Wie kann das Team Nehammer II überleben?

Die nächste Regierung steht vor der ökonomisch schwierigsten Situation seit den Nachkriegsjahren. Ihre einzige Chance ist engste Kooperation – intern wie gegenüber der EU.

Die EU glaubt, verhindern zu können, wozu Donald Trump sie mit 20 Prozent Zoll auf alle Waren und 50 Prozent auf deutsche Autos zwingen will: nämlich sich adäquat zu verschulden. Doch ich zweifle, dass er entscheidend nachgibt: Er wird nicht einsehen, warum sich die USA mit 219.000 Milliarden Dollar jährlich verschulden sollen, um voran deutsche Autos zu kaufen, die dank inadäquat zurückgehaltener  Löhne billiger als US-Autos sind. Daher sehe ich auf die nächste Regierung die größten Wirtschaftsprobleme seit den Nachkriegsjahren zukommen: Mit diesen Zöllen konfrontiert, soll sie bekanntlich auch noch Milliarden einsparen, um der 60 Prozent Staatsschuldengrenze näher zu kommen. Theoretisch wäre es das Beste, diese Aufgabe einer geduldeten FPÖ-Minderheitsregierung zu überlassen, um vorzuführen, wie wenig sie, die ständig alles kritisiert, dem gewachsen wäre, begibt sich Herbert Kickl mit seiner strikten Ablehnung vermögensbezogener Steuern doch der einzigen Möglichkeit, die nötigen Milliarden relativ schmerzlos aufzutreiben. Aber praktisch richtete Kickls Regierung Österreich restlos zu Grunde und so muss man es anders probieren: Die auszuhandelnde Regierung Karl Nehammer II ist zum Erfolg verdammt!

Die nächste deutsche Regierung, die sich in einer fast so schlechten Lage befindet, kann mit Zweidrittelmehrheit ihre größte Belastung, die in der Verfassung verankerte Staatsschuldenbremse, außer Kraft setzen – wir haben sie zwar nicht in der Verfassung verankert, können sie aber auch nicht demonstrativ außer Kraft setzen. Die Regierung muss der EU-Kommission vielmehr unsere besondere Notlage plausibel machen und gemäß den neuen, flexibleren Fiskalregeln sollte das möglich sein. Besteht Brüssel fortgesetzt auf  maximal 3 Prozent Budgetdefizit und Annäherung an die Staatsschuldengrenze, ist Hopfen und Malz verloren: Die Regierung kann dann nur nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige tun und die Schuldengrenze überschreiten.

Dass sie aus drei Parteien besteht, muss kein Hindernis sein: Das Wissen, dass sie zum Erfolg verdammt ist sollte einen. Wäre ich Nehammer, nähme ich sogar die Grünen mit an Bord, um die überparteiliche Einheit zu betonen. Gleichzeitig sollte es einen fixen „Regierungssprecher“ geben, der keiner der vier Parteien angehört und etwas von Wirtschaft versteht, um der Öffentlichkeit, was immer die Regierung tut, zu erklären. Das hätte zwei Vorteile: Die Regierung spräche im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Stimme und die vier Parteichefs widerstünden der Versuchung, sich gegeneinander zu „profilieren“. Sehr schnell könnte dieser Regierungssprecher zwei sehr populäre Leistungen verkünden: Er könnte erklären, warum man, indem man sie wie fast alle Länder mit einem Dreiersenat besetzt, die optimale Bundesstaatsanwaltschaft geschaffen hat -denn Karoline Edtstadler, die ein einziges Mitglied wollte, ist nicht mehr an Bord. Und er könnte erklären, wie gut ein endlich parteiunabhängiger Stiftungsrat die Unabhängigkeit des ORF sichert. Bezüglich der  entscheidenden Wirtschaftspolitik erzielte man wahrscheinlich rasch Einigkeit darüber, das Budget nach Einsparungsmöglichkeiten, allenfalls Überförderungen, abzuklopfen. Nur dass man bald feststellte, wie wenig das – die Anhebung des Pensionsalters und ein Durchforsten des Föderalismus als Langfristprojekte ausgenommen – bringt, wenn man die Kaufkraft nicht gefährlich reduzieren will.

Ausreichend rasch und dennoch nachhaltig werden Milliarden nur frei, wenn man vermögensbezogene Steuern beschließt. Soeben wurden sie selbst von den gewiss nicht linken G20 gefordert, um die weltweit dramatische Ungleichheit abzubauen, die nicht nur die Demokratie gefährdet, sondern wirtschaftsfeindlich ist: So wie im Feudalismus einige Wenige, die über riesige Güter verfügten, ungleich weniger aus dem Boden herausholten als die vielen Bauern, auf die er aufgeteilt wurde, verwalten Hyperreiche ihre Vermögen schlechter: Elon Musk setzte beim Umbau von Twitter zu X 30 Milliarden Dollar in den Sand, weil es ihm auf diesen Klacks nicht ankam. Es soll geniale Unternehmer wie ihn geben, aber wenn Vermögen nicht derart auf sie konzentriert wäre, gäbe es mehr davon.

Österreichs Vermögensverteilung unterscheidet sich wenig von der der USA: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 39 Prozent des Gesamtvermögens und schon weil es bereits so viel besitzt, kauft es nicht so viel ein – aber nur wenn möglichst viel eingekauft wird, kann möglichst viel verkauft werden und wächst die Wirtschaft optimal. Anders als selbst die USA hat Österreich jedoch die nach Mexiko und der Slowakei niedrigsten vermögensbezogenen Steuern der Welt. Ziel muss daher sein, eine adäquate Grundsteuer und wieder eine Erbschaftsteuer einzuführen, um die Steuern auf Arbeit entsprechend zu senken. (Reichte der Betrag nur, die Forderungen Brüssels zu erfüllen, wären beide zu gering bemessen.) Beate Meinl-Reisinger schien die Notwendigkeit dieser Umverteilung einen Moment lang zu verstehen, Karl Nehammer verstand, dass der Staat, statt nur sparsamer zu agieren, das Wirtschaftswachstum befördern muss – und das geht nur mit dem Geld aus vermögensbezogenen Steuern. Sollten Neos und ÖVP dennoch an ihrer apodiktischen Ablehnung solcher Steuern festhalten, lehnte ich, wäre ich Andreas Babler, die Beteiligung der SPÖ an der Regierung ab – dann möge wenigstens eine FP-VP- Regierung scheitern.

 

 

 

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Wie viel Förderung verdient die Kultur?

Österreich sieht in Kultur eine nötige  Leistung des Staates und gibt dafür viel Geld aus.  Gründe, warum das die Durchforstung des Förderdschungels überstehen sollte.

Es gibt derzeit nicht viele Ereignisse, über die man besonders erfreut berichten könnte. Ich habe soeben dennoch ein solches erlebt: Weil das meine einzige Chance war, noch zu Karten zu kommen, habe ich die Jugend-Vorstellung des Musicals „Anatevka“ an der Volksoper um 11 Uhr Vormittag besucht und bin daher mit lauter Zehn- bis Fünfzehnjährigen zusammengesessen.

Mehr Begeisterung eines Publikums habe ich nie erlebt.

Dabei gehört Anatevka innerhalb der Musicals zur „Hochkultur“. Jungen Leuten, die keine Ahnung von einem jüdischen Schtetl haben, ein solches nahezubringen, ist auch für sich hohe Kunst. Die leistet eine Inszenierung des Amerikaners Matthias Davids aus dem Jahr 2003, die jetzt nur wieder aufgenommen wurde. Aber manchmal ist es geradezu erholsam, wenn ein Regisseur sich nicht, wie derzeit fast jeder, bemüht, ein Stück „ganz anders als je zuvor“ zu inszenieren, sondern wenn der Respekt vor einem sehr guten Stück – und das ist Anatevka von Jerry Bock abseits der sehr guten Musik – überwiegt.

Dazu kamen grandiose Bühnenbilder von Mathias Fischer-Dieskau, die das jüdische Schtetl Anatevka mit seiner Fröhlichkeit bei Sonnenaufgängen so perfekt illustrierten wie seine Armut, die seine lehmige Dorfstraße angesichts einer drohenden Vertreibung in einen blutigen Sonnenuntergang führen lässt – immer ist der Bezugspunkt der Perspektive fühlbar. Dazu kommt das großartige Ballett, das Staatsoper und Volksoper gemeinsam haben: Da sind russische Tanzfreude und russische Musikalität so gegenwärtig wie jüdische Tanzfreude  und jüdische Musikalität – die Tänzerinnen und Tänzer „verkörperten“ sie, Die Besetzung der vielen Rollen ist tadellos, aber das Erlebnis dieser Aufführung ist, wie auch alle Kritiken sagen,  Cornelius Obonya, der die Rolle des Milchmanns Tevje als Einspringer übernahm: Es ist so, als ob Tevje soeben aus dem russischen Anatvka ausgereist und in Wien eingereist wäre, wo er die Bühne der Volksoper mit seiner Heimatschtetl verwechselt. Obonya ist Tevje. Wenn er singt, wie es wäre, wenn er einmal reich wär, dann träumt man diesen unerfüllbaren Traum mit ihm und weiß gleichzeitig wie er, dass das wirkliche Glück etwas ganz anders ist. Obonya, der anders als viele Darsteller Tevje kein Jude ist, spricht die Sprache der Juden die ich kenne, ohne je zu jiddln und beherrscht den jüdischen Witz wie ich ihn nur bei Simon Wiesenthal erlebt habe, wenn er erzählt: Sagt der Blau 1939 zum Grün: „Hast schon g`hört, der Kohn hat sich umbracht“, antwortet der Grün, „na ja, wann ma kann a Sach` verbessern.“.

Alle Schüler, die diese Vorstellung gesehen haben, wissen jetzt, wie Juden sein können und da es sich um österreichische Schulklassen gehandelt hat, waren sicher Moslems unter ihnen. Keiner davon, so bin ich überzeugt, ließe sich dazu verhetzen, wie in Amsterdam, auf jüdische Fußballfans loszugehen. Er erinnerte sich an Tevje.

