens bei.

Wie erwartet landete das Rassemblement National Marine Le Pens im ersten Wahlgang mit 33 Prozent klar vor dem Linksbündnis NFP mit 28 und den Liberalen Emmanuel Macrons mit 20 Prozent. Nur wenn Linke und Liberale kommenden Sonntag beim zweiten Wahlgang mit großer Mehrheit gemeinsam gegen die Kandidaten Le Pens stimmen, bleibt der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU eine EU-kritische Rechtsaußen- Regierung erspart, auch wenn Staatspräsident Macron ihren Spielraum begrenzte. Würde Le Pen 2027 auch Präsidentin, so veränderte das die EU mehr als selbst der Brexit.

Die schon jetzt dramatische Entwicklung hat viele Gründe. Natürlich, wie überall, die Migration, die Frankreich seit jeher in keiner Weise bewältigt: In den „Banlieue“(Vororten), in denen Migranten sich konzentrieren, führen Vierzehnjährige derzeit mit Sprengstoffgefüllten Flaschen Bandenkrieg. Ständig herrschen Terrorwarnstufen. Dass Islamisten Lehrer köpfen und Juden ermorden, erschüttert das Land. Hinzu kommt die in allen Ländern gleiche Angst vor Massen- Zuwanderung, die der deutsche Hirn-Forscher Hoimar von Ditfurth 1989 kurz vor seinem Tod und lang vor den aktuellen Problemen so begründete: „Es gibt drei angeborene Handlungsweisen des Menschen, die aus dem vor- und frühsteinzeitlichen Dschungel stammen: Hab Angst vor jedem Menschen, den Du nicht kennst! Die Rechte Deiner Horde sind den Rechten aller anderen Kollektive übergeordnet! Du musst, wenn Du glaubst das Überleben Deiner Horde nicht anders sichern zu können, den Konkurrenten totschlagen! Wenn wir von Horden von Fremden lesen, die hier einwandern, dann revoltiert dieses Gesetz der Steinzeit in uns. Deswegen sind wir keine Faschisten. Es ist menschlich, davor Angst zu haben. Nur muss dann die Hirnrinde tätig werden … “

Sie wird es in Frankreich so wenig wie in Österreich. Zumal die wirtschaftliche Misere, in der sich das Land befindet, den Widerstand gegen Zuwanderung rational verschärft: Migranten füllen Sozialbau- Wohnungen und drücken auf die Löhne. Solange das Lohnniveau der eingesessenen Bevölkerung ein gutes und ihr Wohlstand ein passabler ist, hält sich ihr Frust in Grenzen – gerät sie in wirtschaftliche Probleme, so sprengt er sie. Und die Franzosen haben seit zirka 1998 immer größere wirtschaftliche Probleme: Indem deutsche Unternehmen die Löhne nicht mehr im Ausmaß des Produktivitätszuwachses erhöhten, errangen deutsche Waren gegenüber französischen einen Lohnstückostenvorteil von 20 Prozent, so dass Frankreich immer mehr Marktanteile verlor: Allein gegenüber Deutschland exportiert Frankreich seither um 400 Milliarden Euro weniger als Deutschland nach Frankreich. Entsprechend hat sich Frankreichs Arbeitslosigkeit verfestigt: Viel davon scheint nicht einmal mehr in der Statistik auf, weil die Betroffenen die Arbeitssuche aufgegeben haben. Sie und die registrierten Arbeitslosen sind das gesicherte Wählerreservoir Le Pens. Entsprechend hat sich auch Frankreichs soeben von der EU kritisierte Verschuldung erhöht: Ungenügend ausgelastete Betriebe lieferten dem Staat zunehmend weniger Steuern ab, während die Arbeitslosigkeit ihn zunehmend mehr kostete.

Kein französischer Präsident, auch kein ungleich fähigerer als Emmanuel Macron, hätte diese Entwicklung stoppen können. Denn wenn er die Löhne so senkte, dass Frankreich Marktanteile zurückgewänne, scheiterte er nicht nur an der ausgelösten Revolte, sondern erstickte auch noch die Binnenkonjunktur. Macron, 2017 als große Hoffnung und „Jupiter“ gefeiert, als er mit seiner Bewegung „en Marche“ eine beachtliche Mehrheit hinter sich versammelte, hat diese Hoffnung freilich besonders heftig enttäuscht. Statt sich mit Italien und anderen Ländern des „Südens“, die alle die gleichen Probleme haben, zusammenzutun und vielleicht dank gemeinsamen politischen Drucks zu erreichen, dass Deutschlands Gewerkschaften höhere, dem Produktivitätszuwachs entsprechende Löhne fordern, indem man ihnen erklärt, dass Deutschland wirtschaftlich gesunde Nachbarn braucht, um ihnen seine Produkte zu verkaufen, setzte er nur eine der Reformen durch, mit deren Ausbleiben die deutsche Presse seine Misere begründet: Er erreichte die natürlich richtige Anhebung des Pensionsalters um zwei Jahre, aber sie mündete in wüste Streiks. Das wieder lag nicht zuletzt an seiner abgehobenen Persönlichkeit: Er hat keine Lust mit Leuten zu verhandeln, die sich „nicht genug anstrengen“, sich die gleichen Maßanzüge wie er zu kaufen. Macron ist für das Volk das Gegenteil eines der ihren.

Marine Le Pen hingegen spricht für das Volk. Nicht dass sie Frankreichs zentrales Problem lösen könnte- konkrete Lösungen weiß das Rassemblement national so wenig wie die FPÖ – aber die herrschenden Zustände lautstark zu kritisieren, musste auf offene Ohren treffen. Hinzu kommt, dass es Le Pen zunehmend gelang, ihre Partei aus der Schmuddelecke herauszuführen: Der neue Parteiführer Jordan Bardella trägt Maßanzuge wie Macron und zeigt Verständnis für Forderungen der Industrie – niemand nimmt an, dass er den Frexit betreibt. Gleichzeitig gibt es mittlerweile eine noch rechtere Partei als das Rassemblement und zur Linken vertritt der Führer der Kommunisten Jean-Luc Mélenchon im Linksbündnis „Nouveau Front Populaire“, das sich dem Rassemblement entgegenstellte, extrem linke Positionen, so dass viele Wähler Le Pens Haltung zunehmend als vernünftige Mitte empfanden, so wenig sie es ist.

