Wie kann das Team Nehammer II überleben?

Die nächste Regierung steht vor der ökonomisch schwierigsten Situation seit den Nachkriegsjahren. Ihre einzige Chance ist engste Kooperation – intern wie gegenüber der EU.

Die EU glaubt, verhindern zu können, wozu Donald Trump sie mit 20 Prozent Zoll auf alle Waren und 50 Prozent auf deutsche Autos zwingen will: nämlich sich adäquat zu verschulden. Doch ich zweifle, dass er entscheidend nachgibt: Er wird nicht einsehen, warum sich die USA mit 219.000 Milliarden Dollar jährlich verschulden sollen, um voran deutsche Autos zu kaufen, die dank inadäquat zurückgehaltener  Löhne billiger als US-Autos sind. Daher sehe ich auf die nächste Regierung die größten Wirtschaftsprobleme seit den Nachkriegsjahren zukommen: Mit diesen Zöllen konfrontiert, soll sie bekanntlich auch noch Milliarden einsparen, um der 60 Prozent Staatsschuldengrenze näher zu kommen. Theoretisch wäre es das Beste, diese Aufgabe einer geduldeten FPÖ-Minderheitsregierung zu überlassen, um vorzuführen, wie wenig sie, die ständig alles kritisiert, dem gewachsen wäre, begibt sich Herbert Kickl mit seiner strikten Ablehnung vermögensbezogener Steuern doch der einzigen Möglichkeit, die nötigen Milliarden relativ schmerzlos aufzutreiben. Aber praktisch richtete Kickls Regierung Österreich restlos zu Grunde und so muss man es anders probieren: Die auszuhandelnde Regierung Karl Nehammer II ist zum Erfolg verdammt!

Die nächste deutsche Regierung, die sich in einer fast so schlechten Lage befindet, kann mit Zweidrittelmehrheit ihre größte Belastung, die in der Verfassung verankerte Staatsschuldenbremse, außer Kraft setzen – wir haben sie zwar nicht in der Verfassung verankert, können sie aber auch nicht demonstrativ außer Kraft setzen. Die Regierung muss der EU-Kommission vielmehr unsere besondere Notlage plausibel machen und gemäß den neuen, flexibleren Fiskalregeln sollte das möglich sein. Besteht Brüssel fortgesetzt auf  maximal 3 Prozent Budgetdefizit und Annäherung an die Staatsschuldengrenze, ist Hopfen und Malz verloren: Die Regierung kann dann nur nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige tun und die Schuldengrenze überschreiten.

Dass sie aus drei Parteien besteht, muss kein Hindernis sein: Das Wissen, dass sie zum Erfolg verdammt ist sollte einen. Wäre ich Nehammer, nähme ich sogar die Grünen mit an Bord, um die überparteiliche Einheit zu betonen. Gleichzeitig sollte es einen fixen „Regierungssprecher“ geben, der keiner der vier Parteien angehört und etwas von Wirtschaft versteht, um der Öffentlichkeit, was immer die Regierung tut, zu erklären. Das hätte zwei Vorteile: Die Regierung spräche im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Stimme und die vier Parteichefs widerstünden der Versuchung, sich gegeneinander zu „profilieren“. Sehr schnell könnte dieser Regierungssprecher zwei sehr populäre Leistungen verkünden: Er könnte erklären, warum man, indem man sie wie fast alle Länder mit einem Dreiersenat besetzt, die optimale Bundesstaatsanwaltschaft geschaffen hat -denn Karoline Edtstadler, die ein einziges Mitglied wollte, ist nicht mehr an Bord. Und er könnte erklären, wie gut ein endlich parteiunabhängiger Stiftungsrat die Unabhängigkeit des ORF sichert. Bezüglich der  entscheidenden Wirtschaftspolitik erzielte man wahrscheinlich rasch Einigkeit darüber, das Budget nach Einsparungsmöglichkeiten, allenfalls Überförderungen, abzuklopfen. Nur dass man bald feststellte, wie wenig das – die Anhebung des Pensionsalters und ein Durchforsten des Föderalismus als Langfristprojekte ausgenommen – bringt, wenn man die Kaufkraft nicht gefährlich reduzieren will.

Ausreichend rasch und dennoch nachhaltig werden Milliarden nur frei, wenn man vermögensbezogene Steuern beschließt. Soeben wurden sie selbst von den gewiss nicht linken G20 gefordert, um die weltweit dramatische Ungleichheit abzubauen, die nicht nur die Demokratie gefährdet, sondern wirtschaftsfeindlich ist: So wie im Feudalismus einige Wenige, die über riesige Güter verfügten, ungleich weniger aus dem Boden herausholten als die vielen Bauern, auf die er aufgeteilt wurde, verwalten Hyperreiche ihre Vermögen schlechter: Elon Musk setzte beim Umbau von Twitter zu X 30 Milliarden Dollar in den Sand, weil es ihm auf diesen Klacks nicht ankam. Es soll geniale Unternehmer wie ihn geben, aber wenn Vermögen nicht derart auf sie konzentriert wäre, gäbe es mehr davon.

Österreichs Vermögensverteilung unterscheidet sich wenig von der der USA: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 39 Prozent des Gesamtvermögens und schon weil es bereits so viel besitzt, kauft es nicht so viel ein – aber nur wenn möglichst viel eingekauft wird, kann möglichst viel verkauft werden und wächst die Wirtschaft optimal. Anders als selbst die USA hat Österreich jedoch die nach Mexiko und der Slowakei niedrigsten vermögensbezogenen Steuern der Welt. Ziel muss daher sein, eine adäquate Grundsteuer und wieder eine Erbschaftsteuer einzuführen, um die Steuern auf Arbeit entsprechend zu senken. (Reichte der Betrag nur, die Forderungen Brüssels zu erfüllen, wären beide zu gering bemessen.) Beate Meinl-Reisinger schien die Notwendigkeit dieser Umverteilung einen Moment lang zu verstehen, Karl Nehammer verstand, dass der Staat, statt nur sparsamer zu agieren, das Wirtschaftswachstum befördern muss – und das geht nur mit dem Geld aus vermögensbezogenen Steuern. Sollten Neos und ÖVP dennoch an ihrer apodiktischen Ablehnung solcher Steuern festhalten, lehnte ich, wäre ich Andreas Babler, die Beteiligung der SPÖ an der Regierung ab – dann möge wenigstens eine FP-VP- Regierung scheitern.

 

 

 

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Inflation strafte Nehammer wie Biden

Geschichte kann sehr ungerecht sein: Karl Nehammer konnte so wenig für die überdurchschnittliche Inflation, wie Jo Biden – beiden bescherte sie Wahlniederlagen.

 Auch bei der steirischen Wahl hat die überdurchschnittliche Inflation, die Österreich heimsuchte, laut Nachwahlbefragung eine wesentliche Rolle für das Debakel der ÖVP wie der Grünen gespielt: in ihr wird bei jeder Wahl das zentrale Versagen der Regierung Karl Nehammers gesehen. Zu Unrecht: Die überdurchschnittliche Inflation rührt so gut wie ausschließlich davon her, dass Österreich überdurchschnittlich von russischem Gas abhängig war, und das verantworten ausschließlich vorhergehende Regierungen. Den letzten Vertrag, der diese Abhängigkeit für 40 Jahre fortschrieb, unterzeichnete die OMV unter dem Applaus von Sebastian Kurz und damals noch Heinz Christian Strache als Obmann jener FPÖ, die jetzt derart vom angeblichen Versagen Nehammers profitiert. (Erst jetzt kann dieser Vertrag vielleicht aufgelöst werden, weil Russland die Lieferung unterbrach.)

Im Internet kann man bei der deutschen „Zentrale für politische Bildung“ ein Schaubild abrufen, aus dem man die Abhängigkeit der EU-Staaten von russischem Gas bis 2020 ersehen kann -ich kann es hier zwar nicht wiedergeben, wohl aber beschreiben: Die größte, so gut wie hundertprozentige Abhängigkeit verzeichnen die Staaten des ehemalige Ostblocks, danach folgt mit 80 Prozent Österreich, das in diesem Schaubild leider nicht berücksichtigt ist, aber die Zahl ist unbestritten, dann folgt Deutschland mit 65 Prozent – die geringste Abhängigkeit weist Spanien auf, das damals null russisches Gas bezog. Exakt so verhielt es sich mit der Inflation: am Geringsten war sie in Spanien, am höchsten im ehemaligen Ostblock, und überdurchschnittlich hoch, der überdurchschnittlichen Abhängigkeit von russischem Gas entsprechend, war sie in Österreich, mit Abstand gefolgt von Deutschland. Man könnte die Schaubilder von Gas-Abhängigkeit und Inflation übereinanderlegen, und sie wären so gut wie deckungsgleich. Das Management der Inflation spielte dem gegenüber kaum eine Rolle und gelang Österreich im Detail sogar besser als Deutschland. So warf die FPÖ der Regierung vor, nicht wie Deutschland die Treibstoffsteuer zu senken, aber eben das kostete den deutschen Fiskus 3,5 Milliarden Euro, denn die relativ wenigen Tankstellenketten gaben nur einen Teil der Steuersenkung weiter und behielten den Rest für sich. Die Forderung der FPÖ war, wie meist, falsch.

Nicht nur die FPÖ sondern auch die SPÖ forderten bekanntlich auch dingend, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu senken, wie Spanien das weise getan hätte. Die Regierung unterließ es angesichts der deutschen Treibstofferfahrung, weil man zweifelte, dass der Nahrungsmittelhandel, der in Österreich von nur drei Anbietern dominiert wird, die Ermäßigung weitergeben würde. In Spanien gab er sie weiter, weil dort zahlreiche Nahrungsmittelketten miteinander konkurrieren. Dass der so falsche und in der Folge so wahlentscheidende Vorwurf des schlechten Inflationsmanagements von der Regierung Nehammer nie bestritten wurde, indem man die gleichen Grafiken wie ich gegenüberstellt, ist mir ein Rätsel – oder richtiger: einer von mehreren Belegen dafür wie schlecht er sich ökonomisch beraten lässt. Nicht minder versagt hat die Wirtschaftsberichterstattung, die das  ebenfalls unterließ und Österreichs „überdurchschnittliche Inflation“ etwa im ORF stets vorwurfsvoll ins Treffen führte. Übrigens wäre es jetzt ebenso unseriös, kreidet ich vorangegangenen Regierungen die hohe Abhängigkeit von russischem Gas  als Kardinalfehler an: Österreich muss mit der VOEST einen der erfolgreichsten Stahlproduzenten mit Energie versorgen, und da war russisches Gas die preisgünstigste Möglichkeit. Die USA haben zwar stets vor der einseitigen Russland- Abhängigkeit gewarnt,  aber das schien nur ihrem Interesse zu entsprechen, ihr Fracking-Gas zu verkaufen.

