Inflation strafte Nehammer wie Biden

Geschichte kann sehr ungerecht sein: Karl Nehammer konnte so wenig für die überdurchschnittliche Inflation, wie Jo Biden – beiden bescherte sie Wahlniederlagen.

 Auch bei der steirischen Wahl hat die überdurchschnittliche Inflation, die Österreich heimsuchte, laut Nachwahlbefragung eine wesentliche Rolle für das Debakel der ÖVP wie der Grünen gespielt: in ihr wird bei jeder Wahl das zentrale Versagen der Regierung Karl Nehammers gesehen. Zu Unrecht: Die überdurchschnittliche Inflation rührt so gut wie ausschließlich davon her, dass Österreich überdurchschnittlich von russischem Gas abhängig war, und das verantworten ausschließlich vorhergehende Regierungen. Den letzten Vertrag, der diese Abhängigkeit für 40 Jahre fortschrieb, unterzeichnete die OMV unter dem Applaus von Sebastian Kurz und damals noch Heinz Christian Strache als Obmann jener FPÖ, die jetzt derart vom angeblichen Versagen Nehammers profitiert. (Erst jetzt kann dieser Vertrag vielleicht aufgelöst werden, weil Russland die Lieferung unterbrach.)

Im Internet kann man bei der deutschen „Zentrale für politische Bildung“ ein Schaubild abrufen, aus dem man die Abhängigkeit der EU-Staaten von russischem Gas bis 2020 ersehen kann -ich kann es hier zwar nicht wiedergeben, wohl aber beschreiben: Die größte, so gut wie hundertprozentige Abhängigkeit verzeichnen die Staaten des ehemalige Ostblocks, danach folgt mit 80 Prozent Österreich, das in diesem Schaubild leider nicht berücksichtigt ist, aber die Zahl ist unbestritten, dann folgt Deutschland mit 65 Prozent – die geringste Abhängigkeit weist Spanien auf, das damals null russisches Gas bezog. Exakt so verhielt es sich mit der Inflation: am Geringsten war sie in Spanien, am höchsten im ehemaligen Ostblock, und überdurchschnittlich hoch, der überdurchschnittlichen Abhängigkeit von russischem Gas entsprechend, war sie in Österreich, mit Abstand gefolgt von Deutschland. Man könnte die Schaubilder von Gas-Abhängigkeit und Inflation übereinanderlegen, und sie wären so gut wie deckungsgleich. Das Management der Inflation spielte dem gegenüber kaum eine Rolle und gelang Österreich im Detail sogar besser als Deutschland. So warf die FPÖ der Regierung vor, nicht wie Deutschland die Treibstoffsteuer zu senken, aber eben das kostete den deutschen Fiskus 3,5 Milliarden Euro, denn die relativ wenigen Tankstellenketten gaben nur einen Teil der Steuersenkung weiter und behielten den Rest für sich. Die Forderung der FPÖ war, wie meist, falsch.

Nicht nur die FPÖ sondern auch die SPÖ forderten bekanntlich auch dingend, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu senken, wie Spanien das weise getan hätte. Die Regierung unterließ es angesichts der deutschen Treibstofferfahrung, weil man zweifelte, dass der Nahrungsmittelhandel, der in Österreich von nur drei Anbietern dominiert wird, die Ermäßigung weitergeben würde. In Spanien gab er sie weiter, weil dort zahlreiche Nahrungsmittelketten miteinander konkurrieren. Dass der so falsche und in der Folge so wahlentscheidende Vorwurf des schlechten Inflationsmanagements von der Regierung Nehammer nie bestritten wurde, indem man die gleichen Grafiken wie ich gegenüberstellt, ist mir ein Rätsel – oder richtiger: einer von mehreren Belegen dafür wie schlecht er sich ökonomisch beraten lässt. Nicht minder versagt hat die Wirtschaftsberichterstattung, die das  ebenfalls unterließ und Österreichs „überdurchschnittliche Inflation“ etwa im ORF stets vorwurfsvoll ins Treffen führte. Übrigens wäre es jetzt ebenso unseriös, kreidet ich vorangegangenen Regierungen die hohe Abhängigkeit von russischem Gas  als Kardinalfehler an: Österreich muss mit der VOEST einen der erfolgreichsten Stahlproduzenten mit Energie versorgen, und da war russisches Gas die preisgünstigste Möglichkeit. Die USA haben zwar stets vor der einseitigen Russland- Abhängigkeit gewarnt,  aber das schien nur ihrem Interesse zu entsprechen, ihr Fracking-Gas zu verkaufen.

Tatsächlich hat dieses Interesse einen gewissen Anteil daran, dass sich Russland und die OPEC 2020 noch vor dem Ukraine Krieg, aber von Wladimir Putin in dessen Vorbereitung auf jene massive Kürzung der Öl und Gasförderung einigten, die die Explosion des Öl/ Gas- Preises auslöset. Denn zuvor war es den USA immer gelungen, diesen Preis moderat zu halten, indem sie den Saudis drohten ihnen weniger Waffenhilfe zu leiste. Ab durch Fracking selbst zum weltgrößten Öl/Gasproduzenten geworden, war diese Drohung 2020  ersten nicht so energisch wie sonst ausgefallen weil man selbst vom höheren Preis profitierte und zweitens konnte Saudi-Machthaber Mohammed bin Salem drohen, sich Russland zu nähern. Jedenfalls war die damalige Preiserhöhung auch Auslöser der explodierenden Inflation in den USA, auch wenn später massive Lohnerhöhungen unter Donald Trump wie Joe Biden hinzutraten. Doch obwohl die Schuld daran Joe Biden nur höchst indirekt trifft, war diese Inflation zweifellos ein wesentlicher Grund dafür, dass die Demokraten die Wahl gegen Trump verloren, obwohl Biden mit seinen hohen Investitionen in den Klimaschutz und die US-Infrastruktur eine optimales Programm zur Stärkung der US-Wirtschaft in Gang gesetzt hatte ohne ihre Verschuldung so drastisch wie Trump zu erhöhen, denn dessen übertrieben Senkung der Körperschaftsteuer auf 21 Prozent hatte er auf 26 Prozent korrigiert. Die USA wären mit Biden bzw. Harris einer glänzenden wirtschaftlichen Zukunft entgegengegangen, ohne den Rechtsstaat zu gefährden. Aber die Wirtschaftsgeschichte kann leider sehr ungerecht sein – vor allem wenn das Wahlvolk sehr wenig von Wirtschaft versteht.

 

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Lehrt uns Trump Schulden zu machen?

Die von Donald Trump geplanten Zölle auf deutsche Luxuslimousinen werden uns nicht nur doppelt schmerzen, sondern könnten eine rundum neue Finanzpolitik der EU erzwingen.

Donald Trumps angedrohte Zölle auf Exporte lehren das Fürchten. Österreich, das sich wie Deutschland im zweiten Jahr einer Rezession befindet, träfen sie gleich doppelt, sind die USA doch unser zweitgrößter Handelspartner nach Deutschland, dessen größter Handelspartner sie sind. Es litten also nicht nur unsere direkten Exporte in die USA, sondern in dem Ausmaß, in dem Deutschlands Exporte von Luxuslimousinen in die USA litten, litten auch unsere Zulieferer mit.

Es ist nötig, sich trotzdem auch mit der Ursache der Rezession zu befassen: Wir danken sie jenen vorwiegend deutschen  Ökonomen, die die zögernde EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu einer harschen Zinserhöhung drängten, weil ihre lockere Geldpolitik angeblich der Inflation zu Grunde läge. Den Widerspruch, dass diese Geldpolitik bis zur Explosion des Gaspreises durch zehn Jahre fast von Deflation begleitet war, löste „Starökonom“ Hans Werner Sinn mit der Behauptung auf, dass die Inflation sich in dieser Zeit wie in einer Plastikflasche angestaut hätte, um nun „herauszupflatschen“. Dass man eigentlich nur eine Inflation, die, wie in den USA, auch extrem gestiegene Löhne zur Ursache hat, mit Zinserhöhungen bekämpft, um durch erhöht Arbeitslosigkeit Lohnerhöhungen zu verhindern, war diesen Ökonomen offenbar fremd – so fremd wie das Wissen, dass in der EU „Lohnzurückhaltung“ vorgeherrscht hat. Jedenfalls gab die überforderte Lagarde dem Drängen nach und bescherte uns damit die aktuelle Rezession. Man sollte vielleicht doch darüber nachdenken, wie man ökonomische Top-Jobs der EU besetzt: Lagarde war eine fähige Juristin, nicht aber, wie etwa Mario Draghi, jemand, der etwas von Geldpolitik versteht.

Damit zur Verschärfung der Rezession durch Trumps vermutliche Zölle. DerStandard zitiert mehrere Ökonomen, die meinen, diese protektionistische Abwehr von Importen würde die Preise in den USA steigern und damit die Inflation wieder anheizen; zugleich würde die geplante Massenabschiebung von Migranten  kritischen Arbeitskräftemangel bewirken. Letzteres ist möglich, nur scheint es mir begrenzt: beschäftigte Migranten wird man gegen den Widerstand der Unternehmen kaum abschieben; Künstliche Intelligenz wird viel menschliche Arbeit erübrigen; und die US- Geburtenrate ist hoch. Ersteres halte ich für viel komplexer: Wenn Zölle die Billig-Einfuhren aus China massiv reduzieren, wird das zwar Teile der keineswegs starken, oft veralteten, traditionellen US-Industrie schützen, dürfte die Inflation aber tatsächlich anheizen, weil sehr viele Alltagswaren teurer würden. Reduzieren Zölle hingegen Deutschlands Automobil- Exporte in die USA, so hilft das einer US-Automobil -Industrie, die- siehe Tesla – keineswegs schwach ist und sofort ihre Produktion steigern wird. Ich bezweifle, dass es die Inflation anheizt, wenn Amerikaner wieder mehr Cadillacs als Mercedes kaufen -hier dürfte „Protektionismus“ kaum selbstbeschädigend sein. Vor allem wenn man den Handel rundum aus dem Blickwinkel der USA betrachtet: Seit den späten 1990er Jahren verzeichnen sie nämlich ständig steigende Handelsbilanzdefizite von zuletzt durchschnittlich 1000 Milliarden Dollar. So lag lag ihr Defizit gegenüber China etwa 2022 bei 422 Milliarden Dollar und gegenüber der EU bei 219 Milliarden, wobei der Anteil Deutschlands daran mit 78 Milliarden Dollar der mit Abstand größte war. Ich weiß, dass Leser und Redaktion der Saldenmechanik überdrüssig sind, aber im Klartext heißt das: Die USA müssen sich ständig gewaltig verschulden, damit China gewaltig und Deutschland trotz Null-Defiziten passabel wachsen konnte. Schon Barack Obama bezweifelte, dass diese Einseitigkeit auf Dauer funktioniert und überlegte Zölle, Donald Trump drohte in seiner ersten Amtszeit an, sie in spürbarer Höhe zu beschließen und dürfte das jetzt tun. Das bremste Chinas Wirtschaftswunder ein und könnte Deutschland und die EU zwingen, die Schuldenbremse aufzugeben, wenn ihre Wirtschaft wachsen soll. Zugleich sicherten nur Lohnabschlüssen gemäß der Benya-Formel dieses Wachstum ab, denn sie hat den ökonomischen Sinn, die Kaufkraft der Bevölkerung so zu steigen, dass sie theoretisch in der Lage wäre, die von ihr produzierten Güter und Leistungen zu kaufen.