 

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Europas Auto-Industrie ist gefordert

Die Zahl neu zugelassener E-Autos ist rückläufig – dennoch gehört ihnen die Zukunft. Europas Autoindustrie muss mit China gleichziehen-  auch wenn es viel Geld kostet.

Nicht nur in Österreich, sondern EU-weit ist der Absatz von E-Autos in den ersten Monaten des Jahres rückläufig. Im vergangenen Jahr waren in Österreich von Jänner bis April 17,9 Prozent aller neu zugelassenen Pkws batterieelektrisch – heuer sind es im selben Zeitraum nur 16,6 Prozent und gleichzeitig stieg der Absatz von Diesel- und Hybridfahrzeugen. Zur Begründung gibt es sehr verschiedene Erzählungen. Eine entspricht der Kritik des österreichischen Motorenentwicklers Fritz Indra: Die Reichweite der E-Autos sei stets viel geringer als behauptet – bei Kälte oder Hitze hätte man Mühe größere Reisen zu unternehmen, zumal Tanken längere Unterbrechungen erfordere. Ein gutes Diesel-Auto sei billiger und ungleich einfacher zu nutzen. Unterstützt wird diese Erzählung davon, dass die größten Autovermieter E-Autos in ihren Flotten massiv reduzierten. Die andere Erzählung ist die von Leonore Gewessler:  E-Autos seien unverzichtbar, wenn man den CO2-Ausstoß des Verkehrs reduzieren wolle. Immer bessere Batterien erlaubten immer größere Reichweiten und man würde genügend grünen Strom erzeugen, um sie zuladen. Es gelte nur, die Ladeinfrastruktur rasch auszubauen.

Der aktuelle Rückgang des E-Auto Absatzes ist jedenfalls leicht zu erklären: Die staatliche Förderung für ihren Kauf wurde in Österreich, wie überall, deutlich reduziert. Private Kunden, die rund 30 Prozent der E-Neuwagen kaufen, werden weiter unterstützt, aber für Unternehmen, auf die  70 Prozent der Käufe entfallen, hat die Regierung die direkten Förderungen im März auslaufen lassen. Gleichzeitig werden E-Autos bezüglich Reichweite und Ladegeschwindigkeit laufend sowohl besser wie preisgünstiger, so dass Unternehmen den Kauf auch aus diesem Grund in die Zukunft schieben. Sollte es sich beim Rückgang der Verkäufe allerdings nicht nur um eine vorübergehende Delle, sondern um einen Trend handeln, so wird die türkis-grüne Regierung nicht umhin kommen, die Form ihrer Subventionen zu überdenken, wenn sie erreichen will, dass Österreichs PKW-Verkehr in absehbarer Zeit ein elektrischer wird – und billig wird das kaum sein.

Kommt hinzu, dass sie uneinig ist: Kanzler Karl Nehammer hat bekanntlich – nicht ohne innenpolitischen Erfolg – einen „Autogipfel“ einberufen, bei dem das von der EU-beschlossene „Verbrenner-Aus“ insofern in Frage gestellt wird, als es laut Nehammer „technologieoffen“ sein müsse. Nur ist es das meines Erachtens: Die EU verbietet Verbrenner ab 2035 nicht, sondern verlangt nur, dass beim Auspuff kein CO2 herauskommt – lässt sich das mittels Verbrennen von E-Fuels erreichen, so ist es zugelassen, wenn auch in meinen Augen teuer. Für die Autoindustrie ist die EU-Ansage jedenfalls klar und gibt ihr Planungssicherheit. Trotzdem  werden die großen Autoproduzenten auch Diesel- und Benzinmotoren weiterentwickeln, weil Lastautos noch länger damit fahren werden und weil sie ihre Autos ja auch in Länder verkaufen wollen, in denen es noch lange keine Lade-Infrastruktur gibt.

Letztlich, so glaube ich, wird Elektromobilität sich durchsetzen: Die Batterietechnik macht enorme Fortschritte, E-Autos beschleunigen optimal und E- Motoren sind besonders robust, weil sie  weniger Teile haben, die kaputt werden können. Entscheidend für die CO2- Bilanz wird freilich bleiben, ob die Produktion grünen Stroms mit dem Mehrbedarf Schritt hält, der sich nicht nur durch immer mehr E-Autos, sondern auch immer mehr Wärmepumpen, vor allem aber durch den enormen Stromverbrauch der Digitalisierung ergibt. Nur wenn dieser viele zusätzliche Strom tatsächlich grün erzeugt werden kann und nicht womöglich Kohlekraftwerke zugeschaltet werden müssen, wird sich der CO2- Ausstoß tatsächlich vermindern. Gewessler ist davon überzeugt – ich halte angesichts des Fortschritts der Photovoltaik für zulässig, darauf zu hoffen.

Dass das Thema in Österreich so viele Emotionen weckt, liegt daran, dass unsere Zuliefer-Industrie  für die deutsche Autoindustrie hunderttausende Arbeitsplätze sichert. Diese bisher weltführende deutsche Autoindustrie hat bei der Produktion von E-Autos und vor allem der für sie nötigen Batterien bekanntlich einen beträchtlichen Rückstand gegenüber China. Die USA, deren Autoindustrie in der gleichen Lage ist, wehrt sich, indem sie chinesische E-Autos mit 100 Prozent Zoll belastet. Die EU geht vorsichtiger vor: für kleinere Autos von BYD erhöht sie ihn auf 17,4, für mittlere von Geely auf 20 und für große des chinesischen VW-Partners SAIC auf 38,1 Prozent.  Begründet wird das, wie in den USA, zu Recht damit, dass die chinesische E- Auto- Industrie vom Staat hoch subventioniert wird. Renault, das bei kleinen E- Autos mit China konkurriert, hätte lieber höhere Zölle gesehen, Mercedes, Audi oder BMW, die ihre Top-Modelle, gleich ob als Verbrenner oder elektrisch, dank ihrs Prestiges in China bisher weiter gut verkauft haben, hätten sich eher niedrigere gewünscht, denn sie fürchten, dass die Gegenzölle, die China zweifellos verhängen wird, ihr  Geschäft dort killen könnten.

