Österreichs kritisch hohe Lohnabschlüsse

Tariflohn-Abschlüsse um die 9 Prozent gegenüber nur 2,4 Prozent unseres größten Handelspartners Deutschland werfen für uns ein Problem auf- für andere ist es gravierend.

Während das 2,2 Milliarden Bau-Paket der Regierung, wie die meisten von den Sozialpartnern geschnürten Pakete, dazu beitragen wird, den Einbruch der Baukonjunktur abzufedern, den die EZB mit ihrer Hochzinspolitik verursacht und soeben prolongiert hat, dürften uns die von den Sozialpartnern 2023 vereinbarten Lohnabschlüsse in Zukunft größere Probleme bescheren, denn laut einer soeben veröffentlichten Untersuchung der EZB waren es die höchsten Europas.

Die EZB-Ökonomen haben sich die Lohnabschlüsse der größten Volkswirtschaften, Deutschland, Frankeich, Italien, Großbritannien, in Relation zu denen der eher kleinen, Holland, Spanien, Griechenland, Österreich im Detail  angeschaut: Im Schnitt erhöhten sich die Tariflöhne um 4,5 Prozent- doch Österreich lag mit fast 9 Prozent am weitesten darüber, und, das macht es so kritisch, unser größter  Handelspartner, Deutschland, lag mit 2,4 Prozent am weitesten darunter.

Möglich wurde das, weil die deutschen Gewerkschaften eine Erhöhung der Tariflöhne über zwei Jahre hinweg akzeptierten, die sich relativ wenig von früheren Abschlüssen unterschied – nur dass sehr hohe Einmalzahlungen hinzukamen, um die extreme Inflation abzugelten. Rechnet man die Einmalzahlungen mit, so ergibt sich ein momentaner Einkommenszuwachs deutscher Arbeitnehmer von 3,7 Prozent – aber nur die 2,4 Prozent erhöhen das fortdauernde deutsche Lohnniveau. Die Einmalzahlungen bleiben, passend zur abklingenden Inflation durch verteuertes russisches Gas, ein nur temporäres Phänomen: sie erhöhen das deutsche Lohnniveau nicht dauerhaft.

Dagegen schaffen unsere fast neun Prozent höheren Tariflöhne in einer Wirtschaft, in der zu 80 Prozent Kollektiverträge gelten, im Export Probleme, die uns eine Weile begleiten könnten.

Zwar wurde etwa mit der Metaller- Gewerkschaft vereinbart, dass Betriebe, die mit dem Abschluss von 8,6 Prozent Probleme haben, mit ihrer Belegschaft doch etwas geringere Lohnerhöhungen vereinbaren können, und ich nehme an, dass das selbst in ziemlich guten Betrieben geschehen ist, aber selbst für die besten ist der hohe Abschluss ein Problem. Haben sie die Löhne tatsächlich um 8,6 Prozent erhöht, so muss man auf einen Effekt hoffen, der 1980 zu beobachten war, als Hannes Androsch den Schilling gegen heftigen Widerstand  der Industriellenvereinigung weiter an die harte D-Mark band und österreichische Waren damit international wesentlich verteuerte: Die betroffenen Betriebe steigerten die Qualität ihrer Produkte und die Effizienz ihrer Produktion daraufhin derart, dass sie dennoch konkurrenzfähig blieben. Im Endeffekt bescherte uns das die besten Klein- und Mittelbetriebe neben denen der Schweiz und Deutschlands. Denn hohe Löhne haben den Vorteil, eine Peitsche für die Produktivität zu sein: Es ist kein Zufall, dass Holland, das seit 1997 „Lohnzurückhaltung“ übt, den geringsten Produktivitätszuwachs seiner Geschichte verzeichnet und dass Österreichs Metallindustrie gegenüber der Deutschlands, mit seiner so massiven Lohnzurückhaltung einen Produktivitätsvorsprung errungen hat: unsere Metallunternehmen sind absolute Weltklasse.

Dennoch verlangen die zitierten Lohnabschlüsse ihnen in Konkurrenz zu erstklassigen deutschen Unternehmen Gewaltiges ab. Ich habe, als der Metaller- Abschluss verhandelt wurde, hier zwar richtig darauf hingewiesen, dass die Benya-Formel, wonach Löhne um den Produktivitätszuwachs plus Vorjahresinflation steigen sollen, nicht mehr angewendet werden darf, wenn die Inflation nicht auf den üblichen moderaten Lohnerhöhungen des Vorjahrs, sondern auf der außergewöhnlichen, extremen Verteuerung russischer Gasimporte beruht – aber ich habe  in den erzielten 8,6 Prozent bei erstmals zwei Jahren Laufzeit, ein gutes Resultat gesehen.  Das ist mir, seit ich die deutsche Vergleichszahl im Detail kenne, nicht mehr möglich: unser so viel höherer Lohnabschluss birgt, wie der Unterhändler der Metallindustrie Christian Knill und der Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill zu Recht befürchtet haben, das Risiko, uns Jobs zu kosten. Denn natürlich verteuert ein Lohnabschluss von 8,6 Prozent Waren erheblich mehr, als einer von 2,4 Prozent und kostet entsprechende Wettbewerbsfähigkeit. Dazu erhöht er im Inland die Inflationsrate und fordert damit womöglich den nächsten problematischen Lohnabschluss heraus.

Dass sich Deutschlands Waren auf Grund seiner so niedrigen Lohnabschlüsse am wenigsten verteuern, schafft aber nicht nur uns ein Problem, sondern verschärft auch das hier schon oft erörtertes Grundproblem des „Südens“ der  EU: Schon bisher haben ihn die niedrigen Lohnstückkosten, die Deutschland auf Grund seiner „Lohnzurückhaltung“ aufweist, massiv Marktanteile gekostet – das könnte auf Grund der niedrigen aktuellen deutschen Lohnabschlüsse noch mehr der Fall sein, denn in Frankreich lagen die Abschlüsse bei 4,8, in Italien bei 5,8 Prozent.

Insofern ist das Jammern der Deutschen über den angeblichen Niedergang ihres Industriestandorts verfehlt, auch wenn die niedrigen Löhne (= die niedrige Kaufkraft seiner Bevölkerung) Deutschland das Exportmodell aufgezwungen haben, das derzeit an Grenzen stößt.

Österreich kann sein so hoher Lohnabschluss zwar vielleicht ein blaues Auge aber keine Katastrophe bescheren, aber voran bei Italiens frage ich mich, wie lang es die so niedrigen deutschen Preise aushält.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Olaf Scholz` historisches Versagen

Es fällt schwer, Deutschlands Kanzler Olaf Scholz bei seiner Ukrainepolitik zu folgen.

Obwohl ich es für falsch halte, kann ich intellektuell zumindest nachvollziehen, dass er Wolodymyr Selenskyj keine Taurus Marschflugkörper liefert, weil sie dank ihrer Reichweite von 500 Kilometern sogar Moskau bombardieren könnten und er Selenskys Versprechen misstraut das sicher nicht zu tun.

Ich kann ferner zumindest nachvollziehen, dass er keine liefert, weil er, im Gegensatz zu vielen Experten, überzeugt ist, dass es deutsche Soldaten vor Ort braucht, um sie zu verwenden. Aber jegliches Verständnis meinerseits endet bei Scholz Weigerung, einem „Ringtausch“ zuzustimmen, der vom Großbritannien vorgeschlagenen und von Scholz´ grüner Außenministerin Annalena Baerbock  empfohlenen wurde: Deutschland möge einige seiner 600 Taurus -Marschflugkörper an Großbritannien liefern, und dieses liefert Selenskyj  britische Marschflugkörper des Typs „Storm Shadow“ die nur 250 Kilometer Reichweite haben und auf keinen Fall deutsche Soldaten vor Ort zu ihrer Verwendung brauchen.

Historiker werden dereinst schreiben: Olav Scholz hat die realistische Chance, dass Wladimir Putin bei seinem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine wenigstens nicht das Maximalziel – die Einnahme der gesamten Territoriums – erreicht, auf absurde Weise verspielt. Der einzige Kompromiss, der eine realistische Chance hat -ein Frieden unter Verzicht auf die Krim und vielleicht einen Teil des Donbas – ist nur zu erreichen, wenn die Ukraine über Marschflugkörper oder Raketen vergleichbarer Reichweite verfügt.

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Weiter am Trittbrett – zu höheren Kosten

Wir haben keine Sicherheitsdoktrin, kaufen aber Panzer für Milliarden. Neutrales Trittbrettfahren bleibt dennoch weiterhin relativ billig und relativ ungefährlich.

Eigentlich sollte die Regierung Österreichs neue Sicherheitsdoktrin bekanntgeben, die der Bedrohung durch Russland Rechnung trägt. Stattdessen gab sie bekannt, dass sie für 1,8 Milliarden Euro 225 Pandur- Radpanzer kauft. Allerdings sind das, vor allem mit zusätzlich gekauften Luftabwehrsystemen, Fahrzeuge, deren Eignung für konventionelle Kriegsführung außer Streit steht. Da sie von General Dynamics in Wien gefertigt werden, kommt ein Gutteil der Milliarden unserer Wirtschaft zu Gute. Leider ist nur NEOS- Chefin Beate Meinl Reisinger der Meinung, dass sie auch im Rahmen der Beistandspflicht der EU eingesetzt werden sollten – sie wären dazu jedenfalls geeignet.