Das aber ist voran in Deutschland längst nicht mehr der Fall. Im Lauf von 25 Jahren „Lohnzurückhaltung“ hat sich die deutsche, österreichische, holländische und Schweizer Kaufkraft so vermindert, dass Deutschland zwingend mehr und mehr seiner Luxuslimousinen in die USA verkaufen musste, was dank niedriger Lohnkosten und damit günstiger Preise auch nicht schwer fiel – nur dass es US- Luxuslimousinen zwingend Marktanteile kosten musste. Weil Trump das nicht mehr akzeptieren will, wirft Deutschland ihm Protektionismus vor, während alle US-Präsidenten voran Deutschland seit 25 Jahren Dumping-Löhne vorwerfen könnten.

Ja, Trump dürfte Deutschland (und damit uns) harte Zeiten bescheren, denn die niedrigen Lohnkosten hatten noch eine zweite Wirkung: Sie ließen Produktivität und Innovation viel langsamer steigen, als höhere Löhne das erzwungen hätten – die versäumte Elektromobilität ist dafür das klassische Beispiel.

Ich bezweifle nicht, dass Trump derzeit katastrophale Minister bestellt, die Gefährlichkeit Wladimir Putins verkennt und demokratiepolitisch lebensgefährlich ist, aber ökonomisch hätte er aus US-Sicht mit Zöllen gegenüber Deutschland leider Recht.

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Der leider jämmerliche Olaf Scholz

Der scheidende US-Präsident Joe Biden, der schon anlässlich des US-Abzugs aus Afghanistan gezeigt hat, wie wenig er von militärischen Aktionen versteht, hat endlich zugestimmt, dass das ukrainische Militär auch Raketen mit größerer Reichweite einsetzt.

Jedem militärisch Ausgebildeten war immer klar, dass man auch in einem Verteidigungskrieg in der Lage sein muss, Abschussrampen und Flugfelder im Gebiet des Gegners zu zerstören, was nur möglich ist, wenn man Raketen oder Marschflugköper einsetzen kann, die diese Ziele über die Front hinweg erreichen.

Der scheidende deutsche Kanzler Olav Scholz, der bisher behauptete, Taurus Marschflugköper nicht an die Ukraine zu liefern, weil er nur im Gleichklang mit den USA handeln wolle, liefert sie auch jetzt nicht, obwohl derzeit nur Deutschland genug davon auf Lager hat und sie am schnellsten zum Einsatz bringen könnte.

Wenn die Ukraine bei den vermutlich kommenden Friedensverhandlungen nicht bloß die Krim, sondern auch große Teile des Donbas Russland überlassen muss, liegt das damit endgültig voran bei Olaf Scholz. So wären Friedensgespräche längst im Gange, hätte Deutschland der Ukraine im Zuge ihrer anfangs so erfolgreichen Gegenoffensive die dringend erbetenen schweren Panzer geliefert, mit denn es ihr möglich gewesen wäre, die russische Frontlinie innerhalb des Donbas zu durchbrechen. Aber als Scholz diese Panzer endlich lieferte, war es zu spät, denn das russische Militär hatte die Zeit genutzt, mit Beton und Stahl Hindernisse zu errichten, die auch für schwere Panzer nicht zu überwinden waren. Wladimir Putin konnte wieder auf künftige Erfolge hoffen.

Scholz agiert so nicht zuletzt aus Rücksicht auf große Teile der SPD-Wähler, aber auch vieler anderer Deutscher, die deutsche Waffenlieferungen friedensbewegt ablehnen und man könnte meinen, dass das darauf beruht, dass eine Nation, die in der Geschichte mittels Waffen mehr Unheil als jede andere angerichtet hat, eben daraus gelernt hat. Aber das stimmt nicht: Nicht Waffen sind böse, sondern die sind böse, die sie zu einem Angriffskrieg, einsetzen. Krieg verhindert man nicht durch den Verzicht auf Waffen, sondern indem man einem potentiellen Aggressor ausreichend bewaffnet und damit Einhalt  gebietend gegenübersteht. Frieden in der Ukraine erreicht man nicht, indem der Angegriffene die Waffen streckt, sondern indem er durch ausreichende Waffen in der Lage ist, Wladimir Putin klar zu machen, dass er nicht auf weitere Gebietsgewinne  hoffen darf. Mit einem anderen deutschen Kanzler als Scholz hätte das längst der Fall sein können.

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Sechs Ingredienzien des Trump-Sieges

Donald Trump hat viel mit Herbert Kickl gemein: Beide schimpfen und hetzen perfekt. Abgehängte glauben ihren Versprechungen. Aber Trump kann dazu auf Gott zählen.

 Für Europäer bleibt der Wahlsieg Donald Trumps ein Rätsel- für Amerikaner ist er es nicht. Zwar ist Trump auch vielen von ihnen politisch suspekt, aber der Mehrheit hat seine Steuerpolitik höhere Löhne beschert, auch wenn er primär Reiche entlasten wollte, und der großen Zahl wirtschaftlich Abgehängter der traditionellen US-Industrie hat seine Zollpolitik Jobs erhalten. Joe Biden hat Trumps Protektionismus denn auch voll übernommen, nur dass eine Inflation für die er nichts konnte, ihm den Erfolg geraubt hat, den seine viel nachhaltigeren Investitionen verdient hätten. Doch das Volk sah nur die gestiegene Preise.

Solange nicht begriffen wird, dass der Neoliberalismus „oben“ eine winzige Gruppe immer reicher macht, während „unten“ eine riesige Gruppe finanziell Abgehängter entsteht, erhalten rechte Politiker, die versprechen, das „System“ zu ändern, zwingend wachsenden Zulauf. Sonstige Ingredienzien dieses Zulaufs sollten uns geläufig sein: Permanentes Beschimpfen des politischen Gegners funktioniert bestens, wenn es unterhaltsam ist und prägnante Slogans enthält, wie Trumps Sager zum US-Wohlstand: „She broke it, I´ll fix it“. Das weiß und kann auch Herbert Kickl. Natürlich spielt Migration bei Trump und ihm die gleiche zentrale Rolle. Beide schwören, sie zu beenden, wobei Trump es noch phantasievoller begründet: Migranten äßen Hunde und Katzen. Da Migration Abgehängten auch echte Probleme beschert – sie drückt die Löhne und verschärft die Konkurrenz dort, wo der Staat soziale Leistungen erbringt – war „Abschiebung“ beider Wahlschlager. Zudem scheint die Behauptung des deutschen Neurologen Hoimar von Ditfurth zu stimmen, dass vorsteinzeitliche Erfahrungen unser Stammhirn prägen: So wie sich Höhlenbewohner mit allen Mitteln gegen Eindringlinge wehrten, gibt es die fast reflexive Ablehnung massiver Zuwanderung auch bei Leuten, die keine Faschisten sind. Nicht zuletzt wünscht sich jedes vorsteinzeitliche Rudel in kritischen Situationen einen starken Führer und dem entsprach Trump schon rein optisch optimal. Voran im ländlichen Raum wusste Trump so erfolgreich wie Kickl, ans Stammhirn zu appellieren obwohl gerade dort oft die wenigsten Zuwanderer sind.

Eher US-spezifisch ist, dass eine Frau ohne Chance ist, an die Staatsspitze zu gelangen: Harris hat das so wenig wie Hillary Clinton geschafft. Intelligente Frauen sind für simple Männer nicht zu ertragen. Gleichzeitig hat „Pussygrabing“ Trump bei simplen Frauen nicht geschadet. Machos überleben vorerst den Feminismus. Extrem US-spezifisch war die extreme Rolle der Religion: Der chronische Lügner Trump, der bekanntlich wegen Betruges verurteilt ist, weil er das Schweigegeld für eine Pornodarstellerin von der Steuer absetzen wollte, wurde von der evangelikalen Gemeinde der USA heilig gesprochen. Wie ihm das gelang, ist charakteristisch: Star unter den vielen „Tele-Evangelisten“, die ständig im TV auftreten, ist die dadurch steinreiche, bildhübsche, zum dritten Mal verheiratete Paula White-Cain, auch wenn Kollegen sie nur für die beste Schauspielerin halten. 2011, so erzählt Cain Zeitungen, hätte Trump sie um einen Gefallen gebeten: „Bring mich mit Leuten zusammen, um zu beten, ich möchte wirklich von Gott hören.“ Sie lud ihn zu einem Bibelkreis ein und berät ihn seither in Glaubensfragen. 2017 dankte sie Gott, dass er Trumps Amtseinführung ermöglichte; unmittelbar vor der aktuellen Wahl ging ein Video viral, in dem sie ekstatisch erklärte „Ich höre den Klang des Sieges. Der Herr sagt, es ist getan“; dazwischen hatte sie in einer Predigt erklärt, warum jemand, der sehr reich ist, sehr fromm sein kann.

Von Max Weber wissen wir, dass das am Anfang des Kapitalismus steht. Der Schweizer Theologe Johannes Calvin (1509-1564) wollte die Kirche bekanntlich im Sinne Martin Luthers  reformieren und sah Gott noch allmächtiger als dieser. Das Leben jedes Menschen, so lehrte er, sei von Gott vorherbestimmt, so dass von Beginn an feststünde, wer auserwählt und wer verdammt ist. Als seine Anhänger wissen wollten, ob es nicht wenigstens Zeichen gäbe, aus denen sie ersehen könnten, zu welcher Kategorie sie gehören, meinte Calvin, am ehesten zähle zu den Auserwählten, wer fleißig sei, sparsam lebe und zum Gemeinwohl beitrage. Indem das – kaum im Sinne Calvins – zu der Vorstellung verkam, dass erwählt sei, wer zu Reichtum gelange, wurde es emotionale Basis des Kapitalismus. Elon Musk oder Donald Trump für ihren Reichtum zu bewundern, ergibt sich aus dem Calvinismus ebenso logisch wie die Duldung größter Armut: Es ist gottgegeben, dass es viel mehr Arme=Verdammte als Auserwählte= Reiche gibt – und ein wichtiges Motiv nach Wohlstand zu streben. Auch dass US-Milliardäre dem Gemeinwohl durch Millionen- Spenden dienen, wurzelt im Calvinismus. Europas seit mehr als einem Jahrhundert übliches Bemühen, große Armut durch staatliche Gesetze zu verhindern, wird demgegenüber  als „sozialistisch“= kommunistisch diffamiert. Dass es in jüngerer Zeit so vielen weißen Evangelikalen immer schwerer fiel, den Wohlstand, nach dem sie denkbar fleißig strebten, auch zu erlangen, erklärt ihren Wunsch nach einem Heiligen, der behauptet, das liege nur an den demokratisch wählenden gottlosen Eliten „Washingtons“.

Nach Trumps Sieg müsste die EU mehr denn je beweisen, dass sich Sozialstaat, Rechtsstaat und wirtschaftlicher Erfolg vereinen lassen. Mit den geltenden Schuldenregeln ist das leider unmöglich.

 

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Das vorprogrammierte Platzen der Ampel

Mit den ökonomischen Thesen von Finanzminister Christian Lindner war erfolgreiches Regieren unmöglich. Friedrich Merz wird es nur besser machen, wenn er von ihnen abgeht.

Die deutsche Ampelkoalition ist wie vorprogrammiert geplatzt: Die Zusammenarbeit mit dem nach Wolfgang Schäuble unfähigsten deutschen Finanzminister, dem FDP-Chef Christian Lindner, konnte nicht gut gehen. Hatte Schäuble die EU gemeinsam mit Angela Merkel gezwungen, allen Mitgliedern eine Staatsschuldenbremse im Verfassungsrang vorzuschreiben, so profilierte sich Lindner als ihr Schutzherr: Er würde eisern darüber wachen, dass Deutschland sie einhält, obwohl schon allein der Ukrainekrieg massiv erhöhte Staatsausgaben nötig macht.