In Österreich, um einmal etwas extrem Positives über dieses Land zu sagen, haben die bisherigen Regierungen in Zunehmendem Ausmaß erkannt, dass Kultur ein Angebot ist, für das der Staat ebenso zu sorgen hat wie für innere Sicherheit, funktionierende Spitäler oder intakte Brücken. Ich kenne kein anderes Land, wo so viele Bühnen subventioniert werden, wo im Sommer in jedem dritten Dorf Theater gespielt wird und es zugleich so viele Festivals gibt. Österreich wird seinem Anspruch, „Kulturnation“ zu sein, wird rundum gerecht und gibt dafür im Wege verwirrender „Förderungen“, die derzeit „auf ihre Notwendigkeit hin“ überprüft werden, viel Geld aus. Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen ausnahmsweise begreifen, dass das Streichen kultureller Förderungen, ganz sicher kein Weg ist, der Wirtschaft auf die Beine zu helfen, auch wenn in Kultur investierte Geld, ausgenommen die „Salzburger Festspiele“ und  die „Staatsoper“ und „Burg“ fast nur inländisches Geld einbringt, das auch sonst ausgegeben würde,  auch wenn eine gewisse Umweg-Rentabilität im Fremdenverkehr hinzutritt.

Was dieses Geld dennoch bringt ist Freude und ist Befassung mit Kunst als schöpferischem Akt. Dazu sollte man wissen, dass der schöpferische Akt des Künstlers dem schöpferischen Akt des Wissenschaftlers in höchstem Maße ähnelt: Wagemut, Phantasie und Innovation sind die wichtigsten Qualitäten für große Kunst wie große Wissenschaft. An der Wissenschaft aber hängt der Fortschritt der Technik, die letztlich entscheidend für den Fortschritt der Wirtschaft ist,

Einer der besten und produktivsten Physiker der Welt, der Altösterreicher Leo Szillard (er zeichnete für den Einstein-Szillard -Kühlschrank, das Elektronenmikroskop und die Nutzung der Kernenergie verantwortlich, und war zugleich einer der Heroen der Friedensbewegung, weil er von der US-Regierung -leider vergeblich- gefordert hatte, einen militärischen Gegner zuerst einmal dem Abwurf einer Atombombe in einer unbewohnten Wüste beizuwohnen, ehe man sie wirklich einsetzt) meinte mir gegenüber über einen uns gemeinsam bekannten Durchschnittsphysiker: „Zu einem wirklich großen Physiker fehlen ihm Intuition und Phantasie „. Alle großen Physiker, die ich kannte, bestätigen das. Österreichs größten wirtschaftlichen Erfolg, das LD-Verfahren zur Herstellung hochwertigen Stahls verdankt es sechs physikalisch begabten Ingenieuren, die vor allem eines hatten: Phantasie und Intuition.

 

 

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Sechs Ingredienzien des Trump-Sieges

Donald Trump hat viel mit Herbert Kickl gemein: Beide schimpfen und hetzen perfekt. Abgehängte glauben ihren Versprechungen. Aber Trump kann dazu auf Gott zählen.

 Für Europäer bleibt der Wahlsieg Donald Trumps ein Rätsel- für Amerikaner ist er es nicht. Zwar ist Trump auch vielen von ihnen politisch suspekt, aber der Mehrheit hat seine Steuerpolitik höhere Löhne beschert, auch wenn er primär Reiche entlasten wollte, und der großen Zahl wirtschaftlich Abgehängter der traditionellen US-Industrie hat seine Zollpolitik Jobs erhalten. Joe Biden hat Trumps Protektionismus denn auch voll übernommen, nur dass eine Inflation für die er nichts konnte, ihm den Erfolg geraubt hat, den seine viel nachhaltigeren Investitionen verdient hätten. Doch das Volk sah nur die gestiegene Preise.

Solange nicht begriffen wird, dass der Neoliberalismus „oben“ eine winzige Gruppe immer reicher macht, während „unten“ eine riesige Gruppe finanziell Abgehängter entsteht, erhalten rechte Politiker, die versprechen, das „System“ zu ändern, zwingend wachsenden Zulauf. Sonstige Ingredienzien dieses Zulaufs sollten uns geläufig sein: Permanentes Beschimpfen des politischen Gegners funktioniert bestens, wenn es unterhaltsam ist und prägnante Slogans enthält, wie Trumps Sager zum US-Wohlstand: „She broke it, I´ll fix it“. Das weiß und kann auch Herbert Kickl. Natürlich spielt Migration bei Trump und ihm die gleiche zentrale Rolle. Beide schwören, sie zu beenden, wobei Trump es noch phantasievoller begründet: Migranten äßen Hunde und Katzen. Da Migration Abgehängten auch echte Probleme beschert – sie drückt die Löhne und verschärft die Konkurrenz dort, wo der Staat soziale Leistungen erbringt – war „Abschiebung“ beider Wahlschlager. Zudem scheint die Behauptung des deutschen Neurologen Hoimar von Ditfurth zu stimmen, dass vorsteinzeitliche Erfahrungen unser Stammhirn prägen: So wie sich Höhlenbewohner mit allen Mitteln gegen Eindringlinge wehrten, gibt es die fast reflexive Ablehnung massiver Zuwanderung auch bei Leuten, die keine Faschisten sind. Nicht zuletzt wünscht sich jedes vorsteinzeitliche Rudel in kritischen Situationen einen starken Führer und dem entsprach Trump schon rein optisch optimal. Voran im ländlichen Raum wusste Trump so erfolgreich wie Kickl, ans Stammhirn zu appellieren obwohl gerade dort oft die wenigsten Zuwanderer sind.

Eher US-spezifisch ist, dass eine Frau ohne Chance ist, an die Staatsspitze zu gelangen: Harris hat das so wenig wie Hillary Clinton geschafft. Intelligente Frauen sind für simple Männer nicht zu ertragen. Gleichzeitig hat „Pussygrabing“ Trump bei simplen Frauen nicht geschadet. Machos überleben vorerst den Feminismus. Extrem US-spezifisch war die extreme Rolle der Religion: Der chronische Lügner Trump, der bekanntlich wegen Betruges verurteilt ist, weil er das Schweigegeld für eine Pornodarstellerin von der Steuer absetzen wollte, wurde von der evangelikalen Gemeinde der USA heilig gesprochen. Wie ihm das gelang, ist charakteristisch: Star unter den vielen „Tele-Evangelisten“, die ständig im TV auftreten, ist die dadurch steinreiche, bildhübsche, zum dritten Mal verheiratete Paula White-Cain, auch wenn Kollegen sie nur für die beste Schauspielerin halten. 2011, so erzählt Cain Zeitungen, hätte Trump sie um einen Gefallen gebeten: „Bring mich mit Leuten zusammen, um zu beten, ich möchte wirklich von Gott hören.“ Sie lud ihn zu einem Bibelkreis ein und berät ihn seither in Glaubensfragen. 2017 dankte sie Gott, dass er Trumps Amtseinführung ermöglichte; unmittelbar vor der aktuellen Wahl ging ein Video viral, in dem sie ekstatisch erklärte „Ich höre den Klang des Sieges. Der Herr sagt, es ist getan“; dazwischen hatte sie in einer Predigt erklärt, warum jemand, der sehr reich ist, sehr fromm sein kann.

Von Max Weber wissen wir, dass das am Anfang des Kapitalismus steht. Der Schweizer Theologe Johannes Calvin (1509-1564) wollte die Kirche bekanntlich im Sinne Martin Luthers  reformieren und sah Gott noch allmächtiger als dieser. Das Leben jedes Menschen, so lehrte er, sei von Gott vorherbestimmt, so dass von Beginn an feststünde, wer auserwählt und wer verdammt ist. Als seine Anhänger wissen wollten, ob es nicht wenigstens Zeichen gäbe, aus denen sie ersehen könnten, zu welcher Kategorie sie gehören, meinte Calvin, am ehesten zähle zu den Auserwählten, wer fleißig sei, sparsam lebe und zum Gemeinwohl beitrage. Indem das – kaum im Sinne Calvins – zu der Vorstellung verkam, dass erwählt sei, wer zu Reichtum gelange, wurde es emotionale Basis des Kapitalismus. Elon Musk oder Donald Trump für ihren Reichtum zu bewundern, ergibt sich aus dem Calvinismus ebenso logisch wie die Duldung größter Armut: Es ist gottgegeben, dass es viel mehr Arme=Verdammte als Auserwählte= Reiche gibt – und ein wichtiges Motiv nach Wohlstand zu streben. Auch dass US-Milliardäre dem Gemeinwohl durch Millionen- Spenden dienen, wurzelt im Calvinismus. Europas seit mehr als einem Jahrhundert übliches Bemühen, große Armut durch staatliche Gesetze zu verhindern, wird demgegenüber  als „sozialistisch“= kommunistisch diffamiert. Dass es in jüngerer Zeit so vielen weißen Evangelikalen immer schwerer fiel, den Wohlstand, nach dem sie denkbar fleißig strebten, auch zu erlangen, erklärt ihren Wunsch nach einem Heiligen, der behauptet, das liege nur an den demokratisch wählenden gottlosen Eliten „Washingtons“.

Nach Trumps Sieg müsste die EU mehr denn je beweisen, dass sich Sozialstaat, Rechtsstaat und wirtschaftlicher Erfolg vereinen lassen. Mit den geltenden Schuldenregeln ist das leider unmöglich.

 

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Die Welt eherner Wähler Donald Trumps

Die Millionen, die Donald Trump trotz des Sturms aufs Kapitol gewählt haben, bleiben weiterhin ihr größtes Risiko – bis hin zum Bürgerkrieg.

Der Chefredakteur der Schweizer Weltwoche Roger Köppel vermutete richtig im ZIB-Gespräch mit Robert Treichler vom profil wie  ich, dass Donald Trump die Wahl gewinnt. Sicher ist er der einzige deutschsprachige Chefredakteur, der das begrüßte: Es sei unsinnig, Trump als Faschisten zu verteufeln und eine Missachtung der Millionen, die ihn wählen.