Letztendlich  wird es jedenfalls nötig sein, dass Europas Autoindustrie auf dem Sektor der E-Autos mit China gleichzieht. Zölle können dafür die nötige Zeit verschaffen – Innovation ersetzen  können sie nicht. Europas  Autoindustrie ist gefordert und es kann sein, dass sie und Österreichs Zulieferindustrie nicht ohne massive staatliche Förderung auskommen.

 

 

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Soll man Industrien mit Zöllen schützen?

Obwohl sie Freihandel predigen, schützen die USA US-Produkte wie nie zuvor. In Europa hält man das, voran in Deutschland, für einen groben Fehler.

 Die USA schützen sich wie nie zuvor gegen ausländische Konkurrenz, indem Joe Biden US-Produkte steuerlich massiv begünstigt. De facto hat diese steuerliche Begünstigung die gleiche Wirkung wie Zölle und auch dabei sind die USA nicht zimperlich. So schützen sie ihre Autoindustrie vor E-Autos aus China, indem sie die mit 100 Prozent Zoll belasten. In der EU schützt man die eigene Autoindustrie nur mit durchschnittlich 20 Prozent Zoll vor Chinas Konkurrenz und voran in Deutschland hält man auch das für einen großen Fehler (siehe auch meinen kommenden Text  über E-Mobilität)

Der Freihandel ist ein Dogma des (Neo)liberalismus: Durch ihn ginge es den Menschen weltweit am besten, weil jedes Land produziere, was es am besten könne und der Handel für sinnvollen Tausch sorge. Die aktuellste Unterstützung dieser sicher nicht falschen These kam von Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und besagt, dass Freihandel auch für alle Produkte die größten Serien zulässt – und je größer die Serie, desto billiger das Produkt. Auch das ist natürlich nicht falsch, nur gibt es Einwände: Wenn deutsche Produkte in Spanien verkauft werden, ist der Weg kurz, wenn sie in den USA verkauft werden, ist er lang und Umweltorganisationen beklagen seit jeher, dass die Wegkosten nicht korrekt berechnet werden: Mit Schweröl betriebene Lastschiffe verpuffen gigantische Mengen CO2 und beschleunigen den Klimawandel erheblich. Nur ein hoher CO2-Preis gestaltete die Wegkosten halbwegs korrekt.

Sicher falsch ist die vom Weltwährungsfonds vertretene Forderung, dass Staaten, die er unterstützt, Freihandel üben müssen: Selbst die teuersten EU- Lebensmittel sind billiger als die, die Afrikas Staaten derzeit selbst herzustellen vermögen und ihre Lebensmittelunternehmen überleben die Konkurrenz nicht. Industrien unterentwickelter Länder können sich vielmehr nur hinter Zollmauern entwickeln: Die Autoindustrie Südkoreas entstand hinter Zollmauern von 400 Prozent. Allerdings kommt immer der Moment, in dem  die Konkurrenz aus dem Ausland notwendig wird, um den industrielle Elan aufrecht zu halten und die Preise zu dämpfen – heute wären schon 20 Prozent Zoll Südkoreas auf Auslands-Autos verrückt. Vielleicht ersieht man aus diesen Beispielen: In manchen Bereichen der Wirtschaft sind  einfache Lösungen nicht möglich, schon weil sie sich mit der Zeit verändern müssen.

So haben deutsche Ökonomen die Zölle, die die USA auf chinesischen Stahl verhängte, anfangs als Eigentor bezeichnet – die USA würden unter hohen Stahlpreisen leiden – aber am Ende hat auch die EU sie verhängt. Und diejenigen, die jetzt hohe Zölle der EU auf chinesische E-Autos fordern erinnern an das Schicksal der EU insbesondere der deutschen Solar-Industrie: die war ursprünglich ziemlich stark – bis Billigware aus China sie umbrachte. China hat nicht nur billige Arbeitskräfte, sondern auch die geringsten Umweltauflagen und längst nicht mehr die schwächste Technologie. Wenn dazu hohe staatliche Förderung kommt,  muss man sich manchmal mit allen Mitteln wehren.

PS: In meinem Kommentar zum Rechtsruck der  EU „Wie die EU sich selbst beschädigt hat“

habe ich an Hand des Buches „The Euro“ (Deutsche  Ausgabe: „Europa spart sich kaputt“) von Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ausgeführt, wie sehr die EU sich wirtschaftlich schadet, indem sie den Euro völlig anders als den Dollar gestaltet hat und von den Ländern, die ihn einführen, voran Sparen des Staates fordert. Mit dem Ergebnis, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA seither doppelt so stark wie das der EU gewachsen ist, weil sie sich wirtschaftlich nicht mehr so gut wie vor dem Euro entwickelt hat: Die 19 Länder der Eurozone haben in allen Belangen, Wirtschaftswachstum, Produktivität, Arbeitslosigkeit schlechter abgeschnitten als die Länder ohne Euro und die Kluft zwischen armen und reichen Bürgern und armen und reichen Ländern der Eurozone hat sich nicht verringert, sondern vergrößert: So ist voran in der Arbeiterschaft eine wachsende Schicht von Menschen entstanden, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen und dazu neigen, rechtsextreme Parteien zu wählen.