Ich habe hier schon so oft über den Widersinn der Maastricht-Kriterien geschrieben, dass Leser wie Redaktion es müde sind, aber vielleicht macht das Platzen dieser Koalition etwas begreiflicher, warum ich es getan habe. Privat hielte man es für absurd, wenn jemand, trotz eines Jahreseinkommens von 80.000 Euro keine größere Eigentumswohnung kaufen könnte, weil er nicht mehr als 60 Prozent seiner Wirtschaftsleistung als Kredit aufnehmen darf. Tut mir leid auch einen Kernsatz der Saldenmechanik zu wiederholen: Die Verkäufe der Unternehmen müssen zwingend sinken (das Wirtschaftswachstum muss leiden), wenn der sparende Staat weniger einkauft. Bisher hat „Exportweltmeister“ Deutschland glänzend gelebt (sich selbst nicht verschulden müssen), weil sich andere Länder fanden, deren Bürger und Staat sich an Deutschlands Stelle immer höher verschuldet haben. Aber das fand jetzt Grenzen: Erstens weil alle EU-Mitglieder per Strafe zu sparen gezwungen sind, zweitens weil Exporte nach Russland sanktioniert sind, drittens weil Chinas Wirtschaftsmotor stottert. Dass die Konsumenten der reichsten EU-Länder, Schweiz, Holland Österreich, Deutschland, selbst mehr der von ihnen produzierten Waren kaufen, verhindert die seit 23 Jahren von ihnen gemeinsam geübte „Lohnzurückhaltung“, von der man auch nichts mehr lesen will. Sie war aber ein entscheidender Grund dafür, dass in den USA immer mehr Luxuslimousinen von Mercedes oder BMW an Stelle von Cadillacs gekauft wurden, so dass die USA jedes Jahr ein Handelsbilanzdefizit (eine Verschuldung) von 500 Milliarden Dollar gegenüber Deutschland aufweisen. Schon Barack Obama dachte deshalb über Zölle nach, Donald Trump hat sie in seiner ersten Amtszeit angedroht und dürfte sie in der zweiten verwirklichen. Das wird voran Deutschland  und Österreich sehr schmerzen, aber vielleicht dazu führen, die Lohnzurückhaltung aufzugeben und zur Benya-Formel zurückzukehren, die den Sinn hat, dass die Bevölkerung jedes Landes die dort produzierten Waren theoretisch selbst zu kaufen vermag.

Neben der Minderung der Kaufkraft hatte die Lohnzurückhaltung eine zweite verdrängte fatale Wirkung: Wenn Unternehmen dank niedriger Lohnkosten sowieso satte Gewinne schreiben, verringert sich ihre Motivation, Innovation und Produktivität zu steigern. In Holland, das die Lohnzurückhaltung erfunden hat und am längsten übt, stieg die Produktivität fast gar nicht mehr, in Deutschland stieg sie wenig. Das hat gemeinsam mit dem fehlenden Anreiz zu Innovation dazu geführt, dass die deutsche Autoindustrie die Elektromobilität verschlafen hat. Der Rückstand, den Deutschlands (Österreichs) lächerlich geringen Investitionen in Digitalisierung und damit KI gegenüber China und den USA bewirkt haben, könnte Deutschland (Österreich) in Zukunft wirtschaftlich sogar noch härter treffen und ist im Kern natürlich eine Folge der Staatsschuldenbremse, auf der Christian Lindner wie kein anderer besteht. Daran musste sich sein Konflikt mit dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck entzünden, der sogar laut EU-Vorschrift nicht weniger in den Klimaschutz investieren konnte, und daran entzündete sich der letztlich wohl entscheidende Konflikt mit dem beliebtesten Politiker der Ampel, Verteidigungsminister Oscar Pistorius, der nicht einsehen wollte, dass man das Verteidigungsbudget kürzt, mit dem die kaputtgesparte Bundeswehr angesichts Wladimir Putin einsatzbereit gemacht werden sollte. Da auch die SPD nicht von zentralen sozialen Projekten wie dem Bürgergeld lassen wollte, war ausgeschlossen, Einvernehmen über ein Sparbudget zu erzielen.

Lindner, dessen FDP in Umfragen zu recht nur mehr 3 Prozent Zustimmung hatte, ergriff die Chance, von Bord zu gehen und präsentierte ein Papier, das durch Einsparungen beim Klimaschutz und Sozialleistungen zu einem ausgeglichenen Budget führen sollte und regte, was immer so richtig wie populär ist, „Bürokratie -Abbau“ an. Nur dass das alles das zentrale Problem nicht zu lösen vermag, das darin besteht, dass Deutschland seine Staatschuld unmöglich verringern kann, wenn der Staat derart viele unumgängliche und zum Teil (Verteidigung) zusätzliche Aufgaben hat.

Friedrich Merz und die CDU haben das Lindner-Papier begrüßt, obwohl die nächste Regierung, die er zweifellos anführen wird, vor dem gleichen Problem stehen und es genauso wenig lösen können wird, sofern sie nicht von der Staatsschuldenbremse, die sie erfunden hat, Abschied nimmt. Es gibt mittlerweile mehrere Arbeitgeber-nahe Wirtschaftsforscher, die das dringend empfehlen und die gesichtswahrende Lösung sollte Lesern meiner Kommentare bekannt vorkommen: Investitionen in die Zukunft, in Klimaschutz, Digitalisierung, KI und Verteidigung sollten nicht mehr als „Schulden“ zählen, sondern als nötige Kredite angesehen werden.

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Die Welt eherner Wähler Donald Trumps

Die Millionen, die Donald Trump trotz des Sturms aufs Kapitol gewählt haben, bleiben weiterhin ihr größtes Risiko – bis hin zum Bürgerkrieg.

Der Chefredakteur der Schweizer Weltwoche Roger Köppel vermutete richtig im ZIB-Gespräch mit Robert Treichler vom profil wie  ich, dass Donald Trump die Wahl gewinnt. Sicher ist er der einzige deutschsprachige Chefredakteur, der das begrüßte: Es sei unsinnig, Trump als Faschisten zu verteufeln und eine Missachtung der Millionen, die ihn wählen.

Für mich sind die Millionen, die Trump trotz des Sturms aufs Kapitol wählten, das größte Risiko der bisher demokratisch so gesichert scheinenden USA. Ansonsten sollte uns das Phänomen Millionen politisch Blinder nicht fremd sein: Auch für Adolf Hitler stimmten Millionen, obwohl „Mein Kampf“ ein Bestseller war und die SA schon jüdische Geschäfte zertrümmert hatte. Die zweite Parallele: Hitlers wie Trumps Erfolg hat nicht nur viel mit Rassismus, sondern auch viel mit wirtschaftlichem Abstieg zu tun: Voran abgehängte weiße Männer geringer Bildung sehen in Trump den Präsidenten, unter dem es ihnen am besten ging.

Die Soziologin Arlie Russell Hochschild hat fünf Jahre die Trump-Hochburg Louisiana studiert, um in die Welt jener weißen, älteren, evangelikalen Männer einzudringen, die bis heute der harte Kern seiner Wähler sind. Das Ergebnis hat sie in dem Buch „Strangers In Their Own Land“ (Fremde im eigenen Land) zusammengefasst, aus dem ich hier referiere. Voran Daten: Louisiana ist der zweitärmste US-Bundesstaat und zählt zum historischen „Süden“. Zugleich ist es „Tea Party“-Land: hat diese Retro-Gemeinde USA-weit 20 Prozent – rund 40 Millionen – Anhänger, so bekennen sich in Louisiana 50 Prozent zu ihr. Vom Süden ausgehend ist die Tea Party zu Kopf, Rückgrat und Muskulatur der republikanischen Partei geworden.

Ihren Hass auf „Democrats“ und „Washington“ begründen Tea Party Anhänger etwa so:

  • Die bringen uns, die Arbeitenden, durch hohe Steuern um unser Geld, um es den Nichtstuern zuzustecken.
    Ihre Medien wollen uns vorschreiben, wie wir zu denken haben.
  • Dabei befürworten sie Todsünden wie Abtreibung oder Homosexualität und wenden sich von Jesus ab.
  • Alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten bestreiten die Evolution, weil es Wähler bringt: Unglaubliche 42 Prozent der Amerikaner halten für gut möglich, dass Jesus 2050 auf Erden wiedergeboren wird.

Der Abstand zu den Demokraten ist überall zur Kluft geworden. Der Republikaner Dwight D. Eisenhower hat Spitzenverdiener mit 91 Prozent besteuert und massive Infrastruktur-Investitionen getätigt – Republikanern von heute sind 40 Prozent Spitzensteuersatz zu viel und sie fordern selbst bei Bildung oder Gesundheit Budgetkürzungen. Dabei sind republikanische Staaten durchgehend ärmer als demokratische und hängen weit mehr von Bundesmitteln ab: sie haben mehr Arbeitslose, mehr minderjährige Mütter mehr Kranke. In Louisiana kamen zur Armut größte Umweltprobleme: Das Wasser war durch Rückstände der Ölindustrie so vergiftet, dass Krebs ganze Familien hinwegraffte. Dennoch sind selbst Hinterbliebene mit der Tea-Party für die Abschaffung der Bundesumweltschutzbehörde EPA.

Was geht in den Familienvätern vor, die die USA so unwirtlich erleben? Hochschild beschreibt es mit einem Bild, das ihre Gesprächspartner durchwegs zutreffend nennen: Sie sehen sich in einer Warteschlange am Fuß eines Bergs, der unverändert den amerikanischen Traum verbirgt: ein Häuschen, ein Auto und Kinder, die es noch weiterbringen. Doch mit fünfzig stehen sie noch immer in der Warteschlange, obwohl sie immer hart gearbeitet haben. Der Grund kann also nur sein, dass sich andere vor ihnen eingereiht haben:

  • Schwarze, die sie weit hinter sich glaubten – weil „Washington“ ( in Wahrheit ein Urteil des einstigen Supreme Court) Unternehmen, die Staatsaufträge erhalten, vorschreibt, sie vor Weißen zu Facharbeitern auszubilden.
  • Frauen, die dieses Urteil mit schlechteren Noten als Männer studieren lässt.
    Selbst Schwule, Zuwanderer und Flüchtlinge genießen angeblich „Washingtons“ Unterstützung.
  • Wer aber unterstützt sie? Worauf können sie „politisch korrekt“ noch stolz sein? Auf ihre Arbeit – obwohl sie schlechter denn je bezahlt wird? Sind sie stolz, Weiße zu sein, gelten sie als Rassisten. Sind sie stolz, heterosexuell zu sein, gelten sie als homophob. Sind sie stolz, Christen zu sein, gelten sie als beschränkt. Sie sind Fremde im eigenen Land. Nur Donald Trump weiß sie zu schätzen. (Ende der Hochschild -Analyse.)

Tatsächlich hat Trump ihnen wirtschaftlich genützt: indem er Importe, die mit Produkten der traditionellen US-Industrie konkurrieren, mit Zöllen belegte oder unterband, sicherte er ihnen Jobs. Indem er (in Wahrheit zu Gunsten von Aktionären) die Körperschaftssteuer von 36 auf 21 Prozent senkte, bewirkte er überraschend, dass ihre Löhne stiegen, weil in einer boomenden Wirtschaft Arbeitskräfte knapp wurden.

