Hofer blamiert den ORF

Es ist ein Problem, wenn seine Interviewer ihm das Feld kampflos überlassen.


Die monatelange Kür eines Bundespräsidenten überfordert nicht nur die Wähler, sondern auch den ORF. Schon Susanne Schnabl vermochte in einer Stunde Sendezeit weder Norbert Hofer noch Alexander Van der Bellen Neues zu entreißen. Und insbesondere Hofer ist die TV-Konfrontation mittlerweile so gewohnt, dass er in einer Stunde „Klartext“ durch seine wohl überlegten, präzisen Antworten schonungslos die mangelhafte Fragetechnik und schlechte Vorbereitung seines Interviewers Klaus Webhofer bloßlegte: Gleich mehrmals wusste der ORF- Innenpolitiker eigene Behauptungen nicht zu begründen und erweckte einmal sogar den Eindruck, er wisse wirklich nicht zwischen Zuwanderern und Konventionsflüchtlingen zu unterscheiden. (Auch wenn dieser Eindruck vermutlich trog.) Gleichzeitig verzichtete er auf Einwände in Bereichen, in denen es sich aufdrängte: So konnte Hofer etwa erklären, dass Österreich „Äquidistanz zu den USA und Russland“ üben sollte, ohne dass Webhofer Russlands aktuelles militärisches Eingreifen in Ukraine oder Syrien eingewendet hätte, und auch Hofers Behauptung, dass „Sanktionen nichts bewirken“ ließ ihn nicht einwenden, dass die Vereinbarung von Minsk vielleicht den Sanktionen der EU geschuldet ist oder dass der Iran sein Atomprogramm auf Grund von Sanktionen aufgegeben hat.

Obwohl der sehr sympathische und telegene Kollege Klaus Webhofer Norbert Hofer keineswegs einen Dienst erweisen wollte, ging der als strahlender Sieger vom Platz.

So verfehlt es ist, wenn ORF –Moderatoren das Gespräch ausufern lassen, so irritierend ist es, wenn sie es an entscheidenden Stellen nicht fortführen.

Auch „im Zentrum“ wurden bei der Diskussion der demokratiepolitischen Folgen der Kalamitäten rund um die Hofburg-Wahl ein Thema einfach nicht weiter diskutiert, dessen Relevanz auf der Hand liegt: So stellte der Grüne Johannes Voggenhuber die Frage, ob wir wirklich bei der starken Stellung des Bundpräsidenten bleiben wollen, die ihm die Verfassung von 1929 (im Vorfeld des Faschismus) einräumte und die ihm etwa erlaubt, die Regierung zu entlassen. Ingrid Thurnher begnügte sich mit der erstaunlichen Antwort des ehemaligen Präsident der Verfassungsgerichtshofes Ludwig Adamovich, dass er dieses Problem nicht wirklich sehe, weil noch kein Bundespräsident von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht habe und weil auch ein kommender Präsident sich „lange überlegen“ würde, ob er die Regierung wirklich entlässt.

Ich habe leise Zweifel, dass diese Antwort Voggenhuber überzeugte und hätte erwartet, dass sie auch dem ORF nicht genügt.

So verfehlt es ist, wenn ORF –Moderatoren das Gespräch ausufern lassen, so irritierend ist es, wenn sie es an entscheidenden Stellen nicht fortführen. So irritierend es ist, wenn ORF-Interviewer ihren Gesprächspartnern mit offenkundiger Aggression entgegentreten, so verfehlt ist es, wenn sie ihnen das Feld wie im Fall Hofer/Webhofer mangels argumentativer Munition kampflos überlassen.

Ich fühle mich in diesem Zusammenhang keineswegs über meinen jungen Kollegen erhaben, sondern weiß vielmehr aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, ein guter TV-Moderator oder Interviewer sein: Weil ich in TV-Diskussionen ganz gut argumentierte, wurde ich seinerzeit eingeladen, den „Club2“ zu moderieren und habe in dieser Funktion völlig versagt – man hat mich zu recht nach der dritten Sendung ausgewechselt.

Aber der Moderator/Interviewer ist eine für den Rundfunk unverzichtbare, entscheidende Funktion, und es muss gleichermaßen im Interesse der Zuseher, der Demokratie und des ORF liegen, sie optimal zu besetzen.

Er hat meines Erachtens abseits von Spezial-Gebieten (Brüssel, Kultur, Sport, Eco u.a.m ) derzeit nur in Armin Wolf, in Hans Bürger und vielleicht in Hanno Settele Interviewer, die ihren trainierten politischen Gesprächspartnern in der Hitze des Scheinwerferlichtes von ihren allgemeinen Kenntnissen und ihrer Eloquenz her gewachsen sind. Auch Lou Lorenz Dittelbacher macht ihre Sache in ihren kurzen ZIB -Interviews immer besser und wäre vielleicht den versuchten Einsatz in größeren Gesprächen wert. Und zweifellos ist auch Ingrid Thurnher nach schwachem Beginn sehr viel souveräner geworden.

Alle Genannten machen ihre Sache jedenfalls ungleich besser als ich sie seinerzeit gemacht habe.
Dennoch besteht ein Klasse-Abstand zu den Interviewerinnen und Interviewern und vor allem den Moderatorinnen und Moderatoren des ZDF oder der ARD. (Auch wenn die den Vorteil haben, dass ihre Gäste nach offenkundig sinnvolleren Kriterien eingeladen werden und ungleich eloquenter sind.)

Man sollte aber nicht einmal davor zurückscheuen, einfach eine der vielen deutschen Top-Moderatorinnen zu engagieren.

Was kann der ORF tun, um diesen Abstand zu verringern?

Meines Erachtens mehr experimentieren. So gäbe etwa Professor Peter Filzmaier, der derzeit alle Diskussionen wertet, wahrscheinlich einen hervorragenden Moderator / Interviewer für besonders wichtige Gespräche ab. (Während ich es für problematisch halte, ihn alleine alle politischen Vorgänge werten zu lassen – obwohl er es hervorragend macht und erstaunlich unparteiisch ist.)
Vor allem wird man aber wohl völlig neue, zusätzliche Leute finden müssen. Zu diesem Zweck könne der ORF interne und externe Bewerber aus allen Bereichen (Journalismus, Kabarett, Schauspiel) casten und sie nicht ausgestrahlte Probediskussionen leiten lassen.
(Vielleicht kann man sogar eine eigne Sendung aus diesem Casting machen: Österreich sucht den besten Interviewer/Moderator)

Man sollte aber nicht einmal davor zurückscheuen, einfach eine der vielen deutschen Top-Moderatorinnen zu engagieren: Wenn eine deutsche Direktorin das Burgtheater leitet – warum sollte dann nicht auch eine deutsche Moderatorin ORF-Diskussionen leiten?
Ein Wien-Aufenthalt samt Flug pro Woche kann nicht die Welt kosten – und Österreichs Fernsehern Diskussionskultur internationalen Formats bieten.

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