Tatsächlich hat dieses Interesse einen gewissen Anteil daran, dass sich Russland und die OPEC 2020 noch vor dem Ukraine Krieg, aber von Wladimir Putin in dessen Vorbereitung auf jene massive Kürzung der Öl und Gasförderung einigten, die die Explosion des Öl/ Gas- Preises auslöset. Denn zuvor war es den USA immer gelungen, diesen Preis moderat zu halten, indem sie den Saudis drohten ihnen weniger Waffenhilfe zu leiste. Ab durch Fracking selbst zum weltgrößten Öl/Gasproduzenten geworden, war diese Drohung 2020  ersten nicht so energisch wie sonst ausgefallen weil man selbst vom höheren Preis profitierte und zweitens konnte Saudi-Machthaber Mohammed bin Salem drohen, sich Russland zu nähern. Jedenfalls war die damalige Preiserhöhung auch Auslöser der explodierenden Inflation in den USA, auch wenn später massive Lohnerhöhungen unter Donald Trump wie Joe Biden hinzutraten. Doch obwohl die Schuld daran Joe Biden nur höchst indirekt trifft, war diese Inflation zweifellos ein wesentlicher Grund dafür, dass die Demokraten die Wahl gegen Trump verloren, obwohl Biden mit seinen hohen Investitionen in den Klimaschutz und die US-Infrastruktur eine optimales Programm zur Stärkung der US-Wirtschaft in Gang gesetzt hatte ohne ihre Verschuldung so drastisch wie Trump zu erhöhen, denn dessen übertrieben Senkung der Körperschaftsteuer auf 21 Prozent hatte er auf 26 Prozent korrigiert. Die USA wären mit Biden bzw. Harris einer glänzenden wirtschaftlichen Zukunft entgegengegangen, ohne den Rechtsstaat zu gefährden. Aber die Wirtschaftsgeschichte kann leider sehr ungerecht sein – vor allem wenn das Wahlvolk sehr wenig von Wirtschaft versteht.

 

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Lehrt uns Trump Schulden zu machen?

Die von Donald Trump geplanten Zölle auf deutsche Luxuslimousinen werden uns nicht nur doppelt schmerzen, sondern könnten eine rundum neue Finanzpolitik der EU erzwingen.

Donald Trumps angedrohte Zölle auf Exporte lehren das Fürchten. Österreich, das sich wie Deutschland im zweiten Jahr einer Rezession befindet, träfen sie gleich doppelt, sind die USA doch unser zweitgrößter Handelspartner nach Deutschland, dessen größter Handelspartner sie sind. Es litten also nicht nur unsere direkten Exporte in die USA, sondern in dem Ausmaß, in dem Deutschlands Exporte von Luxuslimousinen in die USA litten, litten auch unsere Zulieferer mit.

Es ist nötig, sich trotzdem auch mit der Ursache der Rezession zu befassen: Wir danken sie jenen vorwiegend deutschen  Ökonomen, die die zögernde EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu einer harschen Zinserhöhung drängten, weil ihre lockere Geldpolitik angeblich der Inflation zu Grunde läge. Den Widerspruch, dass diese Geldpolitik bis zur Explosion des Gaspreises durch zehn Jahre fast von Deflation begleitet war, löste „Starökonom“ Hans Werner Sinn mit der Behauptung auf, dass die Inflation sich in dieser Zeit wie in einer Plastikflasche angestaut hätte, um nun „herauszupflatschen“. Dass man eigentlich nur eine Inflation, die, wie in den USA, auch extrem gestiegene Löhne zur Ursache hat, mit Zinserhöhungen bekämpft, um durch erhöht Arbeitslosigkeit Lohnerhöhungen zu verhindern, war diesen Ökonomen offenbar fremd – so fremd wie das Wissen, dass in der EU „Lohnzurückhaltung“ vorgeherrscht hat. Jedenfalls gab die überforderte Lagarde dem Drängen nach und bescherte uns damit die aktuelle Rezession. Man sollte vielleicht doch darüber nachdenken, wie man ökonomische Top-Jobs der EU besetzt: Lagarde war eine fähige Juristin, nicht aber, wie etwa Mario Draghi, jemand, der etwas von Geldpolitik versteht.

Damit zur Verschärfung der Rezession durch Trumps vermutliche Zölle. DerStandard zitiert mehrere Ökonomen, die meinen, diese protektionistische Abwehr von Importen würde die Preise in den USA steigern und damit die Inflation wieder anheizen; zugleich würde die geplante Massenabschiebung von Migranten  kritischen Arbeitskräftemangel bewirken. Letzteres ist möglich, nur scheint es mir begrenzt: beschäftigte Migranten wird man gegen den Widerstand der Unternehmen kaum abschieben; Künstliche Intelligenz wird viel menschliche Arbeit erübrigen; und die US- Geburtenrate ist hoch. Ersteres halte ich für viel komplexer: Wenn Zölle die Billig-Einfuhren aus China massiv reduzieren, wird das zwar Teile der keineswegs starken, oft veralteten, traditionellen US-Industrie schützen, dürfte die Inflation aber tatsächlich anheizen, weil sehr viele Alltagswaren teurer würden. Reduzieren Zölle hingegen Deutschlands Automobil- Exporte in die USA, so hilft das einer US-Automobil -Industrie, die- siehe Tesla – keineswegs schwach ist und sofort ihre Produktion steigern wird. Ich bezweifle, dass es die Inflation anheizt, wenn Amerikaner wieder mehr Cadillacs als Mercedes kaufen -hier dürfte „Protektionismus“ kaum selbstbeschädigend sein. Vor allem wenn man den Handel rundum aus dem Blickwinkel der USA betrachtet: Seit den späten 1990er Jahren verzeichnen sie nämlich ständig steigende Handelsbilanzdefizite von zuletzt durchschnittlich 1000 Milliarden Dollar. So lag lag ihr Defizit gegenüber China etwa 2022 bei 422 Milliarden Dollar und gegenüber der EU bei 219 Milliarden, wobei der Anteil Deutschlands daran mit 78 Milliarden Dollar der mit Abstand größte war. Ich weiß, dass Leser und Redaktion der Saldenmechanik überdrüssig sind, aber im Klartext heißt das: Die USA müssen sich ständig gewaltig verschulden, damit China gewaltig und Deutschland trotz Null-Defiziten passabel wachsen konnte. Schon Barack Obama bezweifelte, dass diese Einseitigkeit auf Dauer funktioniert und überlegte Zölle, Donald Trump drohte in seiner ersten Amtszeit an, sie in spürbarer Höhe zu beschließen und dürfte das jetzt tun. Das bremste Chinas Wirtschaftswunder ein und könnte Deutschland und die EU zwingen, die Schuldenbremse aufzugeben, wenn ihre Wirtschaft wachsen soll. Zugleich sicherten nur Lohnabschlüssen gemäß der Benya-Formel dieses Wachstum ab, denn sie hat den ökonomischen Sinn, die Kaufkraft der Bevölkerung so zu steigen, dass sie theoretisch in der Lage wäre, die von ihr produzierten Güter und Leistungen zu kaufen.

Das aber ist voran in Deutschland längst nicht mehr der Fall. Im Lauf von 25 Jahren „Lohnzurückhaltung“ hat sich die deutsche, österreichische, holländische und Schweizer Kaufkraft so vermindert, dass Deutschland zwingend mehr und mehr seiner Luxuslimousinen in die USA verkaufen musste, was dank niedriger Lohnkosten und damit günstiger Preise auch nicht schwer fiel – nur dass es US- Luxuslimousinen zwingend Marktanteile kosten musste. Weil Trump das nicht mehr akzeptieren will, wirft Deutschland ihm Protektionismus vor, während alle US-Präsidenten voran Deutschland seit 25 Jahren Dumping-Löhne vorwerfen könnten.

Ja, Trump dürfte Deutschland (und damit uns) harte Zeiten bescheren, denn die niedrigen Lohnkosten hatten noch eine zweite Wirkung: Sie ließen Produktivität und Innovation viel langsamer steigen, als höhere Löhne das erzwungen hätten – die versäumte Elektromobilität ist dafür das klassische Beispiel.

Ich bezweifle nicht, dass Trump derzeit katastrophale Minister bestellt, die Gefährlichkeit Wladimir Putins verkennt und demokratiepolitisch lebensgefährlich ist, aber ökonomisch hätte er aus US-Sicht mit Zöllen gegenüber Deutschland leider Recht.

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Der hoffentlich endgültige Finanzminister

Mit den bisherigen Sektionschef im Finanzministerium, Gunter Mayr hat Österreich nach langer Zeit endlich wieder einen kompetenten Finanzminister.

Mayr, der beim international anerkanntesten Steuerexperten des Landes, Werner Doralt studierte und dessen erster Assistent er war, war jüngster Professor für Finanzwissenschaften des Landes, ehe er in die Dienste des Ministeriums trat. Doralt schildert ihn als den besten Schüler und Assistenten, dessen er sich erinnern kann. Als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss, der sich mit den Vorgängen im Finanzministerium befasste, gab Mayr seinem Entsetzen über die Zustände Ausdruck, die mit Generalsekretär Thomas Schmid im Finanzministerium eingerissen waren und darin bestanden, dass Steuerangelegenheiten prominenter Klienten anders als die eines Durchschnittsbürgers behandelt wurden.

Es war der scheidenden Finanzminister Magnus Brunner, der Mar als seinen Nachfolger vorgeschlagen hat, weil er vermutlich wusste, um wie viel mehr der als er selbst von der Sache versteht. Kanzler Karl Nehammer hat zur Recht die Meinung geäußert, in Mayr einen hervorragenden Fachmann für dieses schwierige Amt in denkbar schwierigen Zeiten zu besitzen. Noch ist Mayr allerdings nur Interims- Finanzminister, bis eine neue Regierung feststeht. Es ist zu hoffen, dass ÖVP. SPÖ und Neos sich bei ihren Verhandlungen darauf einigen, dass Mayr als Finanzminister bleibt statt zu glauben, dass ein Politiker aus ihren Reihen mit entsprechender politischer Hausmacht es besser kann.

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Der leider jämmerliche Olaf Scholz

Der scheidende US-Präsident Joe Biden, der schon anlässlich des US-Abzugs aus Afghanistan gezeigt hat, wie wenig er von militärischen Aktionen versteht, hat endlich zugestimmt, dass das ukrainische Militär auch Raketen mit größerer Reichweite einsetzt.