Schon die bisher größte Investition in die Landesverteidigung, der Kauf der Eurofighter unter Wolfgang Schüssel, erfolgte ohne geklärte Sicherheitsdoktrin: Schüssels schwarzblaue Koalition spielte 2003 mit der Idee eines Nato-Beitritts, schreckte aber davor zurück, als Umfragen ihr zeigten, wie unverbrüchlich die Österreicher an der Neutralität hängen. Diesmal erklärte Karl Nehammer die Neutralität von vorherein für sakrosankt – Experten, die hofften, ein NATO-Beitritt würde zumindest diskutiert, hofften vergeblich. Darauf angesprochen meinte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die Österreicher hätten durch ihr Bekenntnis zur Neutralität und ihre Haltung zum Bundesheer stets bestes Gespür für ihre Sicherheit bewiesen.

In meinen Augen beweist die Volksabstimmung gegen ein Berufsheer und der Applaus für die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate im Gegenteil, wie sehr dieses Gespür ihnen fehlt. Denn um nicht bloßes Kanonenfutter zu sein, muss man moderne Waffensysteme bedienen können und das erlernt man nicht in sechs Monaten. Zurecht zweifelte Armin Wolf, dass wir auch nur genug Personal hätten, den Pandur zu bedienen- und selbst, wenn Wehrdiener es erlernen sollten, verlassen sie das Heer nach sechs Monaten wieder. Männern, die “Soldat“ als Beruf gewählt haben, ist auch am ehesten zuzumuten, ihr Leben zu riskieren – dafür sind sie entsprechend zu bezahlen, weshalb ein Berufsheer teurer als ein Heer Wehrpflichtiger kommt. Um wieviel effizienter es freilich ist, konnte man beim Falklandkrieg sehen: 5000 britische Marinesoldaten vermochten die Insel in sechs Wochen von der benachbarten riesigen Armee der argentinischen Junta zurückzuerobern.

Als reiches Land beim Heer zu sparen ist absurd, sofern man nicht die Möglichkeit des Trittbrettfahrens ins Auge fasst. Dass Österreich, wie die Schweiz, auch für sich ein ernsthafter Gegner eines Aggressors wäre, ist pure Illusion. Gleichzeitig strotzt die Vorstellung, dass Neutralität uns schütze, von Ahnungslosigkeit: Adolf Hitler überfiel nacheinander die neutralen Staaten Luxemburg, Belgien, Holland, Dänemark und Norwegen. Dass er die Schweiz nicht überfiel, lag nicht an ihrer Neutralität, sondern daran, dass die Generäle Manstein und Guderian ihn überzeugt hatten, dass es erfolgversprechender ist, Frankreich über die angeblich nicht panzergängigen belgischen Ardennen als auf dem Weg durch die Schweiz zu überfallen. Erst in der Folge spielte eine Rolle, dass Schweizer  Banken für Deutschland von Nutzen waren und dass die allfällige Eroberung der Schweiz militärisch aufwendig gewesen wäre, weil ihr Oberbefehlshaber Henry Guisan eine kleine Gebirgsregion (das „Reduit“) derart befestigt hatte, dass es lange gedauert hätte, bis die Schweiz kapituliert. Allerdinge hat sich auch Guisan nicht auf Schweizer Militär verlassen, sondern mit Frankreich vereinbart, dass es der Schweiz zu Hilfe kommt, wenn Hitler sie überfällt. Die offizielle Schweiz bestreitet diesen Neutralitätsbruch mit der Begründung, der Bundestag hätte diesen Vertrag des Volkshelden mit Frankreich nicht gekannt.

Dass die Schweiz bei ihrer Neutralität bleibt – diskutiert wird sie sehr wohl – hat auch bei ihr voran emotionale Gründe: immerhin geht es um eine Jahrhunderte alte Tradition. Dass es teurer ist, einem Feind allein und neutral erfolgreich die Stirn zu bieten als Teil eines funktionierenden Bündnisses zu sein, spielt für das reichste Land der Welt keine Rolle. Indem sie ein Vielfaches Österreichs in ihre Landesverteidigung investiert hat, besitzt die Schweiz ein hochgerüstetes Heer, in das sie jetzt nur massiver weiter investiert. Dazu liegen in ihren Banktresoren Milliarden aus den Ländern jedes potentiellen Aggressors, und nicht zuletzt ist sie von NATO-Staaten umgeben.

In Österreich entspringt die Heiligsprechung der Neutralität neben der historischen Unkenntnis dem Erlebnis, dass unser Wirtschaftswunder, wenn auch rein zufällig, ziemlich exakt mit dem Staatsvertrag und der dort ursprünglich widerwillig vereinbarten Neutralität einsetzte und dass sie uns mit so angesehen Staaten wie Schweden und Schweiz in eine Reihe stellte. Gleichzeitig erspart uns die Neutralität eigene Söhne dem Risiko eines Kampfeinsatzes auszusetzen und billiger – wenn auch unter grober Missachtung der Verpflichtungen eines neutralen Staates – ist Trittbrettfahren trotz nunmehr erhöhter Kosten allemal. Umgeben von lauter Nato-Staaten und der Schweiz ist Österreich auch in der Ära Wladimir Putins ziemlich sicher – nicht so sicher wie ein Nato-Staat, aber nicht so unsicher, dass man sich fürchten müsste. Österreichs militärische Unterentwicklung ist nicht lebensgefährlich – nur unsolidarisch.

 

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Wie Deutschland sich selbst ausbremst

Die deutsch dominierte EZB-Politik lässt das deutsche Exportmodell mit angezogener Schuldenbremse in die Rezession fahren. Wenn die EZB nichts ändert fahren wir mit.

Europas größte Volkswirtschaft, Deutschland, weist mit 0,3 Prozent das zweitniedrigste Wirtschaftswachstum der EU aus. Verständlich, dass das die Berichterstattung deutscher Medien beherrscht und in Österreich entsprechendes Echo findet, ist Deutschland doch unser wichtigster Handelspartner.

Nicht nur CDU-CSU oder AfD, sondern auch Deutschlands Bevölkerung, schreiben Deutschlands Problem der aktuellen Regierung aus SPD, Grünen und FDP zu. Das stimmt freilich, wie in Österreich, nur sehr ungefähr. Die Wurzeln des Problems reichen bis ins Jahr 2000 zurück, als die SPD-Regierung Gerhard Schröders mittels Hartz IV „Lohnzurückhaltung“ sicherstellte: Seit damals fiel die Kaufkraft der deutschen Bevölkerung immer weiter hinter die Menge der in Deutschland produzierten Waren zurück– es musste immer mehr davon im Export verkaufen. Das gelang, weil „Lohnzurückhaltung“ die Waren zu Lasten der Arbeitnehmer verbilligte und weil andre Regionen, von der EU über die USA bis China, sich gegenüber Deutschland verschuldeten. Derzeit ist das nur mehr begrenzt der Fall: Den EU-Ländern erlaubt der Spar-Pakt nur begrenzte Verschuldung; die USA begünstigen eigene Waren durch geringere Besteuerung, nicht anders als Deutschland, das seine durch inadäquate Löhne begünstigt. Zugleich lahmt Chinas Wirtschaft. Das deutsche “Modell” zwingender Exportüberschüsse ist somit an Grenzen gelangt.

Gleichzeitig hat Angela Merkel 2012 mit dem „Austerity-Pakt“ nicht nur alle anderen EU- Mitglieder gezwungen, die Grenzen, die der Maastricht-Vertrag der Staatsverschuldung setzt, auch tatsächlich einzuhalten, sondern Deutschlands eigenes Wachstum hat darunter zunehmend gelitten, verlangt die „Staatsschuldenbremse“ doch, die Staatsschuld mit 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen, obwohl es keine vernünftige Begründung für diese Grenze gibt: Staaten die sie nicht einhalten, fahren wie Japan um nichts schlechter oder wie die USA sogar wesentlich besser. Die Berechnungen des Ökonomen Kenneth Rogoff mit der sie begründet wird, erwiesen sich schlicht als falsch und die 60 Prozent kommen selbst bei ihm nicht vor.

