Vor 80 Jahren erschien Karl Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“. Da ich ihn gut kannte, frage ich mich, wie er Trump, die EU oder den Ukrainekrieg sähe.
Wenn Karl Popper, den die ZEIT den bedeutendsten Philosophen des 20.Jahrhunderts nannte, seine Heimatstadt Wien besuchte, hatte ich das Glück, nach dem Tod zweier Jugendfreunde der erste zu sein, den er anrief. Einer der ersten Anrufe erreichte mich 1962, knapp nachdem die Kuba-Krise beinahe zum dritten Weltkrieg geführt hätte, als sich US-Kriegsschiffe sowjetischen Schiffen entgegenstellten, die Raketen zu einer kubanischen Basis bringen sollten. Popper bat mich, zu ihm ins Hotel Ambassador zu kommen, um Briefe an westliche Staatsmänner zu verfassen, die besagten, wie dringlich es sei, Raketen zu besitzen, die ohne Atomsprengköpfe in der Lage wären, Raketen-Basen zu zerstören. Hätte die USA solche besessen, so hätten sie die Basis in Kuba zerstört, ohne dass es zur Konfrontation der Kriegsschiffe gekommen wäre. Solche Aktionen waren typisch für Popper: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, zählte zu seinen Überzeugungen und sie erstreckte sich selbstverständlich auch auf den militärischen Bereich. Gerade weil er den Krieg wie jeder anständige Mensch hasste, war er kein Pazifist. Frieden, so war er überzeugt, war am ehesten durch militärisches Gleichgewicht zu sichern, aber im Idealfall sollte die anständige Partei, und das waren für ihn die USA, ihrem Gegner überlegen sein.