Jedem militärisch Ausgebildeten war immer klar, dass man auch in einem Verteidigungskrieg in der Lage sein muss, Abschussrampen und Flugfelder im Gebiet des Gegners zu zerstören, was nur möglich ist, wenn man Raketen oder Marschflugköper einsetzen kann, die diese Ziele über die Front hinweg erreichen.

Der scheidende deutsche Kanzler Olav Scholz, der bisher behauptete, Taurus Marschflugköper nicht an die Ukraine zu liefern, weil er nur im Gleichklang mit den USA handeln wolle, liefert sie auch jetzt nicht, obwohl derzeit nur Deutschland genug davon auf Lager hat und sie am schnellsten zum Einsatz bringen könnte.

Wenn die Ukraine bei den vermutlich kommenden Friedensverhandlungen nicht bloß die Krim, sondern auch große Teile des Donbas Russland überlassen muss, liegt das damit endgültig voran bei Olaf Scholz. So wären Friedensgespräche längst im Gange, hätte Deutschland der Ukraine im Zuge ihrer anfangs so erfolgreichen Gegenoffensive die dringend erbetenen schweren Panzer geliefert, mit denn es ihr möglich gewesen wäre, die russische Frontlinie innerhalb des Donbas zu durchbrechen. Aber als Scholz diese Panzer endlich lieferte, war es zu spät, denn das russische Militär hatte die Zeit genutzt, mit Beton und Stahl Hindernisse zu errichten, die auch für schwere Panzer nicht zu überwinden waren. Wladimir Putin konnte wieder auf künftige Erfolge hoffen.

Scholz agiert so nicht zuletzt aus Rücksicht auf große Teile der SPD-Wähler, aber auch vieler anderer Deutscher, die deutsche Waffenlieferungen friedensbewegt ablehnen und man könnte meinen, dass das darauf beruht, dass eine Nation, die in der Geschichte mittels Waffen mehr Unheil als jede andere angerichtet hat, eben daraus gelernt hat. Aber das stimmt nicht: Nicht Waffen sind böse, sondern die sind böse, die sie zu einem Angriffskrieg, einsetzen. Krieg verhindert man nicht durch den Verzicht auf Waffen, sondern indem man einem potentiellen Aggressor ausreichend bewaffnet und damit Einhalt  gebietend gegenübersteht. Frieden in der Ukraine erreicht man nicht, indem der Angegriffene die Waffen streckt, sondern indem er durch ausreichende Waffen in der Lage ist, Wladimir Putin klar zu machen, dass er nicht auf weitere Gebietsgewinne  hoffen darf. Mit einem anderen deutschen Kanzler als Scholz hätte das längst der Fall sein können.

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Wie viel Förderung verdient die Kultur?

Österreich sieht in Kultur eine nötige  Leistung des Staates und gibt dafür viel Geld aus.  Gründe, warum das die Durchforstung des Förderdschungels überstehen sollte.

Es gibt derzeit nicht viele Ereignisse, über die man besonders erfreut berichten könnte. Ich habe soeben dennoch ein solches erlebt: Weil das meine einzige Chance war, noch zu Karten zu kommen, habe ich die Jugend-Vorstellung des Musicals „Anatevka“ an der Volksoper um 11 Uhr Vormittag besucht und bin daher mit lauter Zehn- bis Fünfzehnjährigen zusammengesessen.

Mehr Begeisterung eines Publikums habe ich nie erlebt.

Dabei gehört Anatevka innerhalb der Musicals zur „Hochkultur“. Jungen Leuten, die keine Ahnung von einem jüdischen Schtetl haben, ein solches nahezubringen, ist auch für sich hohe Kunst. Die leistet eine Inszenierung des Amerikaners Matthias Davids aus dem Jahr 2003, die jetzt nur wieder aufgenommen wurde. Aber manchmal ist es geradezu erholsam, wenn ein Regisseur sich nicht, wie derzeit fast jeder, bemüht, ein Stück „ganz anders als je zuvor“ zu inszenieren, sondern wenn der Respekt vor einem sehr guten Stück – und das ist Anatevka von Jerry Bock abseits der sehr guten Musik – überwiegt.

Dazu kamen grandiose Bühnenbilder von Mathias Fischer-Dieskau, die das jüdische Schtetl Anatevka mit seiner Fröhlichkeit bei Sonnenaufgängen so perfekt illustrierten wie seine Armut, die seine lehmige Dorfstraße angesichts einer drohenden Vertreibung in einen blutigen Sonnenuntergang führen lässt – immer ist der Bezugspunkt der Perspektive fühlbar. Dazu kommt das großartige Ballett, das Staatsoper und Volksoper gemeinsam haben: Da sind russische Tanzfreude und russische Musikalität so gegenwärtig wie jüdische Tanzfreude  und jüdische Musikalität – die Tänzerinnen und Tänzer „verkörperten“ sie, Die Besetzung der vielen Rollen ist tadellos, aber das Erlebnis dieser Aufführung ist, wie auch alle Kritiken sagen,  Cornelius Obonya, der die Rolle des Milchmanns Tevje als Einspringer übernahm: Es ist so, als ob Tevje soeben aus dem russischen Anatvka ausgereist und in Wien eingereist wäre, wo er die Bühne der Volksoper mit seiner Heimatschtetl verwechselt. Obonya ist Tevje. Wenn er singt, wie es wäre, wenn er einmal reich wär, dann träumt man diesen unerfüllbaren Traum mit ihm und weiß gleichzeitig wie er, dass das wirkliche Glück etwas ganz anders ist. Obonya, der anders als viele Darsteller Tevje kein Jude ist, spricht die Sprache der Juden die ich kenne, ohne je zu jiddln und beherrscht den jüdischen Witz wie ich ihn nur bei Simon Wiesenthal erlebt habe, wenn er erzählt: Sagt der Blau 1939 zum Grün: „Hast schon g`hört, der Kohn hat sich umbracht“, antwortet der Grün, „na ja, wann ma kann a Sach` verbessern.“.

Alle Schüler, die diese Vorstellung gesehen haben, wissen jetzt, wie Juden sein können und da es sich um österreichische Schulklassen gehandelt hat, waren sicher Moslems unter ihnen. Keiner davon, so bin ich überzeugt, ließe sich dazu verhetzen, wie in Amsterdam, auf jüdische Fußballfans loszugehen. Er erinnerte sich an Tevje.

In Österreich, um einmal etwas extrem Positives über dieses Land zu sagen, haben die bisherigen Regierungen in Zunehmendem Ausmaß erkannt, dass Kultur ein Angebot ist, für das der Staat ebenso zu sorgen hat wie für innere Sicherheit, funktionierende Spitäler oder intakte Brücken. Ich kenne kein anderes Land, wo so viele Bühnen subventioniert werden, wo im Sommer in jedem dritten Dorf Theater gespielt wird und es zugleich so viele Festivals gibt. Österreich wird seinem Anspruch, „Kulturnation“ zu sein, wird rundum gerecht und gibt dafür im Wege verwirrender „Förderungen“, die derzeit „auf ihre Notwendigkeit hin“ überprüft werden, viel Geld aus. Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen ausnahmsweise begreifen, dass das Streichen kultureller Förderungen, ganz sicher kein Weg ist, der Wirtschaft auf die Beine zu helfen, auch wenn in Kultur investierte Geld, ausgenommen die „Salzburger Festspiele“ und  die „Staatsoper“ und „Burg“ fast nur inländisches Geld einbringt, das auch sonst ausgegeben würde,  auch wenn eine gewisse Umweg-Rentabilität im Fremdenverkehr hinzutritt.

Was dieses Geld dennoch bringt ist Freude und ist Befassung mit Kunst als schöpferischem Akt. Dazu sollte man wissen, dass der schöpferische Akt des Künstlers dem schöpferischen Akt des Wissenschaftlers in höchstem Maße ähnelt: Wagemut, Phantasie und Innovation sind die wichtigsten Qualitäten für große Kunst wie große Wissenschaft. An der Wissenschaft aber hängt der Fortschritt der Technik, die letztlich entscheidend für den Fortschritt der Wirtschaft ist,

Einer der besten und produktivsten Physiker der Welt, der Altösterreicher Leo Szillard (er zeichnete für den Einstein-Szillard -Kühlschrank, das Elektronenmikroskop und die Nutzung der Kernenergie verantwortlich, und war zugleich einer der Heroen der Friedensbewegung, weil er von der US-Regierung -leider vergeblich- gefordert hatte, einen militärischen Gegner zuerst einmal dem Abwurf einer Atombombe in einer unbewohnten Wüste beizuwohnen, ehe man sie wirklich einsetzt) meinte mir gegenüber über einen uns gemeinsam bekannten Durchschnittsphysiker: „Zu einem wirklich großen Physiker fehlen ihm Intuition und Phantasie „. Alle großen Physiker, die ich kannte, bestätigen das. Österreichs größten wirtschaftlichen Erfolg, das LD-Verfahren zur Herstellung hochwertigen Stahls verdankt es sechs physikalisch begabten Ingenieuren, die vor allem eines hatten: Phantasie und Intuition.

 

 

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Sechs Ingredienzien des Trump-Sieges

Donald Trump hat viel mit Herbert Kickl gemein: Beide schimpfen und hetzen perfekt. Abgehängte glauben ihren Versprechungen. Aber Trump kann dazu auf Gott zählen.

 Für Europäer bleibt der Wahlsieg Donald Trumps ein Rätsel- für Amerikaner ist er es nicht. Zwar ist Trump auch vielen von ihnen politisch suspekt, aber der Mehrheit hat seine Steuerpolitik höhere Löhne beschert, auch wenn er primär Reiche entlasten wollte, und der großen Zahl wirtschaftlich Abgehängter der traditionellen US-Industrie hat seine Zollpolitik Jobs erhalten. Joe Biden hat Trumps Protektionismus denn auch voll übernommen, nur dass eine Inflation für die er nichts konnte, ihm den Erfolg geraubt hat, den seine viel nachhaltigeren Investitionen verdient hätten. Doch das Volk sah nur die gestiegene Preise.