Für mich sind die Millionen, die Trump trotz des Sturms aufs Kapitol wählten, das größte Risiko der bisher demokratisch so gesichert scheinenden USA. Ansonsten sollte uns das Phänomen Millionen politisch Blinder nicht fremd sein: Auch für Adolf Hitler stimmten Millionen, obwohl „Mein Kampf“ ein Bestseller war und die SA schon jüdische Geschäfte zertrümmert hatte. Die zweite Parallele: Hitlers wie Trumps Erfolg hat nicht nur viel mit Rassismus, sondern auch viel mit wirtschaftlichem Abstieg zu tun: Voran abgehängte weiße Männer geringer Bildung sehen in Trump den Präsidenten, unter dem es ihnen am besten ging.

Die Soziologin Arlie Russell Hochschild hat fünf Jahre die Trump-Hochburg Louisiana studiert, um in die Welt jener weißen, älteren, evangelikalen Männer einzudringen, die bis heute der harte Kern seiner Wähler sind. Das Ergebnis hat sie in dem Buch „Strangers In Their Own Land“ (Fremde im eigenen Land) zusammengefasst, aus dem ich hier referiere. Voran Daten: Louisiana ist der zweitärmste US-Bundesstaat und zählt zum historischen „Süden“. Zugleich ist es „Tea Party“-Land: hat diese Retro-Gemeinde USA-weit 20 Prozent – rund 40 Millionen – Anhänger, so bekennen sich in Louisiana 50 Prozent zu ihr. Vom Süden ausgehend ist die Tea Party zu Kopf, Rückgrat und Muskulatur der republikanischen Partei geworden.

Ihren Hass auf „Democrats“ und „Washington“ begründen Tea Party Anhänger etwa so:

  • Die bringen uns, die Arbeitenden, durch hohe Steuern um unser Geld, um es den Nichtstuern zuzustecken.
    Ihre Medien wollen uns vorschreiben, wie wir zu denken haben.
  • Dabei befürworten sie Todsünden wie Abtreibung oder Homosexualität und wenden sich von Jesus ab.
  • Alle republikanischen Präsidentschaftskandidaten bestreiten die Evolution, weil es Wähler bringt: Unglaubliche 42 Prozent der Amerikaner halten für gut möglich, dass Jesus 2050 auf Erden wiedergeboren wird.

Der Abstand zu den Demokraten ist überall zur Kluft geworden. Der Republikaner Dwight D. Eisenhower hat Spitzenverdiener mit 91 Prozent besteuert und massive Infrastruktur-Investitionen getätigt – Republikanern von heute sind 40 Prozent Spitzensteuersatz zu viel und sie fordern selbst bei Bildung oder Gesundheit Budgetkürzungen. Dabei sind republikanische Staaten durchgehend ärmer als demokratische und hängen weit mehr von Bundesmitteln ab: sie haben mehr Arbeitslose, mehr minderjährige Mütter mehr Kranke. In Louisiana kamen zur Armut größte Umweltprobleme: Das Wasser war durch Rückstände der Ölindustrie so vergiftet, dass Krebs ganze Familien hinwegraffte. Dennoch sind selbst Hinterbliebene mit der Tea-Party für die Abschaffung der Bundesumweltschutzbehörde EPA.

Was geht in den Familienvätern vor, die die USA so unwirtlich erleben? Hochschild beschreibt es mit einem Bild, das ihre Gesprächspartner durchwegs zutreffend nennen: Sie sehen sich in einer Warteschlange am Fuß eines Bergs, der unverändert den amerikanischen Traum verbirgt: ein Häuschen, ein Auto und Kinder, die es noch weiterbringen. Doch mit fünfzig stehen sie noch immer in der Warteschlange, obwohl sie immer hart gearbeitet haben. Der Grund kann also nur sein, dass sich andere vor ihnen eingereiht haben:

  • Schwarze, die sie weit hinter sich glaubten – weil „Washington“ ( in Wahrheit ein Urteil des einstigen Supreme Court) Unternehmen, die Staatsaufträge erhalten, vorschreibt, sie vor Weißen zu Facharbeitern auszubilden.
  • Frauen, die dieses Urteil mit schlechteren Noten als Männer studieren lässt.
    Selbst Schwule, Zuwanderer und Flüchtlinge genießen angeblich „Washingtons“ Unterstützung.
  • Wer aber unterstützt sie? Worauf können sie „politisch korrekt“ noch stolz sein? Auf ihre Arbeit – obwohl sie schlechter denn je bezahlt wird? Sind sie stolz, Weiße zu sein, gelten sie als Rassisten. Sind sie stolz, heterosexuell zu sein, gelten sie als homophob. Sind sie stolz, Christen zu sein, gelten sie als beschränkt. Sie sind Fremde im eigenen Land. Nur Donald Trump weiß sie zu schätzen. (Ende der Hochschild -Analyse.)

Tatsächlich hat Trump ihnen wirtschaftlich genützt: indem er Importe, die mit Produkten der traditionellen US-Industrie konkurrieren, mit Zöllen belegte oder unterband, sicherte er ihnen Jobs. Indem er (in Wahrheit zu Gunsten von Aktionären) die Körperschaftssteuer von 36 auf 21 Prozent senkte, bewirkte er überraschend, dass ihre Löhne stiegen, weil in einer boomenden Wirtschaft Arbeitskräfte knapp wurden.

Joe Biden, der mindestens so protektionistisch agierte und dessen Investitionen in die Infrastruktur die Wirtschaft viel nachhaltiger ankurbeln, hatte das Pech, daß eine Inflation, für die er nichts kann (ihre Wurzel war die Einigung Wladimir Putins mit der OPEC, Öl zu verknappen) seine Bilanz verhagelte – das hat mit Harris den Sieg gekostet.

 

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Die Probleme humaner Migrationspolitik

Nur Dänemarks extrem restriktive, inhumane Flüchtlingspolitik konnte den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten stoppen

Ursula Von der Leyen begrüßte es als „spannendes Experiment“: In einem eingezäunten Lager bei Tirana sollen Männer, die Asyl in Italien erhofften, einen Bescheid abwarten. Obwohl ein Gericht die erste solche Aktion als unzulässig erklärte, will Georgia Meloni an dem mit Albanien vereinbarten „exterritorialen Asylzentrum“ festhalten, und etliche EU-Staaten verfolgen die Idee weiter. Etwas abschreckende Wirkung dürfte ihr innewohnen – für eine Lösung halte ich sie so wenig wie der Migrationsexperte Gerald Knaus: Dazu brauchte es Abkommen mit Ländern, die, wie die Türkei, bereit sind, Personen zu behalten, die abzuschieben wären oder sie auf- oder zurücknähmen – und die fehlen. Noch vor zehn Jahren hätte die EU freilich schon Melonis albanisches „Anhaltelager“ – denn das ist es – als “inhuman“ gegeißelt.

Florian Klenk fordert „das Strafrecht gegen die Feinde der offenen Gesellschaft in Stellung zu bringen“, wo sie von Islamisten unter den Zuwanderern bedroht ist und dennoch bei einer „fein austarierten“ Migrationspolitik zu bleiben, die weiterhin human ist“. Das war auch mein Zugang zur Migrationspolitik, aber ich weiß nicht, ob er sich aufrechterhalten lässt. Denn es gibt offenbar die vom deutschen Neurologen Hoimar von Dithfurt behauptete vorsteinzeitliche Prägung unseres Stammhirns, wonach die Zuwanderung sehr vieler „Fremder“ als massive Bedrohung wahrgenommen wird, auch wenn man kein Faschist ist, sie heuer extrem zurückgegangen ist und die eigene Bevölkerung vieler Länder schrumpft.

Die einzige Asylpolitik, die den massiven Zustrom zu Parteien der extremen Rechten aufzuhalten vermochte, war die der sozialdemokratischen Regierungschefin  Dänemarks, Mette Frederiksen, die eine  Asylpolitik betreibt, die Klenks und meine Anforderungen an Humanität kaum erfüllt: Auch in Dänemark müssen Migranten Asylbescheide wie in Albanien in geschlossenen Lagern abwarten; Wertsachen können ihnen zur Verrechnung abgenommen werden; sie erhalten neben Sachleistungen kaum Geld, weil es, heimgeschickt, helfen könnte, eine weitere Flucht zu finanzieren; Familiennachzug wird maximal erschwert; wer abgeschoben werden kann, wird abgeschoben, selbst wenn er einen gesuchten Beruf hat. Das Asylrecht handhabt Dänemark denkbar restriktiv: Krieg allein ist bekanntlich so wenig ein Asylgrund wie die Herrschaft der Taliban – das bekommen Syrer wie Afghanen deutlich zu spüren. In Summe führte diese von allen Parteien begrüßte Politik dazu, dass zehn Millionen Dänen einen Bruchteil der Migranten und Asylanten Österreichs beherbergen.

Ich habe leider die Sorge, dass humane Migrationspolitik, selbst wenn sie das Strafrecht energisch gegen Feinde der offenen Gesellschaft unter den Zuwandernden in Stellung bringt, die extreme Rechte derart stärkt, dass wir bald keine offene Gesellschaft mehr haben. Denn zu den zitierten emotionalen Problemen bringt massive Zuwanderung auch sehr reale Probleme mit sich, die in unteren sozialen Schichten, die die Mehrheit rechter Wähler stellen, am größten sind: Sie drückt Löhne, verschärft die Konkurrenz um günstigen Wohnraum oder Betreuung durch Kassenärzte und mindert die Zukunftschancen von Kindern, die Schulklassen besuchen, in denen die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Auch die schiere Zahl der Migranten ist in Staaten, die die EU zum Sparen verpflichtet, ein Problem: Es ist teuer, viel mehr Lehrer und viel mehr Ärzte auszubilden oder so viel mehr Polizisten anzustellen, dass die von Migranten mitverursachte Kriminalität von der Bevölkerung nicht als massive Bedrohung (siehe oben) wahrgenommen wird, obwohl die Zahl der Bluttaten wie eh und je sinkt.