Joe Biden, der mindestens so protektionistisch agierte und dessen Investitionen in die Infrastruktur die Wirtschaft viel nachhaltiger ankurbeln, hatte das Pech, daß eine Inflation, für die er nichts kann (ihre Wurzel war die Einigung Wladimir Putins mit der OPEC, Öl zu verknappen) seine Bilanz verhagelte – das hat mit Harris den Sieg gekostet.

 

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Die Probleme humaner Migrationspolitik

Nur Dänemarks extrem restriktive, inhumane Flüchtlingspolitik konnte den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten stoppen

Ursula Von der Leyen begrüßte es als „spannendes Experiment“: In einem eingezäunten Lager bei Tirana sollen Männer, die Asyl in Italien erhofften, einen Bescheid abwarten. Obwohl ein Gericht die erste solche Aktion als unzulässig erklärte, will Georgia Meloni an dem mit Albanien vereinbarten „exterritorialen Asylzentrum“ festhalten, und etliche EU-Staaten verfolgen die Idee weiter. Etwas abschreckende Wirkung dürfte ihr innewohnen – für eine Lösung halte ich sie so wenig wie der Migrationsexperte Gerald Knaus: Dazu brauchte es Abkommen mit Ländern, die, wie die Türkei, bereit sind, Personen zu behalten, die abzuschieben wären oder sie auf- oder zurücknähmen – und die fehlen. Noch vor zehn Jahren hätte die EU freilich schon Melonis albanisches „Anhaltelager“ – denn das ist es – als “inhuman“ gegeißelt.

Florian Klenk fordert „das Strafrecht gegen die Feinde der offenen Gesellschaft in Stellung zu bringen“, wo sie von Islamisten unter den Zuwanderern bedroht ist und dennoch bei einer „fein austarierten“ Migrationspolitik zu bleiben, die weiterhin human ist“. Das war auch mein Zugang zur Migrationspolitik, aber ich weiß nicht, ob er sich aufrechterhalten lässt. Denn es gibt offenbar die vom deutschen Neurologen Hoimar von Dithfurt behauptete vorsteinzeitliche Prägung unseres Stammhirns, wonach die Zuwanderung sehr vieler „Fremder“ als massive Bedrohung wahrgenommen wird, auch wenn man kein Faschist ist, sie heuer extrem zurückgegangen ist und die eigene Bevölkerung vieler Länder schrumpft.

Die einzige Asylpolitik, die den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten aufzuhalten vermochte, war die der sozialdemokratischen Regierungschefin  Dänemarks, Mette Frederiksen, die eine  Asylpolitik betreibt, die Klenks und meine Anforderungen an Humanität kaum erfüllt: Auch in Dänemark müssen Migranten Asylbescheide wie in Albanien in geschlossenen Lagern abwarten; Wertsachen können ihnen zur Verrechnung abgenommen werden; sie erhalten neben Sachleistungen kaum Geld, weil es, heimgeschickt, helfen könnte, eine weitere Flucht zu finanzieren; Familiennachzug wird maximal erschwert; wer abgeschoben werden kann, wird abgeschoben, selbst wenn er einen gesuchten Beruf hat. Das Asylrecht handhabt Dänemark denkbar restriktiv: Krieg allein ist bekanntlich so wenig ein Asylgrund wie die Herrschaft der Taliban – das bekommen Syrer wie Afghanen deutlich zu spüren. In Summe führte diese von allen Parteien begrüßte Politik dazu, dass zehn Millionen Dänen einen Bruchteil der Migranten und Asylanten Österreichs beherbergen.

Ich habe leider die Sorge, dass humane Migrationspolitik, selbst wenn sie das Strafrecht energisch gegen Feinde der offenen Gesellschaft unter den Zuwandernden in Stellung bringt, die extreme Rechte derart stärkt, dass wir bald keine offene Gesellschaft mehr haben. Denn zu den zitierten emotionalen Problemen bringt massive Zuwanderung auch sehr reale Probleme mit sich, die in unteren sozialen Schichten, die die Mehrheit rechter Wähler stellen, am größten sind: Sie drückt Löhne, verschärft die Konkurrenz um günstigen Wohnraum oder Betreuung durch Kassenärzte und mindert die Zukunftschancen von Kindern, die Schulklassen besuchen, in denen die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Auch die schiere Zahl der Migranten ist in Staaten, die die EU zum Sparen verpflichtet, ein Problem: Es ist teuer, viel mehr Lehrer und viel mehr Ärzte auszubilden oder so viel mehr Polizisten anzustellen, dass die von Migranten mitverursachte Kriminalität von der Bevölkerung nicht als massive Bedrohung (siehe oben) wahrgenommen wird, obwohl die Zahl der Bluttaten wie eh und je sinkt.

Dazu kommt das Problem der Zuwanderung aus besonders fremden Kulturen: Frauen, die sich nicht von männlichen Ärzten behandeln lassen, Männer, die nicht mit Lehrerinnen sprechen, Testosteron strotzende Burschen mit einem uns völlig fremden Frauenbild. Es ist leider nicht so, dass Mädchen in Miniröcken sich überflüssig vor Übergriffen fürchten. Und alle Frauen bewegt die Sorge, dass eine Gesellschaft, die sich endlich in Richtung zu ihrer Gleichberechtigung verändert hat, sich wieder rückwärts entwickeln könnte. Auch dass der Antisemitismus in einer Bevölkerung, der er sowieso nicht fremd ist, um so viele islamische Antisemiten wächst, muss besorgen.

Ich habe im Wahlkampf die TV-Diskussion zwischen Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger und FPÖ-Chef Herbert Kickl in einem Lokal verfolgt und sicher hat Kickl dabei keinen NEOS-Wähler und Meinl-Reisinger keinen FPÖ-Wähler für sich gewonnen. Aber bei den Unentschlossenen, auf die es ankam, hat Kickl umso mehr gepunktet, je mehr er auf konkrete Probleme zu sprechen kam, auch wenn er sie übertrieb: Es genügt, sie einmal selbst erlebt zu haben, um ihm ihre Übertreibung zu glauben. Nicht zuletzt hatte er mit Erfolg darauf hingewiesen, dass das Asylrecht – siehe Dänemark – auch sehr viel restriktiver und dennoch EU- und rechtskonform gehandhabt werden kann. Ich fürchte, dass ein Land, das wie Österreich bereits besonders viele Flüchtlinge aufgenommen hat, es leider wie Dänemark handhaben muss, um den „Endsieg“ von Kickl und Co zu verhindern. Mir deshalb Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen, wird insofern nicht ganz leicht sein, als ich Zeit meines Lebens Flüchtlinge in meine Wohnung aufgenommen und das Badezimmer mit ihnen geteilt habe.

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Veränderte „Feuer bei Moskau“ den Krieg?

Ein russischer Beobachter glaubt, dass erfolgreiche Angriffe der Ukraine auf russische Ziele Putins Rückhalt gefährden, wenn, sie anhalten. Ein anonymisiertes Interview.

 „Boris“, wie ich ihn hier nennen will, war in den Achtzigerjahren -seit damals kennen wir einander- jemand, von dem man sich halbwegs glaubwürdige Informationen erhoffte, wenn man die Sowjetunion als Journalist besuchte. Er hatte innerhalb des Regimes eine höhere Funktion inne, die ihm Einblicke in die Machtverhältnisse gewährte. Mich verblüffte er damals durch seinen Kenntnisreichtum, mit dem er mir die Schwierigkeiten beschrieb, die sich Moskau durch den Einmarsch in Afghanistan eingehandelt hatte. Später, als unser Verhältnis freundschaftlicher wurde, erwies er sich als engagierter Anhänger Wladimir Putins. Heute, längst pensioniert, ist er das immer noch. Er versteht nur nicht, warum der in seinen Augen so erfolgreiche Staatschef sich auf den Ukrainekrieg eingelassen hat. Was er mir über den aktuellen Stand dieses Krieges sagt, scheint mir spannend, so wenig ich überprüfen kann, wie weit es zutrifft

Lingens: Was schätzt Du so an Putin?

Boris: Er hat das Chaos beendet, in das Russland mit Boris Jelzin gestürzt ist. Erst mit ihm hat das Land wieder funktioniert, haben bewaffnete Überfälle aufgehört, wurden Geschäftszeiten oder Fahrpläne wieder eingehalten. Er hat den Oligarchen den Großteil dessen, was sie gestohlen haben, wieder abgenommen und dem Staat zurückgegeben. Die Wirtschaft konnte sich erholen. Natürlich blieb sie weiter viel zu abhängig von Öl und anderen Bodenschätzen, aber es sind doch auch zusätzliche Wirtschaftszweige entstanden. Zwar immer noch viel zu viele Großbetriebe, aber doch auch Mittel- und Kleinbetriebe, nicht zuletzt in Kooperation mit ausländischen Unternehmen. Eigentlich war es eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Es ist der Bevölkerung immer besser gegangen.

Lingens: Dass die Staatsführung immer autoritärer wurde hat niemanden gestört?

Boris: Die wenigsten. Man kann Russland nicht anders führen. Dass es den Leuten soviel besser gegangen ist, war jedenfalls viel wichtiger.

Lingens: Du sagst, dass diese Verbesserung der Lebensumstände seit dem Ukrainekrieg in Gefahr ist?

Boris: Der Ukrainekrieg war ein mir völlig unverständlicher Fehler. Man musste wissen, dass er nicht einmal dann etwas gebracht hätte, wenn er schon gewonnen wäre: ein so großes Territorium zu beherrschen kostete nur Geld. Aber er wurde nicht gewonnen und das kostet noch mehr Geld.

Lingens: Die russische Wirtschaft wächst doch. Die Öl-Einnahmen sind trotz der Sanktionen gewaltig. Immer mehr Leute und sogar politische Parteien in der EU bezweifeln den Sinn der Sanktionen.

Boris: Die Kriegswirtschaft wächst- der Konsum leidet. Es sind nicht die Öleinnahmen aus der EU die uns abgehen – da sind die Chinesen eingesprungen. Aber erstens hängen wir jetzt von denen ab: Sie haben viele der Geschäfte übernommen, die früher die EU gemacht hat. So verkaufen sie uns jetzt ihre Autos -aber teuer. Zweites und vor allem ist alles teurerer geworden. Und zwar so gewaltig teurer, dass jeder es spürt. Natürlich geht uns McDonald´s nicht ab, wohl aber hat alles gelitten, was Hochtechnologie braucht. Elektronik wird immer schlechter, Flugzeuge fallen herunter, weil Ersatzteile fehlen.

Lingens: Das scheint auch im Krieg eine Rolle zu spielen. Besonders erfolgreich agiert Russlands Armee nicht, wenn man bedenkt, wie viel mehr Menschen sie aufbieten kann.

Boris: Auch das kann sie immer weniger. Die Musterungen sind verhasst. Und die Soldaten kosten den Staat immer mehr Geld. Er muss ihnen 2.000 Euro im Monat bezahlen. Und er muss auch den Hinterbliebenen immer mehr bezahlen, damit die Unzufriedenheit nicht zu laut wird. Und natürlich sind die russischen Waffen durch den Mangel an Hochtechnologie schlechter als die westlichen. Ich kann nur wiederholen, dass dieser Krieg ein fataler Fehler war. Nicht Putins, wohl aber seiner Berater, die ihm gesagt haben, dass das ein Spaziergang sein wird.

Lingens: Du hast mir gesagt, dass dieser Krieg in eine grundsätzlich neue, qualitativ andere Phase getreten ist – vom außen sieht es nicht so aus.