Zwar litt die gesamte EU im Zuge der diversen Krisen, die es zu überwinden galt (von der Finanzkrise über die Corona und Energie-Krise bis zu aktuellen Teuerung) besonders unter der „Schuldenbremse“, aber kein Land versuchte im Ausmaß Deutschlands, sie einzuhalten, dessen aktueller Finanzminister Christian Lindner sie zum Markenzeichen der FDP erhoben hat. Keine Koalition, an der die FDP teilhätte, schon gar nicht eine mit der kaum minder schuldenkritischen CDU-CSU, könnte das Problem beseitigen, das daraus resultiert: Wenn der deutsche Staat seine Einkäufe grundsätzlich einschränkt, können Unternehmen in Deutschland unmöglich mehr verkaufen. Gleichzeitig musste die deutsche Infrastruktur verfallen: Auch die konservativsten Zeitungen bestreiten nicht mehr, dass Bundeswehr oder die Bundesbahnen kaputtgespart wurden, dass Straßen und Brücken verkommen und Schulen immer schlechter funktionieren, was künftig Leistung kosten wird. Dennoch konnte auch Lindner nicht anders, als die Schuldenbremse auszutricksen, um wenigstens in den Klimaschutz zu investieren: er verwendete bekanntlich unzulässig Geld, das seinem Vorgänger zur Bewältigung der Pandemie bewilligt worden war. Und natürlich ist auch ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden zur Sanierung der Bundeswehr nichts anderes als ein Aussetzen der Schuldenbremse.

Das Problem ist, dass weder FDP, noch CDU/CSU, noch die führenden Ökonomen des Landes erkennen, dass die Staatsschuldenbremse grundsätzlich unsinnig ist, indem sie Wirtschaftswachstum grundsätzlich hemmt. Irgendwann sollte es doch Sorge bereiten, dass sich der Abstand zum BIP pro Kopf der USA, die keine Schuldenbremse kennen, in zwanzig Jahren verdreifacht hat. Natürlich mögen auch übertriebene Bürokratie und konkrete Fehler der Regierung Scholz Anteil am niedrigen deutschen Wirtschaftswachstum haben – aber ohne die Staatsschuldenbremse zu lösen werden weder Deutschland noch Europa kräftig wachsen.

Dass es sogar zur Rezession kam, ist der EZB zu danken. Obwohl die 2021 in der EU einsetzende Teuerung ausschließlich durch die extreme Verteuerung russischen Erdgases zustande kam, und, anders als in den USA, nicht das Geringste mit steigenden Löhnen zu tun hat -die deutsche „Lohnzurückhaltung“ ließ sie nirgends in der EU so dramatisch steigen- steigerte die EZB ihren Zinssatz dramatisch und rascher als es selbst bei echter Lohnbedingter Inflation sinnvoll gewesen wäre.

Auch daran hat Deutschland wesentlichen Anteil. Denn während EZB-Chefin Christin Lagarde die Zinsen ursprünglich allenfalls ganz langsam anheben wollte, drängten deutsche Ökonomen, oder auch Österreichs Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann, innerhalb und außerhalb der EZB immer heftiger, auf deren drastisches Eingreifen, und ahnungslose Wirtschaftsjournalisten drängten mit.

Obwohl die Teuerung mittlerweile, wie erwartet längst abflaut, weil Norwegen und die USA ihre Erdgasproduktion erhöht haben, stemmt sich das deutsche Mitglied des EZB- Rates Isabelle Schnabel gegen eine Zinssenkung, ja meint, dass die EZB sich auf den letzten Metern besonders anstrengen müsse, ihr Zwei-Prozent- Inflationsziel zu erreichen. Sollte Schnabel sich durchsetzen, wird das die Rezession vertiefen – noch aber hoffe ich, dass ökonomische Vernunft zu einer baldigen Zinssenkung führt.

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Taurus: Olaf Scholz` verfehltes Zögern

Der deutsche Kanzler verweigert weiterhin eine Waffenlieferung, die Wladimir Putin zu Verhandlungen bewegen könnte. Seine Begründung ist unzutreffend.

Kanzler Olaf Scholz hat endlich erklärt, warum Deutschland der Ukraine keine Taurus- Marschflugkörper liefert: Ihre große Reichweite von 500 Kilometern, mit der selbst Moskau erreichbar wäre, und der Umstand, dass deutsche Taurus-Spezialisten vor Ort sein müssten, um das Waffensystem zu bedienen, berge die Gefahr, dass Putin Deutschland als Kriegspartei ansieht und dieses Risiko ginge er nicht ein.

Das Problem der Reichweite

Richtig daran ist, dass Wolodymyr Selenskyj keine andere Waffe von dieser Reichweite zur Verfügung hat: Die von Groß Britannien und Frankreich gelieferte Marschflugkörper „Storm Shadow“ und „Scalp“ erreichen nur Ziele in 250 Kilometer Reichweite – um eine Stadt innerhalb Russlands zu erreichen, reichte das freilich auch. Richtig ist ferner, dass Scholz mit der Lieferung von Taurus nicht mehr in Gleichklang mit Joe Biden handelte, denn der lieferte bisher nur ATACMS- Raketen mit 163 km Reichweite, versprach allerdings solche mit größerer Reichweite zu liefern, die derzeit allerdings so wenig eingetroffen sind. wie die von den Republikanern blockierten Milliarden. Allerdings hat auch Biden sehr lange gezögert, der Ukraine Raketen mit größerer Reichweite zuzusagen, und der Grund für sein Bedenken, war vermutlich der gleiche, wie bei Scholz: sie reichen bis weit nach Russland.

Natürlich hat Selenskyj immer geschworen, Raketen oder Marschflugkörper nicht auf Ziele innerhalb Russlands abzufeuern und hat sich daran bisher auch gehalten, aber da Wladimir Putin mittlerweile auch die annektierten Teile des Donbas und die Krim als russisches Gebiet betrachtet, kann er jederzeit einen Angriff auf Russland behaupten, wenn Selenskij irgendeines der angeführten Waffensysteme einsetzte.

Zwangsläufig – und das sagt er auch – wäre es der wesentlichste militärische Zweck dieser Einätze Putins Truppen vom Nachschub abzuschneiden und etwa auch eine auffahrende Panzerkolonne zu zerstören. Alle genannten Systeme können das, denn sie finden ihre Zeile sehr präzise und fliegen so niedrig, dass Radarschirme sie schwer entdecken. Sofern der Abschuss von Lastwagen oder Panzern aus erfolgt, können diese auch rasch wieder in Deckung gelangen. Noch leichter können die Flugzeuge entkommen, die Taurus Marschflugkörper abfeuern.  her. Jedenfalls kann der Gegner die jeweilige Abschussvorrichtung nur sehr schwer gleich wieder ausschalten.

Alle genannten Systeme sind zwar meines Erachtens für sich alleine noch kein Game-Changer, aber sie könnten das Momentum im Ukrainekrieg von Russland zur Ukraine hin verlagern und Taurus könnte das in besonders hohem Ausmaß. Dass seine Verwendung zwingend deutsch Soldaten vor Ort braucht, wird von Experten bezweifelt. Auch in Spanien und Südkorea, das Taurus-Marschflugkörper gekauft hat sind offiziell keine deutschen Soldaten vor Ort, wobei sich Südkorea formal nach wie vor im Krieg mit Nordkorea befindet. Im Übrigen wäre es völkerrechtlich natürlich zulässig, dass Deutschland die angegriffene Ukraine nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Soldaten vor Ort unterstützt, ja sie könnte die gesamte Bundeswehr in die Ukraine entsenden und handelte völkerrechtlich unverändert korrekt. Ob Putin Deutschland „Kriegspartei“ nennt, ist diesbezüglich völlig unerheblich- sicher betrachtet er es seit langem als solche. Wesentlich ist, wie sinnvoll es ist, die Ukraine durch Taurus erheblich zu stärken und wesentlich ist wie Putin darauf reagiert.

Militärisch sinnvoll ist es zweifellos im höchsten Ausmaß, denn die Ukraine befindet sich derzeit bereits in der Defensive und nur wenn es ihr gelingt, militärische Vorteile gegenüber Russland zu erringen besteht zumindest die Chance, dass Putin zu Verhandlungen bereit ist.

Putin ist kein Narr

Entscheidend ist die Frage, wie Putin auf die Taurus -Lieferung reagiert, und eines glaube ich sicher zu wissen: Er griffe bestimmt kein NATO-Land, schon gar nicht Deutschland an. Denn solange Joe Biden die USA noch regiert, bedeutete das für Putin Krieg mit der NATO, den er unmöglich gewänne, und so dumm, dieses Risiko einzugehen ist er bei allem Sendungsbewusstsein nicht. Dass er den Verstand verliert und doch angreift, ja Atomwaffen einsetzt, halte ich nur dann für möglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich, wenn man ihm eine Niederlage zufügte, die ihm keine Chance lässt, wenigstens innerhalb der Sowjetunion sein Gesicht zu wahren. Das ist, so meine ich, auch das Risiko, das Joe Biden nicht eingehen will. Denn sich in dieser Einschätzung Putins geirrt zu haben hieße, man hätte den Weltuntergang in Kauf genommen. Das Risiko, Taurus-Marschflugköper zu liefern und der Ukraine damit doch wieder die Chance zu Verhandlungen zu eröffnen, halte ich hingegen für sehr wohl tragbar. Im Übrigen hätte es diese Chance schon früher gegeben, wenn die Gegenoffensive der Ukraine erfolgreich gewesen wäre – und das wäre sie gewesen, wenn Scholz rechtzeitig, bevor Russland die Frontlinie massiv befestigen konnte, schwere Panzer geliefert hätte.