Dazu kommt das Problem der Zuwanderung aus besonders fremden Kulturen: Frauen, die sich nicht von männlichen Ärzten behandeln lassen, Männer, die nicht mit Lehrerinnen sprechen, Testosteron strotzende Burschen mit einem uns völlig fremden Frauenbild. Es ist leider nicht so, dass Mädchen in Miniröcken sich überflüssig vor Übergriffen fürchten. Und alle Frauen bewegt die Sorge, dass eine Gesellschaft, die sich endlich in Richtung zu ihrer Gleichberechtigung verändert hat, sich wieder rückwärts entwickeln könnte. Auch dass der Antisemitismus in einer Bevölkerung, der er sowieso nicht fremd ist, um so viele islamische Antisemiten wächst, muss besorgen.

Ich habe im Wahlkampf die TV-Diskussion zwischen Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger und FPÖ-Chef Herbert Kickl in einem Lokal verfolgt und sicher hat Kickl dabei keinen NEOS-Wähler und Meinl-Reisinger keinen FPÖ-Wähler für sich gewonnen. Aber bei den Unentschlossenen, auf die es ankam, hat Kickl umso mehr gepunktet, je mehr er auf konkrete Probleme zu sprechen kam, auch wenn er sie übertrieb: Es genügt, sie einmal selbst erlebt zu haben, um ihm ihre Übertreibung zu glauben. Nicht zuletzt hatte er mit Erfolg darauf hingewiesen, dass das Asylrecht – siehe Dänemark – auch sehr viel restriktiver und dennoch EU- und rechtskonform gehandhabt werden kann. Ich fürchte, dass ein Land, das wie Österreich bereits besonders viele Flüchtlinge aufgenommen hat, es leider wie Dänemark handhaben muss, um den „Endsieg“ von Kickl und Co zu verhindern. Mir deshalb Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen, wird insofern nicht ganz leicht sein, als ich Zeit meines Lebens Flüchtlinge in meine Wohnung aufgenommen und das Badezimmer mit ihnen geteilt habe.

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Chronist einer roten Eiterbeule

Hans Pretterebner war idealer Ghostwriter eines brillanten Presseanwalts, der mit „LUCONA“ den unglaublichsten Kriminalfall in der Ära roter Polit-Justiz aufdeckte.

Hans Pretterebner ist tot. Mit dem Buch „Der Fall Lucona“ beschrieb er das unglaublichste Verbrechen der Nachkriegsschichte. Unglaublich in seiner Brutalität: Udo Proksch, alias Serge Kirchhofer sprengte mit dem Schiff Lucona auch dessen Mannschaft in die Luft. Unglaublich durch die engen Beziehungen Pokschs zur SPÖ. Und unglaublich wegen des Verlaufs des Strafverfahrens: Obwohl gar nicht so lang nach der Tat im Jahr 1977 massive Verdachtsmomente vorlagen, wurde Proksch erst 1992 wegen sechsfachen Mordes verurteilt.

Die Vorgeschichte: Proksch, Zuwanderer aus einer nationalen deutschen Familie machte viel Geld als Brillendesigner. Dank witziger todernst vorgetragener Vorschläge zur „Senkrechtbestattung“ und beträchtlichem Exhibitionismus erlangte er eine gewisse Berühmtheit in der Wiener Szene: Es störte ihn nicht, dass man erzählte, er pisse vor Freundinnen ins Zimmer oder schieße in Wände und Decke.

Ich lernte ihn durch meinen, leider wie Proksch alkoholabhängigen, sensiblen profil Kollegen Reinhard Tramontana kennen, der ihn als Genie verehrte und für die Schönheit seiner Frau bewunderte. Zumindest sie, die Schauspielerin Erika Pluhar, bewunderte ich auch – umso verblüffter war ich, als ich Proksch erstmals sah: Klein, aufgedunsen, mit schmutzigen Fingernägeln wirkte er auf mich nur abstoßend und was er von sich gab, sprach nur für seine NS-Sozialisation. Aber damit stand ich alleine da: Nicht nur Tramontana hielt ihn für genial.

Tatsächlich genial war seine Idee, nach Oben gelangten roten Politikern mit der Gründung des „Club 45“ oberhalb der Konditorei Demel die Sehnsucht nach bürgerlicher Noblesse zu erfüllen: Ein „Herrenklub“ mit erlesenem Mobiliar samt Escort-Damen. Mitgründer und idealtypisches Mitglied war Wiens Bürgermeister Leopold Gratz, der einen Jaguar statt eines Mercedes fuhr und Whisky statt Wein trank. Bruno Kreisky und Heinz Fischer waren die einzigen roten Granden, die den Club nur einmal besuchten, für die anderen war er politischer Treffpunkt mit der Chance auf galante Abenteuer im Separee, die Proksch durch ein Guckloch filmte.

Vergleichbar perfide plante er seinen kriminellen Coup: Laut Papieren belud er den Frachter Lucona gemeinsam mit seinem Freund Hans Peter Daimler mit einer Uranaufbereitungsanlage, die er im Gegenwert von 15,4 Millionen Euro bei der „Bundesländer“ versicherte. Als die Lucona an einer der tiefsten Stellen des Ozeans sank, hatte er allerdings das Pech, dass sechs von 12 Matrosen wie durch ein Wunder gerettet wurden. Die Erzählung eines dieser Geretteten weckten bei der „Bundesländer“, Zweifel an der Zufälligkeit des Unglücks: Sie engagierte den Rechtsanwalt Werner Masser, um den Fall zu überprüfen.

Jemand besseren hätte sie dafür nicht finden können:  Ich kannte Masser als Anwalt des profil, für das er die heikelsten Prozesse gewonnen hatte und später erreichte er beim Europäischen Gerichtshof die Aufhebung des Urteils, mit dem ich der Ehrenbeleidigung an Bruno Kreisky schuldig gesprochen worden war, weil ich sein Verhalten in der Causa Wiesental „ungeheuerlich“ genannt hatte. (Das EuGH-Urteil erlangte presserechtliche Grundsatzbedeutung). Ähnlich erfolgreich agierte Masser in der Causa Lucona: Er fand heraus, dass die angebliche Uranaufbereitungsanlage aus Teilen eines Plastikextruders bestand, den Proksch zur Fertigung von Brillen verwendet hatte, dazu aus Teilen einer Bergbauanlage sowie von Bundesheergeräten, die er von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf geschenkt bekommen hatte. Als Masser schließlich herausfand, dass Proksch sich bei einem Bundesheer-Experten eingehend über Sprengungen und Zeitzünder informiert hatte, ergab sich für ihn, zusammen mit der Erzählung eines geretteten Matrosen, der einen Knall gehört haben wollte, das ziemlich klare Bild eines fast perfekten Verbrechens.

Gerald Freihofner in der Wochenpresse und ich im profil vermochten dieses Bild Woche für Woche nachzuzeichnen, gab uns Masser doch jede seiner Recherchen samt Belegen weiter. (Er schlug mir auch vor, sie zu einem Buch zu verarbeiten, aber ich lehnte ab, weil ich bei der Beurteilung der SPÖ nie so unbefangen wie der spätere FP-Abgeordnete Pretterebner gewesen wäre.)

Das Phantastische war nur: Obwohl Wochenpresse und profil Proksch durch Jahre offen des Mordes ziehen, leitete die Staatsanwaltschaft unter Justizminister Christian Broda kein Verfahren gegen ihn ein. Nur für mich war das nicht wirklich erstaunlich, hatte sie es bei Kriminalfällen, die die SPÖ in Verlegenheit bringen konnten, doch noch nie getan. Auch Brodas FP-Nachfolger Harald Ofner in der rot-blauen Koalition Fred Sinowatz‘ fand „die Suppe zu dünn“ für eine Anklage. Erst unter dem parteilosen Rechtsgelehrten Egmont Foregger als Justizminister der Regierung Franz Vranitzky kam es endlich zu einem Strafverfahren und Prokschs Verhaftung, nachdem ein Tauchroboter Sprenglöcher der Lucona zu filmen vermochte. Dennoch versuchte Leopold Gratz, Proksch mit Dokumenten über den Kauf einer Urananlage zu helfen, die sich als Fälschungen herausstellten und Ähnliches tat Innenminister Karl Blecha, um das Verfahren zu verzögern. Die widerrechtliche Enthaftung ermöglichte Proksch sogar die Flucht, bis er 1989 wieder verhaftet und 1992 verurteilet werden konnte.

Eine eindringlichere Begründung für eine parteiunabhängige Staatsanwaltschaft als den Fall Lucona kenne ich nicht.

 

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Covid 19 blüht wieder

Obwohl die Viren-Konzentration im Abwasser angeblich nicht zugenommen, hat der Herbst prompt eine neuerliche Covid19-Welle mit sich gebracht, auch wenn  nicht mehr davon gesprochen wird ist und man auch keine wirklichen Daten zur Verfügung hat, da die Krankheit nicht mehr meldepflichtig ist.

Wohl aber kann man Schlüsse daraus ziehen, wie viele Menschen in der engsten eigenen Bekanntschaft  gerade erkrankt sind und sich durch einen Test davon überzeugt haben, dass es sich um Covid 19 handelt. Auch befragte Ärzte bestätigen sofort, dass sie wieder öfter zu Patienten gerufen oder um einschlägige Rezepte gebeten werden.

Zu verdanken haben wir den Umstand, dass die Krankheit nicht verschwunden ist den Anti-Impf-Demonstrationen der FPÖ im Verein mit naiven grünalternativen Impfskeptikern, die zu einer unzureichenden Durchimpfungsrate führten, so dass keine Herdenimmunität eingetreten ist. Die blaue Mobilmachung gegen die Impfung war einmalig: Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch verstieg sich als Ärztin bekanntlich zu der Behauptung, die Intensivstationen wären nicht von Covid-19 Patienten, sondern von Impfgeschädigten überfüllt, während Herbert Kickl ein Mittel zur Entwurmung von Pferden an Stelle einer Impfung empfahl.