Solange nicht begriffen wird, dass der Neoliberalismus „oben“ eine winzige Gruppe immer reicher macht, während „unten“ eine riesige Gruppe finanziell Abgehängter entsteht, erhalten rechte Politiker, die versprechen, das „System“ zu ändern, zwingend wachsenden Zulauf. Sonstige Ingredienzien dieses Zulaufs sollten uns geläufig sein: Permanentes Beschimpfen des politischen Gegners funktioniert bestens, wenn es unterhaltsam ist und prägnante Slogans enthält, wie Trumps Sager zum US-Wohlstand: „She broke it, I´ll fix it“. Das weiß und kann auch Herbert Kickl. Natürlich spielt Migration bei Trump und ihm die gleiche zentrale Rolle. Beide schwören, sie zu beenden, wobei Trump es noch phantasievoller begründet: Migranten äßen Hunde und Katzen. Da Migration Abgehängten auch echte Probleme beschert – sie drückt die Löhne und verschärft die Konkurrenz dort, wo der Staat soziale Leistungen erbringt – war „Abschiebung“ beider Wahlschlager. Zudem scheint die Behauptung des deutschen Neurologen Hoimar von Ditfurth zu stimmen, dass vorsteinzeitliche Erfahrungen unser Stammhirn prägen: So wie sich Höhlenbewohner mit allen Mitteln gegen Eindringlinge wehrten, gibt es die fast reflexive Ablehnung massiver Zuwanderung auch bei Leuten, die keine Faschisten sind. Nicht zuletzt wünscht sich jedes vorsteinzeitliche Rudel in kritischen Situationen einen starken Führer und dem entsprach Trump schon rein optisch optimal. Voran im ländlichen Raum wusste Trump so erfolgreich wie Kickl, ans Stammhirn zu appellieren obwohl gerade dort oft die wenigsten Zuwanderer sind.

Eher US-spezifisch ist, dass eine Frau ohne Chance ist, an die Staatsspitze zu gelangen: Harris hat das so wenig wie Hillary Clinton geschafft. Intelligente Frauen sind für simple Männer nicht zu ertragen. Gleichzeitig hat „Pussygrabing“ Trump bei simplen Frauen nicht geschadet. Machos überleben vorerst den Feminismus. Extrem US-spezifisch war die extreme Rolle der Religion: Der chronische Lügner Trump, der bekanntlich wegen Betruges verurteilt ist, weil er das Schweigegeld für eine Pornodarstellerin von der Steuer absetzen wollte, wurde von der evangelikalen Gemeinde der USA heilig gesprochen. Wie ihm das gelang, ist charakteristisch: Star unter den vielen „Tele-Evangelisten“, die ständig im TV auftreten, ist die dadurch steinreiche, bildhübsche, zum dritten Mal verheiratete Paula White-Cain, auch wenn Kollegen sie nur für die beste Schauspielerin halten. 2011, so erzählt Cain Zeitungen, hätte Trump sie um einen Gefallen gebeten: „Bring mich mit Leuten zusammen, um zu beten, ich möchte wirklich von Gott hören.“ Sie lud ihn zu einem Bibelkreis ein und berät ihn seither in Glaubensfragen. 2017 dankte sie Gott, dass er Trumps Amtseinführung ermöglichte; unmittelbar vor der aktuellen Wahl ging ein Video viral, in dem sie ekstatisch erklärte „Ich höre den Klang des Sieges. Der Herr sagt, es ist getan“; dazwischen hatte sie in einer Predigt erklärt, warum jemand, der sehr reich ist, sehr fromm sein kann.

Von Max Weber wissen wir, dass das am Anfang des Kapitalismus steht. Der Schweizer Theologe Johannes Calvin (1509-1564) wollte die Kirche bekanntlich im Sinne Martin Luthers  reformieren und sah Gott noch allmächtiger als dieser. Das Leben jedes Menschen, so lehrte er, sei von Gott vorherbestimmt, so dass von Beginn an feststünde, wer auserwählt und wer verdammt ist. Als seine Anhänger wissen wollten, ob es nicht wenigstens Zeichen gäbe, aus denen sie ersehen könnten, zu welcher Kategorie sie gehören, meinte Calvin, am ehesten zähle zu den Auserwählten, wer fleißig sei, sparsam lebe und zum Gemeinwohl beitrage. Indem das – kaum im Sinne Calvins – zu der Vorstellung verkam, dass erwählt sei, wer zu Reichtum gelange, wurde es emotionale Basis des Kapitalismus. Elon Musk oder Donald Trump für ihren Reichtum zu bewundern, ergibt sich aus dem Calvinismus ebenso logisch wie die Duldung größter Armut: Es ist gottgegeben, dass es viel mehr Arme=Verdammte als Auserwählte= Reiche gibt – und ein wichtiges Motiv nach Wohlstand zu streben. Auch dass US-Milliardäre dem Gemeinwohl durch Millionen- Spenden dienen, wurzelt im Calvinismus. Europas seit mehr als einem Jahrhundert übliches Bemühen, große Armut durch staatliche Gesetze zu verhindern, wird demgegenüber  als „sozialistisch“= kommunistisch diffamiert. Dass es in jüngerer Zeit so vielen weißen Evangelikalen immer schwerer fiel, den Wohlstand, nach dem sie denkbar fleißig strebten, auch zu erlangen, erklärt ihren Wunsch nach einem Heiligen, der behauptet, das liege nur an den demokratisch wählenden gottlosen Eliten „Washingtons“.

Nach Trumps Sieg müsste die EU mehr denn je beweisen, dass sich Sozialstaat, Rechtsstaat und wirtschaftlicher Erfolg vereinen lassen. Mit den geltenden Schuldenregeln ist das leider unmöglich.

 

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Das vorprogrammierte Platzen der Ampel

Mit den ökonomischen Thesen von Finanzminister Christian Lindner war erfolgreiches Regieren unmöglich. Friedrich Merz wird es nur besser machen, wenn er von ihnen abgeht.

Die deutsche Ampelkoalition ist wie vorprogrammiert geplatzt: Die Zusammenarbeit mit dem nach Wolfgang Schäuble unfähigsten deutschen Finanzminister, dem FDP-Chef Christian Lindner, konnte nicht gut gehen. Hatte Schäuble die EU gemeinsam mit Angela Merkel gezwungen, allen Mitgliedern eine Staatsschuldenbremse im Verfassungsrang vorzuschreiben, so profilierte sich Lindner als ihr Schutzherr: Er würde eisern darüber wachen, dass Deutschland sie einhält, obwohl schon allein der Ukrainekrieg massiv erhöhte Staatsausgaben nötig macht.

Ich habe hier schon so oft über den Widersinn der Maastricht-Kriterien geschrieben, dass Leser wie Redaktion es müde sind, aber vielleicht macht das Platzen dieser Koalition etwas begreiflicher, warum ich es getan habe. Privat hielte man es für absurd, wenn jemand, trotz eines Jahreseinkommens von 80.000 Euro keine größere Eigentumswohnung kaufen könnte, weil er nicht mehr als 60 Prozent seiner Wirtschaftsleistung als Kredit aufnehmen darf. Tut mir leid auch einen Kernsatz der Saldenmechanik zu wiederholen: Die Verkäufe der Unternehmen müssen zwingend sinken (das Wirtschaftswachstum muss leiden), wenn der sparende Staat weniger einkauft. Bisher hat „Exportweltmeister“ Deutschland glänzend gelebt (sich selbst nicht verschulden müssen), weil sich andere Länder fanden, deren Bürger und Staat sich an Deutschlands Stelle immer höher verschuldet haben. Aber das fand jetzt Grenzen: Erstens weil alle EU-Mitglieder per Strafe zu sparen gezwungen sind, zweitens weil Exporte nach Russland sanktioniert sind, drittens weil Chinas Wirtschaftsmotor stottert. Dass die Konsumenten der reichsten EU-Länder, Schweiz, Holland Österreich, Deutschland, selbst mehr der von ihnen produzierten Waren kaufen, verhindert die seit 23 Jahren von ihnen gemeinsam geübte „Lohnzurückhaltung“, von der man auch nichts mehr lesen will. Sie war aber ein entscheidender Grund dafür, dass in den USA immer mehr Luxuslimousinen von Mercedes oder BMW an Stelle von Cadillacs gekauft wurden, so dass die USA jedes Jahr ein Handelsbilanzdefizit (eine Verschuldung) von 500 Milliarden Dollar gegenüber Deutschland aufweisen. Schon Barack Obama dachte deshalb über Zölle nach, Donald Trump hat sie in seiner ersten Amtszeit angedroht und dürfte sie in der zweiten verwirklichen. Das wird voran Deutschland  und Österreich sehr schmerzen, aber vielleicht dazu führen, die Lohnzurückhaltung aufzugeben und zur Benya-Formel zurückzukehren, die den Sinn hat, dass die Bevölkerung jedes Landes die dort produzierten Waren theoretisch selbst zu kaufen vermag.

Neben der Minderung der Kaufkraft hatte die Lohnzurückhaltung eine zweite verdrängte fatale Wirkung: Wenn Unternehmen dank niedriger Lohnkosten sowieso satte Gewinne schreiben, verringert sich ihre Motivation, Innovation und Produktivität zu steigern. In Holland, das die Lohnzurückhaltung erfunden hat und am längsten übt, stieg die Produktivität fast gar nicht mehr, in Deutschland stieg sie wenig. Das hat gemeinsam mit dem fehlenden Anreiz zu Innovation dazu geführt, dass die deutsche Autoindustrie die Elektromobilität verschlafen hat. Der Rückstand, den Deutschlands (Österreichs) lächerlich geringen Investitionen in Digitalisierung und damit KI gegenüber China und den USA bewirkt haben, könnte Deutschland (Österreich) in Zukunft wirtschaftlich sogar noch härter treffen und ist im Kern natürlich eine Folge der Staatsschuldenbremse, auf der Christian Lindner wie kein anderer besteht. Daran musste sich sein Konflikt mit dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck entzünden, der sogar laut EU-Vorschrift nicht weniger in den Klimaschutz investieren konnte, und daran entzündete sich der letztlich wohl entscheidende Konflikt mit dem beliebtesten Politiker der Ampel, Verteidigungsminister Oscar Pistorius, der nicht einsehen wollte, dass man das Verteidigungsbudget kürzt, mit dem die kaputtgesparte Bundeswehr angesichts Wladimir Putin einsatzbereit gemacht werden sollte. Da auch die SPD nicht von zentralen sozialen Projekten wie dem Bürgergeld lassen wollte, war ausgeschlossen, Einvernehmen über ein Sparbudget zu erzielen.

