Die nächste Regierung steht vor der ökonomisch schwierigsten Situation seit den Nachkriegsjahren. Ihre einzige Chance ist engste Kooperation – intern wie gegenüber der EU.
Die EU glaubt, verhindern zu können, wozu Donald Trump sie mit 20 Prozent Zoll auf alle Waren und 50 Prozent auf deutsche Autos zwingen will: nämlich sich adäquat zu verschulden. Doch ich zweifle, dass er entscheidend nachgibt: Er wird nicht einsehen, warum sich die USA mit 219.000 Milliarden Dollar jährlich verschulden sollen, um voran deutsche Autos zu kaufen, die dank inadäquat zurückgehaltener Löhne billiger als US-Autos sind. Daher sehe ich auf die nächste Regierung die größten Wirtschaftsprobleme seit den Nachkriegsjahren zukommen: Mit diesen Zöllen konfrontiert, soll sie bekanntlich auch noch Milliarden einsparen, um der 60 Prozent Staatsschuldengrenze näher zu kommen. Theoretisch wäre es das Beste, diese Aufgabe einer geduldeten FPÖ-Minderheitsregierung zu überlassen, um vorzuführen, wie wenig sie, die ständig alles kritisiert, dem gewachsen wäre, begibt sich Herbert Kickl mit seiner strikten Ablehnung vermögensbezogener Steuern doch der einzigen Möglichkeit, die nötigen Milliarden relativ schmerzlos aufzutreiben. Aber praktisch richtete Kickls Regierung Österreich restlos zu Grunde und so muss man es anders probieren: Die auszuhandelnde Regierung Karl Nehammer II ist zum Erfolg verdammt!
Die nächste deutsche Regierung, die sich in einer fast so schlechten Lage befindet, kann mit Zweidrittelmehrheit ihre größte Belastung, die in der Verfassung verankerte Staatsschuldenbremse, außer Kraft setzen – wir haben sie zwar nicht in der Verfassung verankert, können sie aber auch nicht demonstrativ außer Kraft setzen. Die Regierung muss der EU-Kommission vielmehr unsere besondere Notlage plausibel machen und gemäß den neuen, flexibleren Fiskalregeln sollte das möglich sein. Besteht Brüssel fortgesetzt auf maximal 3 Prozent Budgetdefizit und Annäherung an die Staatsschuldengrenze, ist Hopfen und Malz verloren: Die Regierung kann dann nur nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige tun und die Schuldengrenze überschreiten.
Dass sie aus drei Parteien besteht, muss kein Hindernis sein: Das Wissen, dass sie zum Erfolg verdammt ist sollte einen. Wäre ich Nehammer, nähme ich sogar die Grünen mit an Bord, um die überparteiliche Einheit zu betonen. Gleichzeitig sollte es einen fixen „Regierungssprecher“ geben, der keiner der vier Parteien angehört und etwas von Wirtschaft versteht, um der Öffentlichkeit, was immer die Regierung tut, zu erklären. Das hätte zwei Vorteile: Die Regierung spräche im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Stimme und die vier Parteichefs widerstünden der Versuchung, sich gegeneinander zu „profilieren“. Sehr schnell könnte dieser Regierungssprecher zwei sehr populäre Leistungen verkünden: Er könnte erklären, warum man, indem man sie wie fast alle Länder mit einem Dreiersenat besetzt, die optimale Bundesstaatsanwaltschaft geschaffen hat -denn Karoline Edtstadler, die ein einziges Mitglied wollte, ist nicht mehr an Bord. Und er könnte erklären, wie gut ein endlich parteiunabhängiger Stiftungsrat die Unabhängigkeit des ORF sichert. Bezüglich der entscheidenden Wirtschaftspolitik erzielte man wahrscheinlich rasch Einigkeit darüber, das Budget nach Einsparungsmöglichkeiten, allenfalls Überförderungen, abzuklopfen. Nur dass man bald feststellte, wie wenig das – die Anhebung des Pensionsalters und ein Durchforsten des Föderalismus als Langfristprojekte ausgenommen – bringt, wenn man die Kaufkraft nicht gefährlich reduzieren will.
Ausreichend rasch und dennoch nachhaltig werden Milliarden nur frei, wenn man vermögensbezogene Steuern beschließt. Soeben wurden sie selbst von den gewiss nicht linken G20 gefordert, um die weltweit dramatische Ungleichheit abzubauen, die nicht nur die Demokratie gefährdet, sondern wirtschaftsfeindlich ist: So wie im Feudalismus einige Wenige, die über riesige Güter verfügten, ungleich weniger aus dem Boden herausholten als die vielen Bauern, auf die er aufgeteilt wurde, verwalten Hyperreiche ihre Vermögen schlechter: Elon Musk setzte beim Umbau von Twitter zu X 30 Milliarden Dollar in den Sand, weil es ihm auf diesen Klacks nicht ankam. Es soll geniale Unternehmer wie ihn geben, aber wenn Vermögen nicht derart auf sie konzentriert wäre, gäbe es mehr davon.
Österreichs Vermögensverteilung unterscheidet sich wenig von der der USA: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 39 Prozent des Gesamtvermögens und schon weil es bereits so viel besitzt, kauft es nicht so viel ein – aber nur wenn möglichst viel eingekauft wird, kann möglichst viel verkauft werden und wächst die Wirtschaft optimal. Anders als selbst die USA hat Österreich jedoch die nach Mexiko und der Slowakei niedrigsten vermögensbezogenen Steuern der Welt. Ziel muss daher sein, eine adäquate Grundsteuer und wieder eine Erbschaftsteuer einzuführen, um die Steuern auf Arbeit entsprechend zu senken. (Reichte der Betrag nur, die Forderungen Brüssels zu erfüllen, wären beide zu gering bemessen.) Beate Meinl-Reisinger schien die Notwendigkeit dieser Umverteilung einen Moment lang zu verstehen, Karl Nehammer verstand, dass der Staat, statt nur sparsamer zu agieren, das Wirtschaftswachstum befördern muss – und das geht nur mit dem Geld aus vermögensbezogenen Steuern. Sollten Neos und ÖVP dennoch an ihrer apodiktischen Ablehnung solcher Steuern festhalten, lehnte ich, wäre ich Andreas Babler, die Beteiligung der SPÖ an der Regierung ab – dann möge wenigstens eine FP-VP- Regierung scheitern.