Dass uns Covid 19 auf diese Weise noch länger erhalten bleiben dürfte, hat sich für die FPÖ freilich mehr als gelohnt: Indem sie behauptete, das Land habe sich auf dem Weg zu einer Impf-Diktatur befunden, vermochte sie in der Zustimmung der Bevölkerung auf nie dagewesene Weise zuzulegen.  Noch einmaliger war die nachfolgende Volte: Kickl erreichte, dass sieh Karl Nehammer de facto für Fehler bei der Verhängung von „Maßnahmen“ gegen die Pandemie entschuldigte, obwohl klar ist, dass solche Fehler angesichts einer völlig unbekannten, neuen Epidemie unausweichlich sind, statt dass die Führung der FPÖ sich dafür entschuldigt hätte, dass ihre Anti-Impf -Kampagne die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet und Österreich Covid- 19 auf unbestimmte Zeit erhalten hat.

 

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Hure für die Reichen

Der Chef der Industrie-nahen Agenda Austria Franz Schellhorn hat in einer Diskussion mit der Chefin des ÖGB-nahen Momentum-Instituts Barbara Blaha über Andreas Bablers Erbschaftsteuer gemeint, die anderthalb Milliarden, die man daraus vielleicht erziele, könne man vergessen, denn sie wären doch ein völlig unzureichender Betrag.

Ähnlich äußerte sich der Chef des Instituts für höhere Studien IHS, Holger Bonin, der meint der Freibetrag könne nicht bei anderthalb Millionen Euro sondern müsse deutlich darunter liegen. Beide haben insofern recht, als die Erbschaftssteuer in ihrer auch vom ÖGB erwogenen Ausgestaltung sicher nicht die Beträge einbrächte, die Babler für eine Unzahl von Wohltaten ausgeben will – aber anderthalb Milliarden derart zu verachten scheint mir bei Ökonomen trotzdem etwas befremdlich.

Wesentlich war eine Tafel, die Babler im Zuge seiner Auseinandersetzung um dieses Thema viel zu kurz im Fernsehen zeigte: Nur in zwei Staaten, der Slowakei und Mexiko sind Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern geringer als in Österreich, wo sie bei nur 0,6 Prozent des BIP liegen, während es im Schnitt der OECD 2,5 Prozent sind. Würden sie auf dieses Niveau angehoben, so nähme der Staat um die sieben Milliarden mehr ein um die man – und auch das ist wesentlich- die Steuern auf Arbeit senken könnte. Vor der Erbschaftsteuer, die man tatsächlich nicht mit einer Freigrenze von anderthalb Millionen ausstatten muss, um das berühmte Enkerl zu schonen, dem die Oma ihre Wohnung vermacht, ist fast überall die Grundsteuer die wichtigste der vermögensbezogenen Steuern, während bei uns diesbezüglich jene lächerlichen Einheitswerte gelten, die den Verfassungsgerichtshof veranlassten, die Erbschaftsteuer aufzuheben, weil jemand, der ein Grundstück im Wert von einer Million Euro erbte eine ungleich geringere Steuer bezahlte, als jemand der eine Million in bar erbte. Der VfGH trug der rot-schwarzen Regierung auf, das zu reparieren, nicht aber die Erbschaftssteuer abzuschaffen. Doch die ÖVP war nicht bereit, diese Reparatur innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist mit zu beschließen und so blieb es bei den lächerlichen Einheitswerten und war die Erbschaftsteuer gestorben. Wie schrieb doch der abgesetzte Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid angesichts der Steuersache Siegfried Wolf  einem Mitarbeiter: „Vergiss nicht. Du hackelst im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure für die Reichen“. Charakteristischer Weise will auch der angebliche „Volkskanzler“  Herbert Kickl keine Erbschaftssteuer und das Volk ist schlicht genug, der FPÖ demnächst die Mehrheit zu verschaffen.

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Die Kirche bleibt frauenfeindlich

Polens Unterhaus lehnt es ab, das geltende Abtreibungsverbot auch nur minimal zu mildern. Angesichts der Frauenfeindschaft des Islam wird die unserer Kirchen vergessen.

 Polens Unterhaus hat abgelehnt, das geltende Abtreibungsverbot so zu mildern, dass ein Schwangerschaftsabbruch wenigstens bei Vergewaltigung oder Missbildung des Fötus möglich wäre. Das Versprechen einer solchen Reform war der vermutlich entscheidende Grund dafür, dass eine Koalition unter Führung der Bürgerplattform  Donald Tusks 2023 die Regierung der konservativen PIS ablösen konnte. Doch die Abstimmung über die Abtreibung zeigte, dass es im katholischen Polen selbst in Tusks Koalition Abgeordnete gibt, die in Abtreibung „Mord“ sehen.

Zwangsläufig stärkt das Scheitern der Reform die PIS, die für sich alleine genommen nach wie vor stimmstärkste Partei Polens ist. Denn wirtschaftlich war sie durchaus erfolgreich: Es war nicht zuletzt ihr Verdienst, dass Polen seine Staatswirtschaft von allen Staaten des einstigen Ostblocks am besten in eine  Marktwirtschaft überführte. Die Landbevölkerung kam nicht unter die Räder der Industrialisierung, und die christlich-soziale Prägung der Gesellschaft sorgte dafür, dass die für viele ex-kommunistische Volkswirtschaften so typische Spaltung in weiterhin Arme und extrem Reiche in Polen nicht so drastisch ausfiel. Es ist daher keineswegs sicher, dass die liberale Regierung Tusks wirtschaftlich vergleichbar erfolgreich sein wird und zusammen mit der gescheiterten Reform der Abtreibung kann sie das sehr bald die Zustimmung der Mehrheit kosten – man muss die Rückkehr Polens unter die Fittiche der EU-kritischen, fundamental katholischen PIS leider für jederzeit möglich halten.

Angesichts eines Islam, der Frauen im Extremfall zwingt, im Gefängnis einer Burka mit vergittertem Sehfeld zu leben, wird vergessen, wie frauenfeindlich auch das Christentum ist. Indem es gebietet, mit Gott-Vater und Gott-Sohn zwei Männer als allgewaltig und allwissend anzuerkennen, sorgt es für jene patriarchalen Herrschaftsverhältnisse, die ich für eine zentrale Ursache von Krieg und Unterdrückung halte. Restlos undemokratisch organisiert, war voran die katholische Kirche Stütze noch jedes faschistischen Regimes, ob Benito Mussolinis, Engelbert Dollfuss` oder Francisco Francos und natürlich steht die orthodoxe Kirche heute fest hinter Wladimir Putin. Noch nie haben christliche Kirchen Massenmördern, sei es Adolf Hitler, sei es Josef Stalin, offen die Stirn geboten, sondern sich selbst mit ihnen arrangiert. Österreichs Bischöfe unterschrieben bekanntlich mit „Heil Hitler.“

Dazu passt, dass alle faschistoiden Regime Abtreibung als „Mord“ qualifizieren und zu Lasten der Frauen mit besonderer Schärfe verfolgen, sahen mit ihnen verbündete Kirchenväter in Frauen doch Menschen zweiter Klasse. Hatte es in vorchristlichen Gesellschaften, etwa Ägyptens, auch weibliche Götter gegeben und konnten Frauen Herrscherinnen sein, so konnte die hebräische Frau im alten Testament des Christentums verstoßen, ja getötet werden, wenn sie dem Mann nicht gehorchte und war „unrein“, wenn sie die Regel hatte. Mit Jesus gab es zwar eine kurze Zwischenphase, in der sich die Stellung der Frau verbesserte – bekanntlich erlaubte er Maria Magdalena sogar seine Lehre zu verbreiten – aber schon hundert Jahre später wies das Thomas- Evangelium der Frau wieder die alte Stellung zu: „Ein Weib lerne in der Stille und in aller Untertänigkeit“. Das fand der polnische Papst Johannes Paul II noch 1988: „Eine Frau soll still zuhören und sich ganz unterordnen. Ich gestatte es keiner Frau zu lehren und sich über den Mann zu erheben. Zuerst wurde ja Adam geschaffen und dann erst Eva“. Die diesbezügliche katholische Tradition ist beeindruckend. Schon 200 nach Christi hatte der Kirchenlehrer Tertullian in Eva die „Eingangspforte des Bösen“ gesehen:  „Du bist es, die dem Teufel Eingang verschafft hat.“ „Allein das Bewusstsein ihres Wesens muss die Frau mit Scham erfüllen“, assistierte ihm sein Kollege Clemens Alexandrinus. Augustinus als wichtigster aller Kirchenlehrer wies der Frau im 5. Jahrhundert endgültig wieder den Platz zu, den sie vor Jesu` Geburt innehatte: „Das Weib ist ein minderwertiges Wesen, das von Gott nicht nach seinem Ebenbild geschaffen wurde.“

Das ist der katholische Hintergrund, vor dem das Recht der Frau, über ihren Körper zu verfügen, gesehen werden muss: Wenn ein Mann ihr ein Kind gemacht hat, hat sie es zu kriegen – den Fötus abzutreiben ist „Mord“. Dass es nichts Inhumaneres gibt, als einer Frau zuzumuten, ein Kind zu bekommen, das sie nicht bekommen will und einem Kind zuzumuten geboren zu werden, obwohl die Mutter es nicht wollte, sieht die Kirche nicht. Sie meint der Wissenschaft zu folgen, indem sie davon ausgeht, dass aus der mit einer Samenzelle vereinigten Eizelle zweifellos ein Mensch werden kann, obwohl noch kein Botaniker einen Zwetschgenkern einem Zwetschgenbaum gleichgesetzt hat,  obwohl er zweifellos dazu werden kann und obwohl jemand, der ein angebrütetes Ei zerschlägt, sich nicht der Tierquälerei schuldig macht, obwohl daraus ein Huhn würde.

Die Kirche war -in für sie typischen absurden Grenzen- schon einmal weiser: 1771 nahm sie an, dass der männliche Fötus erst nach 40, der weibliche erst nach 80 Tagen eine Seele bekommt, so dass davor nicht zwingend Mord vorliegt.