Scholz` Zaudern und Zögern gereicht ihm nicht nur innenpolitisch zum Nachteil, es ist ein weltpolitisches Unglück.

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Die unterbewertete Regierung

Jede Leistung der Regierung verblasst neben der „überdurchschnittlichen Inflation“, für die sie nichts kann. Dergleichen hat Tradition und liegt am Versagen der Medien.

 Die schwarzgrüne Regierung bleibt im Umfragetief. Der falsche Vorwurf, sie verantwortete Österreichs weit überdurchschnittliche Inflation erschlägt, was immer sie leistet.

Die Fehlbewertung insbesondere ökonomischer Vorgänge hat Tradition. Die erste, die ich erlebt habe, galt der ÖVP-Alleinregierung Josef Klaus: Finanzminister Stephan Koren versetzte ihr den Todesstoß, indem er eine europaweite Konjunkturdelle lehrbuchmäßig mittels Defizit-Spending überwand und das Budget danach mit Luxussteuern und der Neuwagenabgabe gleich wiedersanierte.[1]  Damit bescherte er der Regierung Klaus die Erdrutschniederlage von 1970. Denn die Opposition unter Bruno Kreisky geißelte wortgewaltig eine „Teuerungslawine“ und kein Wirtschaftsjournalist kam der ÖVP zur Hilfe, indem er auf die Lehre von John Maynard Keynes verwiesen hätte, obwohl Klaus auf der Basis eines von allen Zeitungen vertretenen Volksbegehrens einen unabhängigen, qualifizierten ORF verwirklicht hatte.

Vergleichbar ungerecht wurde der Ruf der rotschwarzen Regierung Werner Faymann- Michael Spindelegger ruiniert. Obwohl sie die Finanzkrise mit besonders wenig Wachstumsverlust und geringer Mehrverschuldung bewältig hatte, behauptete der Chef der Bundeswirtschaftskammer Christoph Leitl, der Wirtschaftsstandort Österreich sei „abgesandelt“. Dabei belegten alle Wirtschaftsdaten das Gegenteil: Österreichs Industrieproduktion war stärker als die deutsche gewachsen, der Abstand zum höheren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Hollands war geschrumpft, die OECD hatte Österreichs Politik offiziell gelobt. Aber der ÖVP Mann in Leitl war nicht nur bereit, die Leistung seiner Kammer zu diffamieren, sondern auch Österreichs Ruf zu beschädigen, um dem Regierungspartner SPÖ eins auszuwischen. Nachdem Christian Kern Faymann abgelöst hatte und nachdem Wolfgang Mitterlehner, der Spindelegger gefolgt war, entnervt das Handtuch geworfen hatte, mündete die rot-schwarze Koalition bekanntlich in den ersten Wahlsieg Sebastian Kurz`. Leitl war Kurz` in Wahrheit wichtigster Wahlhelfer.

Mindestens so sehr aber waren es die Medien, voran der ORF. Denn deren Aufgabe wäre es gewesen, auf den diametralen Widerspruch zwischen den Behauptungen Leitls und den Wirtschaftsdaten hinzuweisen. Doch die „Zeit im Bild“ befasste sich zwar ausgiebig mit Leitls „Abgesandelt“-Sager, nie aber mit der der Frage, ob er zutrifft und wollte zuletzt täglich wissen, wie lang die Regierung Kern-Mitterlehner noch hält.

Wieso das so war, verstehe Ich nicht, denn ich halte die Nachrichtenredaktion des ORF nicht für parteiisch – am ehesten sehe ich ökonomisch versierte Mitarbeiter dort unterrepräsentiert oder zu wenig engagiert. Denn auch in der aktuellen Debatte über das „Totalversagen“ (Herbert Kickl, SPÖ, ÖGB)) der schwarzgrünen Regierung im Kampf gegen Österreichs „überdurchschnittliche Inflation“ wurde vom ORF nie kritisch berichtet. Dabei erlauben die Daten der OECD denkbar einfach, eine Rangliste der Abhängigkeit der EU- Staaten von russischem Gas zu erstellen und sie mit einer Rangliste ihrer Inflation zu vergleichen: Alle sechs Staaten die  unterdurchschnittlich (unter 39Prozent) von russischem Gas abhängen, (etwa Spanien mit nur 8 Prozent) haben bis heute eine unterdurchschnittliche Inflation –  alle 21 Staaten, die überdurchschnittlich von russischem Gas abhängen, haben eine überdurchschnittliche. Ex-kommunistische Staaten von Tschechien bis Lettland, die zu 100 Prozent von russischem Gas abhängen, haben die höchste, Österreich, das dank vergangener Regierungen zu 80 Prozent mit dem Doppelten des Durchschnitts von russischem Gas abhängt, hat zwangsläufig eine „weit überdurchschnittliche.“

Wie gut oder schlecht die jeweilige Regierung die Inflation bekämpft, ist gemessen an ihrer Abhängigkeit von russischem Gas sekundär.

Dass die Opposition dennoch die Chance wahrgenommen hat, der Regierung „totales Versagen“ vorzuwerfen, hat mich bei der FPÖ nicht gewundert, bei SPÖ und ÖGB eher schon, denn im Momentum-Institut hat man qualifizierte Ökonomen zur Verfügung. Nicht gewundert hat mich, dass die ÖVP sich nie mit den angeführten Statistiken verteidigt hat, denn ein ökonomisch ahnungsloserer Politiker als ihr Sprecher Christian Stocker ist mir selten begegnet.

Dabei steht die schwarz-grüne Regierung weit besser da, sobald man aufhört, Ihr zu Unrecht die überdurchschnittliche Inflation anzulasten: Sie hat die kalte Progression abgeschafft und – viel wichtiger – Beihilfen an die Inflation gebunden, wie das für die meisten Leistungen zum Prinzip werden sollte. Das Erneuerbare Wärme Gesetz ist dank stark erhöhter Förderungen zumindest nicht schlecht, wenn auch unvollständig, und das Informationsfreiheitsgesetz ist ein großer Fortschritt, auch wenn kleine Gemeinden nur auf Anfrage Auskunft geben müssen. Zugleich gibt es mit Karoline Edtstadler, Leonore Gewessler, Alexander Schallenberg oder Martin Kocher fünf jedenfalls vergleichsweise kompetente Minister und mit Alma Zadic und Johannes Rauch zwei, die sich zudem durch außergewöhnliche Tatkraft auszeichnen: Sie hat das System Pilnacek souverän überwunden, er die Ärztekammer in die Schranken gewiesen.

 [1]  Eine so rasche Steuererhöhung etwa nach der Finanzkrise wäre tatsächlich problematisch gewesen, weil sie unmittelbar in  Covid- und  Ukrainekrise überging- damals  war sie ebenso lehrbuchmäßig, denn sie erfolgte in einer Phase guter Konjunktur.

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Wie Friedensbewegte Frieden erschweren

Der von Deutschlands Kanzler Olaf Scholz vorgenommene Spatenstich für eine neue Munitionsfabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall, die den dramatischen Mangel an Geschützmunition der deutschen wie sämtlicher anderer EU- Armeen beseitigen soll und für die Armee der Ukraine leider zu spät kommen dürfte, war einmal mehr von einer Demonstration Friedensbewegter begleitet.

Sie vermag den Bau der Fabrik zwar diesmal weder zu verzögern noch gar zu verhindern, aber die große Fraktion Friedensbewegter innerhalb der SPD war es, die SPD-Chef Olaf Scholz solange gehindert hat, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland so rasch wie möglich mit schweren Geschützen und Panzern zu unterstützen – Scholz hatte trotz „Zeitenwende“ Angst, seine Friedensbewegten vor den Kopf zu stoßen.

Seine so zögerliche verspätete Lieferung schweren Geräts hatte militärische Folgen: Die Truppen Wolodymyr Selenskyjs vermochten die Verteidigungslinien in den Oblasten Cherson und Saporischschja nicht zu durchbrechen, solange diese noch unbefestigt waren. Damit waren sie außerstande Wladimir Putin in eine Lage zu bringen, in der er nachdenken musste, ob es nicht klüger sei, Friedensverhandlungen zu führen, um wenigstens die Krim sicher zu behalten. Nicht dass er sicher darüber nachgedacht hätte – aber die Chance dazu hätte es gegeben. Derzeit gibt es sie nicht mehr, denn die russische Armee hatte genügend Zeit, die Frontlinien massiv zu befestigen und die lang erwartete ukrainische Gegenoffensive musste an den massiven mittlerweile errichteten mehrstufigen Panzersperren und tiefen Mienenfeldern scheitern.