Das hat bei Lesern wie Kollegen zu der Frage und dem Einwand geführt, wieso denn trotz der wirtschaftlich so erfolgreichen USA jemand wie Donald Trump gewählt wurde und gute Chancen hat wiedergewählt zu werden? Die Erklärung: Auch in den USA hat der Neoliberalismus zu einer immer größeren Kluft zwischen Superreichen und Abgehängten geführt, denen es besonders schlecht geht, weil die soziale Absicherung so gering ist – diese Leute haben vom Milliardär Trump eine Verbesserung ihrer Lage erhofft. Und  Trump – das hat Europas Berichterstattung ob seiner abstrusen sonstigen Politik unterschlagen – hat ihre Lage tatsächlich verbessert. Er hat nicht nur die Steuern der Reichen unsinnig (zu Lasten eines soliden Budgets) gesenkt, sondern durchaus sinnvoll auch die des Mittelstands und der Unterschicht. Vor allem aber hat er jene Amerikaner, die in der traditionellen Industrie, etwa der Stahlindustrie, gearbeitet haben, durch Zölle auf chinesische Importe davor geschützt, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und das wurde ihm von diesen Menschen gutgeschrieben. Mittlerweile hat Biden Trumps Wirtschaftspolitik voll übernommen und sogar ausgebaut. Trotzdem bleibt diese, die USA bevorzugende Politik im Kopf vieler Amerikaner weiterhin mit Trump verbunden.

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Wieso rückten die reichen USA nach rechts?

In meinem vorherigen Kommentar zum Rechtsruck bei der EU-Wahl „Wie die EU sich selbst beschädigt hat“, habe ich an Hand des Buches „The Euro“ (Deutsche Ausgabe: „Europa spart sich kaputt“) von Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ausgeführt, wie sehr die EU sich wirtschaftlich geschadet hat, indem sie den Euro völlig anders als den Dollar gestaltet hat und von den Ländern, die ihn einführen, voran Sparen des Staates fordert.

Mit dem Ergebnis, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA um 60 Prozent wuchs, während das der EU nur um 30 Prozent gewachsen ist, weil sie sich wirtschaftlich nicht mehr so gut wie vor dem Euro entwickelt hat und die 19 Länder der Eurozone in allen Belangen,Wachstum, Produktivität, Arbeitslosigkeit, schlechter als die Länder ohne Euro abgeschnitten haben. Gleichzeitig hat sich die Kluft zwischen armen und reichen Bürgern und armen und reichen Ländern der Eurozone nicht verringert, sondern vergrößert und es ist, voran innerhalb der Arbeiterschaft, eine wachsende Schicht von Menschen entstanden, die sich als wirtschaftlich abgehängt empfinden oder fürchtet abgehängt zu werden und daher dazu neigen, rechtsextreme Parteien zu wählen.

Die angeführten Daten haben bei Lesern wie Kollegen zu der Frage und dem Einwand geführt, wieso denn trotz der wirtschaftlich so erfolgreichen USA jemand wie Donald Trump gewählt wurde und gute Chancen hat wiedergewählt zu werden? Die Erklärung:

  • Auch in den USA hat der Neoliberalismus trotz der wirtschaftlich insgesamt so guten Entwicklung zu einem immer größeren Auseinanderklaffen von Arm und Reich geführt und den Armen und Abgehängten geht es dort noch viel schlechter als in der EU, weil die soziale Absicherung viel geringer ist – diese Leute haben von Trump eine Verbesserung ihrer Lage erhofft.
  • Trump- das hat die Berichterstattung in Europa meist unterschlagen- hat ihre Lage tatsächlich verbessert. Er hat nicht nur die Steuern der Reichen unsinnig (zu Lasten eines soliden Budgets) gesenkt, sondern durchaus sinnvoll auch die des Mittelstands und der Unterschicht. Vor allem aber hat er jene Amerikaner, die in der traditionellen Industrie, etwa der Stahlindustrie, gearbeitet haben, durch Zölle auf chinesische Importe davor geschützt, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und das wurde ihm von diesen Menschen gutgeschrieben – ohne sein Versagen bei Corona hätte er vermutlich schon die letzte Wahl nicht verloren. Mittlerweile hat Joe Biden Trumps Wirtschaftspolitik voll übernommen, ja ausgebaut, indem er in den USA erzeugte Produkte steuerlich vor allen Importen begünstigt. Dennoch bleibt diese, die USA bevorzugende Politik im Kopf vieler Amerikaner weiterhin mit Donald Trump verbunden.
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Wie die EU sich selbst beschädigt hat

Gemessen an ihren ökonomischen Fehlern hätte der Rechtsruck der EU schlimmer ausfallen können. Seit Einführung des Euro funktioniert sie ökonomisch schlechter als davor.

 Die EU-Wahlen haben nicht ganz den erwarteten Rechtsruck gebracht: Nur in Österreich und Frankreich hat die extreme Rechte dramatisch zugenommen. EU-weit haben die Parteien der Mitte weiter eine klare Mehrheit, auch wenn Grüne und Liberale Einbußen erlitten. Die EU ist nur beschädigt: Mandatare, die sich mit Viktor Orban eine illiberale Demokratie vorstellen können oder mit Herbert Kickl meinen, dass Recht der Politik zu folgen hätte, sind deutlich mehr geworden. Entsprechend geschwächt ist die EU als Friedensprojekt: FPÖ, AfD oder das Rassemblement Nationale mit Marine Le Pen’s kritisieren durchwegs die Sanktionen gegen Russland und wollen kein Geld zur Verteidigung der Ukraine aufwenden. Allerdings ist die Rechte gespalten: Le Pen ist die AfD zu braun, Italiens Giorgia Meloni steht klar auf Seiten der Ukraine, schätzt die EU und dürfte für Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin stimmen.

Nur dass von der Leyen leider Mitschuld daran trägt, dass unerlässliche ökonomische Reformen unterblieben sind: Die EU als Wirtschaftsprojekt, so urteilt Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, und meine ich mit ihm, ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Kluft zwischen armen und reichen Bürgern ist ebenso gewachsen wie die zwischen armen und reichen Ländern. Sowohl in den armen wie in den reichen Ländern ist die Schicht derer gewachsen, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen und für rechtsextreme Parteien votieren. Insofern ist der Rechtsruck der EU selbstverschuldet.