Sobald die Frau ein zweites Wesen in sich spürt, wird Abtreibung auch für sie selbst zum Problem, sieht es die Fristenlösung ohne absurde Unterscheidung im männliche und weibliche Föten gar nicht soviel anders.

 

 

 

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Der keineswegs gebremste Klimawandel

Allen österreichischen, deutschen und europäischen Erfolgsmeldungen zum trotz wird weltweit nicht weniger, sondern mehr CO2 in die Atmosphäre geblasen.

Um ausnahmsweise einen Erfolg zu vermelden, präsentierte der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Grafik, die illustriert, wie sehr der CO2- Ausstoß in seiner kurzen Amtszeit zurückgegangen ist. Die Opposition spricht zwar von getürkten Daten, weil nicht die neuesten herangezogen worden seien, aber tendenziell steht der Rückgang außer Zweifel. Ähnliches gilt für Österreich, wenn Leonore Gewessler entsprechende Erfolge vermeldet und auch Ursula von der Leyen sagt die Wahrheit, wenn sie den Erfolg ihres „Green Deal“ feiert: Die EU hat ihren CO2 Ausstoß tatsächlich gesenkt.

Nur kommt es fürs Klima nicht darauf an wie viel CO2 die EU in die Atmosphäre entlässt, sondern wie viel weltweit dorthin entlassen wird. Und da gilt es einen simplen ökonomischen Tatbestand zur Kenntnis zu nehmen: Jeden Liter Öl und jeden Kubikmeter Gas, den wir in der EU weniger verbrennen, verbrennen andere Volkswirtschaften, von Brasilien über Indien bis China mehr. Alles Öl und Gas, das gefördert wird, wird gekauft, verbrannt und entlässt CO2 in die Atmosphäre. Nur wenn weltweit weniger fossile Brennstoffe gefördert werden, verringert sich der CO2 -Ausstoß. Deshalb war der grauenhafte Krieg in der Ukraine eine Zeit lang gut für den Planeten, denn um ihn vorzubereiten, brauchte Russland mehr Geld und einigte sich mit der OPEC, die Förderung zu drosseln, um den Preis durch Knappheit zu erhöhen. Die USA, die Saudi-Arabien sonst immer bewegt hatten, die Förderung nicht zu drosseln und den Preis moderat zu halten, indem sie drohten, dem Königshaus sonst keine Waffen zu liefern, akzeptierten die Preiserhöhung dieses Mal, weil sie durch Fracking selbst zum größten Öl/Gas Produzenten der Welt geworden waren.

Die Drosselung der weltweiten Förderung hielt freilich nur kurz an. Nicht zuletzt, weil voran der erhöhte Gaspreis zu einer gewaltig erhöhten Inflation führte, unter der voran Europa litt, wurde die Gasförderung bald wieder erhöht, indem Norwegen sie verstärkte und die USA ihr Fracking wieder hochfuhren. Die weltweite Förderung fossiler Brennstoffe nahm zu Lasten des Planeten wieder zu und sorgte – viel mehr als die Zinserhöhungen der Notenbanken – dafür, dass die Inflation sukzessive zurückging.

Man kann die Menge fossiler Brennstoffe, die jährlich gefördert werden dürften, um den weltweiten CO2-Ausstoß so zu reduzieren, dass man das gesetzte Klimaziel erreicht, in etwa errechnen und das geschieht auch. Es gibt von den Vereinten Nationen seit 2017 einen jährlichen Bericht über die sogenannte „production gap“: Das ist die Lücke zwischen dem, was an Einschränkung bei der Förderung und Produktion fossiler Energieträger auf Weltebene notwendig wäre und dem, was tatsächlich geschieht. Im Vorwort des Reports von 2023 heißt es: „Die Regierungen planen, bis 2030 mehr als die doppelte Menge an fossilen Brennstoffen zu produzieren und zu verbrauchen als es mit dem Pfad zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5°C vereinbar ist. Mit anderen Worten: Die EU, Deutschland oder Österreich können ihren CO2 Ausstoß noch so sehr reduzieren – es bewirkt nichts, solange weltweit weiter munter Öl, Gas und Kohle gefördert werden. „Nur wenn es gelingt, die Produzenten fossiler Energieträger, von denen es auf der Welt rund zwanzig gibt (darunter die USA als eine der größten), davon zu überzeugen, dass sie ihre Produktion Schritt für Schritt herunterfahren müssen“, formuliert der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck, „kann mit einer rationalen Klimapolitik begonnen werden.“

Ich bin diesbezüglich zurückhaltender: Es ist zu jeder Zeit rational, Technologien zu entwickeln, die den CO2-Ausstoß vermindern. Nur versprächen weniger Hektik und mehr Nachdenken dabei größeren Erfolg. So bewirkte nur eine viel höhere CO2-Steuer, dass immer die Technologie zum Zug käme, die am billigsten das meiste CO2 eliminiert, während man derzeit im Dunklen tappt. So ermittelte etwa der Think-Tank „Transport und Environment“ erst jetzt, dass Schweröl verbrennende Schiffe im Hafen von Rotterdam mehr CO2 als alle Autos der Niederlande ausstoßen und dass die Schifffahrt -Kreuzfahrt- und Containerschiffe- zu den zweifellos größten CO2 Emittenten zählt. Es brauchte also vermutlich weniger Fördermilliarden für die überwiegend europäischen Großreedern und ihren rund sechstausend Schiffe CO2-arme Motoren vorzuschreiben, als es für abermillionen Autos zu tun.

In keiner Weise verstehe ich freilich, warum man das Tempolimit für Autos nicht sofort auf 100 km/h senkt. Und wenn man Wiens öffentlichen Verkehr mit Steuern statt Fahrscheinen finanzierte, erreichte man vermutlich rasch, dass Wiener kaum mehr Auto führen. Zwar müsste man dann wohl mehr Garnituren einstellen, aber im Verhältnis zum Erfolg wäre der Aufwand gering. Auch dass man dann auf die Fahrscheine von Touristen verzichten müsste, ist kein gewichtiger Einwand -sie gäben mehr Geld in Restaurants und Geschäften aus. Es gibt also Wege den CO2-Ausstoß  relativ simpel und rasch stark zu senken.

Das oben beschriebene Grundproblem, ist freilich nur zu lösen, wenn man die 20 Produzenten fossiler Brennstoffe überzeugen kann, dass es auch für sie am besten ist, sehr viel länger vom Erlös ihrer fossilen Bodenschätze zu profitieren als durch immer größere Fördermengen im Moment noch reicher zu werden und eine Klimakatastrophe zu erleben.

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Ein einsamer britische Hoffnungsschimmer

Großbritannien wird sich unter Labour wirtschaftlich erholen. Frankreich nur, wenn Deutschland seine Lohnpolitik ändert. Sonst regiert 2027 Marine Le Pen.

 Es gibt noch Erfreuliches! Großbritanniens neuer Premier Sir Keir Starmer ist das Gegenteil von Herbert Kickl oder Donald Trump. So sehr er eine Gesinnung hat, so wenig ist er ein Extremist. Der Sohn eines Werkzeugmachers und einer Krankenschwester, der dank Stipendien in Oxford studierte, mit Auszeichnung promovierte und für seine Leistung als Staatsanwalt geadelt wurde, kam als Quereinsteiger zu „Labour“. War das unter dem Vorsitz von Jeremy Corbyn eine extrem linke Partei, so rückte sie Starmer, der Corbyn 2020 ablöste, energisch in die Mitte, wo sie schon 1997 unter Tony Blair Erfolge gefeiert hatte. Dass eine Maßnahme „links“ ist, reicht Starmer so wenig wie Blair – sie muss ein Problem lösen und das kann auch mit Ideen einhergehen, die als „rechts“ gelten.

In seiner erste Rede forderte er den vernichtend geschlagenen Kurzzeit – Premier der Torys Rishi Sunak zu respektieren: Auch der hätte sein Bestes gegeben. (Tatsächlich rettete Sunak das Land vor einem, von seiner Vorgängerin Liz Truss ausgelösten Finanz- Fiasko.) Zur Finanzministerin bestellte Starmer die ausgewiesene Ökonomin Rachel Reeves, zum Außenminister den schwarzen Anwalt David Lammy, der wie er mit Auszeichnung promoviert hatte. Dessen erste Initiative: Blitzbesuche in Berlin, Warschau und Stockholm, während Verteidigungsminister John Healey Wolodymyr Selenskyj in Odessa versicherte, dass Großbritannien weiter voll hinter der Ukraine steht. Bezüglich der EU erhofft Lammy Wiederannäherung („Reset“) und die sollte auch die EU anstreben, statt sich zu freuen, wie sehr der Brexit den Briten schadet. Er ist als „Volksentscheid“ zwar kaum rückgängig zu machen, aber die EU könnte mit Großbritannien zu ähnlichen Verträgen wie mit der Schweiz gelangen und Handelsbarrieren abbauen. Schließlich ist die britische Atommacht ihr militärisch mit Abstand wichtigster Partner, wenn sie sich nach einem Sieg Donald Trumps nicht mehr voll auf die USA verlassen kann.

Starmers dringendstes Anliegen ist das Ankurbeln der Wirtschaft. Haben Deutschlands Konservative die EU im Geist der schwäbischen Hausfrau niedergespart, so sparten die britischen Torys aus tiefster neoliberaler Überzeugung: Das Kaputtsparen des „National Health Service“ war dafür symptomatisch. Großbritanniens wirtschaftlicher Vorsprung vor der EU (gemessen in realem BIP pro Kopf) schrumpfte voran zu Lasten der Unterschicht von 17.000 auf 10.000 Dollar – entsprechend wuchs die Schere zwischen „arm“ und „reich“. Labour plant daher ein gewaltiges Sozialbau-Programm, das sowohl die Wohnungsnot lindern als die Wirtschaft beleben sollte. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt.