Das hatte abseits der militärischen dramatische politische Folgen: In den USA, wo man große Hoffnungen in den Erfolg der Offensive gesetzt hatte, haben jene Politiker, voran Republikaner Auftrieb erhalten, die weitere Waffenlieferungen an Selenskyj für Geldverschwendung halten. Wir werden demnächst wissen, ob sie sich durchgesetzt und die von Joe Biden geplante Finanzhilfe im Congress zu Fall gebracht haben. Wenn ja, verliert die Ukraine nach menschlichem Ermessen diesen Krieg und Putin kann überlegen, wann er Moldawien angreift.

 

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Wie wird Babler wirtschaftsfreundlich?

Der einflussreiche Gewerkschafter Josef Muchitsch rät SP-Chef Andreas Babler zu einem „wirtschaftsfreundlicheren“ Profil:

Er möge nicht auf Vermögenssteuern beharren, die mit der ÖVP auf keinen Fall durchführbar wären. Richtig daran ist, dass man Verhandlungen nicht damit beginnen kann zu erklären, dass sie aussichtslos wären, wenn die ÖVP keine Vermögenssteuern akzeptiere, sonst passiert, was in Niederösterreich passiert ist: Johanna Mickl Leitner blieb nur die FPÖ als Partner, wenn sie eine regierungsfähige Mehrheit haben wollte.

Babler zu raten, dass er deshalb von der Forderung nach Vermögenssteuern abgehen soll, um sich „wirtschaftsfreundlicher“ zu zeigen, ist hingegen absurd: Höhere Vermögenssteuern im Abtausch gegen niedrigere Steuern auf Arbeit sind nach Ansicht jedes kompetenten Ökonomen denkbar wirtschaftsfreundlich und die entsprechende, im übrigen auch von der Gewerkschaft seit jeher vertretene Forderung hat bei Umfragen mittlerweile auch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Dass die ÖVP dennoch dagegen ist, spricht entweder für ihre rasende ökonomische Inkompetenz oder dafür, dass sie sich von einigen superreichen Parteispendern kaufen ließ. Um es so einfach wie möglich zu erklären: Geld schafft Wohlstand, indem es arbeitet. Vermögen ist Geld, das, wenn es in Österreich etwa im Eigentum an riesigen Wäldern oder anderen Grundstücken besteht wie nicht zuletzt diverse eingebürgerte Milliardäre sie besitzen, durch lange Zeiträume überhaupt nicht arbeitet, sondern brachliegt und allenfalls Wohnungen verteuert, weil Grundstücke angesichts der niedrigen Grundsteuern immer nur zum Zeitpunkt ihres Höchstpreises verkauft werden.

Niedrigere Steuern auf Arbeit verbilligen hingegen jedes Produkt, erhöhen die Zahl der Beschäftigten und die Konkurrenzfähigkeit österreichischer Unternehmen. Deshalb gibt es keinen ökonomischen Think-Tank, der Österreich diesen Abtausch nicht empfiehlt. Gerade wenn die ÖVP die hohen Lohnnebenkosten ständig als wirtschaftsfeindlich brandmarkt, obwohl es sich voran um die Kosten einer Sozialversicherung handelt, müsste sie geradezu begeistert sein, die Abschaffung der Lohnnebenkosten durch eine Erhöhung der Vermögenssteuern gegen zu finanzieren.

Die aktuellen Granden der ÖVP sind möglicherweise ökonomisch so ahnungslos oder so gekauft, dass sie das alles nicht verstehen – aber dann muss Babler dennoch alles tun, der Öffentlichkeit diese rasende Ahnungslosigkeit der ÖVP- Granden vor Augen zuführen und bewusst zu machen. Auch der ORF könnte seinem Auftrag zur Volksbildung nachkommen, indem er die Steuer-Expertin des WIFO Margit Schratzenstaller zu diesem Thema interviewte.

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Putin und Biden schaffen Trump Aufwind

Die Märchen Putins und Versprecher Bidens vergrößern die Chancen Trumps bei Wahlen, die Zukunft der freien Welt zu entscheiden. Sie muss auf Taylor Swift hoffen.

Dass es seit 1945 noch nie eine Wahl von vergleichbarer Bedeutung gegeben hat, sollte mittlerweile jedermann klar sein: Sollte Donald Trump im November neuerlich Präsident der USA werden, so hören die USA nicht nur auf, ein demokratischer Rechtstaat zu sein, sondern alle halbwegs demokratischen Rechtsstaaten verlieren die stärkste Militärmacht der Welt als wahrscheinlichen Schutz.

Meinungsumfragen zur Wahl haben schon bisher wenig Gutes verheißen: Trump liegt nicht nur in fünf von sechs bisher stets wahlentscheidenden Swing- Staaten, sondern selbst bundesweit (wo bisher stets der Kandidat der Demokraten voran lag) vor Joe Biden und die Ereignisse der letzten Tage haben Trump zusätzlichen Aufwind beschert – oder besser:  Biden neuerlich Zustimmung gekostet. Anlässlich der Einstellung seines Verfahrens wegen der unzulässigen Verwahrung geheimer Dokumente bescheinigte ihm der Richter zwar, nicht schuldhaft gehandelt zu haben, attestierte ihm aber ein denkbar schlechtes Gedächtnis. Das Beispiel, das er dafür anführte – Biden hätte nicht einmal den Todestag seines Sohnes gewusst – hat der Präsident zwar zu Recht empört zurückgewiesen und auch seine Erregung in der diesbezüglichen Pressekonferenz war verständlich, aber die Anzahl der Verwechslungen, die ihm in der Folge unterliefen, als er zu beweisen versuchte, dass er sehr wohl ein gutes Gedächtnis besäße, war bestürzend.

Jeder politische Beobachter müsste Biden zwar bescheinigen, dass er die derzeit so explosive Situation im Nahen Osten denkbar umsichtig handhabt, aber die Fernsehzuschauer sind selten „politische Beobachter“ und haben einen alten Mann mit gedanklichen Aussetzern erlebt – und das nicht zum ersten Mal. In Wirklichkeit müsste man sagen: Dass Biden nicht begriffen hat, dass sein so sichtbares Alt-Sein bei einer derart schicksalhaften Wahl ein untragbares Risiko für sein Land darstellt und er dringend einem Jüngeren, etwa Anthony Blinken, Platz machen sollte, spricht am meisten gegen sein politisches Urteilsvermögen. Ich kann auch die Demokratische Partei, seine Frau und politische Freunde wie Barack Obama nicht verstehen, die ihm diesen ehrenvollen Rückzug nicht schonend beigebracht haben.

Denn wie gespenstisch das Risiko ist, dem die USA und wir alle entgegengehen, wenn Trump gewinnt, hat er dieser Tage eindrucksvoller denn je vorgeführt. Es war zwar immer klar, dass ihm die NATO wenig bedeutet, aber ausdrücklich zu erklären, dass er sicher nicht eingreifen würde, wenn Wladimir Putin ein Nato-Land angreift, das nicht zwei Prozent seines BIP für sein Militär ausgibt, ja dass Putin ganz Recht hätte, wenn er das täte, schwächt das Bündnis in unvorstellbarem Ausmaß. (Derzeit gibt nur Polen gesichert zwei Prozent aus – Deutschland auch nur heuer dank eines „Sondervermögens“.)

Natürlich ist es auch unfassbar- ich schreibe das seit Monaten jede zweite Woche – dass die EU- Mitglieder nicht längst zwei Prozent für ihre Verteidigung ausgeben und sich endlich zu einer eigenen ernstzunehmenden Streitmacht aufraffen, obwohl sie wissen, dass ihnen die Rückkehr Trumps droht –  aber vielleicht wachen Emmanuel Macron oder Olaf Scholz wenigstens jetzt auf.

Denn in den USA haben jene Republikaner, die es sowieso ablehnen, die Ukraine weiter mit Geld zu unterstützen, dieser Tage ebenfalls  kräftigen Aufwind erhalten: Putin durfte in einem zwei Stunden-Interview mit dem ehemaligen Fox Moderator Tucker Carlson ohne den leisesten Einwand erklären, dass Russland ja nicht den geringsten Anlass hätte, ein  Land wie Polen oder Estland anzugreifen – Carlson   erinnerte ihn nicht einmal daran, dass er auch erklärt hat, die Krim nie anzugreifen. So wie das Interview vor Millionen Amerikanern ablief, mussten sie an das Märchen von Putins Friedfertigkeit glauben.

Putin  wird – darin bin ich mit dem Russland-Experten Gerhard Mangott einig, tatsächlich eher kein NATO- Land angreifen – aber nicht, weil er das nicht wollte, sondern weil er erlebt hat, wie schwer sich seine Armee schon in der Ukraine tut und weil er selbst, wenn er dort dank des US-Rückzuges siegen sollte, die größte Mühe haben wird, das riesige Gebiet unter Kontrolle zu halten. Nur Georgien und Moldawien müssen sich wahrscheinlich unmittelbar fürchten. Wahrscheinlich sollte Mangott auch nicht laut und im deutschen Fernsehen sagen, was er durchaus richtig sagt, denn nur wenn die Länder der EU sich unmittelbar bedroht fühlen, werden sie mit dem Aufbau einer eigenen Streitmacht beginnen, die so stark ist, dass sie Putin auch dann mit Sicherheit abschreckt, wenn Trump die USA regiert.