Zentrale Ursache für das Zurückbleiben des Wirtschaftsprojekts hinter den Erwartungen ist nach Meinung von Stiglitz, die ich teile, die Einführung des Euro unter Bedingungen, die sich völlig von denen des Dollar unterscheiden:

o Während beim Dollar nie der geringste Zweifel bestand, dass die USA in ihrer Gesamtheit für ihn haften, waren diese Zweifel beim Euro aufgrund der Einwände Deutschlands so groß, dass er beinahe gescheitert wäre, hätte Mario Draghi ihn nicht mit der Erklärung, ihn mit allen Mitteln, also auch denen Deutschlands, zu verteidigen, gerettet. Dennoch ist der deutsche Bundesgerichtshof bis heute nicht überzeugt, dass das rechtens war. Das aber bewirkt, dass Länder wie Spanien oder Italien nach wie vor viel höhere Zinsen für Kredite zahlen als Deutschland oder Österreich, während in den USA Bundesstaaten wie Massachusetts, die ständig am Rand der Pleite stehen, nur minimal höhere Zinsen als Kalifornien zahlen.

  • Die USA sind eine Transferunion, in der die Mittel für Verteidigung, Gesundheit, vor allem aber für die Bewältigung der Arbeitslosigkeit von der Bundesregierung kommen, während deutsche und österreichische Politiker gar nicht oft genug erklären können, dass die EU „nicht zur Transferunion verkommen darf“.
  • Die US-Bundesregierung unterstützt Bundesstaaten, die in Probleme geraten sind zwar nicht, sondern erwartet, dass sie diese selbst bewältigen, was angesichts der niedrigen Zinsen freilich viel leichter als in der EU ist, aber sie schreibt ihnen nicht vor, wie sie ihre Probleme bewältigen sollen: Wenn sie meinen, dass höhere Staatsausgaben der richtige Weg sind, so können sie ihn beschreiten. Zwar sind auch viele US- Politiker der Ansicht, dass der Staat so wenig wie möglich ausgeben soll, aber spätestens beim Militärbudget halten sie sich nicht daran. Die EU hingegen macht ihren Mitgliedern Sparen des Staates zur Vorschrift: Sie müssen ihre Budgets von der Kommission bewilligen lassen und sind verpflichtet, dabei eine Staatsschuldenquote von 60 Prozent des BIP zu erreichen und eine „Staatsschuldenbremse“ in ihrer Verfassung zu verankern.

Die Auswirkung:

  • Das Bruttoinlandsprodukt der USA ist in den letzten drei Jahrzehnten um 60 Prozent gewachsen, das der EU um 30 Prozent. Der Abstand im BIP pro Kopf der EU zu dem der USA hat sich seit dem Sparpakt verdreifacht.
  • Hatte der gemeinsame Markt zu einer massiven Verbesserung der wirtschaftlichen Performance der EU geführt – Österreich ist ein Paradebeispiel – so endet dieser Aufwärtstrend mit dem Euro: Seither hat die EU in allen Belangen – BIP pro Kopf, Produktivität, Arbeitslosigkeit- schlechter abgeschnitten, als im Zeitraum vor seiner Einführung. Innerhalb der EU haben sich die 19 Mitglieder der Eurozone ökonomisch schlechter entwickelt als die Mitglieder ohne Euro.
  • Am Dramatischsten ist, dass die Angleichung von Wohlstand und wirtschaftlicher Potenz, zu der der Euro führen sollte, so gar nicht gelungen ist. Die Länder des Südens blieben immer weiter zurück, weil sie aufgrund der von Deutschland (Österreich und Holland haben mitgemacht) ausgehenden Lohnzurückhaltung immer mehr Marktanteile verloren. Am Beispiel Spaniens, das ich gut kenne: Die Arbeitslosigkeit beträgt heute immer noch 11,5 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit 28 Prozent- das sind die höchsten Werte nicht nur der EU, sondern der OECD Länder, obwohl Spanien nach Corona einen beispiellosen Tourismus- Boom erlebt. 26 Prozent der Spanier sind „arm“. Dem entspricht die niedrigste Geburtenrate der EU. Zusammen mit den niedrigsten Investitionen in Forschung und Entwicklung sind das Zahlen, die nahe einen „failed state“ kennzeichnen. Und das am Ende eines Wirtschaftsprojekts, das gemeinsamen Wohlstand versprochen hat.

Solange die EU ihre Wirtschaftspolitik nicht ändert, wird Europa immer weiter hinter die USA oder China zurückfallen und als Friedensprojekt zunehmend Probleme haben.

 

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Christian Lindner gefährdet Deutschland

Finanzminister Christian Lindners Spar-Wahn kann Deutschlands Rezession lebensgefährlich vertiefen. Chinas E-Autos verschärfen das deutsche Problem. Wir werden mitleiden.

Deutschlands Wirtschaft hat sich exakt wie hier vorhergesagt  entwickelt: Die harsche Zinserhöhung der EZB, die erfolgte, obwohl die Teuerung, anders als in den USA, nicht das geringste mit überhöhten Löhnen, sondern nur mit verteuertem russischen Gas zu tun hatte, hat ihr Schwächeln zur  Rezession vertieft: Das Wachstum musste ständig nach untern korrigiert werden und nicht einmal die aktuellen 0,2 Prozent sind sicher. Vor allem aber konnte Deutschland die Wachstumseinbußen, die es durch das Sparen des Staates ständig erleidet, nicht mehr, wie in der Vergangenheit, durch immer größere Überschüsse im Handel mit der mit Russland, China und den USA überkompensieren. Der „Exportweltmeister“ gelangte an Grenzen, weil die „Sanktionen“ Exporte nach Russland massiv vermindert haben, weil die USA sich mit der steuerlichen Begünstigung eigener Waren gegen Exporte wehren und weil Chinas nach der Pandemie stotternde Wirtschaft nicht mehr soviel deutsche Exportgüter gekauft hat. Noch höhere deutsche Exporte in die EU verhindert der Spar-Pakt, indem er  allen Euro-Ländern Grenzen für ihre Verschuldung setzt.