Boris: Von innen schon. Stell Dir vor, nur ein paar Kilometer von Wien entfernt brennt plötzlich die größte Raffinerie der Stadt, weil sie von einem feindlichen Geschoß getroffen wurde. Sie brennt durch Tage, so dass sogar Benzin knapp wird. So war das mit der Raffinerie, die die Ukrainische Armee, nur ein paar Kilometer von Moskau entfernt, getroffen und in Brand gesetzt hat. Jeder in Moskau hat das Feuer gesehen. Das hat, viel mehr als der ukrainische Vorstoß nach Kursk, die Einstellung der Bevölkerung zu diesem Krieg verändert. Sie ist zwar nach wie vor für Putin- aber der Teil der denkt, so um die zwanzig Prozent, ist gegen diesen Krieg.

Lingens: Du meinst, das lässt sich trennen?

Boris. Ja! Jedenfalls ziemlich lang.

Lingens: Auch wenn der Krieg noch unglücklicher verlaufen sollte?

Boris: Dann könnten Gegner Putins ihn im Geheimdienst entsorgen.

Lingens: Wird er da nicht vorher den Einsatz taktischer Atomwaffen in Betracht ziehen, um den Krieg zu gewinnen?

Boris: Das kann er nicht allein. Außerdem passiert ihm nichts, wenn er entsorgt wird. Auch Jelzin ist nach seiner Entsorgung durch Putin nichts passiert: Seine Familie hat alles was sie hatte- und das war ziemlich viel- behalten.

Lingens: Du glaubst ernsthaft, dass Putin gefährdet ist.

Boris: Noch nicht. Aber Jahre hat er nicht Zeit. Es sei denn Donald Trump wird US-Präsident.

 

 

 

 

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Wie kann der Staat sparsamer sein?

Indem Brüssel fordert, zusätzliche Milliarden einzusparen, vertieft es die Rezession. Aber man kann Geld sparsamer einsetzen. Der Föderalismus ist das größte Hindernis.

 Wer immer Österreichs nächstes Budget erstellt, tut mir leid: folgt er Brüssels Vorgabe, jährlich zusätzliche 2,5 Milliarden Euro einzusparen, vertieft er die Rezession – folgt er ihr nicht, zahlen wir Strafe. Dazu vorweg eine Klarstellung: So sicher ich bin, dass Sparen des Staates Wirtschaftswachstum kostet, so sehr soll der Staat „sparsam“ wirtschaften. Es stimmt, dass ihm das oft schwerer als privaten Investoren fällt. Im schlimmsten mir bekannten Fall, beim Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, betrugen die Kosten dank Korruption und zughörigen Abwicklungsfehlern mit 45 Milliarden Schilling (3,27 Milliarden Euro) das Sechsfache eines vergleichbaren Klinikums in Aachen. Allerdings hat Österreichs Wirtschaft selbst in diesem Fall keine 2,33 Milliarden Euro verloren, denn der Großteil des Geldes blieb dank der überhöhten Gewinne der beteiligten Firmen im Land und wurde von ihnen (hoffentlich sparsamer) reinvestiert: vom Staat ausgegebenes Geld kommt dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) selbst im schlimmsten Fall zugute. Staatsausgaben streng zu kontrollieren und die Abwicklung von Projekten durch den Staat tunlichst zu vermeiden, ist also höchst sinnvoll – große Staatsausgaben grundsätzlich abzulehnen, ist es nicht: Österreich schrieb in der Ära des für den Bau des AKH Hauptverantwortlichen Finanzministers Hannes Androsch ständig Budgetdefizite, doch Österreichs Wohlstand wuchs wie nie.

Das alles ist für Österreichs künftigen Finanzminister freilich irrelevant. Da wir EU-Mitglied sind, hat er Brüssels Sparvorgabe zu erfüllen. Es bleibt ihm also nur der von Karl Nehammer empfohlene Weg, Budgetposten für Budgetposten in Frage zu stellen.  Der Aufschrei derer, denen etwas weggenommen wird, wird freilich gewaltig sein, denn „Förderungen“, wie sie voran zur Diskussion stehen, sind selten sinnlos und weniger Fördergeld wird dem BIP auf jeden Fall fehlen. Um zwei große Spar-Kandidaten zu analysieren: Natürlich ist die Förderung des Klimaschutzes durch Wärmepumpen und den Umstieg auf E-Autos teuer; es war vielleicht falsch, die Förderung von Firmenautos zu beenden, während sie für reiche Tesla-Käufer vielleicht überflüssig war. Aber Förderung erfolgreich zu differenzieren ist extrem schwierig und die finanziell wichtigere Frage lautet: Schafft unsere Wirtschaft ein BIP, das uns die rasche Reduktion des CO2 Ausstoßes gestattet? Ähnlich teuer sind hohe Beamtenpensionen und absurde Pensionsverträge für Mitglieder der Nationalbank – aber es sind Verträge und wenn die Senkung gewisser Pensionen die Kaufkraft senkt, senkt das auch das BIP. Klar ist einzig: Die Pensionspolitik muss berücksichtigen, wie sehr die Lebenserwartung gestiegen ist. Ansonsten sind Eingriffe ins Pensionssystem einmal mehr extrem schwierig und am wichtigsten ist abermals: Schafft die Generation, die die Pensionen der vorangegangenen Generation finanzieren soll ein BIP, das ihr das ermöglicht?

Die Regierung sollte daher meines Erachtens lieber prüfen, was die größten „einheimischen“ Hindernisse für Wirtschaftswachstum sind. Die ÖVP wird sofort auf zu hohe Unternehmenssteuern verweisen, aber deren gewaltige Reduktion in den letzten zwanzig Jahren geht mit einem denkbar niedrigen Investitionsniveau einher. Ebenso umstritten ist, ob die Abschaffung der Lohnnebenkosten der Wirtschaft wirklich hilft, denn gleichzeitig kann sie Kaufkraft kosten und jedenfalls schafft sie ein Loch im Budget.

Mit Sicherheit nutzen würde uns hingegen, interne Hindernisse für die sparsame Allokation von Mitteln zu beseitigen und das größte davon ist überbordender Föderalismus in einem Land von der Größe Bayerns. Statt Großspitäler so zu errichten, dass sie ein maximales Einzugsgebiet versorgen, baute jedes Bundesland sein eigenes, selbst wenn es dem des Nachbarbundeslandes benachbart ist. Einige Bundesländer kennen kaum befahrene Autobahnen, weil ihre Landesfürsten sie durchzusetzen vermochten. Das Wiener U-Bahn Netz wird nicht auf nahe Ortschaften im schwarzen Niederösterreich erweitert. Die Gesundheitspolitik wird durch die Unterscheidung in Bundes- und Landeskompetenzen unendlich erschwert- bis heute hat Österreich bei einer Pandemie keine Übersicht über die jeweiligen Betten-Kapazitäten.

Am hinderlichsten sind neun verschiedene Vorschriften: Ich hatte einmal eine Firma für Heizungstechnik, deren Lizenzgeber ein großes steirisches Unternehmen war; dabei stieß ich in Wien immer wieder auf Großaufträge, die ich dem Steirer vermitteln wollte, doch deren Geschäftsführer winkte ab: „Um den Vorschriften in Wien zu genügen, müsste ich meine Leute eigens umschulen – ich bin in Wien nicht konkurrenzfähig.“  Dennoch gibt es neun verschiedene Bauordnungen; neun Naturschutzgesetze, neun Katastrophenschutzgesetze – in einigen Bundesländern werden Unwetterschäden jetzt zu 20, in andren zu 100 Prozent ersetzt; wer seine Öl-Heizung in Niederösterreich gegen Wärmepumpen tauscht wird weniger als in Wien gefördert. Selbst der Jugendschutz unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Alles was nicht ausdrücklich dem Bund vorbehalten ist, obliegt dem Land und um vielfach absurde Unterschiede zu zelebrieren finanzieren wir neun Landesregierungen. Die heilige Kuh des Föderalismus zu schlachten, wäre zweifellos am billigsten, ist aber undenkbar. Doch eine Partei, die es wagte, sie zumindest abzumagern, erhöhte ihre Chancen meines Erachtens erheblich.

 

 

 

 

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Rettet Draghi nach dem Euro auch die EU?

Mario Draghi glaubt zu wissen, wie die EU die USA einholen kann: indem sie pro Jahr 750 Milliarden Euro mehr investiert, Innovation fördert und Bürokratie abbaut.

Ursula von der Leyen will in ihrer zweiten Amtszeit bekanntlich die Wirtschaft der EU stärken. Zu diesem Zweck hat sie den ehemaligen Chef der EZB, Mario Draghi, beauftragt, ihre Schwächen zu orten und zu empfehlen, was man besser machen könnte. Einen qualifizierteren Ratgeber hätte sie kaum finden können: Schließlich war es Draghi, der den Euro rettete, indem er, als während der Griechenland-Krise gegen ihn spekuliert wurde, gegen Deutschlands Einwände erklärte, ihn mit allen Mitteln, also auch denen Deutschlands, zu verteidigen. Erst danach hat der EuGH festgestellt, dass die gemeinsame Haftung zum Wesen einer gemeinsamen Währung gehört. In der Folge war Draghi der einzige Staatschef Italiens, der dessen  Wirtschaftsdaten zu verbessern vermochte.

Das Urteil des Draghi- Reports über den Zustand der EU wird Leser meiner Kommentare kaum erstaunen: Sie weise seit 2000 ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum als die USA auf; ist die Produktivität der EU ursprünglich im Gleichschritt mit der der USA gewachsen, so wuchs sie in den letzten 20 Jahren um 20 Prozent weniger. Entsprechend weniger ist der Wohlstand der EU gewachsen: Das real verfügbare Einkommen pro Kopf stieg seit 2000 nur halb so stark wie in den USA. Das lag voran daran, dass die EU die digitale Revolution verschlafen hat.Während die US-Industrie sich auf IT und Digitalisierung konzentrierten, blieb mit der nun von China bedrängten Auto-Industrie eine traditionelle Fertigung stärkste Industrie der EU. Nur 4 von 50 führenden Technologie- Unternehmen kommen aus der EU.

Als Ursache dieses Rückstands ortet Draghi viele altbekannte Schwächen der EU: Der Zwang zur Einstimmigkeit erschwert Entscheidungen unendlich und müsse durch Mehrheitsvoten ersetzt werden. (Zu den Hauptbefürwortern der Einstimmigkeit zählt Österreich und dort voran die FPÖ, weil Österreich sonst „überfahren“ würde.) Die EU dulde unverändert fraktionierte Kapitalmärkte und 27 verschiedene Steuersysteme samt Steuer- Oasen. Indem sie die  Subsidiarität vernachlässige, fördere sie die Bürokratie, schreibe zu viel vor, statt sich auf zentrale Anliegen zu konzentrieren. Es bedürfe einer eigenen Behörde, Bürokratie abzubauen. Schließlich sei absurd, dass diese riesige starke Volkswirtschaft ihre militärische Verteidigung bis zum Ukrainekrieg vernachlässigt hätte, und natürlich brauche es eine eigene starke Rüstungsindustrie.