Gibt es noch die Chance, seinen Sieg zu verhindern? Umfragen sind keine Wahlen! Auch die Umfrage, wonach Trump verlöre, wenn er in einem der gegen ihn anhängigen Strafverfahren verurteilt würde, ist freilich auch keine Wahl und überdies ein schwacher Trost, schon weil die Verurteilung kaum rechtzeitig Rechtskraft erlangte. Eher sehe ich eine Chance darin, dass Wirtschaft und Börse boomen, Vollbeschäftigung herrscht und die Inflation zurückgegangen ist. Vor allem aber darin, dass doch mehr Frauen gegen das von den Republikanern vorangetriebene Verbot der Abtreibung stimmen als in den aktuellen Umfragen sichtbar wird. Und nicht unmöglich ist, dass tatsächlich Taylor Swift diese Wahl entscheidet, indem sie sich für Biden ausspricht – auch das charakterisiert den Zustand der USA.

 

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Der ÖGB-Chef kann Geschichte schreiben

Wolfgang Katzian kann helfen die Schuldenbremse zu lösen und lag lohnpolitisch richtig. Karl Nehammer wirft er die hohe Inflation zu Unrecht vor, will aber Rot-Schwarz.

In seiner Pressestunde hat ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian vor zweiWochen seine Ziele definiert. Das wichtigste: Er will als Präsident des europäischen Gewerkschaftsbundes dafür kämpfen, dass die Staatsschuldenbremse Investitionen „in die Zukunft“, in Klimaschutz oder Digitalisierung als notwendig zulässt. Stimmen Europas Gewerkschaften darin überein, so lebt die Chance auf Erfolg, denn erstmals gibt es in Deutschland, das der EU die Schuldenbremse unter Angela Merkel aufzwang, zunehmenden Widerstand dagegen.

Ökonomen, die Zahlen lesen können, müssten sie sowieso verdammen, hat sich der Abstand des realen Bruttoinlandsprodukts pro Kopf der EU zu dem der nicht schuldengebremsten USA doch seit Merkels Spar-Pakt verdreifacht. Katzians zweites wichtiges Anliegen, die Senkung unserer überdurchschnittlichen Inflation, ist zwar ebenso berechtigt, nur dass Medien, SPÖ und ÖGB sie zu Unrecht voran der schwarz-grünen Regierung anlasten: Ihre Ursache ist voran Österreichs überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas, die unter SP-geführten Regierungen begann. Wobei freilich festzuhalten ist, dass billiges, russisches Gas wesentlich zu unserem Wohlstand beitrug und dass etwa schon Deutschlands Kanzler Helmut Schmidt glaubte, dass Handelsbeziehungen dem Frieden dienen, „weil man auf Handelspartner nicht schießt.“ Als die türkis-blaue Regierung Sebastian Kurz` Österreich 2018 bis zum Jahr 2040 an russisches Gas band, hatte Russland freilich bereits die Krim überfallen und war das Problem einseitiger Abhängigkeit klar.

Ein „Statista“- Schaubild zeigt, in welchem Ausmaß Europas Staaten 2018 von russischem Gas abhingen: Im Durchschnitt zu 39 Prozent – aber gegen 100 Prozent in ex-kommunistischen Staaten von Bulgarien über Rumänien bis Lettland oder Tschechien, die prompt die höchste Inflation aufweisen, während Staaten mit geringer Abhängigkeit von russischem Gas, von Spanien, über Malta bis Dänemark, die geringste Inflation verzeichnen. Österreich und die Schweiz sind im Statista-Schaubild leider ausgespart, aber unsere mit 80 Prozent weit überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas stimmt so exakt mit unserer überdurchschnittlichen Inflation überein wie die Null-Inflation der Gas- unabhängigen Schweiz. Diese OECD-Daten zu kennen, hätte die sonntägliche Diskussion „Im Zentrum“ um einiges seröser gemacht. Denn wie die jeweiligen Regierungen die Inflation bekämpfen, hat zwar auch einen Einfluss auf die Inflation, aber verglichen mit der Gasabhängigkeit von Russland ist er weit geringer und schwer zu bewerten: „Deckel“ etwa kosten den Staat sehr viel Geld und verhindern, dass der Energie-Konsum im Interesse des Klimas maximal sinkt. Dass Deutschland die Steuer auf Treibstoff so senkte, wie das auch bei uns gefordert wurde, hat den deutschen Staat drei Milliarden Euro gekostet und deutschen Treibstoff kaum verbilligt. Nicht zuletzt blieb Österreichs Wirtschaftswachstum weit höher als das deutsche.
Nicht dass unsere Regierung entfernt perfekt agiert hätte, aber wenn Katzian zu Recht mehr Einvernehmen mit der ÖVP
sucht, sollte man sie weniger ungerecht prügeln.

Noch weniger, so zeigt die Gegenüberstellung von Gas-Abhängigkeit und Inflation, hat die herrschende Inflation mit der EZB zu tun, so sehr sie den aktuellen Rückgang ihrer nunmehr so restriktiven Geldpolitik zuschreibt. Denn viel leichter lässt er sich damit erklären, dass forciertes Fracking und höhere Förderung in Norwegen Gas verbilligt haben. Sicher verantwortlich ist die EZB nur für die aktuelle Rezession. Allerdings wird ihr nicht anzulasten sein, wenn sich die Inflation demnächst vielleicht deutlich erhöht: Die Huthi-Rebellen beschießen bekanntlich Containerschiffe, die ihre Waren durch den Suezkanal transportieren wollen, so dass sie einen unglaublich teuren Umweg von 4000 Kilometer ums Cap der Guten Hoffnung machen müssen. Ob Kriegsschiffe von USA und EU das abstellen können, ist mindestens fraglich.

Ein dadurch bewirkter Anstieg der Inflation könnte verdecken, dass vielleicht auch Lohnabschlüsse um die 9 Prozent sie erhöhen. Geht man von der Benya-Formel aus, wonach Löhne im Ausmaß der Inflation des abgelaufenen Jahres zuzüglich des Produktivitätszuwachses steigen sollen, so waren die vom ÖGB durchgesetzten 9 Prozent mehr als maßvoll, aber die Benya-Formel wurde erdacht, als die Inflation von den Lohnsteigerungen des abgelaufenen Jahres, nicht aber von der extremen Steigerung des Gaspreises abhing. Die Gegenwart ist daher mit der Vergangenheit nicht vergleichbar. Daher haben sich die deutschen Gewerkschaften mit hohen Einmalzahlungen und längeren Laufzeiten begnügt, während Katzian beides energisch abgelehnt hat. Irrte er damit, so litte die Wettbewerbsfähigkeit unserer Metallindustrie, verteuerten sich ihre Waren und erhöhte sich die Inflation. Doch die jüngste Berechnung von Eurostat weist Österreichs Arbeitskosten als sogar niedriger als die deutschen aus: Katzian scheint richtig gelegen zu sein. Jetzt hofft er, dass die erhöhte Kaufkraft unsere Konjunktur beflügeln wird. Nicht anders als die hohen schwarzgrünen Zahlungen an die Bevölkerung 2023 mit 4,5 Prozent zu überdurchschnittlichem Wachstum geführt, vielleicht aber auch zur Inflation beigetragen haben.

Eines sollte jedenfalls klar sein: Es kann uns unmöglich so gut wie früher gehen, wenn Krieg Güter massiv verteuert.

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Die Ukraine braucht die EU gegen Trump

Die EU erweist sich bei der Unterstützung der Ukraine überraschend als verlässlicher als die USA.

Ursula von der Leyen vermochte ihr Versprechen eines 50 Milliarden-Kredits an das überfallene Land letzte Woche bekanntlich einzuhalten, wobei es vor allem sie ist, der das Verdienst dafür zukommt: Sie konnte 26 EU-Staaten davon überzeugen, diesen Kredit zur Not nicht als EU, sondern als lose Staatengemeinschaft aufzunehmen und Victor Orban, der die Vergabe durch die EU mit seinem Veto blockierte, auf diese Weise zu isolieren. Vermutlich tatsächlich ohne finanzielle Gegenleistung rückte er plötzlich innerhalb weniger Stunden von seinem Veto ab.

Damit hat die Ukraine zumindest das Geld, den Staatsbetrieb aufrecht zu erhalten.

Denn Joe Biden konnte sein Versprechen eines 70 Milliarden Dollar Kredits nicht einhalten: Die Republikaner, die schon beinahe einem Kompromisspaket zugestimmt hatten, wonach die Ukraine-Hilfe mit beträchtlichem Mehraufwand für die Sicherung der Grenze zu Mexiko und einer Erschwernis der Zuwanderung gekoppelt war, ließen diesen Kompromiss im letzten Moment platzen, nachdem Donald Trump seine engsten Getreuen entsprechend instruiert hatte: Für ihn ist der immer heftigere Zustrom  von Wirtschaftsflüchtlingen über die mexikanische Grenze das wichtigste Argument im Wahlkampf gegen Joe Biden. Er will die Grenze im Moment nicht besser kontrolliert wissen, um dieses Argument nicht zu verlieren. Tatsächlich ist die immer massivere Zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen aus den armen Staaten Mittelamerikas für die USA ein mindestens so großes Problem wie die massive Zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika, Pakistan oder Afghanistan für uns. Die US- Bevölkerung befürchtet die Konkurrenz billiger Arbeitskräfte und natürlich lassen sich die Zuwanderer aus Guatemala oder Mexiko genauso als Kriminelle, voran Drogendealer diffamieren.