In Summe hat das dazu geführt, dass Finanzminister Christian Lindner eingestehen musste, dass Deutschlands Steuereinnahmen bis 2028 um 80 Milliarden geringer als erwartet ausfallen dürften. Aber wer gedacht hätte, dass er dadurch begreift, wie selbstzerstörerisch die Staatsschuldenbremse ist, irrt: Lindner hat bereits erklärt, dass der Staat jetzt noch mehr sparen müsse, um die Maastricht – Kriterien einzuhalten. Geschieht das, so werden die Steuereinnahmen noch mehr schrumpfen, worauf Lindner, seiner Logik folgend, den Staat zu noch mehr Sparen vergattern müsste. Es käme dann zu etwas, was mit dem Chefökonomen des japanischen Finanzhauses Namura, Richard Koo als „Bilanzrezession“ bezeichnet wird: zu einer zwingenden fortgesetzten Schrumpfung der Wirtschaft wie anlässlich der Weltwirtschaftskrise.

Der einzige Politiker in der deutschen Regierung, der den Widersinn der Staatschuldenbremse begreift, der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, hat vergeblich gefordert, sie wenigstens diesmal auszusetzen. Doch Kanzler Olaf Scholz begreift es höchstens halb und bei Linder ist Hopfen und Malz verloren: Er sieht sich als Garant der Staatsschuldenbremse.

Die Opposition aus CDU-CSU, die es der Regierung erleichtern könnte, sie im Wege eines gemeinsamen Beschlusses auszusetzen, weidet sich lieber an Scholz` budgetären Problemen, zumal sie eigenen Schwachsinn revidieren müsste: Sie war es ja, die die Staatsschuldenbremse unter Angela Merkel in der Verfassung verankert hat.

Welche Hoffnungen gibt es, dass man in Deutschland in angemessener Zeit zu Verstand kommt?

o Selbst in Deutschland gibt es Ökonomen, die das Phänomen der „Bilanzrezession“ kennen und „Stopp“ schreien müssten;

  • auch immer mehr arbeitgebernahe Wirtschaftsforschungsinstitute fordern, die Schuldenbremse zu reformieren;
  • der beliebteste deutsche Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius, will nicht zulassen, den endlich erhöhten Verteidigungsetat zu reduzieren, doch ihn trotz Staatsschuldenbremse aufrecht zu erhalten, ist nur möglich, wenn man auf die weitere Unterstützung der Ukraine verzichtet und sie damit Wladimir Putin überlässt.
  • Nicht zuletzt besteht die Hoffnung, dass den Deutschen irgendwann auffällt, wie sehr ihre Infrastruktur unter dem Sparen des Staates leidet: dass Straßen verkommen; dass die Bahn sich verspätet, weil  ihr Schienennetz verkommen ist; dass die Digitalisierung zurückbleibt, weil das Glasfasernetz zu langsam ausgebaut wird und so fort und so fort. Gar nicht zu reden von den Problemen, die eingesparte Lehrkräfte an Schulen aufwerfen werden.

Neuerdings sehe ich ein Problem, das eine breite Öffentlichkeit aufrütteln könnte: Deutschland ist mit einer massiven Zunahme von Gewaltdelikten konfrontiert und der Sprecher der Polizeigewerkschaft Manuel Ostermann führte das zu Pfingsten denkbar glaubwürdig auf das jahrelange Sparen des Staates bei Polizei und Justiz zurück. Das könnte den Druck breiter Kreise der Bevölkerung so verstärken, dass sich auch konservative Politiker zum Nachdenken über die Schuldenbremse gezwungen sehen.

Natürlich wird Deutschland weiter vom Aufschwung der Weltwirtschaft profitieren, voran weil Chinas Wirtschaftsmotor wieder besser läuft. Nur dass das Deutschland gleichzeitig unter Druck setzt: Während Deutschland diese Entwicklung verschlafen hat, erzeugt China nicht nur die weltweit mit Abstand meisten Batterien, sondern auch die preiswertesten E- Autos und ist damit zu einem der größten Player am Automarkt geworden. Die USA schützen ihre Autoindustrie daher durch 100 Prozent Zoll auf chinesische E-Autos und können das, weil sie nicht soviel nach China exportieren, dass ihnen Chinas Gegen-Zölle wehtun.  Für Deutschland hingegen entsteht ein gravierendes Problem: China antwortete auf Zölle der EU auf chinesische E-Autos zweifellos mit ähnlich hohen Zöllen auf europäische Produkte und das ginge voran zu Lasten Deutschlands, für das China ein so entscheidender Absatzmarkt geworden ist. Voran Audi, BMW oder Mercedes, deren Limousinen sich dank ihres Markenprestiges in China weiterhin gut verkaufen, müssten mit großen Einbußen rechnen. Dass das auch Rückwirkungen auf Österreich als deren größten Zulieferer hätte, liegt auf der Hand.

 

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Die Zählebigkeit ökonomische Irrtümer

Kenneth Rogoffs denkbar problematische Studie, wonach hohe Staatsschulden Wachstum kosten, kosteten die EU viel Wachstum. Ihre neuen Schuldenregeln sind kaum besser.

Die EU modifiziert ihre Staatsschuldenregeln: Zwar dürfen Budgetdefizite unverändert drei Prozent nicht überschreiten und ist weiter eine Staatsschuldenquote von 60Prozent anzustreben, aber die Staaten können eigene Pläne vorlegen, wie sie in maximal 7 Jahren dorthin gelangen. Damit haben sich die „Sparer“ der EU, angeführt von Deutschland und Österreich klar durchgesetzt- dagegen waren fast nur Grüne, die meinen, so wären erhöhte Ausgaben für den Klimaschutz nicht zu bewältigen.

Anlass für die längerfristige Lösung gab Frankreich, dessen Staatsschuld bis Ende des Jahres mit 2,3 Billionen Euro die in absolute höchste der EU sein dürfte. „Frankreich droht wie Griechenland zu einem finanzpolitischen Problem für Europa zu werden. Nur viel größer“, titelte die „Neue Zürcher Zeitung“. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vermied zwar den Vergleich mit Griechenland, forderte aber umso dringender, die Staatsschuldenbremse einzuhalten.