Danach geht Draghi sehr detailliert jedem einzelnen Schwachpunkt nach. So sei etwa Energie in der EU ungleich teurer als in den USA. Das liegt freilich (was er nicht erwähnt) auch daran, dass die EU die anfänglich mit Fracking verbundenen gewaltigen Umweltschäden scheute. Allerdings hat sie auch viel weniger getan, um Energie- Oligopole zu verhindern und den Wettbewerb zu befördern. Umso wichtiger sei es für sie, alternative Energiequellen zu erschließen und sie hätte dabei auch beträchtliche Fortschritte gemacht. Allerdings sei es ihr nicht gelungen, die entsprechenden Innovationen erfolgreich durch die Entstehung großer Unternehmen zu vermarkten. Das läge voran daran, dass stets viel zu wenig Geld in entsprechende Projekte fließe. Es gäbe zu wenig private Investoren und Aktionäre; die Banken wären durch zu restriktive „Basel“- Abkommen in der Vergabe von Krediten behindert, statt dass sie endlich durch die Vollendung der Banken- Union abgesichert würden. Insbesondere brauche es Venture Capital für Start- ups, für die es auch eine einfache, billige Rechtsform geben sollte. Ferner sei eine zweite Säule der Pension in Gestalt von Aktien (der ich persönlich mit großer Vorsicht gegenüberstehe) in den USA in Gestalt von Pensions- Fonds sinnvoll, die große Kredite geben könnten. Mit solchen Geldern wäre es beispielsweise möglich, dank Innovationen in der Batterietechnik, die es in der EU durchaus gäbe, erfolgreiche Großunternehmen zu schaffen. Nicht zuletzt sei Bildung von überragender Bedeutung. Dass die EU so viel weniger exzellente Universitäten als die USA besäße, erweise sich als Nachteil.

Damit zu Draghis zentraler Forderung: Um ihre Ziele zu erreichen brauche die EU jedes Jahr zusätzliche Investitionen von mindestens 750 Milliarden Euro, die 4,4 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts entsprächen. Ihre Investitionen würden sich damit insgesamt von 22 auf 27 Prozent  des BIP erhöhen. Die EU könne dieses nötige höhere Investment nur erreichen, indem sie sowohl das Investment durch Private und Banken stärke als auch entsprechende gemeinsame Kredite aufnähme.

Was derzeit in der EU geschieht, widerspricht diesen Empfehlungen freilich diametral: Die EU verhängt Strafen gegen Staaten, die einen höheren Prozentsatz ihres BIP investieren und so wie sich Deutschland schon seinerzeit Eurobonds widersetzt hat, hat Finanzminister Christian Lindner sofort energische Einwände gegen Draghis Empfehlung gemeinsamer Schulden erhoben.

Er bleibt eisern bei der Staatsschuldenbremse, obwohl Deutschlands Züge mittlerweile nur mehr zufällig den Fahrplan einhalten und nicht gewartete Brücken einbrechen. Die Neue Zürcher Zeitung, das Parteiorgan der Schweizer freien Demokraten und Zentralorgan des Neoliberalismus, sieht in Draghis Pläne prompt bereits den Weg  hin zu sozialistischer Staatswirtschaft.Der von ihm empfohlene Mittelweg, den Markt zu achtet und dennoch seitens des Staates Schwerpunkte zu setzen ist für Ideologen offenbar nicht gangbar.  

 

 

 

 

 

 

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Österreich drohen schwierige Zeiten

Die EU tut alles, die Rezession zu vertiefen. In Deutschland kommt die Krise seiner Autoindustrie hinzu. Wir sind ihre Lieferanten mit den höchsten Lohnstückkosten.

Beate Meinl Reisinger behauptete in den „Sommergesprächen“ zu wissen, wie der Staat erfolgreich sparen kann – Karl Nehammer behauptete, man könne fast ohne Sparen  auskommen, indem man die Wirtschaft belebt. Seither gilt er als unseriös und sie als seriös, fordert die EU doch 2,5 Milliarden jährliche Einsparung, obwohl Sparen des Staates Wirtschaftsprobleme noch nie behoben hat. Das einzige angebliche Gegenbeispiel- die Erholung Schwedens im Jahr 1993- trifft nicht zu: Nicht Austerity, sondern die Abwertung der Schwedenkrone und ein gleichzeitiges Lohn-Stillhalteabkommen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften hat Schwedens Krise beendet.

Erstmals in jüngerer Zeit gibt es jetzt eine Krise Deutschlands. Dank der Einhaltung der Schuldenbremse und der Zinspolitik der EZB befindet es sich im dritten Quartal einer Rezession, die mit einer substantiellen Krise seiner Autoindustrie einhergeht und keineswegs nur VW betrifft. Da deutsche Autoproduzenten den Produzenten anderer Länder dank inadäquater Löhne ständig Marktanteile abzujagen vermochten, wiegten sie sich in trügerischer Überheblichkeit und verschliefen die Elektromobilität. Leider stimmt das Sprichwort „wenn Deutschland Grippe hat, hat  Österreich Schnupfen“, zumal die von der EU verhängten Strafen gegen Länder, die ihre kontraproduktiven Schuldenregeln nicht einzuhalten vermögen, nun auch uns drohen. Nicht zuletzt droht uns besonderes Ungemach, weil unsere Zulieferindustrie den Problemen der deutschen Autoindustrie mit den höchsten Lohnstückkosten der EU gegenübersteht: Die Aufträge unserer Metallindustrie sind um 20 Prozent eingebrochen.

In der Vergangenheit haben auch die Regierungen der EU sich zumindest in Zeiten heftiger Konjunktureinbrüche wie „Corona“ oder der Öl/Gas-Verteuerung der Erkenntnis John M. Keynes´ erinnert, dass der Staat sich dann eben doch verschulden muss. Nur fordert die herrschende Lehre scheinbar überzeugend, diese Verschuldung jetzt schleunigst zu beenden. Doch das verkennt eine wesentliche Veränderung der ökonomischen Grundbedingungen, mit der Keynes noch nicht konfrontiert war: In der Vergangenheit haben durchwegs die Unternehmen für die zum Wirtschaftswachstum nötige Verschuldung gesorgt- doch genau das tun sie heute nicht mehr: sie verdienen genug, um Investitionen ohne Kredite zu bestreiten. Die Mehrzahl der Unternehmen ist daher von Schuldnern zu Sparern geworden. Deshalb braucht es die Verschuldung des Staates ständig, um Wachstum zu garantieren: Er muss ständig viel Geld investieren und kann das, weil er es nicht nur druckt, sondern weil eine funktionierende Wirtschaft ständig für die Deckung des Geldes durch Güter und Leistungen sorgt.

Keynes selbst hat auch nie behauptet, dass seine These nur zur Überwindung von Krisen taugt. Zu dieser Ansicht kamen Ökonomen erst angesichts des Ölschocks 1973: Die Staaten gaben damals mehr Geld aus, aber statt dass die Konjunktur ansprang, stagnierte die Wirtschaft bei gleichzeitig durch höhere Ausgaben beförderter Inflation. Das hatte zwei Ursachen: die eingesetzten Summen waren oft zu gering, um Wachstum zu generieren, vor allem aber bekämpften die Zentralbanken die Inflation mit drastisch erhöhten Zinsen – das zu schwache Gas-Geben war also immer von harschem Bremsen begleitet und funktionierte entsprechend schlecht. Daraus resultierte der Schlachtruf „Keynes ist tot“, statt dass man erkannt hätte, dass das Vorgehen von Staat und Notenbank sehr viel besser und vor allem auch mit den Gewerkschaften, abgestimmt werden muss.

So hat die EZB auch diesmal harsch gebremst, um eine Inflation zu bekämpfen, die freilich längst im Abklingen war, weil sie nicht auf einer Preis-Lohn-Spirale, sondern der befristeten Verteuerung von  Öl/Gas beruhte. Dass EZB-Chefin Christine Lagarde dennoch so vorging, lag an einem doppelten Missverständnis: Sowohl daran, den Unterschied zur Preis-Lohn-Spirale nicht zu sehen, wie daran, sich voran von deutschen Ratsmitgliedern einreden zu lassen, die lockere Geldpolitik der EZB hätte die Inflation verschuldet, obwohl sie durch ein Jahrzehnt fast von Deflation begleitet war.

Leider missverstand auch der ÖGB das Wesen der aktuellen Inflation: Er nahm die bewährte Benya- Formel (Lohnerhöhung = Inflation des abgelaufenen Jahres + Produktivitätszuwachs) zum Ausgangspunkt seiner Lohnforderungen, obwohl die Inflation nicht wie sonst auf der mäßigen Lohnerhöhung des abgelaufenen Jahres, sondern der massiven Verteuerung von Öl und Gas beruhte: Mit Tariflohnerhöhungen um die 9 Prozent waren wir EU-Spitzenreiter und das ist deshalb so kritisch, weil unser wichtigster Handelspartner Deutschland seine Tariflöhne nur um 2,6 Prozent erhöhte, weil man das Wesen der Teuerung dort besser begriff – ohne freilich zu verstehen, dass Deutschlands inadäquate Tariflöhne eine kräftige Steigerung nicht nur vertrügen, sondern brauchten.

Derzeit äußert sich die Rezession nur in leicht erhöhter Arbeitslosigkeit, aber sie wird steigen. Wir müssen hoffen, dass der ÖGB das Exportproblem bei künftigen Lohnforderungen berücksichtigt; vielleicht gelingt es unseren Unternehmen auch einmal mehr, die Qualität ihrer Produkte so zu steigern, dass ihr Export kaum leidet, und im Inland sollte ihnen die gestiegene Kaufkraft zu Gute kommen. Nicht zuletzt könnte ein US-Boom die EU-Rezession lindern. Dass die EU von Austerity abgeht, habe ich zu hoffen aufgehört.

 

 

 

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Zwei Getriebene ihrer Strafverfahren

Wenn Benjamin Netanjahu nicht siegreicher Staatschef bleibt und Donald Trump nicht neuerlich Präsident wird, droht beiden Gefängnis. Das schürt ihre Gewaltbereitschaft.

In ihrer perfekten Antrittsrede als Kandidatin der Demokraten versprach Kamala Harris, gemeinsam mit Joe Biden alles zu tun, um mit Israel eine haltbare Lösung des Gaza -Konflikts auszuhandeln: Bekanntlich soll Waffenruhe und die Freilassung von 33 der vielleicht fünfzig noch lebenden Geiseln (nachdem zuletzt 6 nur mehr tot geborgen wurden) zu einem Waffenstillstand führen, der in einem Stufenplan, bei dem Israels Armee den Gazastreifen nur noch befristet kontrolliert, letztlich im Verein mit dem Westjordanland in einen Palästinenserstaat mündet.

Aber dazu braucht es meines Erachtens ein Wunder: Die Hamas hofft unverändert, dass die Hisbollah nicht nur wie jüngst hunderte Raketen auf Tel Aviv feuert, sondern voll in den Krieg gegen Israel eintritt; und selbst der Generalstreik bewegt Benjamin Netanjahu nicht zu einem echten Waffenstillstand. Zwar hat er Feuerpausen zugestimmt, um die Kinder im Gazastreifen gegen Polio zu impfen – aber nur, weil das Fernsehen andernfalls nach den vielen im Krieg getöteten Kindern auch noch ständig die verkrüppelten Opfer einer Polio-Epidemie zeigte,  die die Weltgesundheitsorganisation ihm zum Vorwurf machte. Vor allem hat er gleichzeitig eine massive Militäraktion im Westjordanland begonnen, die seine ultrareligiösen Regierungspartner begeistert, aber sicher nicht auf die Bereitschaft schließen lässt, dort Israels Siedlungen zu reduzieren. Netanjahu weiß:  nur solange er Krieg führt, bleibt er gestützt auf die Ultraorthodoxen Staatschef – und nur solange er Staatschef ist, entgeht er einem anhängigen Strafverfahren wegen Korruption.