Lindner, dessen FDP in Umfragen zu recht nur mehr 3 Prozent Zustimmung hatte, ergriff die Chance, von Bord zu gehen und präsentierte ein Papier, das durch Einsparungen beim Klimaschutz und Sozialleistungen zu einem ausgeglichenen Budget führen sollte und regte, was immer so richtig wie populär ist, „Bürokratie -Abbau“ an. Nur dass das alles das zentrale Problem nicht zu lösen vermag, das darin besteht, dass Deutschland seine Staatschuld unmöglich verringern kann, wenn der Staat derart viele unumgängliche und zum Teil (Verteidigung) zusätzliche Aufgaben hat.

Friedrich Merz und die CDU haben das Lindner-Papier begrüßt, obwohl die nächste Regierung, die er zweifellos anführen wird, vor dem gleichen Problem stehen und es genauso wenig lösen können wird, sofern sie nicht von der Staatsschuldenbremse, die sie erfunden hat, Abschied nimmt. Es gibt mittlerweile mehrere Arbeitgeber-nahe Wirtschaftsforscher, die das dringend empfehlen und die gesichtswahrende Lösung sollte Lesern meiner Kommentare bekannt vorkommen: Investitionen in die Zukunft, in Klimaschutz, Digitalisierung, KI und Verteidigung sollten nicht mehr als „Schulden“ zählen, sondern als nötige Kredite angesehen werden.

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Die Welt eherner Wähler Donald Trumps

Die Millionen, die Donald Trump trotz des Sturms aufs Kapitol gewählt haben, bleiben weiterhin ihr größtes Risiko – bis hin zum Bürgerkrieg.

Der Chefredakteur der Schweizer Weltwoche Roger Köppel vermutete richtig im ZIB-Gespräch mit Robert Treichler vom profil wie  ich, dass Donald Trump die Wahl gewinnt. Sicher ist er der einzige deutschsprachige Chefredakteur, der das begrüßte: Es sei unsinnig, Trump als Faschisten zu verteufeln und eine Missachtung der Millionen, die ihn wählen.

Für mich sind die Millionen, die Trump trotz des Sturms aufs Kapitol wählten, das größte Risiko der bisher demokratisch so gesichert scheinenden USA. Ansonsten sollte uns das Phänomen Millionen politisch Blinder nicht fremd sein: Auch für Adolf Hitler stimmten Millionen, obwohl „Mein Kampf“ ein Bestseller war und die SA schon jüdische Geschäfte zertrümmert hatte. Die zweite Parallele: Hitlers wie Trumps Erfolg hat nicht nur viel mit Rassismus, sondern auch viel mit wirtschaftlichem Abstieg zu tun: Voran abgehängte weiße Männer geringer Bildung sehen in Trump den Präsidenten, unter dem es ihnen am besten ging.

Die Soziologin Arlie Russell Hochschild hat fünf Jahre die Trump-Hochburg Louisiana studiert, um in die Welt jener weißen, älteren, evangelikalen Männer einzudringen, die bis heute der harte Kern seiner Wähler sind. Das Ergebnis hat sie in dem Buch „Strangers In Their Own Land“ (Fremde im eigenen Land) zusammengefasst, aus dem ich hier referiere. Voran Daten: Louisiana ist der zweitärmste US-Bundesstaat und zählt zum historischen „Süden“. Zugleich ist es „Tea Party“-Land: hat diese Retro-Gemeinde USA-weit 20 Prozent – rund 40 Millionen – Anhänger, so bekennen sich in Louisiana 50 Prozent zu ihr. Vom Süden ausgehend ist die Tea Party zu Kopf, Rückgrat und Muskulatur der republikanischen Partei geworden.

Ihren Hass auf „Democrats“ und „Washington“ begründen Tea Party Anhänger etwa so:

  • Die bringen uns, die Arbeitenden, durch hohe Steuern um unser Geld, um es den Nichtstuern zuzustecken.
    Ihre Medien wollen uns vorschreiben, wie wir zu denken haben.
  • Dabei befürworten sie Todsünden wie Abtreibung oder Homosexualität und wenden sich von Jesus ab.
  • Alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten bestreiten die Evolution, weil es Wähler bringt: Unglaubliche 42 Prozent der Amerikaner halten für gut möglich, dass Jesus 2050 auf Erden wiedergeboren wird.

Der Abstand zu den Demokraten ist überall zur Kluft geworden. Der Republikaner Dwight D. Eisenhower hat Spitzenverdiener mit 91 Prozent besteuert und massive Infrastruktur-Investitionen getätigt – Republikanern von heute sind 40 Prozent Spitzensteuersatz zu viel und sie fordern selbst bei Bildung oder Gesundheit Budgetkürzungen. Dabei sind republikanische Staaten durchgehend ärmer als demokratische und hängen weit mehr von Bundesmitteln ab: sie haben mehr Arbeitslose, mehr minderjährige Mütter mehr Kranke. In Louisiana kamen zur Armut größte Umweltprobleme: Das Wasser war durch Rückstände der Ölindustrie so vergiftet, dass Krebs ganze Familien hinwegraffte. Dennoch sind selbst Hinterbliebene mit der Tea-Party für die Abschaffung der Bundesumweltschutzbehörde EPA.

Was geht in den Familienvätern vor, die die USA so unwirtlich erleben? Hochschild beschreibt es mit einem Bild, das ihre Gesprächspartner durchwegs zutreffend nennen: Sie sehen sich in einer Warteschlange am Fuß eines Bergs, der unverändert den amerikanischen Traum verbirgt: ein Häuschen, ein Auto und Kinder, die es noch weiterbringen. Doch mit fünfzig stehen sie noch immer in der Warteschlange, obwohl sie immer hart gearbeitet haben. Der Grund kann also nur sein, dass sich andere vor ihnen eingereiht haben:

  • Schwarze, die sie weit hinter sich glaubten – weil „Washington“ ( in Wahrheit ein Urteil des einstigen Supreme Court) Unternehmen, die Staatsaufträge erhalten, vorschreibt, sie vor Weißen zu Facharbeitern auszubilden.
  • Frauen, die dieses Urteil mit schlechteren Noten als Männer studieren lässt.
    Selbst Schwule, Zuwanderer und Flüchtlinge genießen angeblich „Washingtons“ Unterstützung.
  • Wer aber unterstützt sie? Worauf können sie „politisch korrekt“ noch stolz sein? Auf ihre Arbeit – obwohl sie schlechter denn je bezahlt wird? Sind sie stolz, Weiße zu sein, gelten sie als Rassisten. Sind sie stolz, heterosexuell zu sein, gelten sie als homophob. Sind sie stolz, Christen zu sein, gelten sie als beschränkt. Sie sind Fremde im eigenen Land. Nur Donald Trump weiß sie zu schätzen. (Ende der Hochschild -Analyse.)

Tatsächlich hat Trump ihnen wirtschaftlich genützt: indem er Importe, die mit Produkten der traditionellen US-Industrie konkurrieren, mit Zöllen belegte oder unterband, sicherte er ihnen Jobs. Indem er (in Wahrheit zu Gunsten von Aktionären) die Körperschaftssteuer von 36 auf 21 Prozent senkte, bewirkte er überraschend, dass ihre Löhne stiegen, weil in einer boomenden Wirtschaft Arbeitskräfte knapp wurden.

Joe Biden, der mindestens so protektionistisch agierte und dessen Investitionen in die Infrastruktur die Wirtschaft viel nachhaltiger ankurbeln, hatte das Pech, daß eine Inflation, für die er nichts kann (ihre Wurzel war die Einigung Wladimir Putins mit der OPEC, Öl zu verknappen) seine Bilanz verhagelte – das hat mit Harris den Sieg gekostet.

 

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Die Probleme humaner Migrationspolitik

Nur Dänemarks extrem restriktive, inhumane Flüchtlingspolitik konnte den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten stoppen

Ursula Von der Leyen begrüßte es als „spannendes Experiment“: In einem eingezäunten Lager bei Tirana sollen Männer, die Asyl in Italien erhofften, einen Bescheid abwarten. Obwohl ein Gericht die erste solche Aktion als unzulässig erklärte, will Georgia Meloni an dem mit Albanien vereinbarten „exterritorialen Asylzentrum“ festhalten, und etliche EU-Staaten verfolgen die Idee weiter. Etwas abschreckende Wirkung dürfte ihr innewohnen – für eine Lösung halte ich sie so wenig wie der Migrationsexperte Gerald Knaus: Dazu brauchte es Abkommen mit Ländern, die, wie die Türkei, bereit sind, Personen zu behalten, die abzuschieben wären oder sie auf- oder zurücknähmen – und die fehlen. Noch vor zehn Jahren hätte die EU freilich schon Melonis albanisches „Anhaltelager“ – denn das ist es – als “inhuman“ gegeißelt.

Florian Klenk fordert „das Strafrecht gegen die Feinde der offenen Gesellschaft in Stellung zu bringen“, wo sie von Islamisten unter den Zuwanderern bedroht ist und dennoch bei einer „fein austarierten“ Migrationspolitik zu bleiben, die weiterhin human ist“. Das war auch mein Zugang zur Migrationspolitik, aber ich weiß nicht, ob er sich aufrechterhalten lässt. Denn es gibt offenbar die vom deutschen Neurologen Hoimar von Dithfurt behauptete vorsteinzeitliche Prägung unseres Stammhirns, wonach die Zuwanderung sehr vieler „Fremder“ als massive Bedrohung wahrgenommen wird, auch wenn man kein Faschist ist, sie heuer extrem zurückgegangen ist und die eigene Bevölkerung vieler Länder schrumpft.

Die einzige Asylpolitik, die den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten aufzuhalten vermochte, war die der sozialdemokratischen Regierungschefin  Dänemarks, Mette Frederiksen, die eine  Asylpolitik betreibt, die Klenks und meine Anforderungen an Humanität kaum erfüllt: Auch in Dänemark müssen Migranten Asylbescheide wie in Albanien in geschlossenen Lagern abwarten; Wertsachen können ihnen zur Verrechnung abgenommen werden; sie erhalten neben Sachleistungen kaum Geld, weil es, heimgeschickt, helfen könnte, eine weitere Flucht zu finanzieren; Familiennachzug wird maximal erschwert; wer abgeschoben werden kann, wird abgeschoben, selbst wenn er einen gesuchten Beruf hat. Das Asylrecht handhabt Dänemark denkbar restriktiv: Krieg allein ist bekanntlich so wenig ein Asylgrund wie die Herrschaft der Taliban – das bekommen Syrer wie Afghanen deutlich zu spüren. In Summe führte diese von allen Parteien begrüßte Politik dazu, dass zehn Millionen Dänen einen Bruchteil der Migranten und Asylanten Österreichs beherbergen.