Dabei sollte man sich dringend Griechenlands erinnern: Bekanntlich versuchte eine von Deutschland angeführte Troika, Griechenlands beträchtliche wirtschaftliche Probleme zu lösen, indem sie es zu massivem Sparen zwang. Der Erfolg: Griechenlands BIP pro Kopf stürzte von 32.280 Dollar auf 17,900 Dollar ab, seine Staatsschuldenquote stieg von 146 auf 181 Prozent. Sparen des Staates ist, anders als Sparsamkeit des Staates, alles eher als ein ökonomisches Heilmittel. Denn auch der Austerity-Pakt, der die EU seit 2012 via Strafe zum Sparen zwingt, kostete nur Wachstum: Das BIP pro Kopf der EU, das 2012 um 18.565 Dollar unter dem der USA lag, liegt 2022, (dem Zeitpunkt der letzten gesicherter Zahlen) um 38.898 Dollar darunter.

Es lohnt daher, die Studie Kenneth Rogoffs, die dazu führte, Staatsschulden für so nachteilig zu halten, näher anzusehen: Rogoff hat zusammen mit der Ökonomin Carmen Reinhart 40 Volkswirtschaften durch 200 Jahre bezüglich ihrer Verschuldungs- und Wachstumsdaten zurückverfolgt und will dabei entdeckt haben, dass die Wirtschaft zwischen einer Verschuldung von mit 60 bis 90 Prozent des BIP um 2.8 Prozent wachse, über dieser magischen Grenze sacke das Wachstum aber ab. Bei jeder anderen Wissenschaft wäre das schon empirisch restlos falsifiziert: das Wachstum der mit 123 Prozent verschuldeten USA ist in keiner Weise abgesackt sondern weit höher als das der sparenden EU mit nur 83 Prozent Schulden. Aber auch die Studie als solche ist wissenschaftlich denkbar problematisch. So zeigten Ökonomen der Universität Massachusetts, dass Rogoff einige Daten sehr merkwürdig gewichtet und einzelne Länder, die trotz hoher Schulden kräftig gewachsen waren, ausgeklammert hatte. Nach ihrer Berechnung wuchs die Wirtshaft auch oberhalb der 90 Prozentgrenze noch um 2.1 Prozent. Zudem deckten sie einen peinlichen Rechenfehler auf: Rogoff und Steinhart hatten eine Formel im Tabellenkalkulationsprogramm Excel falsch programmiert. Diesen Rechenfehler, der seinerzeit einen Skandal auslöste und den Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der Rogoffs Behauptung immer verworfen hatte, veranlasste, über eine von Rogoff entdeckte „Exel -Depression“ zu spotten,  haben die Autoren eingeräumt, aber behauptet, er alleine hätte das Ergebnis bloß minimal verändert. Doch auch für das von ihnen errechnete Endergebnis ist nur ein einziges Ereignis – die Wirtschaftskrise Neuseelands im Jahre 1951- verantwortlich. „Ein einziges Ereignis vor 60 über für die aktuelle Wirtschaftspolitik entscheiden zu lassen, macht einfach keinen Sinn „, schrieb dazu der Ökonom Gavyn Davies in der „Financial Times“ und Andrew Hughes Hallet, von der George Mason University nennt Rogoffs Studie schlicht „simplistisch“: Der Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsprodukt und dem öffentlichem Schuldenstand biete nie ein vollständiges Bild, denn er lasse völlig außer Acht, wie produktiv die staatlichen Investitionen sind.

Der deutsche Ökonomen Heiner Flassbeck nennt sie Studie daher „grundsätzlich unsinnig“: „Es ist ihr theoretischer Grundfehler, dass man sich empirische Reihen anschaut und dann sagt: Ei sieh da, als der Staat höhere Defizite gemacht hat, ist das Wachstum zurückgegangen. Denn vielleicht war es genau umgekehrt: vielleicht hat er höhere Defizite gemacht, weil das Wachstum zurückgegangen ist. Auch 2008 sind die Staatsschulden gestiegen – aber nicht, weil die Staaten ihre Schulden dümmlich erhöhten, sondern weil sie ihre Banken retten und die eingebrochene Konjunktur mit Investitionen stabilisieren mussten. Wenn man diese Zusammenhänge nur von außen anschaut, kann man dennoch eine Korrelation von steigenden Staatsdefiziten und schwachem Wirtschaftswachstum finden“. Mich warnte Karl Popper vor Jahrzehnten vor etwas, was er die „Kübelmethode“ angeblicher Wissenschaften nannte: „Man erstellt Statistiken und sucht eine Korrelation mit anderen Statistiken, ohne um einen inneren Zusammenhang zu wissen- so kann man auch entdecken, dass die Geburtenrate von der Zahl der Störche abhängt.“

Nur die Saldenmechanik formuliert ein gültiges ökonomische Gesetz: Unternehmen können nur soviel verkaufen, wie andere Marktteilnehmer einkaufen – wenn der sparende Staat weniger einkauft, können sie zwingend weniger verkaufen, sofern kein anderer Einkäufer an seine Stelle tritt. Deshalb ist die Staatsschuldenbremse in Zeiten, in denen das ausbleibt immer eine Wachstumsbremse.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kai M. Dankl: Werbung für Marx & Lenin?

Salzburgs Vizebürgermeister Kai -Michael Dankl will Kommunist und Marxist sein, Andreas Babler zumindest Marxist. Ist eine dunkelrote Renaissance denkbar?

