Ein Ja zur EU sieht anders aus

In Wirklichkeit wurde die Politik der Union in den Niederlanden abgestraft.

Um das Ausmaß der Ohrfeige zu begreifen, übertrage man das Wahlergebnis auf Deutschland oder Österreich

Für die „Presse“ haben die Niederländer „Ja zu Europa“ gesagt. Der „Standard“ feierte, dass ihr bisheriger Premier Mark Wutte Wilders „abhängen“ konnte. „Ist die Niederlage Wilders das Ende des Populismus?“ fragte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und kam zu einer zumindest hoffnungsvollen Antwort: „Die oft verleumdeten europafreundlichen Parteien haben sich in großer Breite durchgesetzt.“

Aber haben sie das wirklich?

Wuttes liberale VVD hat ein Fünftel ihrer Wähler eingebüßt, um bei 21,3 Prozent zu landen. Geert Wilders „Partei der Freiheit“ hat ihren Stimmenanteil von 10 auf 13,1 Prozent erhöht und ist damit zweitstärkste Kraft Hollands geworden. Vor allem aber wurden die bisher zweitstärkste Kraft, die sozialdemokratische Partei PvdA, die zusammen mit der VVD Holland Regierung gebildet hatte, regelrecht abgestraft: Die 25-Prozent Partei wurde zur Splitterpartei von 5,7 Prozent.

Um das Ausmaß der Ohrfeige zu begreifen, übertrage man das Wahlergebnis auf Deutschland oder Österreich: Die SPD (die SPÖ) erringt am Ende ihrer Regierungskoalition mit einer um ein Fünftel geschrumpften CDU/CSU (ÖVP) nur mehr 5,7 Prozent der Stimmen. Die AfD ist zur zweitstärksten Kraft in Deutschland aufgerückt.

Könnte man darin wirklich ein Votum für Europas aktuelle Politik erblicken?

Wilders hat in seinen Wahlkämpfen, wie H.C. Strache, vorranging ein Ende der Zuwanderung aus islamischen Ländern gefordert. Obwohl seine „Freiheitspartei“ ihren Höhenflug also wie die FPÖ in erster Linie der Xenophobie verdankt, ist dessen Hintergrund doch die wirtschaftliche Entwicklung: Wie Donald Trump in den USA schöpfen Strache und Wilders voran aus dem Wähler-Reservoir der wirtschaftlich Enttäuschten. Typische Aussage eines einstmals gut bezahlten holländischen Industriearbeiters, der jetzt als Krankenpfleger jobbt: „Um Zuwanderer und Flüchtlinge kümmert sich die Regierung. Aber wer kümmert sich um uns?“

So wie in allen „alten“ Ländern der EU ist es die wirtschaftliche Entwicklung, mit der Hollands Arbeitnehmer unmöglich zufrieden sein können. Die Sozialdemokratie, als traditionelle Arbeitnehmervertretung, bekommt das am deutlichsten zu spüren.

Dabei zählen die Niederlande zu den reichsten Ländern der Welt und weisen knapp vor Österreich und Deutschland das drittgrößte BIP pro Kopf der EU auf. Wie in Österreich und vor allem in Deutschland beruht diese Spitzenstellung auf ihrer Stärke im Export, für den sich der Euro als Treibsatz erwiesen hat: Innerhalb der Eurozone hat er Währungsabsicherungen überflüssig gemacht und auf dem wichtigsten Exportmarkt, den USA, hat sein niedriger Kurs Absatzrekorde ermöglicht. Das beschert Deutschland seinen gewaltigen und den Niederlanden ihren erheblichen Leistungsbilanzüberschuss – Österreich muss sich diesbezüglich zumindest keine Sorgen machen.

Auch der Weg, auf dem alle drei Nationen ihre Exporte in den letzten zwanzig Jahren extrem gesteigert haben, war der gleiche und die Niederlande haben ihn als erste beschritten. Ihre Gewerkschaften haben schon in den Achtzigerjahren jene „Lohnzurückhaltung“ geübt, die Gerhard Schröder in den Neunzigern für Deutschland übernommen hat und der sich Österreich als Deutschlands enger Handelspartner schwer entziehen konnte: In allen drei Ländern liegen die Reallöhne heute unter ihrem einstigen Niveau.

Bei den Arbeitern am deutlichsten- dagegen haben sie in Holland revoltiert.

Abseits der politisch lebensgefährlichen Verärgerung immer breiterer Schichten birgt „Lohnzurückhaltung“ folgende (hier mehrfach aufgezeigte) ökonomische Probleme:

o Gepaart mit „Sparen des Staates“ lässt permanente Lohnzurückhaltung die Binnen-Kaufkraft einbrechen. In den Niederlanden hat das zu einer bis heute nicht überwundenen Rezession geführt.

o Stagnierende Kaufkraft der wirtschaftsstärksten Länder bedeutet, dass sie ihre gestiegene Produktion unmöglich zu Hause absetzen können. Es waren daher die Bürger der Länder ohne Lohnzurückhaltung, die Deutschlands, Österreichs und Hollands Exporte kauften. Das geschah vielfach auf Pump und hat sowohl deren Verschuldung wie ihren Abstand in der Konkurrenzfähigkeit erhöht. Dergleichen funktioniert nicht dauerhaft. Irgendwann scheitern diese Länder wirtschaftlich und können den „Export-Kaisern“ („Weltmeistern“) nichts mehr abkaufen.

o Exportanteile können nur zu Lasten irgendwelcher anderen gewonnen werden. Das ist harmlos, solange es seitens kleiner Volkswirtschaften wie Österreich oder Holland betrieben wird – wenn es seitens einer Wirtschaftsweltmacht wie Deutschland erfolgt, kommen wirtschaftsschwache Länder unter die Räder, weil ihre Unternehmen zu Hause wie auswärts massiv Marktanteile und damit Arbeitsplätze verlieren. Sie erleiden, (von Spanien bis Italien) die Arbeitslosigkeit, die Deutschland vermeidet.

o Eine Wirtschaft, in der alle Nationen gemäß deutschem Rezept „Lohnzurückhaltung“ üben, um ihre Exporte zu steigern, ist denkunmöglich. Obwohl Wolfgang Schäuble das Gegenteil anzunehmen scheint.

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