Ich habe leider die Sorge, dass humane Migrationspolitik, selbst wenn sie das Strafrecht energisch gegen Feinde der offenen Gesellschaft unter den Zuwandernden in Stellung bringt, die extreme Rechte derart stärkt, dass wir bald keine offene Gesellschaft mehr haben. Denn zu den zitierten emotionalen Problemen bringt massive Zuwanderung auch sehr reale Probleme mit sich, die in unteren sozialen Schichten, die die Mehrheit rechter Wähler stellen, am größten sind: Sie drückt Löhne, verschärft die Konkurrenz um günstigen Wohnraum oder Betreuung durch Kassenärzte und mindert die Zukunftschancen von Kindern, die Schulklassen besuchen, in denen die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Auch die schiere Zahl der Migranten ist in Staaten, die die EU zum Sparen verpflichtet, ein Problem: Es ist teuer, viel mehr Lehrer und viel mehr Ärzte auszubilden oder so viel mehr Polizisten anzustellen, dass die von Migranten mitverursachte Kriminalität von der Bevölkerung nicht als massive Bedrohung (siehe oben) wahrgenommen wird, obwohl die Zahl der Bluttaten wie eh und je sinkt.

Dazu kommt das Problem der Zuwanderung aus besonders fremden Kulturen: Frauen, die sich nicht von männlichen Ärzten behandeln lassen, Männer, die nicht mit Lehrerinnen sprechen, Testosteron strotzende Burschen mit einem uns völlig fremden Frauenbild. Es ist leider nicht so, dass Mädchen in Miniröcken sich überflüssig vor Übergriffen fürchten. Und alle Frauen bewegt die Sorge, dass eine Gesellschaft, die sich endlich in Richtung zu ihrer Gleichberechtigung verändert hat, sich wieder rückwärts entwickeln könnte. Auch dass der Antisemitismus in einer Bevölkerung, der er sowieso nicht fremd ist, um so viele islamische Antisemiten wächst, muss besorgen.

Ich habe im Wahlkampf die TV-Diskussion zwischen Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger und FPÖ-Chef Herbert Kickl in einem Lokal verfolgt und sicher hat Kickl dabei keinen NEOS-Wähler und Meinl-Reisinger keinen FPÖ-Wähler für sich gewonnen. Aber bei den Unentschlossenen, auf die es ankam, hat Kickl umso mehr gepunktet, je mehr er auf konkrete Probleme zu sprechen kam, auch wenn er sie übertrieb: Es genügt, sie einmal selbst erlebt zu haben, um ihm ihre Übertreibung zu glauben. Nicht zuletzt hatte er mit Erfolg darauf hingewiesen, dass das Asylrecht – siehe Dänemark – auch sehr viel restriktiver und dennoch EU- und rechtskonform gehandhabt werden kann. Ich fürchte, dass ein Land, das wie Österreich bereits besonders viele Flüchtlinge aufgenommen hat, es leider wie Dänemark handhaben muss, um den „Endsieg“ von Kickl und Co zu verhindern. Mir deshalb Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen, wird insofern nicht ganz leicht sein, als ich Zeit meines Lebens Flüchtlinge in meine Wohnung aufgenommen und das Badezimmer mit ihnen geteilt habe.

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Chronist einer roten Eiterbeule

Hans Pretterebner war idealer Ghostwriter eines brillanten Presseanwalts, der mit „LUCONA“ den unglaublichsten Kriminalfall in der Ära roter Polit-Justiz aufdeckte.

Hans Pretterebner ist tot. Mit dem Buch „Der Fall Lucona“ beschrieb er das unglaublichste Verbrechen der Nachkriegsschichte. Unglaublich in seiner Brutalität: Udo Proksch, alias Serge Kirchhofer sprengte mit dem Schiff Lucona auch dessen Mannschaft in die Luft. Unglaublich durch die engen Beziehungen Pokschs zur SPÖ. Und unglaublich wegen des Verlaufs des Strafverfahrens: Obwohl gar nicht so lang nach der Tat im Jahr 1977 massive Verdachtsmomente vorlagen, wurde Proksch erst 1992 wegen sechsfachen Mordes verurteilt.

Die Vorgeschichte: Proksch, Zuwanderer aus einer nationalen deutschen Familie machte viel Geld als Brillendesigner. Dank witziger todernst vorgetragener Vorschläge zur „Senkrechtbestattung“ und beträchtlichem Exhibitionismus erlangte er eine gewisse Berühmtheit in der Wiener Szene: Es störte ihn nicht, dass man erzählte, er pisse vor Freundinnen ins Zimmer oder schieße in Wände und Decke.

Ich lernte ihn durch meinen, leider wie Proksch alkoholabhängigen, sensiblen profil Kollegen Reinhard Tramontana kennen, der ihn als Genie verehrte und für die Schönheit seiner Frau bewunderte. Zumindest sie, die Schauspielerin Erika Pluhar, bewunderte ich auch – umso verblüffter war ich, als ich Proksch erstmals sah: Klein, aufgedunsen, mit schmutzigen Fingernägeln wirkte er auf mich nur abstoßend und was er von sich gab, sprach nur für seine NS-Sozialisation. Aber damit stand ich alleine da: Nicht nur Tramontana hielt ihn für genial.

Tatsächlich genial war seine Idee, nach Oben gelangten roten Politikern mit der Gründung des „Club 45“ oberhalb der Konditorei Demel die Sehnsucht nach bürgerlicher Noblesse zu erfüllen: Ein „Herrenklub“ mit erlesenem Mobiliar samt Escort-Damen. Mitgründer und idealtypisches Mitglied war Wiens Bürgermeister Leopold Gratz, der einen Jaguar statt eines Mercedes fuhr und Whisky statt Wein trank. Bruno Kreisky und Heinz Fischer waren die einzigen roten Granden, die den Club nur einmal besuchten, für die anderen war er politischer Treffpunkt mit der Chance auf galante Abenteuer im Separee, die Proksch durch ein Guckloch filmte.

Vergleichbar perfide plante er seinen kriminellen Coup: Laut Papieren belud er den Frachter Lucona gemeinsam mit seinem Freund Hans Peter Daimler mit einer Uranaufbereitungsanlage, die er im Gegenwert von 15,4 Millionen Euro bei der „Bundesländer“ versicherte. Als die Lucona an einer der tiefsten Stellen des Ozeans sank, hatte er allerdings das Pech, dass sechs von 12 Matrosen wie durch ein Wunder gerettet wurden. Die Erzählung eines dieser Geretteten weckten bei der „Bundesländer“, Zweifel an der Zufälligkeit des Unglücks: Sie engagierte den Rechtsanwalt Werner Masser, um den Fall zu überprüfen.

Jemand besseren hätte sie dafür nicht finden können:  Ich kannte Masser als Anwalt des profil, für das er die heikelsten Prozesse gewonnen hatte und später erreichte er beim Europäischen Gerichtshof die Aufhebung des Urteils, mit dem ich der Ehrenbeleidigung an Bruno Kreisky schuldig gesprochen worden war, weil ich sein Verhalten in der Causa Wiesental „ungeheuerlich“ genannt hatte. (Das EuGH-Urteil erlangte presserechtliche Grundsatzbedeutung). Ähnlich erfolgreich agierte Masser in der Causa Lucona: Er fand heraus, dass die angebliche Uranaufbereitungsanlage aus Teilen eines Plastikextruders bestand, den Proksch zur Fertigung von Brillen verwendet hatte, dazu aus Teilen einer Bergbauanlage sowie von Bundesheergeräten, die er von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf geschenkt bekommen hatte. Als Masser schließlich herausfand, dass Proksch sich bei einem Bundesheer-Experten eingehend über Sprengungen und Zeitzünder informiert hatte, ergab sich für ihn, zusammen mit der Erzählung eines geretteten Matrosen, der einen Knall gehört haben wollte, das ziemlich klare Bild eines fast perfekten Verbrechens.

Gerald Freihofner in der Wochenpresse und ich im profil vermochten dieses Bild Woche für Woche nachzuzeichnen, gab uns Masser doch jede seiner Recherchen samt Belegen weiter. (Er schlug mir auch vor, sie zu einem Buch zu verarbeiten, aber ich lehnte ab, weil ich bei der Beurteilung der SPÖ nie so unbefangen wie der spätere FP-Abgeordnete Pretterebner gewesen wäre.)

Das Phantastische war nur: Obwohl Wochenpresse und profil Proksch durch Jahre offen des Mordes ziehen, leitete die Staatsanwaltschaft unter Justizminister Christian Broda kein Verfahren gegen ihn ein. Nur für mich war das nicht wirklich erstaunlich, hatte sie es bei Kriminalfällen, die die SPÖ in Verlegenheit bringen konnten, doch noch nie getan. Auch Brodas FP-Nachfolger Harald Ofner in der rot-blauen Koalition Fred Sinowatz‘ fand „die Suppe zu dünn“ für eine Anklage. Erst unter dem parteilosen Rechtsgelehrten Egmont Foregger als Justizminister der Regierung Franz Vranitzky kam es endlich zu einem Strafverfahren und Prokschs Verhaftung, nachdem ein Tauchroboter Sprenglöcher der Lucona zu filmen vermochte. Dennoch versuchte Leopold Gratz, Proksch mit Dokumenten über den Kauf einer Urananlage zu helfen, die sich als Fälschungen herausstellten und Ähnliches tat Innenminister Karl Blecha, um das Verfahren zu verzögern. Die widerrechtliche Enthaftung ermöglichte Proksch sogar die Flucht, bis er 1989 wieder verhaftet und 1992 verurteilet werden konnte.

Eine eindringlichere Begründung für eine parteiunabhängige Staatsanwaltschaft als den Fall Lucona kenne ich nicht.

 

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Wie die EU die Rezession maximiert

Die Sparauflagen der EU maximieren die Rezession. Das Exportland Österreich steht vor extrem schwierigen Jahren. Die FPÖ regieren zu lassen, ist eine Überlegung wert.

Langsam kommen auch „Institut für Wirtschaftsforschung“ (WIFO) und „Institut für höhere Studien“ (IHS) drauf:  Österreich befindet sich mit Deutschland in einer Rezession, in der es nicht zuletzt deshalb schlechte Karten hat, weil die Lohnstückkosten seiner Exportindustrie nach der letzten Lohnrunde zu den höchsten der EU zählen.

Das „Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche“ (WIIW), das seit Jahrzehnten die präzisesten ökonomischen Prognosen abgibt, teilt auch meine hier deponierten Sorgen bezüglich der Konsequenzen zusätzlichen Sparens des Staates, wie die EU es uns derzeit abverlangt: Es beeinträchtigte unser  Wirtschaftswachstum erheblich.