Der gesamte Gaza -Konflikt wäre anders verlaufen, wenn es dieses Strafverfahren nicht gäbe. Denn als Netanjahus Versuch den Obersten Gerichtshof zu entmachten, ihn die Zustimmung der Arbeiterpartei zu seiner Regierung kostete, konnte er nur Premier bleiben, indem er die abstruse Koalition mit den Ultrareligiösen einging. Deren extrem offensive Siedlungspolitik zog nach sich, dass Truppen, die die Grenze zum Gazastreifen schützen sollten, ins Westjordanland verlegt wurden, um Siedler zu schützen. Das aber hat es der Hamas am 7. Oktober so leicht gemacht, diese Grenze zu durchbrechen und in Israel ein Massaker anzurichten. Seither gibt es den Gaza-Krieg, den Netanjahu nur deshalb als Staatschef führen kann, weil alle Israelis in dieser Situation Einigkeit demonstrieren wollen.

Nachdem Netanjahu die Hamas zuvor gefördert hat, um einen Palästinenserstaat zu verhindern, will er sie jetzt bekanntlich auslöschen und zerbombt im Gazastreifen auch Schulen und Spitäler, da die Hamas dort ihre Hauptquartiere hat. Das ist zwar ein permanentes Kriegsverbrechen der Hamas, aber vierzigtausend Palästinenser zu töten, um die Hamas auszulöschen, gerät ebenfalls zum Kriegsverbrechen, wenn der Bevölkerung ausreichende Hilfe versagt bleibt.

Eine Lösung für das entstandene Mega- Problems weiß ich nicht – aber ohne Netanjahus Angst vor einem Strafurteil wäre es nie in dieser Dimension entstanden. Und weil Netanjahu einem Strafverfahren nur entkommt, solange er Premier einer Kriegsregierung ist, wird er meines Erachtens versuchen, so lange Krieg zu führen, bis sich seine Hoffnung auf eine neuerliche Präsidentschaft Donald Trumps erfüllt. Dann nämlich kann er das Westjordanland und den Gazastreifen annektieren und würde sein Strafverfahren ob dieses historischen Verdienstes wohl eingestellt.

Während Netanjahu Trumps Wahl also erhofft, herrscht in den USA und in Europa unter Demokraten wachsende Freude über die immer besseren Umfrage-Ergebnisse Kamala Harris`. Dabei wird ein eminentes Risiko verdrängt: Es ist höchst ungewiss, dass Trump eine Niederlage hinnimmt. Schon als er die Wahl gegen Joe Biden verlor, hat er seine Anhänger bekanntlich zum Marsch aufs Kapitol aufgestachelt – das Risiko, dass er sie diesmal zum Bürgerkrieg aufruft, ist eminent. Denn bisher kamen diverse ihm drohende Strafverfahren nicht zustande, weil die US-Justiz langsam funktioniert und weil von ihm ernannte Richter den Republikanern die klare Überzahl im Supreme Court verschafft haben. Aber wenn er nicht neuerlich Präsident wird, lassen sich Strafurteile gegen ihn nach menschlichem Ermessen nicht mehr vermeiden: Wenn er in Georgia, wo es darum geht, dass er dessen Wahlleiter Brad Raffensperger aufgefordert hat, ihm dringend die für seinen Sieg in diesem Bundestaat nötigen 12.000 Wählerstimmen zu beschaffen, verurteilt wird, geht er bis ans Lebensende ins Gefängnis. Und diese Verurteilung abzuwenden ist nicht leicht: Es gibt nicht nur die Aussage Raffensbergers, sondern auch Geständnisse anderer in die Vorgänge in Georgia involvierter Mitangeklagter. Auch dass Trump beim Supreme Court erreicht hat, dass er bezüglich aller Handlungen, die er in seiner Funktion als Präsident gesetzt hat, Immunität genießt, hilft ihm in Georgia wenig, denn einen Anruf, ihm dringend fehlende Stimmen zu beschaffen, können selbst von ihm ernannte Höchstrichter schwer unter seine Funktion als Präsident subsumieren. Dennoch, und das ist das Absurde an der Situation, hielte ich es für ein Glück, wenn es so wäre. Denn dann müsste Trump nicht Angst haben, im Fall seiner Wahlniederlage im Gefängnis zu landen – so hingegen muss er sie sehr wohl haben, und das Risiko, dass er es vorzieht, seine Anhänger zum Bürgerkrieg aufzurufen, weil ihm „zum zweiten Mal der Wahlsieg gestohlen wurde“, ist gewaltig.

 

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Der zunehmend entmachtete Wähler

In den USA hat das Große Geld gewaltigen Einfluss darauf, wer Präsident wird. In Europa weiß der Wähler zunehmend seltener, welcher Koalition er zur Regierung verhilft.

Wenn US-Kommentatoren begründen, warum Kamala Harris gute Chancen hat, Donald Trump zu schlagen, führen sie an erster Stelle an, wie viele Spenden-Millionen  sie in kurzer Zeit zu mobilisieren vermochte. Auch mich freut ihre gute finanzielle Lage im konkreten Fall – nur dass es eigentlich gespenstisch ist, dass die Wahl zum US-Präsidenten offenbar stark davon abhängt, wie viel Geld ein Kandidat zur Verfügung hat. Es wäre nicht ganz so problematisch, wenn durchwegs der die meiste Spenden einnähme, der sich eben von vornherein der größeren Beliebtheit erfreut, denn ein einzelner Sympathisant darf ihm maximal dreitausend Dollar spenden. Nur tun sich Kandidaten, die voran die weiße Oberschicht ansprechen, dabei sehr viel leichter als Kandidaten, die stark auf Farbige und Latinos angewiesen sind. Soeben wurde die mögliche Höhe der Spende zudem erhöht: Ein republikanischer Spender aus Alabama klagte gegen die Begrenzung der Spenden auf eine Person, weil das der Meinungsfreiheit widerspreche und der Supreme Court gab ihm mit 5 Stimmen republikanischer Höchstrichter gegen 4 Stimmen demokratischer Höchstrichter recht. Seither kann man die dreitausend  Dollar mehreren Kandidaten, vor allem aber zusätzlich der Partei des bevorzugten Kandidaten spenden.

Der angebliche Schutz der Meinungsfreiheit spielt aber eine für die US-Demokratie noch viel verheerendere Rolle:  2010 entschied der Supreme Court, dass Meinungsfreiheit nur gewährleistet sei, wenn  auch Unternehmen, Gewerkschaften oder andere Lobbys Geld dafür einsammeln und ausgeben dürfen, bestimmte politische Inhalte zu propagieren und Kandidaten zu unterstützen. Damit war die Möglichkeit geschaffen, den Wahlkampf mit Hilfe sogenannter „PACs“ (Political action commitee)oder „Super-PACs“ zu gewinnen. Der Hauptunterschied  besteht darin, dass ein PAC sein Geld direkt an Kandidaten und Parteien vergeben kann, beim Einsammeln aber massiven Beschränkungen unterliegt. Super-PACs hingegen sind zwar verpflichtet, ihr Geld nicht in Hinblick auf eine bestimmte Partei oder einem bestimmten Kandidaten, sondern „unabhängig“ für ihre politischen Anliegen zu verwenden, unterliegen beim Einsammeln des Geldes aber keinerlei Beschränkung. Dass sie nachträglich bekannt geben müssen, wer ihnen wie viel gespendet hat, schafft zwar eine gewisse Transparenz, mindert ihre Problematik aber kaum: Mit den gewaltigen Summen, die Superpacs einsammeln können, ist ihr Einfluss auf die Politik zwangsläufig gewaltig. Ein Unternehmen Elon Musks darf Donald Trump zwar kein Geld überweisen, wohl aber dem Super-PAC MAGA Inc. 40 Millionen Dollar, denn warum soll es nicht dessen unabhängiges Interesse sein, to Make Amerika Great Again. Dazu interviewte Musk Trump drei Sunden auf X (vormals Twitter), ohne dass es als Spende gilt.

Die zitierte Entscheidung des Supreme Court von 2010 gilt nicht nur für die Wahl des Präsidenten, sondern auch jedes einzelnen Gouverneurs, Senators oder sonstigen Mandatar und sorgt damit zwangsläufig für einen gewaltigen Einfluss des großen Geldes auf die Politik – bösartig könnte man sagen: In den USA lassen sich politische Entscheidungen kaufen. Man kann sich nur damit trösten, dass Kandidaten der Demokraten nicht zwingend weniger Pacs und Superpacs als Kandidaten der Republikaner an ihrer Seite haben. So hatte die Demokratin Hillary Clinton zum Beispiel ein größeres Wahlkampfbudget als Donald Trump und unterlag ihm dennoch. Denn ein Wahlsystem, bei dem bestimmte Staaten viel mehr „Wahlmänner“ pro Einwohnerschaft haben und bei dem in machen Staaten alle Wahlmänner dem Kandidaten gehören, der dort gesiegt hat (The Winner Takes It All), selbst wenn dieser Sieg ein ganz knapper war, machte möglich, dass Hillary Clinton die Wahl auch verlieren konnte, obwohl sie insgesamt fünf Millionen Stimmen mehr als Trump bekommen hatte.

Europas Wahlsysteme sind dem der USA also sowohl rein technisch weit überlegen als auch ungleich weniger dem großen Geld ausgeliefert, obwohl es natürlich auch in Österreich von Bedeutung ist, wenn Millionäre wie die Brüder Fellner oder Christoph und Eva Dichand  mit den größten Zeitungen Meinung machen. Trotzdem lehrt der Vergleich mit den USA hoffentlich, unser System der hohen staatlichen Parteienfinanzierung, der Spenden- und Wahlkampfkosten Obergrenzen zu schätzen, statt es zu kritisieren. Bei uns und in vielen anderen Ländern Europas schränkt ein ganz anderes Problem die Durchsetzung des Wählerwillens zunehmend ein: Indem es zunehmend weniger Länder mit zwei extrem großen Parteien gibt, hängt die tatsächliche Regierung zunehmend von Koalitionen ab. Und da Parteien nicht gezwungen sind, vorher bekanntzugeben, mit wem sie koalieren, hat der Wähler immer weniger Einfluss, zu welcher Regierung es kommt. Dass es in Deutschland zur eher links dominierten Regierung aus SPD, Grünen und FDP statt zur rechts dominierten aus CDU/CSU, FDP und Grünen gekommen ist, entschied nicht der Wähler, sondern Christian Lindner als FDP-Chef. Und wer demnächst ÖVP oder SPÖ wählt, weil er sich deren Koalition wünscht und auf keinen Fall Herbert Kickl zum Kanzler haben will, kann ihn dennoch bekommen, wenn Karl Nehammer  den Hut nehmen muss, weil die ÖVP nur Dritte geworden ist. Die ständige Politiker-Aussage „Das wird der Wähler entscheiden“, wird so zunehmend zur Frotzelei. Die Medien müssen dringend Koalitionsaussagen einfordern, sonst wird die Politikverdrossenheit wachsen.

 

 

 

 

 

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Kursrückgang: Ein Wahlgeschenk für Trump

In bundesweiten Umfragen zurückgefallen, kann Donald Trump die Demokraten dank gesunkener Aktienkurse für angeblich katastrophales Wirtschaften verantwortlich machen.

Donald Trump lag, wenn auch nur bundesweit, in Umfragen erstmals hinter Kamala Harris, als ihm am vergangenen Montag ein Wahlgeschenk zuteil wurde. das er in den kommenden Wochen ausschlachten wird: Der Einbruch der US-Börsen gibt ihm die Möglichkeit zu behaupten, dass die Administration Biden-Harris katastrophal gewirtschaftet hätte- so wenig das der Wahrheit entspricht. Weil viele Amerikaner Aktien besitzen können die hohen Verluste sehr prominenter, (populärer) Aktien auch direkten Einfluss auf das Wahlverhalten haben.