Ähnliche Zuversicht  gegenüber Frankreich fällt mir schwer. Präsident Emmanuel Macron wird es politisch zwar bis 2027 auf Kurs gegen Wladimir Putin halten – aber wirtschaftlich wird die Regierung, wer immer sie anführt, angesichts eines restlos gespaltenen Parlaments, kaum erfolgreicher als bisher sein. Das aber wird den Wunsch der Bevölkerung nach totalem Wechsel hin zu Marine Le Pen beflügeln. Denn so sehr das Migrationsproblem die Franzosen mit Terror und Bandenkriegen in Atem hält, scheint mir ihre wirtschaftliche Misere doch zentrale Ursache ihrer Unzufriedenheit: Lag ihr reales BIP pro Kopf 2008 mit 45.516 Dollar noch um 8.472 Dollar über dem der EU, so sind es 2023 nur mehr 3.637 Dollar. Für die Mehrheit der Franzosen bedeutete das fünfzehn Jahre wirtschaftlichen Abstiegs. Zentrale Ursache dieser Entwicklung sind nicht, wie man voran in deutschen Zeitungen liest, „versäumte Hausaufgaben“ (bis 2000  lagen Frankreich und Deutschland wirtschaftlich fast gleichauf), sondern ist- tut mir leid es zu wiederholen- der Umstand, dass Deutschland seine Löhne seit 2000 weniger erhöhte als seinem Produktivitätszuwachs entsprach. Spätestens 2008 waren deutsche Waren damit so viel billiger als französische, dass Käufer sie trotz aller Produkttreue zunehmend bevorzugten. Frankreich verlor dramatisch Marktanteile an Deutschland. Allein nach Deutschland exportierte es 2022 um 47 Milliarden Euro weniger als Deutschland nach Frankreich. Während in Deutschland Arbeitskräfte fehlen (es herrscht Vollbeschäftigung bei nur 4,3 Prozent Jugendarbeitslosigkeit) liegt Frankreichs Arbeitslosigkeit noch immer bei 7,4 Prozent, bei Jugendlichen bei gespenstischen 27 Prozent. Verursacht die hohe Arbeitslosigkeit dem Staat hohe Kosten, so lieferten ihm Frankreichs Betriebe immer weniger Steuern ab, weil sie mangels Auslastung weniger Gewinne machen. Da sich Frankeich in der EU (anders als US-Bundesstaaten in den USA) neues Geld zu deutlich höheren Zinsen als Deutschland leihen muss, wuchs seine Verschuldung so deutlich, dass die Neue Zürcher Zeitung sogar den Euro gefährdet sieht.

All das hätte auch ein ökonomisch viel versierterer Präsident als Emmanuel Macron nicht abwenden können. Denn hätte er versucht, die Löhne der Franzosen massiv zu senken, um Marktanteile zurückzuerobern, so hätte er nicht nur einen  Aufstand ausgelöst, sondern auch noch Frankreichs Binnenkonjunktur erstickt. Besserung erlebte Frankreich nur, wenn Deutschlands Gewerkschaften deutlich höhere Löhne durchsetzten, aber das Gegenteil war bei der letzten Lohnrunde der Fall: Deutschland erhöhte seine Tariflöhne am wenigsten und wird daran angesichts seiner Rezession kaum etwas ändern. Damit macht es Marin Le Pen nach menschlichem Ermessen 2027 zu Frankreichs Präsidentin.

 

 

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Fünf Zentimeter machen Weltgeschichte

Im Allgemeinen ist man geneigt, anzunehmen, dass große gesellschaftliche Entwicklungen den Gang der Geschichte bestimmen – aber auch pure Zufälle können die Weichen stellen: Wäre Donald Trump bei seinem Wahlkampfauftritt in Philadelphia um fünf Zentimeter weiter links gestanden oder hätte er den Kopf auch nur etwas anders gehalten, er wäre einem Kopfschuss erlegen.

Evan Vucci, photo AP

Seine Söhne und Töchter hätten sich vermutlich gekränkt; aber die USA erhielten einen Präsidenten, der, selbst wenn es ein Republikaner wäre, die Nato so wenig wie die Unterstützung der Ukraine in Frage stellte (auch wenn er genau so verlangte, dass die Mitglieder der EU das zwei-Prozent- Ziel beim Verteidigungsbudget einhalten) und der vor allem kaum versuchte und auch kaum imstande wäre, das Land von einer rechtsstaatlichen Demokratie in einen autoritären Staat zu verwandeln. So hingegen wird Donald Trump, der dazu sehr wohl in der Lage ist und Vergleichbares auch schon angekündigt hat, mit noch viel größerer Wahrscheinlichkeit Amerikas nächster Präsident. War er für seine Anhänger schon bisher von Gott gesandt, so hat ihn die Vorsehung nun wie Adolf Hitler vor einem mörderischen Attentat bewahrt, das er der von den Demokraten gegen ihn entfesselten Hexenjagd zuschreibt. Die geistige und körperliche Fitness, mit der er unmittelbar danach, während ihm das Blut seines zerschossenen Ohrs noch über die Wange rann, die Faust hochreckte, wird noch die letzten Unentschlossenen überzeugen, dass niemand die USA besser führen kann – schon gar nicht der greise Joe Biden. Damit wird die Welt so gut wie sicher ab November eine ganz andere als jetzt sein.

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Verantwortungslose US-Demokraten

Joe Biden hat eine unabhängige neurologische Untersuchung die den Verdacht einer Alzheimer-Erkrankung beseitigt, bekanntlich abgelehnt.

Ich habe bewusst nur einen Alzheimer Patienten gesehen – einen langjährigen Tennispartner, der mich nicht mehr erkannte, als ich ihm auf einen Spazierweg begegnete, mir aber die Hand gab, nachdem ich seine Frau begrüßt hatte: Der leere Ausdruck seiner Augen bei dieser Begegnung war absolut deckungsgleich mit dem Bidens während langer Phasen seine TV-Duells mit Trump. Seine Unfähigkeit ein bestimmtes Wort oder wenigstens ein Synonym dafür zu finden, entspricht ebenso den Indizien für eine Alzheimer Erkrankung, wie die Unfähigkeit einen Gedanken bis zu seinem Ende verständlich auszusprechen. Dass Biden in späteren Phasen des Gesprächs wieder durchaus wach und konzentriert wirkte, ist kein Widerspruch: Alzheimer kennt solche Schwankungen und verläuft in Schüben sehr unterschiedlicher Auffälligkeit.

Im Grunde ist es aber völlig egal, ob Biden, wie ich glaube, Alzheimer hat: Entscheidend ist, dass Millionen ihn in bei diesem Fernseh-Duell versagen gesehen haben und dass die Diskussion um seine geistige Zustand selbst ohne Zutun Donald Trumps auf keinen Fall abreißen wird. Schon vor dem Duell aber haben alle Umfragen dagegen gesprochen, dass Biden Trump besiegen würde – jetzt halte ich es für ausgeschlossen. An der Spitze der demokratischen Partei kann man die Lage unmöglich anders einschätzen. Wissend, was es für die USA und die Welt bedeutet, wenn Trump tatsächlich wieder Präsident wird, ist es von den Spitzen der demokratischen Partei verantwortungslos, Biden nicht doch zum Rückzug zu zwingen und durch einen einigermaßen bekannten Kandidaten, etwa Außenminister Antony Blinken, zu ersetzen. Auch der kann verlieren – aber nicht mit so großer Wahrscheinlichkeit.

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Man höre auf Ralf Rangnick!

Der deutsche Trainer unsrer Nationalelf versteht nicht nur besonders viel von Fußball, sondern mindestens soviel von Politik. Er warnt eindringlich vor Rechtsextremismus.

Österreich feiert den Aufstieg als Gruppensieger ins Achtelfinale der Europameisterschaft. Ich auch, denn im Sport bin ich so „national“, dass Herbert Kickl seine Freude an mir hätte. Aber obwohl unsere Fußballer nie schlecht waren, zweifle auch ich nicht daran, dass der deutschen Trainer Ralf Rangnick entscheidenden Anteil an diesem Erfolg hat: Er machte aus 26 Einzelspielern jenes verschworene Kollektiv, als das die Mannschaft auftritt. „Professor Rangnick“, wie eine Zeitung ihn nannte, lehrte sie Gemeinsinn: Indem jeder Spieler jedem Mitspieler schneller denn je zur Hilfe kommt, wurde aus jedem Zweikampf ein Dreikampf mit österreichischer Mehrheit. Indem Rangnick möglichst viele Spieler einsetzt, vermeidet er Kränkungen. Indem er Spielern, um deren Qualität er weiß, auch dann vertraut, wenn sie einmal schlechter spielen, vermittelt er Sicherheit. Dass er Marko Arnautovic vertraute, obwohl Inter-Mailand dessen Vertrag nicht verlängern will, weil er zu oft verletzt und zu alt sei, hat zweifellos dazu geführt, dass Arnautovic wie ein Berserker rackert.

Rangnick genießt in der Mannschaft nie da gewesenes Vertrauen, weil es wohl auch noch nie da war, dass jemand ein mehrjähriges Millionengehalt als Trainer von Bayern München ausschlägt, um das Vertrauen zu rechtfertigen, das die Mannschaft in ihn setzt. Er ist mehr als nur ein guter Fußballtrainer.

Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er von Politik mindestens so viel wie von Fußball versteht. So beantwortete er die Frage, was ihn derzeit besonders bewegt im Standard mit folgenden Worten: „Was momentan passiert, macht mich nachdenklich und traurig. In Deutschland und in Österreich gibt es politische Strömungen und Entwicklungen, die mir große Sorgen bereiten… Wenn uns die Historie beider Länder etwas gelehrt hat, dann ist es die Gefahr, die von Rechtsextremismus und Faschismus ausgeht. Man redet derzeit offen von Remigration und Deportation, manche finden das auch noch gut, für mich sind diese Begriffe schrecklich… Ich sehe die Gefahr, dass die Rechtsextremen an die Macht kommen und einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Minderheiten werden verantwortlich gemacht: Es sind die Juden, die Ausländer – man findet irgendwen, der schuld daran ist, warum es uns schlecht geht. Dabei geht es uns in Europa immer noch relativ gut“.