WIIW-Experte Philipp Heimberger sagt darüber hinaus auch klar, was die Logik der EU sagen müsste: Wenn sie alle ihre Mitglieder gleichzeitig zum Sparen vergattert, so kumulieren die negativen Effekte und ihre Wirtschaftsleistung muss sinken. Von dieser Ansicht Heimbergers ist es nur mehr ein kleiner Schritt zu dem hier im Juni zitierten, mit Zahlen belegten Urteil des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stieglitz: “Europa spart sich kaputt“.

Folgt man den Berechnungen des Chefvolkswirts des Finanzhauses Namura, Richard Koo, so führt das, wenn man es fortsetzt, in die von ihm so benannte „Bilanzrezession“, wie sie Weltwirtschaftskrisen vorhergeht.

Ich führe das nicht an, um Sie zu erschrecken, sondern um vor Augen zu führen, dass nicht nur ich, sondern doch recht namhafte Ökonomen die Wirtschaftspolitik der EU-Kommission für gemeingefährlich halten, weil sie der von mir so oft strapazierten Saldenmechanik widerspricht: Wirtschaft kann nicht wachsen, wenn sich nicht irgendwer zusätzlich verschuldet; da Unternehmen das derzeit nicht tun, muss es der Staat sein, der auch genügend ihm zufallende Aufgaben hat: Er muss in den Klimaschutz investieren, Europas Verteidigungsfähigkeit gegenüber Russland stärken und die Leitungen ausbauen, die umfassende Digitalisierung erlauben, denn die ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt bis hin zur künstlichen Intelligenz.

Der Österreich von der EU auferlegte Zwang, nicht nur 2,5, sondern, wie man jetzt weiß, über 3 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich einzusparen, um sich der wissenschaftlich nie seriös begründeten Staatsschuldenquote von 60 Prozent des BIP anzunähern, ist die  Krönung des diesbezüglichen Widersinns. Dass auch Italien, Frankreich, Belgien, Spanien oder Finnland mehr sparen sollen und dass alle anderen Staaten es schon bisher tun, maximiert (siehe oben) den negativen Effekt.

Gelingt es nicht, die EU-Kommission durch einen gemeinsamen Vorstoß der Betroffenen zur Besinnung zu bringen, so steht Österreich die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten bevor. Ich frage mich daher, ob es nicht das Beste wäre, ihre Bewältigung einer Regierung aus FPÖ und ÖVP unter Volkskanzler Herbert Kickl zu überlassen, halten beide Parteien die Sparpolitik der EU doch für richtig und lehnen die einzige Möglichkeit, mehr Geld für Investitionen zu erhalten, indem man die vermögensbezogenen Steuern erhöhte, aufs Energischste ab. Verbunden mit der in der Vergangenheit erwiesenen besonderen Unfähigkeit ihrer Wirtschaftsakteure müsste diese Regierung innerhalb kürzester Zeit ökonomisch so krachend scheitern, dass die FPÖ vielleicht für ein paar Jahrzehnte wieder zur Kleinpartei schrumpfte. (Ganz würde man sie nie los, denn die Österreicher neigen faschistoidem Denken und Fühlen mehr als andere Völker zu.)

Was mich davon abhält, der SPÖ ausdrücklich die Fortsetzung ihrer Opposition zu empfehlen, ist zum einen, dass ich den Österreichern zumindest krachendes ökonomisches Scheitern doch lieber ersparte, zum anderen, dass ich mich sorge, dass es Kickl gelingen könnte, Österreich in seiner Regierungszeit Orbanistan anzunähern, auch wenn ihm die Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen fehlt.

Nicht zuletzt halte ich für nicht ganz ausgeschlossen, dass eine Koalition aus ÖVP und SPÖ es doch um eine Nuance besser als Kickl machte. Denn Karl Nehammer scheint den Widersinn staatlichen Sparens zumindest zu ahnen, hat er in den jüngsten, den Sparauflagen der EU folgenden Diskussionen, doch dafür plädiert, besser das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Allerdings brauchte es auch dafür staatliches Geld und die einzige Möglichkeit, es trotz Maastricht zu erhalten, bestünde darin, die vermögensbezogenen Steuern (nicht nur die Erbschaftssteuer) zu erhöhen und damit die Senkung der Steuern auf Arbeit zu finanzieren, denn damit verbesserte man jedenfalls die Wirtschaftsstruktur.

Beate Meinl-Reisinger, die das in einem luziden Intervall zu verstehen schien, ist davon leider wieder abgekommen und empfiehlt stattdessen die absurde Schuldenbremse (auch wenn der Staat natürlich sparsam wirtschaften soll.)

Hätte ich es ursprünglich für sinnvoll gehalten, eine türkis-rote Regierung um die NEOs zu erweitern, um ihre Stabilität zu erhöhen, so sehe ich darin keinen Vorteil mehr – nur mehr Streit.

Es muss jemandem – ich bleibe bei der WiFO -Steuer- Expertin Margit Schratzenstaller- gelingen, Karl Nehammer vom Vorteil vermögensbezogener Steuern in Relation zu Steuern auf Arbeit zu überzeugen, während Philipp Heimberger ihn weiter darin bestärken müsste, dass Sparen des Staates der falsche Weg ist.

Wenn das nicht gelingt, verstünde ich, wenn die SPÖ die Opposition dem Regieren vorzöge.

 

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Veränderte „Feuer bei Moskau“ den Krieg?

Ein russischer Beobachter glaubt, dass erfolgreiche Angriffe der Ukraine auf russische Ziele Putins Rückhalt gefährden, wenn, sie anhalten. Ein anonymisiertes Interview.

 „Boris“, wie ich ihn hier nennen will, war in den Achtzigerjahren -seit damals kennen wir einander- jemand, von dem man sich halbwegs glaubwürdige Informationen erhoffte, wenn man die Sowjetunion als Journalist besuchte. Er hatte innerhalb des Regimes eine höhere Funktion inne, die ihm Einblicke in die Machtverhältnisse gewährte. Mich verblüffte er damals durch seinen Kenntnisreichtum, mit dem er mir die Schwierigkeiten beschrieb, die sich Moskau durch den Einmarsch in Afghanistan eingehandelt hatte. Später, als unser Verhältnis freundschaftlicher wurde, erwies er sich als engagierter Anhänger Wladimir Putins. Heute, längst pensioniert, ist er das immer noch. Er versteht nur nicht, warum der in seinen Augen so erfolgreiche Staatschef sich auf den Ukrainekrieg eingelassen hat. Was er mir über den aktuellen Stand dieses Krieges sagt, scheint mir spannend, so wenig ich überprüfen kann, wie weit es zutrifft

Lingens: Was schätzt Du so an Putin?

Boris: Er hat das Chaos beendet, in das Russland mit Boris Jelzin gestürzt ist. Erst mit ihm hat das Land wieder funktioniert, haben bewaffnete Überfälle aufgehört, wurden Geschäftszeiten oder Fahrpläne wieder eingehalten. Er hat den Oligarchen den Großteil dessen, was sie gestohlen haben, wieder abgenommen und dem Staat zurückgegeben. Die Wirtschaft konnte sich erholen. Natürlich blieb sie weiter viel zu abhängig von Öl und anderen Bodenschätzen, aber es sind doch auch zusätzliche Wirtschaftszweige entstanden. Zwar immer noch viel zu viele Großbetriebe, aber doch auch Mittel- und Kleinbetriebe, nicht zuletzt in Kooperation mit ausländischen Unternehmen. Eigentlich war es eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Es ist der Bevölkerung immer besser gegangen.

Lingens: Dass die Staatsführung immer autoritärer wurde hat niemanden gestört?

Boris: Die wenigsten. Man kann Russland nicht anders führen. Dass es den Leuten soviel besser gegangen ist, war jedenfalls viel wichtiger.

Lingens: Du sagst, dass diese Verbesserung der Lebensumstände seit dem Ukrainekrieg in Gefahr ist?

Boris: Der Ukrainekrieg war ein mir völlig unverständlicher Fehler. Man musste wissen, dass er nicht einmal dann etwas gebracht hätte, wenn er schon gewonnen wäre: ein so großes Territorium zu beherrschen kostete nur Geld. Aber er wurde nicht gewonnen und das kostet noch mehr Geld.

Lingens: Die russische Wirtschaft wächst doch. Die Öl-Einnahmen sind trotz der Sanktionen gewaltig. Immer mehr Leute und sogar politische Parteien in der EU bezweifeln den Sinn der Sanktionen.

Boris: Die Kriegswirtschaft wächst- der Konsum leidet. Es sind nicht die Öleinnahmen aus der EU die uns abgehen – da sind die Chinesen eingesprungen. Aber erstens hängen wir jetzt von denen ab: Sie haben viele der Geschäfte übernommen, die früher die EU gemacht hat. So verkaufen sie uns jetzt ihre Autos -aber teuer. Zweites und vor allem ist alles teurerer geworden. Und zwar so gewaltig teurer, dass jeder es spürt. Natürlich geht uns McDonald´s nicht ab, wohl aber hat alles gelitten, was Hochtechnologie braucht. Elektronik wird immer schlechter, Flugzeuge fallen herunter, weil Ersatzteile fehlen.

Lingens: Das scheint auch im Krieg eine Rolle zu spielen. Besonders erfolgreich agiert Russlands Armee nicht, wenn man bedenkt, wie viel mehr Menschen sie aufbieten kann.

Boris: Auch das kann sie immer weniger. Die Musterungen sind verhasst. Und die Soldaten kosten den Staat immer mehr Geld. Er muss ihnen 2.000 Euro im Monat bezahlen. Und er muss auch den Hinterbliebenen immer mehr bezahlen, damit die Unzufriedenheit nicht zu laut wird. Und natürlich sind die russischen Waffen durch den Mangel an Hochtechnologie schlechter als die westlichen. Ich kann nur wiederholen, dass dieser Krieg ein fataler Fehler war. Nicht Putins, wohl aber seiner Berater, die ihm gesagt haben, dass das ein Spaziergang sein wird.

Lingens: Du hast mir gesagt, dass dieser Krieg in eine grundsätzlich neue, qualitativ andere Phase getreten ist – vom außen sieht es nicht so aus.