Gleichzeitig hat Trump die Unterstützung der Ukraine schon zuvor als zu teuer und nicht im nationalen Interesse abgelehnt, hat damit aber bei einer Reihe von Republikanern nicht den erhofften Erfolg gehabt, weil die in Wladimir Putin sehr wohl einen Gegner sehen. Das Platzen des Hilfspakets hat gezeigt, dass Trump seine Interessen letztlich auch gegen Widerstand durchzusetzen vermag.

Die Ukraine wird bis zu den Wahlen im November kein amerikanisches Geld erhalten, und sollte Trump diese Wahlen gewinnen, sicher auch danach keines mehr. Nur die EU ist dann noch in der Lage, die Niederlage der Ukraine zu verhindern. Wirtschaftlich möglich ist das – aber sie muss es entschlossen in Angriff nehmen.

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Wenn der Mörder seinen Mord untersucht

Wladimir Putin liefert derzeit eindrückliche Beweise seiner Glaubwürdigkeit:

Anfang der Woche erklärte er, dass auch er sich wie die Europäer einen Sieg Joe Bidens bei den Präsidentschaftswahlen der USA wünscht und soeben ordnete er an, den Tod des Regimekritikers von Alexej Nawalny im Straflager bei der Gefängnisverwaltung zu untersuchen.

Die EU erklärte, dass Russland zahlreiche Fragen zu beantworten hätte. Ich gehe davon aus, dass Putin sie demnächst geben wird: Alle Bemühungen der Ärzte hätten den Tod Nawalnys durch einen Herzinfarkt leider nicht verhindern können.

In Russland wird das von der Bevölkerung kaum anders hingenommen werden als Putins Behauptung, er habe eine „Spezialoperation“ in Gang setzen müssen, um die Ukraine von der Nazi-Diktatur des Juden Wolodymyr Selenskyj zu befreien und sein Land vor einem Angriff der NATO zu schützen.

In Österreich wollen derzeit laut Umfrage 30 Prozent der Wähler für eine Partei stimmen, die Sanktionen gegen Wladimir Putin ablehnt und einen Freundschaftspakt mit seiner Partei geschlossen hatte. Alexander Van der Bellen meint immer wieder, dass wir „nicht so sind“ wie man meinen könnte- ich fürchte, dass wir zu einem verdammt großen Teil sehr wohl so sind.

 

 

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Ahnungslos in der Sendung “Im Zentrum”

Die ORF Sendung “Im Zentrum” am vergangenen Sonntag war in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Die ÖVP scheint absolut entschlossen, die einzige realistische Möglichkeit, die Steuern auf Arbeit zu senken indem man diese Senkung durch erhöhte Vermögenssteuern gegenfinanziert, auszuschließen.

Die Dummheit der dabei vorgebrachten Argumente übersteigt alles, was sie bisher zu diesem Thema vorgebracht hat – etwa, dass der erzielbare Ertrag den Aufwand nicht lohnt. So krönte VP-Generalsekretär Christian Stocker die ahnungslose Behauptung, dass höhere Vermögensteuern, wie sie die USA oder die Schweiz vorweisen, der „linken Mottenkiste“ entstammen, mit der grotesken Behauptung, dass sie Reiche und Leistungsträger aus Österreich vertrieben, obwohl sie niedrigere Vermögenssteuern nur noch in der Slowakei fänden, und obwohl USA oder die Schweiz sich ja wahrhaftig nicht dadurch auszeichnen, dass Reiche und Leistungsträger diese Länder fluchtartig verlassen.

Die einzige, die in dieser Sendung ökonomische Kenntnisse verriet und verständlich “kapitalistisch“ zu argumentieren wusste, warum höhere Vermögensteuern Sinn machen war ausgerechnet die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Von Beate Meinl- Reisinger hatte ich mir aus früheren Äußerungen – wenn die höheren Vermögenssteuern zu niedrigeren Einkommenssteuern führen, könne man darüber reden – eigentlich auch ein gewisse ökonomisches Verständnis erwartet, aber „Im Zentrum“ strafte sie mich Lügen. Außer dass alle Parteien mit Ausnahme der Neos unehrlich wären, fiel ihr nichts ein. Das hat mich deshalb so bekümmert, weil ich sie ob ihrer Ehrlichkeit tatsächlich besonders schätze und vor allem bewundere, wie offen sie Österreichs teuren Föderalismus kritisiert, dass sie einsam wagt, an Österreichs überholten Neutralität zu zweifeln und nicht zuletzt, dass die Neos ebenso einsam für eine EU-Armee eintreten.

PS: Mit Marianne Engelhardt habe ich in meinen Kommentar der Vorwoche natürlich Marlene Engelhorn. gemeint.

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Die ökonomische Ahnungslosigkeit der ÖVP

Die EZB ortet in Österreich „extreme Vermögenskonzentration“. Die ÖVP ordnet Vermögensteuern der „linken Mottenkiste“ zu. Die Schweiz reduziert mit ihnen die Lohnsteuern

Zwei Ereignisse haben die Diskussion über Vermögenssteuern aktualisiert:

  • Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) belegten erneut Österreichs extreme Vermögenskonzentration: Die reichsten 5 Prozent besitzen mehr als die Hälfte allen Vermögens. Dennoch liegen wir bei den Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern unter 38 OECD-Staaten an fünftletzter Stelle: Nur 1,5 Prozent des Steueraufkommens stammen aus ihnen – gegenüber 5,6 Prozent im Schnitt der OECD.
  • und Marlene Engelhardt überließ einem, der Gesellschaft Österreichs nachgebildeten Gremium tatsächlich 25 Millionen Euro ihres Erbes zur Verteilung, um zu demonstrieren, wie ungerecht es sei, dass sie dieses Gel ohne die geringste Leistung erhielt.

Mir wäre lieber gewesen, sie hätte wie das SPÖ-Modell vorsieht, 1,5 Millionen für sich behalten, denn die Österreicher hätten sich dann eher damit identifiziert: Vermögenssteuern verlangen von der überwältigen Mehrheit keineswegs Selbstlosigkeit – bringen aber größten ökonomischen Profit. Stattdessen identifizieren sie sich mehrheitlich mit dem Generalsekretär der angeblichen Wirtschaftspartei ÖVP, Christian Stocker, der behauptete, dass Vermögenssteuern „aus der linken Mottenkiste“ stammten.

Bisher haben VP- Granden nur behauptet, dass Vermögenssteuern nichts einbrächten, so absurd das angesichts der EZB- Daten auch ist. Aber Stocker krönte die schwarze Ahnungslosigkeit: Während Österreich dank der ökonomischen Weisheit der ÖVP nur 1,5 Prozent seines Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern bezieht, sind es in der „linken“ Schweiz 7,7 und in den „linkslinken“ USA gar 11,4 Prozent. Einziger Vorteil dieser für Stocker offenbar schwachsinnigen linken Steuerpolitik: Diese Staaten besteuern Arbeit vergleichsweise niedrig und weisen ein besonders hohes Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf, obwohl (in Wahrheit weil) vermögensbezogene Steuern in den USA volle 3,5 Prozent des BIP ausmachen.

Jedenfalls ist die besondere Wirtschaftsfreundlichkeit vermögensbezogener Steuern der Grund dafür, dass OECD, IWF oder Wirtschaftsforschungsinstitut Österreich seit Jahren raten, seine vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen und die Steuern auf Arbeit zu senken.

Dass ich lieber von „vermögensbezogenen“ Steuern schreibe, liegt daran, dass „Vermögenssteuer“ in der Einzahl eine Steuer bezeichnet, die jedes Vermögen bis hin zur Briefmarkensammlung besteuert und die es meines Wissens nur mehr in der Schweiz gibt, weil die Ehrlichkeit der Bürger den Verwaltungsaufwand begrenzt. Das hat die ÖVP nie gehindert, missverständlich zu behaupten, dass es ja kaum mehr Vermögenssteuern gäbe und dass der rote Finanzminister Ferdinand Lacina sie bei uns abgeschafft hätte. In Wirklichkeit lehnte Lacina nur das Schweizer Modell ab und die Erbschaftssteuer endete mit einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der es gleichheitswidrig befand, dass jemand, der ein Grundstück im Verkehrswert von einer Million Euro erbte, ungleich weniger Steuer bezahlen musste, als jemand, der diese Million in bar erbte, weil Grundstücke gemäß ihrem „Einheitswert“ bewertet werden, obwohl der mittlerweile zehnmal niedriger als ihr Verkehrswert ist. Allerdings trug der VfGH der Regierung auf, diesen Fehler zu beheben und setzte dafür eine Frist. Die verstrich, weil die ÖVP zu keiner Reparatur bereit war. Seither haben wir keine Erbschaftsteuer mehr und weiterhin nur eine lächerliche Grundsteuer, während sie in den meisten Staaten die wichtigste vermögensbezogene Steuer ist. Dass sie bei uns so niedrig ist, ist einmal mehr ökonomisch von Nachteil: es ermöglicht, Grundstücke zu horten, während man sie in den USA schnellstens verkaufen oder verbauen muss.