Besser kann man es nicht sagen. Paul Schulmeister, der mit dem „Bündnis für Demokratie und Respekt“ eine FP-Regierung verhindern will, sollte diese Aussage auf die Homepage des Bündnisses stellen und auf Flugblättern verbreiten. Wenn die Österreicher schon nicht auf die Warnungen von Andreas Babler, Karl Nehammer, Werner Kogler oder Beate Meinl Reisinger vor einem Wahlsieg der FPÖ hören, so hören sie vielleicht auf die Warnung Ralf Rangnicks und fragen sich, ob Sebastian Kurz wirklich recht hat, wenn er behauptet, die türkis-blaue Koalition hätte besonders viel geleistet. Denn sie hat die Corona-Pandemie besonders teuer gehandhabt, die Zusammenlegung der Krankenkassen hat bisher keine Milliarde eingebracht, sondern nur viel Geld gekostet. Voran sozial Schwache, die die FPÖ zu vertreten behauptet, haben gelitten: die Zahlung für ein drittes Kind fiel weg und FP-Sozialministerin Beate Hartinger -Klein erklärte, von monatlich 150 Euro könne man tadellos leben. Natürlich sind die Gehälter der Arbeiter auch in dieser Ära real um bis zu zwanzig Prozent gesunken, auch wenn Deutschlands Lohnzurückhaltung daran die Hauptschuld trug. Und natürlich wurde die Migration auch unter Innenminister Kickl nicht besser bewältigt, weil er eine „einfache Lösung für ein komplexes Problem“ versprach und nur erreichte, die „Ausländer dafür verantwortlich zu machen, dass es uns schlecht geht.“

Leute, die im Sport viel leisten vertreten- im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung- selten rechtsextreme Positionen: sie wissen zu genau, was „Leistung“ ist. So antwortete mir der später weltbeste Tennisspieler Thomas Muster, als ich ihn nach seiner Meinung über den damals denkbar populären FP-Chef Jörg Haider fragte: „Ein Schreier, mit nichts dahinter“ – nur verbot ihm sein Manager Ronnie Leitgeb leider, sich damit zitieren zu lassen. Heute lässt sich Frankreichs Superstar Kylian Mbappé nichts mehr verbieten: Er warnt so eindringlich vor einem Wahlsieg Marine Le Pen´s wie Ralf Rangnick vor einem Wahlsieg von AfD und FPÖ.

Charakteristisch ist, dass jemand wie Rangnick die Gefahr des Rechtsextremismus und die Notwendigkeit von Gemeinsinn in allen Zusammenhängen so klar wie in Österreich und Deutschland sieht. Auf die Frage nach einem Comeback Donald Trumps antwortete er im zitierten Standard-Interview: „Ja, womöglich wird Trump wiedergewählt. Wie kann das sein nach der Erstürmung des Kapitols? Trump verbreitet Angst, Hass und Verschwörungstheorien. Was ist los mit den USA? Wir reden von künstlicher Intelligenz – ich habe viel mehr Sehnsucht nach der natürlichen Intelligenz. Unser Planet hat so viele Probleme: Klima, Armut, Kriege, Flucht… Kann man wo nicht überleben, ist es purer Selbsterhaltungstrieb, dass man woanders hingeht… Nehmen wir den Klimawandel. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr sagen können: Kümmern wir uns in ein paar Jahren darum. Wir können alles nur gemeinsam lösen, es ist ein gemeinsamer Planet.“

Auch da kann man nur sagen: Man höre auf Ralf Rangnick!

 

 

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Frankreichs unlösbares Wirtschaftsproblem

Frankreichs keineswegs  nur selbstverschuldete immer schlechtere wirtschaftliche Lage trug wesentlich zum Erfolg der Partei Marine Le Pens bei.

Wie erwartet landete das Rassemblement National Marine Le Pens im ersten Wahlgang mit 33 Prozent klar vor dem Linksbündnis NFP mit 28 und den Liberalen Emmanuel Macrons mit 20 Prozent. Nur wenn Linke und Liberale kommenden Sonntag beim zweiten Wahlgang mit großer Mehrheit gemeinsam gegen die Kandidaten Le Pens stimmen, bleibt der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU eine EU-kritische Rechtsaußen- Regierung erspart, auch wenn Staatspräsident Macron ihren Spielraum begrenzte. Würde Le Pen 2027 auch Präsidentin, so veränderte das die EU mehr als selbst der Brexit.

Die schon jetzt dramatische Entwicklung hat viele Gründe. Natürlich, wie überall, die Migration, die Frankreich seit jeher in keiner Weise bewältigt: In den „Banlieue“(Vororten), in denen Migranten sich konzentrieren, führen Vierzehnjährige derzeit mit Sprengstoffgefüllten Flaschen Bandenkrieg. Ständig herrschen Terrorwarnstufen. Dass Islamisten Lehrer köpfen und Juden ermorden, erschüttert das Land. Hinzu kommt die in allen Ländern gleiche Angst vor Massen- Zuwanderung, die der deutsche Hirn-Forscher Hoimar von Ditfurth 1989 kurz vor seinem Tod und lang vor den aktuellen Problemen so begründete: „Es gibt drei angeborene Handlungsweisen des Menschen, die aus dem vor- und frühsteinzeitlichen Dschungel stammen: Hab Angst vor jedem Menschen, den Du nicht kennst! Die Rechte Deiner Horde sind den Rechten aller anderen Kollektive übergeordnet! Du musst, wenn Du glaubst das Überleben Deiner Horde nicht anders sichern zu können, den Konkurrenten totschlagen! Wenn wir von Horden von Fremden lesen, die hier einwandern, dann revoltiert dieses Gesetz der Steinzeit in uns. Deswegen sind wir keine Faschisten. Es ist menschlich, davor Angst zu haben. Nur muss dann die Hirnrinde tätig werden … “

Sie wird es in Frankreich so wenig wie in Österreich. Zumal die wirtschaftliche Misere, in der sich das Land befindet, den Widerstand gegen Zuwanderung rational verschärft: Migranten füllen Sozialbau- Wohnungen und drücken auf die Löhne. Solange das Lohnniveau der eingesessenen Bevölkerung ein gutes und ihr Wohlstand ein passabler ist, hält sich ihr Frust in Grenzen – gerät sie in wirtschaftliche Probleme, so sprengt er sie. Und die Franzosen haben seit zirka 1998 immer größere wirtschaftliche Probleme: Indem deutsche Unternehmen die Löhne nicht mehr im Ausmaß des Produktivitätszuwachses erhöhten, errangen deutsche Waren gegenüber französischen einen Lohnstückostenvorteil von 20 Prozent, so dass Frankreich immer mehr Marktanteile verlor: Allein gegenüber Deutschland exportiert Frankreich seither um 400 Milliarden Euro weniger als Deutschland nach Frankreich. Entsprechend hat sich Frankreichs Arbeitslosigkeit verfestigt: Viel davon scheint nicht einmal mehr in der Statistik auf, weil die Betroffenen die Arbeitssuche aufgegeben haben. Sie und die registrierten Arbeitslosen sind das gesicherte Wählerreservoir Le Pens. Entsprechend hat sich auch Frankreichs soeben von der EU kritisierte Verschuldung erhöht: Ungenügend ausgelastete Betriebe lieferten dem Staat zunehmend weniger Steuern ab, während die Arbeitslosigkeit ihn zunehmend mehr kostete.

Kein französischer Präsident, auch kein ungleich fähigerer als Emmanuel Macron, hätte diese Entwicklung stoppen können. Denn wenn er die Löhne so senkte, dass Frankreich Marktanteile zurückgewänne, scheiterte er nicht nur an der ausgelösten Revolte, sondern erstickte auch noch die Binnenkonjunktur. Macron, 2017 als große Hoffnung und „Jupiter“ gefeiert, als er mit seiner Bewegung „en Marche“ eine beachtliche Mehrheit hinter sich versammelte, hat diese Hoffnung freilich besonders heftig enttäuscht. Statt sich mit Italien und anderen Ländern des „Südens“, die alle die gleichen Probleme haben, zusammenzutun und vielleicht dank gemeinsamen politischen Drucks zu erreichen, dass Deutschlands Gewerkschaften höhere, dem Produktivitätszuwachs entsprechende Löhne fordern, indem man ihnen erklärt, dass Deutschland wirtschaftlich gesunde Nachbarn braucht, um ihnen seine Produkte zu verkaufen, setzte er nur eine der Reformen durch, mit deren Ausbleiben die deutsche Presse seine Misere begründet: Er erreichte die natürlich richtige Anhebung des Pensionsalters um zwei Jahre, aber sie mündete in wüste Streiks. Das wieder lag nicht zuletzt an seiner abgehobenen Persönlichkeit: Er hat keine Lust mit Leuten zu verhandeln, die sich „nicht genug anstrengen“, sich die gleichen Maßanzüge wie er zu kaufen. Macron ist für das Volk das Gegenteil eines der ihren.

Marine Le Pen hingegen spricht für das Volk. Nicht dass sie Frankreichs zentrales Problem lösen könnte- konkrete Lösungen weiß das Rassemblement national so wenig wie die FPÖ – aber die herrschenden Zustände lautstark zu kritisieren, musste auf offene Ohren treffen. Hinzu kommt, dass es Le Pen zunehmend gelang, ihre Partei aus der Schmuddelecke herauszuführen: Der neue Parteiführer Jordan Bardella trägt Maßanzuge wie Macron und zeigt Verständnis für Forderungen der Industrie – niemand nimmt an, dass er den Frexit betreibt. Gleichzeitig gibt es mittlerweile eine noch rechtere Partei als das Rassemblement und zur Linken vertritt der Führer der Kommunisten Jean-Luc Mélenchon im Linksbündnis „Nouveau Front Populaire“, das sich dem Rassemblement entgegenstellte, extrem linke Positionen, so dass viele Wähler Le Pens Haltung zunehmend als vernünftige Mitte empfanden, so wenig sie es ist.

 

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