Boris: Von innen schon. Stell Dir vor, nur ein paar Kilometer von Wien entfernt brennt plötzlich die größte Raffinerie der Stadt, weil sie von einem feindlichen Geschoß getroffen wurde. Sie brennt durch Tage, so dass sogar Benzin knapp wird. So war das mit der Raffinerie, die die Ukrainische Armee, nur ein paar Kilometer von Moskau entfernt, getroffen und in Brand gesetzt hat. Jeder in Moskau hat das Feuer gesehen. Das hat, viel mehr als der ukrainische Vorstoß nach Kursk, die Einstellung der Bevölkerung zu diesem Krieg verändert. Sie ist zwar nach wie vor für Putin- aber der Teil der denkt, so um die zwanzig Prozent, ist gegen diesen Krieg.

Lingens: Du meinst, das lässt sich trennen?

Boris. Ja! Jedenfalls ziemlich lang.

Lingens: Auch wenn der Krieg noch unglücklicher verlaufen sollte?

Boris: Dann könnten Gegner Putins ihn im Geheimdienst entsorgen.

Lingens: Wird er da nicht vorher den Einsatz taktischer Atomwaffen in Betracht ziehen, um den Krieg zu gewinnen?

Boris: Das kann er nicht allein. Außerdem passiert ihm nichts, wenn er entsorgt wird. Auch Jelzin ist nach seiner Entsorgung durch Putin nichts passiert: Seine Familie hat alles was sie hatte- und das war ziemlich viel- behalten.

Lingens: Du glaubst ernsthaft, dass Putin gefährdet ist.

Boris: Noch nicht. Aber Jahre hat er nicht Zeit. Es sei denn Donald Trump wird US-Präsident.

 

 

 

 

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Bewältigt Türkis-Rot die Rezession?

Die FPÖ passt zu Österreich. Karl Nehammer schließt eine Koalition mit ihr unverändert aus. Jede künftige Regierung wird größte Wirtschaftsprobleme überwinden müssen.

 FPÖ-Mandatar Michael Schnedlitz hatte recht, als er meinte, Österreich hätte soeben Geschichte geschrieben: Mit 29,2 Prozent der Stimmen ist die FPÖ die stärkste rechtsextreme Partei Europas. Für diesen dramatischen Sieg sehe ich folgende Ursachen:

  • Der Anteil der Bevölkerung, der für faschistoides Denken und die Anbiederung an Diktatoren á la Wladimir Putin anfällig ist und in allen Ländern um die 25 Prozent liegt, liegt in Österreich deutlich höher. Weder der einstige Erfolg Adolf Hitlers noch der aktuelle Erfolg der FPÖ sind zufällig.
  • Überall in Europa, aber für diese Österreicher ganz besonders, ist die Zuwanderung aus sehr fremden Kulturkreisen besonders schwer zu verkraften, zumal sie große reale Probleme aufwirft: Sie drückt auf die Löhne, verschärft den Kampf um Sozialleistungen und überfordert vor allem das öffentliche Schulwesen: Wer seine Kinder nicht in Privatschulen schicken kann, erlebt, dass sie eine immer schlechtere Ausbildung erhalten, weil in Wien oft die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Alle diese Nachteile sind für die unteren sozialen Schichten, aus denen sich das Gros der FP-Wähler rekrutiert, besonders gravierend.
  • Die gleichen unteren Sozialschichten haben durch die unglückliche Wirtschaftspolitik der EU in den letzten fünfzehn Jahren beträchtliche Reallohnverluste erlitten und am meisten unter der Inflation gelitten,
  • Andreas Babler war ungeeignet, untere Sozialschichten (auch Nichtwähler) davon abzuhalten, die FPÖ vorzuziehen.

Da die ÖVP Karl Nehammer vorerst nicht in Frage stellt und er bekräftigt, dass er auf keinen Fall mit der FPÖ koalieren wird, spricht alles für Türkis-Rot, allenfalls verstärkt um die Neos, weil das die Regierungsmehrheit sehr viel stabiler machte und sie ihm wirtschaftspolitisch viel näher als die SPÖ steht. Denn welche Regierung immer wir bekommen, wird vor ökonomischen Problemen stehen, die so groß wie schon lange nicht sind: Österreich befindet sich wie sein wichtigster Handelspartner Deutschland in einer zähen systemischen Rezession. Ausgelöst wurde sie durch die EZB, die die hohen Teuerungsraten des Vorjahres rätselhafter Weise nicht auf die Preisexplosion bei Öl und Gas, sondern auf ihre lockere Geldpolitik zurückführte und mit harsch erhöhten Zinsen bekämpfte. Sie folgte damit der US-Notenbank FED bei der Bekämpfung der US-Inflation, nur dass die zwei zusätzliche Ursachen hatte: eine boomende Wirtschaft und extrem gestiegene Löhne. Was die FED tat, entsprach daher dem Lehrbuch: Die hohen Zinsen bremsten den Boom, erhöhten die Arbeitslosigkeit und erschwerten damit weitere Lohnerhöhungen. In der Eurozone, wo es weder hohe Löhne noch einen Boom gab, schwächten die hohen Zinsen die sowieso dürftige Konjunktur und bescherten Deutschland und Österreich die aktuelle Rezession. Innere Ursache für die ständig dürftige Konjunktur ist die deutsche Überzeugung, dass die Wirtschaft auch wachsen kann, wenn alle Beteiligten sparen. Dass Deutschlands Wirtschaft dennoch wuchs, lag daran, dass sie anderen Volkswirtschaften Marktanteile abjagte, indem sie dank inadäquater Löhne die preisgünstigsten Waren anbot. Doch das endete mit der immer dürftigeren Konjunktur des Euro- Raums und dem Schwächeln Chinas.

Dass sich deutsche Waren so lange so gut verkauften, ohne an Qualität gewonnen zu haben, hatte aber eine weitere Folge: Die verfettete deutsche Autoindustrie verschlief den Übergang zur E-Mobilität und befindet sich in einer existenziellen Krise. Österreich, als ihr wichtigster Zulieferer leidet zwangsläufig mit und tut sich dabei insofern besonders schwer, als auch der ÖGB die Teuerung missverstand und Lohnerhöhungen im Ausmaß der Inflation forderte: Mit 9 Prozent höheren Löhnen liegen unsere Lohnstückkosten derzeit um 7,1 Prozent über dem Durchschnitt der EU, während die deutschen 4 Prozent darunter liegen.

Das wird wirtschaftliche Erfolge unter Türkis-Rot- (Pink) in absehbarer Zeit extrem erschweren, zumal die EU nicht von „Austerity“ abgeht, sondern derzeit fordert, dass wir zusätzliche 2,5 Milliarden im Jahr einsparen. Sollte die kommende Regierung unter diesen Voraussetzungen weiter Wohlstandseinbußen mit sich bringen, haben wir in fünf Jahren eine absolute Mehrheit der FPÖ.

Die größte Schwäche der wahrscheinlichen Regierung wäre zweifellos ihre ökonomische Inkongruenz: Beate Meinl Reisinger plädiert trotz des fatalen deutschen Beispiels dafür, die Schuldenbremse anzuziehen; Karl Nehammer hofft auf Wachstum, ohne zu wissen woher; Andreas Babler denkt zwar in die richtige Richtung – höhere vermögensbezogenen Steuern machten Gelder frei – aber er will sie für alles mögliche ausgeben, statt für die Senkung der Steuern auf Arbeit. Nehammer lehnt vermögensbezogene Steuern (wie übrigens Herbert Kickl) grundsätzlich ab, Meinl Reisinger, die ihnen einen Moment lang offen gegenüberzustehen schien, wenn sie der Senkung der Steuern auf Arbeit dienten, ist davon wieder abgekommen.

Kann das Wissen, dass diese Regierung zum Erfolg verdammt ist, solche Differenzen überwinden? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ein vorurteilsloses Gespräch mit der Steuerexpertin des WIFO Margit Schratzenstaller das vermag: Niedrigere Steuern auf Arbeit, die durch höhere vermögensbezogene Steuern gegenfinanziert würden, stellten eine echte Verbesserung der Struktur der Wirtschaft dar, die die Menschen in der Brieftasche spürten.

 

 

 

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ÖVP wählen verhindert Kickl am ehesten (so schwer es mir fällt):

Ich halte Hebert Kickls Kanzlerschaft (wenig überraschend) insofern für eine substantielle Gefahr, als es ihm in fünf Jahren gelingen könnt, Österreich so umzubauen, wie es sein Vorbild Viktor Orban mit Ungarn getan hat. Erstmals ziehe ich damit in Erwägung, taktisch zu wählen:

  • Karl Nehemammer, so bin ich überzeugt, wird tatsächlich nicht Steigbügelhalter für Kickl spielen, sondern bei seinem Versprechen bleiben, nicht mit der Kickl-FPÖ zu koalieren.
  • Schneidet er bei der Wahl allerdings schlecht ab, wird die ÖVP im schlimmsten Fall nur Nummer drei hinter Andreas Babler, so wird er als Obmann abgelöst und es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass sich die Industriellenvereinigung mit ihrem Wunsch nach einer blau-türkisen Regierung durchsetzt, denn die hat ihr finanziell Gewaltiges zu bieten. Natürlich die Senkung der Körperschaftssteuer, aber darüber hinaus Steuerfreiheit für nicht entnommene Gewinne. Dass das dazu führt, dass die dann an der Börse veranlagt, statt ins Unternehmen investiert werden, wird von den Wählern so wenig bedacht, wie dass die drastische Senkung der Körperschaftssteuer in den letzten zwanzig Jahren mit ständig sinkenden Unternehmensinvestitionen einherging.
  • Je besser Nehammer dagegen abschneidet, desto sicherer ist sein Verbleib an der Spitze der ÖVP und desto weniger kommt seine Ablöse und damit eine blau-türkise Koalition in Frage. Ich halte daher für möglich, für die ÖVP zu stimmen, obwohl ich auch ihren wirtschaftspolitischen Kurs ablehne. Denn natürlich wäre es höchst sinnvoll. die vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen, um die Steuern auf Arbeit zu senken (was Babler übrigens leider nie fordert.)
  • Man kann einwenden, dass auch Johanna Mikl -Leitner versprochen hatte, nicht mit der FPÖ zu koalieren und es dann doch getan hat. Aber a) ist ein Bundesland etwas anderes als der Staat; b) hat sich Mikl-Leitner nie im Ausmaß Nehammers festgelegt und c) hat sich ihr potentieller SP-Partner besonders blöd benommen, indem er erklärte, eher würde er sich die Hand abhacken als von seinen Forderungen zu lassen.
  • Garantieren, dass Nehammer nicht dennoch umfällt oder sich wegloben lässt, kann ich trotzdem nicht, aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Und selbst wenn es zur blau-türkisen Koalition kommt, ist es ein Vorteil, wenn die ÖVP dort wenigstens ein relativ starker Widerpart ist.
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