 Schon bei ihrer ersten Pressekonferenz war klar: Der neue SP-Bürgermeister Salzburgs, Bernhard Auinger und sein Vize Kai-Michael Dankl, der sich als Kommunist und Marxist bezeichnet, sind eine Chance für die Mozartstadt. Auinger, zuvor unglücklicher Vize des erfolglosen VP-Bürgermeisters Harald Preuner, überzeugt durch Sachkenntnis und Erfahrung, Dankl wirkt kaum weniger informiert und denkbar engagiert. Beide lassen keinen Zweifel, dass sie zusammenarbeiten wollen, statt einander politisch zu bekriegen. So sagte Auinger Dankl sofort das von ihm gewünschte Wohnbau-Ressort zu, obwohl das Dankl, sollte er Erfolg haben, zu einem noch schärferen Konkurrenten bei künftigen Wahlen macht. Beiden geht es offenkundig vor allem um die Stadt – und das kommt gut an.

Ist daher denkbar, dass Marxismus und Kommunismus in Österreich eine Renaissance erleben, nachdem sich SP- Obmann Andreas Babler als Marxist geoutet hat, Elke Kahr erfolgreich als kommunistische Bürgermeisterin von Graz amtiert und nun auch Dankl die Chance auf Erfolg hat?

Aufs Erste hat Dankl sehr persönliche Vorzüge: Er wirkt denkbar sympathisch, spricht so verständlich wie intelligent und es macht  Eindruck, dass er, wie andere KP-Funktionäre, von seinem Gehalt nur 2400 Euro für sich behält und mit dem Rest Bedürftige unterstützt. Durch Politik nicht reich werden zu wollen, fällt angenehm auf, auch wenn es Dankl noch nicht zu einem guten Wohnbaustadtrat macht, denn Wohnungsnot lässt sich nicht durch Almosen, sondern nur durch mehr sozialen Wohnbau beheben. Das Besondere an Dankl: Man traut ihm diesen vermehrten sozialen Wohnbau zu und niemand fürchtet, dass er zu diesem Zweck das Privateigentum abschaffen wird.

Mein Problem ist: Die regierenden Kommunisten dieser Erde haben das primär immer getan – es bleibt für mich schwer verständlich, wie man heute anständig, intelligent und Kommunist sein kann. In erster Linie weil Kommunismus, wo immer er verwirklicht wurde – von Russland bis China, von Kambodscha bis Kuba mit düsterer Diktatur verbunden war. Dankl sollte es als Historiker am besten wissen: Unter Stalin starben 2,5 Millionen Bürger als angebliche „Konterrevolutionäre“ im „Archipel Gulag“, 700.000 wurden hingerichtet; Mao Tse Tungs „Kulturrevolution“ kostete mindestens 1,5 Millionen Chinesen das Leben; Pol Pots rote Khmer brachten in Kambodscha zumindest 1,7 Millionen Menschen um; in Kuba wird bis heute gefoltert (ich könnte Dankl mit Opfern bekannt machen). Als man Dankl auf die Diktatur Wladimir Putins ansprach, reagierte er freilich so glaubwürdig wie geschickt: Sympathien für Putin würde man eher bei der Wirtschaftskammer oder der FPÖ finden.

Allerdings hat der Kommunismus immer auch wirtschaftlich total versagt, sofern er nicht, wie in China, aufhörte, kommunistischen Maximen zu folgen: In der Sowjetunion verhungerten sieben Millionen, als die Landwirtschaft verstaatlicht wurde, in Kambodscha Hunderttausende, in Kuba gibt es soeben eine Hunger-Revolte. Theoretisch könnte Dankl sich freilich auch von der Staats- und Planwirtschaft des Kommunismus distanzieren: Sie ist kein Gebot des Marxismus, sondern eine Erfindung Lenins. Weil Karl Marx nie sagte, was er unter der von ihm geforderten „Vergesellschaftung“ der Produktionsmittel versteht, erklärte Lenin, man hätte darunter „Verstaatlichung“ zu verstehen. Da die kommunistische Partei den Staat beherrschte, beherrschte sie die „Produktionsmittel“, und da staatliche Funktionäre mittels Anordnung agieren, herrscht im Kommunismus Planwirtschaft.

Indem er sich, Lenin negierend, auf Marx zurückzieht, könnte Dankl dem Vorwurf entgehen, das kommunistische Wirtschaftsmodell zu vertreten. Allerdings ist es auch nicht ganz leicht, heute Marxist zu sein. Marx war zwar ein für seine Zeit fortschrittlicher Ökonom und erkannte viele dem Kapitalismus eigene Gefahren richtig- etwa das Streben nach Monopolen -, aber er sah auch vieles falsch – etwa, dass Unternehmen keine fallende Profitrate akzeptieren könnten. Sein zentraler Fehler war freilich die Überzeugung, dass der Wirtschaft ein „ehernes Gesetz“ innewohne, wonach es zum Klassenkampf zwischen ausgebeutetem Proletariat und besitzender Bourgeoisie kommen müsse, den das Proletariat gewänne, um via „Vergesellschaftung“ zur klassenlosen Gesellschaft zu gelangen. Gewerkschaften, wie sie zu seiner Zeit in England erste Erfolge errangen, lehnte Marx ab: Sie würden durch „Scheinerfolge“ den Sieg des Sozialismus nur verzögern. Tatsächlich hat es in kommunistischen Staaten nie Gewerkschaften gegeben – „Solidarnosc“ in Polen entstand gegen die kommunistische Partei.

Ich frage mich, ob den „Marxisten“ Babler, Kahr oder Dankl dergleichen bewusst ist? Jedenfalls habe ich in Österreich bisher nur einen Menschen, den Politologen Norbert Leser gekannt, der Marxens Werk auch gelesen hatte und Marx` zentrale These bei aller Wertschätzung des Ökonomen Marx, energisch ablehnte. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Marxismus hat in der SPÖ nach dem Krieg nie stattgefunden – man hat sich damit begnügt, gelegentlich marxistische Vokabel zu nutzen, kaum aber marxistisch oder kommunistisch zu handeln. Ich glaube, dass das bei Dankl, Kahr oder Babler nicht viel anders ist: Sie wollen gute sozialdemokratische Politik machen. Sollte es tatsächlich zu einer Renaissance von Kommunismus und Marxismus kommen, dann indem beides verkannt wird.

 

 

 

 

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