Der entscheidende Vorteil höherer vermögensbezogener Steuern ist freilich, dass sie niedrigere Lohn- und Einkommenssteuern erlaubten, die der überwältigenden Mehrheit zu Gute kommen, die Arbeitskosten der Unternehmen senken und die Beschäftigung erhöhen. Einziger winziger Vorteil extrem niedriger Vermögenssteuern: Sie führten dazu, dass einige Superreiche zu Österreichern wurden und hier voran Grundstücke kauften. Das entzieht, wie jede Steueroase ihrem Herkunftsland, meist Deutschland, Steuern, ohne unser Steueraufkommen sonderlich zu erhöhen, weil unsere Grundsteuer ja extrem niedrig ist. Ansonsten investieren sie bei uns so viel oder so wenig wie zuvor. Nur Parteispenden an die ÖVP sind für sie eine beinahe zwingende Investition.

Der SPÖ oder den Grünen ist der verteilungspolitische Vorteil Vermögensbezogener Steuern zwar klar – ihre spezifischen ökomischen Vorteile betonen sie meines Erachtens aber viel zu wenig. Sie haben diese Steuern immer nur allgemein gefordert, statt zu trommeln, dass sie die Steuern auf Arbeit entsprechend senken werden. Dabei wäre der Grüne Werner Kogler als Ökonom dafür prädestiniert gewesen – nur koaliert er leider mit der ÖVP.

Auch NEOS- Chefin Beate Meinl -Reisinger schien mir den Vorteil des Abtauschs höherer Vermögenssteuern gegen niedrigere Einkommenssteuern zu verstehen – jedenfalls hat sie sich einmal dahingehend geäußert. Jüngst allerdings hat auch sie wieder „Nein“ zu Vermögensteuern gesagt. Sollte das darauf beruhen, dass ihr Wirtschaftssprecher sie zurückgepfiffen hat, so versteht er von Wirtschaft so wenig wie Christian Stocker oder Herbert Kickl für den Vermögenssteuern auch nicht in Frage kommen.

 

 

 

 

 

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Kein gutes Neues Jahr für die Welt

Wladimir Putin schafft 2024 das größte Blutbad seit Adolf Hitler. Der Welt droht das Comeback Donald Trumps und Österreich ein Kanzler Herbert Kickl

Es fällt schwer, dem neuen Jahr optimistisch entgegenzusehen. Bisher verantwortete Iraks Saddam Hussein bei seinem Überfall auf den Iran mit geschätzten fünfhunderttausend Kriegstoten das größte Blutbad seit Adolf Hitler – 2024 wird ihn Wladimir Putin in der Ukraine um Leichenberge übertreffen. Und sollte Donald Trump tatsächlich wieder zum Präsidenten der USA gewählt werden, so hören nicht nur sie auf, ein demokratischer Rechtsstaat zu sein, sondern alle halbwegs demokratischen Staaten verlieren die weltstärkste Armee als sicheren oder zumindest denkbaren Schutz vor den Diktaturen Russlands, China und des Iran.

Für die Ukraine bedeutete ein Wahlsieg Donald Trumps die fast sichere Niederlage: Reduziert auf die Unterstützung der EU, die Viktor Orban jederzeit torpedieren kann, hielte sie Russlands Übermacht kaum weiter stand. Nur, dass Putin riesige Truppen brauchte, um das riesige Land unter Kontrolle zu halten, hindert ihn vielleicht, sofort Georgien zu kassieren und in Moldawien vorzustoßen. Ein Nato-Land griffe er meines Erachtens nicht an, weil ich nicht glaube, dass Trump die Nato tatsächlich auflöste, wenn sie die USA nichts kostet. Am ehesten lockerte er freilich die Beistandspflicht, was gefährlich genug wäre. Entgegen stünde dem, dass sichere Verbündete in der Konfrontation mit China auch für Trump von Vorteil sind – aber denkt er so weit?

Anders als die Ukraine profitierte Israel von Trumps Sieg: Der unterstütze, was immer es im Westjordanland und in Gaza täte. Ein Rechtsstaat blieb es dann kaum und auch einen Flächenbrand in Nahost schlösse ich nicht völlig aus.

Ich glaube, dass es nötig ist, so weit in die Zukunft zu spekulieren, weil Umfragen Trump derzeit in 5 von 6 der bisher stets wahlentscheidenden Swing-States vor Joe Biden sehen, auch wenn ich hoffe, dass die gute Wirtschaftslage und der insgeheime Widerstand der Frauen gegen die Abtreibungsgesetze der Republikaner diese Umfragen Lügen strafen.

Was wird aus Kickl?

In Österreich wird die Umfrage-Führung der FPÖ so gut wie sicher in ihren Wahlsieg münden, zumal die Rezession, die uns die Geldpolitik der EZB bescherte, Herbert Kickl weiter Stoff für wüste Kritik liefern wird, obwohl diese Regierung dafür keinerlei Verantwortung trägt.

Allerdings bleibe ich zuversichtlich, dass Kickl keinen Partner findet, um tatsächlich zu regieren, selbst wenn die ÖVP sich von Karl Nehammer trennt. Zum einen, weil ihr christlich-sozialer Flügel nicht völlig abgedankt hat, zum anderen, weil ihr auch ein Kanzler Andreas Babler das Finanzministerium überließe und weil mir ihre Chance, Babler dereinst durch einen schwarzen Kanzler abzulösen, größer scheint als die Chance auf die Ablöse Kickls, wenn der sich etabliert hat.

Ich rechne daher relativ fest mit einer Koalition aus SPÖ, ÖVP und NEOS oder Grünen, denn eine rote Minderheitsregierung zu dulden hat die ÖVP keinen Anlass und Kickl dürfte Babler kaum die Chance einräumen, die Friedrich Peter Bruno Kreisky eingeräumt hat. Denn Kickls größte Chance besteht darin, fünf Jahre zuzuwarten, um dann allein zu regieren – das wünschen auch seine Wähler.

Deshalb muss die wahrscheinliche Dreierkoalition unbedingt begreifen, dass sie sich augenscheinlich bewähren muss, wenn sie Kickl = Österreichs Orbanisierung nachhaltig verhindern will. Dazu ist unverzichtbar, dass die beteiligten Parteichefs ein brauchbares Verhältnis zueinander haben. Babler hat mittlerweile begriffen, dass er politische Profis zu seiner Unterstützung braucht – vielleicht begreift er auch, wie kontraproduktiv es ist, wenn er Karl Nehammer im Einklang mit Kickl beschimpft: Er treibt damit nur Wähler zur FPÖ.

Bei der Frage, welche wesentliche wirtschaftliche Verbesserung die künftige Koalition bewirken könnte, drängt sich auf, endlich, wie von OECD, IWF oder WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller und allen einigermaßen kundigen Ökonomen seit langem gefordert, die Steuern auf Arbeit in dem Ausmaß zu senken, in dem man die Steuern auf Vermögen auf ein Mittelmaß anhebt. Für Babler ist die Forderung nach höheren Vermögenssteuern bekanntlich Wahlprogramm und eine Erbschaftssteuer mit hohen Freigrenzen erfüllte es am einfachsten. Nur darf er keine Zweifel lassen, dass er die Steuern auf Arbeit im gleichen Ausmaß senkt, denn dann hat er nicht nur Grünen-Chef Werner Kogler, sondern auch Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger auf seiner Seite und macht es der ÖVP um Vieles schwerer, bei ihrem sturen „Nein“ zu bleiben.

Die ÖVP ist leider Gefangene ihrer speziellen Klientel von Superreichen und Großspendern, die natürlich vorzieht in einem Land zu leben, das nach Mexiko und der Slowakei die niedrigsten Vermögenssteuern der Welt hat – aber die Gruppe derer, die von niedrigeren Steuern auf Arbeit profitierten, ist natürlich auch unter VP- Wählern die viel größere – sie hat nur anders als die Superreichen keine Lobby. Deshalb muss es Babler, Meinl Reisinger und Kogler gelingen, der ÖVP klarzumachen, dass sie in dieser Frage die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich hat und dass das in der jüngsten Umfrage schon offenbar so war. Bei Finanzminister Magnus Brunner sollten auch Gespräche mit Margit Schratzenstaller helfen und selbst bei Karl Nehammer gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass er erkennt, dass hohe Steuern auf Arbeit die Wirtschaft mehr belasten als durchschnittliche Steuern auf Vermögen

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