Anlass der Kursverfalls (S&P -4 Prozent Nasdaq 100 -5,5 Prozent) waren bekanntlich überraschend schlechte Daten vom US-Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit war signifikant gestiegen und die Zahl neuer Jobs lag signifikant unter den Erwartungen. Das konnte die Sorge wecken, dass die US- Wirtschaft einer Rezession entgegengeht und als Lokomotive „westlichen“ Wirtschaftswachstums ausfällt, nachdem schon Deutschland als Lokomotive europäischen Wirtschaftswachstums ausgefallen ist. Jedenfalls führte diese Sorge zu einer Panik an der Börse von Tokio, weil dort drei Ängste  zusammentrafen:

  • Das gestiegene Risiko eines Flächenbrandes in Nahost schürte die Angst, dass sich Öl und Lieferungen durch den Suezkanal neuerlich verteuern.
  • Eine Aufwertung des Yen schürte die Angst, dass Japans Waren im Export zu teuer wären.
  • Wenn mit den USA  Japans größter Exportmarkt tatsächlich schwächelte, so  musste das begreifliche Angst vor einem dramatischen Rückgang japanischer Exporte schüren.

Summiert bewirkten diese Ängste Japans schlimmsten Börsencrash seit Jahrzehnten. (Nikkei -12,4 Prozent) Die Schockwelle, die der Mega-Crash der fünftgrößten Börse der Welt auslöste, ließ, den Zeitzonen folgend, zuerst Europas Börsen einbrechen und erreichten vergangenen Montag Mittag unserer Zeit ihren Ausgangspunk USA. Dort brachen voran die Aktien massiv ein, die zuvor einen vielleicht übertriebenen Hype erlebt hatten- allen voran NVIDIA (- 14,5 Prozent) das Chips für „Künstliche Intelligenz“ herstellt: Die Investoren zweifelten plötzlich, dass KI so rasch Gewinne generieren wird. Der allen Börsen eigene Herdentrieb riss alle Technologie-Werte mit nach unten. Ebenso unter die Räder kam die seit jeher massiv überbewertete Aktie von Tesla, weil der Gewinn aus dem E-Auto-Geschäft zuletzt sehr dürftig ausgefallen war. Und weil Starinvestor Warren Buffet sich von der Hälfte seiner Apple-Aktien trennte, stürzte auch diese prominente Aktie ab und das riss sämtliche Kurse mit, so wenig das dem Zustand der US-Wirtschaft entsprach.

Dass die Arbeitslosen-Zahl, die am Beginn dieser Kettenreaktion steht, so hoch ausgefallen war, hatte nämlich einen speziellen Grund: Weil es in den USA, wie in der EU, 2022 eine Inflation gegen 10 Prozent gegeben hat, hatte die US-Notenbank FED schon vor der EZB die Zinsen erhöht. Sinn dieser Maßnahme laut Lehrbuch: ein Boom soll abklingen, die Auslastung der Unternehmen soll sinken und die Arbeitslosigkeit soll steigen, so dass es Arbeitskräften schwer fällt, Lohnerhöhungen durchzusetzen. Denn offenbar sah die FED die Hauptursache für die Inflation in überhöhten Löhnen. Diese Sicht war in den USA nicht so unberechtigt wie in der EU, denn sowohl unter Donald Trump wie unter Joe Biden waren die Löhne stark gestiegen. Der größere Teil der Inflation wurde auch in den USA durch die weltweite drastische Verteuerung von Öl und Gas bewirkt, die die Kürzung der Öl-Förderung durch Russland und die OPEC mit sich gebracht hat.

Allerdings gingen der Öl und Gaspreis schon sehr bald wieder zurück, weil die USA mehr in ihr Fracking investierten, weil Norwegen mehr Gas förderte, weil kleine Produzenten außerhalb der OPEC mehr Öl lieferten und alternative Energiequellen zunahmen. Im gleichen Ausmaß ging die Inflation zurück, die ich lieber Teuerung nenne, solange es sich nicht um einen sich selbst verstärkenden Prozess handelt, bei dem Lohnerhöhungen die entscheidende Rolle spielen. War die von der EZB extrem rasch vorgenommene massive Zinserhöhung mit Sicherheit falsch, weil die Reallöhne in der EU vielfach sogar gefallen waren, so war die Zinserhöhung der FED  insofern besser  gerechtfertigt, als hohe Löhne jedenfalls eine Rolle für die Teuerung spielten, vor allem aber, weil die USA unter Biden reichlich investierten, so dass Geld nach der Überwindung der Pandemie, anders als in der EU, nicht mehr billig sein musste, um Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Dennoch war die FED vorsichtiger als die EZB vorgegangen, indem sie ihre Zinsen in viel kleineren Schritten erhöht hatte, obwohl die starke US -Wirtschaft teureres Geld viel besser als die schwache EU-Wirtschaft vertrug Vorerst hat die US-Börse die Hälfte ihrer Verluste jedenfalls schon aufgeholt und die FED dürfte bald einen größeren Zinsschritt nach unten vornehmen. Ob er reichen wird, die Wahlchancen von Kamala Harris und Tim Walz durch perfekte Konjunkturdaten zu unterstützen erhöhen, ist schwer zu sagen.

 

 

 

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Die Kirche bleibt frauenfeindlich

Polens Unterhaus lehnt es ab, das geltende Abtreibungsverbot auch nur minimal zu mildern. Angesichts der Frauenfeindschaft des Islam wird die unserer Kirchen vergessen.

 Polens Unterhaus hat abgelehnt, das geltende Abtreibungsverbot so zu mildern, dass ein Schwangerschaftsabbruch wenigstens bei Vergewaltigung oder Missbildung des Fötus möglich wäre. Das Versprechen einer solchen Reform war der vermutlich entscheidende Grund dafür, dass eine Koalition unter Führung der Bürgerplattform  Donald Tusks 2023 die Regierung der konservativen PIS ablösen konnte. Doch die Abstimmung über die Abtreibung zeigte, dass es im katholischen Polen selbst in Tusks Koalition Abgeordnete gibt, die in Abtreibung „Mord“ sehen.

Zwangsläufig stärkt das Scheitern der Reform die PIS, die für sich alleine genommen nach wie vor stimmstärkste Partei Polens ist. Denn wirtschaftlich war sie durchaus erfolgreich: Es war nicht zuletzt ihr Verdienst, dass Polen seine Staatswirtschaft von allen Staaten des einstigen Ostblocks am besten in eine  Marktwirtschaft überführte. Die Landbevölkerung kam nicht unter die Räder der Industrialisierung, und die christlich-soziale Prägung der Gesellschaft sorgte dafür, dass die für viele ex-kommunistische Volkswirtschaften so typische Spaltung in weiterhin Arme und extrem Reiche in Polen nicht so drastisch ausfiel. Es ist daher keineswegs sicher, dass die liberale Regierung Tusks wirtschaftlich vergleichbar erfolgreich sein wird und zusammen mit der gescheiterten Reform der Abtreibung kann sie das sehr bald die Zustimmung der Mehrheit kosten – man muss die Rückkehr Polens unter die Fittiche der EU-kritischen, fundamental katholischen PIS leider für jederzeit möglich halten.

Angesichts eines Islam, der Frauen im Extremfall zwingt, im Gefängnis einer Burka mit vergittertem Sehfeld zu leben, wird vergessen, wie frauenfeindlich auch das Christentum ist. Indem es gebietet, mit Gott-Vater und Gott-Sohn zwei Männer als allgewaltig und allwissend anzuerkennen, sorgt es für jene patriarchalen Herrschaftsverhältnisse, die ich für eine zentrale Ursache von Krieg und Unterdrückung halte. Restlos undemokratisch organisiert, war voran die katholische Kirche Stütze noch jedes faschistischen Regimes, ob Benito Mussolinis, Engelbert Dollfuss` oder Francisco Francos und natürlich steht die orthodoxe Kirche heute fest hinter Wladimir Putin. Noch nie haben christliche Kirchen Massenmördern, sei es Adolf Hitler, sei es Josef Stalin, offen die Stirn geboten, sondern sich selbst mit ihnen arrangiert. Österreichs Bischöfe unterschrieben bekanntlich mit „Heil Hitler.“

Dazu passt, dass alle faschistoiden Regime Abtreibung als „Mord“ qualifizieren und zu Lasten der Frauen mit besonderer Schärfe verfolgen, sahen mit ihnen verbündete Kirchenväter in Frauen doch Menschen zweiter Klasse. Hatte es in vorchristlichen Gesellschaften, etwa Ägyptens, auch weibliche Götter gegeben und konnten Frauen Herrscherinnen sein, so konnte die hebräische Frau im alten Testament des Christentums verstoßen, ja getötet werden, wenn sie dem Mann nicht gehorchte und war „unrein“, wenn sie die Regel hatte. Mit Jesus gab es zwar eine kurze Zwischenphase, in der sich die Stellung der Frau verbesserte – bekanntlich erlaubte er Maria Magdalena sogar seine Lehre zu verbreiten – aber schon hundert Jahre später wies das Thomas- Evangelium der Frau wieder die alte Stellung zu: „Ein Weib lerne in der Stille und in aller Untertänigkeit“. Das fand der polnische Papst Johannes Paul II noch 1988: „Eine Frau soll still zuhören und sich ganz unterordnen. Ich gestatte es keiner Frau zu lehren und sich über den Mann zu erheben. Zuerst wurde ja Adam geschaffen und dann erst Eva“. Die diesbezügliche katholische Tradition ist beeindruckend. Schon 200 nach Christi hatte der Kirchenlehrer Tertullian in Eva die „Eingangspforte des Bösen“ gesehen:  „Du bist es, die dem Teufel Eingang verschafft hat.“ „Allein das Bewusstsein ihres Wesens muss die Frau mit Scham erfüllen“, assistierte ihm sein Kollege Clemens Alexandrinus. Augustinus als wichtigster aller Kirchenlehrer wies der Frau im 5. Jahrhundert endgültig wieder den Platz zu, den sie vor Jesu` Geburt innehatte: „Das Weib ist ein minderwertiges Wesen, das von Gott nicht nach seinem Ebenbild geschaffen wurde.“

Das ist der katholische Hintergrund, vor dem das Recht der Frau, über ihren Körper zu verfügen, gesehen werden muss: Wenn ein Mann ihr ein Kind gemacht hat, hat sie es zu kriegen – den Fötus abzutreiben ist „Mord“. Dass es nichts Inhumaneres gibt, als einer Frau zuzumuten, ein Kind zu bekommen, das sie nicht bekommen will und einem Kind zuzumuten geboren zu werden, obwohl die Mutter es nicht wollte, sieht die Kirche nicht. Sie meint der Wissenschaft zu folgen, indem sie davon ausgeht, dass aus der mit einer Samenzelle vereinigten Eizelle zweifellos ein Mensch werden kann, obwohl noch kein Botaniker einen Zwetschgenkern einem Zwetschgenbaum gleichgesetzt hat,  obwohl er zweifellos dazu werden kann und obwohl jemand, der ein angebrütetes Ei zerschlägt, sich nicht der Tierquälerei schuldig macht, obwohl daraus ein Huhn würde.

Die Kirche war -in für sie typischen absurden Grenzen- schon einmal weiser: 1771 nahm sie an, dass der männliche Fötus erst nach 40, der weibliche erst nach 80 Tagen eine Seele bekommt, so dass davor nicht zwingend Mord vorliegt.

Sobald die Frau ein zweites Wesen in sich spürt, wird Abtreibung auch für sie selbst zum Problem, sieht es die Fristenlösung ohne absurde Unterscheidung im männliche und weibliche Föten gar nicht soviel anders.

 

 

 

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