Noch einmal: Woher kommt der EU-Rechtsruck?

Franz Schellhorn (Agenda Austria) machte sich auf Twitter darüber lustig, dass ich den Rechtsruck in der EU wie in Österreich auf die erstaunlich große Zahl von Geringverdienern zurückführe, die “Lohnzurückhaltung” und “Sparen des Staates” in den letzten zwei Jahrzehnten geschaffen haben.

Denn, so Schellhorn spöttisch, in Österreich seien die Löhne in den letzten drei Jahren um 20 Prozent gestiegen.

Er lässt nur weg, dass die für die untere Einkommensschicht, die den größten Teil ihres Einkommens für verteuerte Nahrung ausgibt, besonders spürbare Inflation der letzten zwei Jahre gleichzeitig die Kaufkraft dieser Schicht extrem vermindert hat. Und er lässt vor allem weg, dass die FPÖ und andere Rechtsparteien bereits seit Längerem massiv wachsen und dass das spätestens seit 2010 mit einer messbar schlechten Lohnentwicklung, voran der unteren Sozialschichten,  einhergeht. Schellhorn selbst zitiert 2018 die Statistik Austria und andere Statistiken, die besagen, dass Österreichs Löhne inflationsbereinigt seit 2010 stagnieren und sich real nur in Finnland schlechter entwickelt haben.

Er hält dem zwar rechnerisch korrekt entgegen, dass dabei der große Anteil Teilzeitbeschäftigter in Österreich nicht berücksichtigt wurde – nur bedeutet auch ein großer Anteil Teilzeitbeschäftigter einen relativ großen Anteil real wenig Verdienender (meist sind es Frauen, die Beruf und Haushalt nur so vereinen können). Es sind aber, so die zentrale Aussage meines von ihm kritisierten Kommentars, voran die Familien mit geringen Haushaltseinkommen, aus denen überall in der EU die (voran männlichen) Wähler rechtsextremer Parteien kommen. Im “Norden”, Deutschland, Österreich, Niederlande, liegt das sehr wohl an der so lange geübten “Lohnzurückhaltung”, im “Süden”, Frankreich, Italien oder Spanien, liegt es daran, dass ihm der “Norden”, dessen Unternehmen ihre Waren zu Lasten der Arbeitnehmerlöhne immer billiger produzieren konnten, immer mehr Marktanteile wegnahm. Während im “Norden” Mangel an Arbeitskräften, voran Facharbeitern eintrat, (was in den letzten drei Jahren Gott sei Dank tatsächlich endlich größere Lohnerhöhungen erzwang) stieg in den immer weniger ausgelasteten Unternehmen des “Südens” die Arbeitslosigkeit – und wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, sind höhere Löhne schon gar nicht durchzusetzen. Deshalb gibt es im Norden wie im Süden erstaunlich viele Geringverdiener.

Da die hohe Zuwanderung seit dem Syrienkrieg dazu führt, dass Geringverdiener auch noch dem Lohndruck durch billig arbeitende Zuwanderer ausgesetzt sind und da sie mit ihnen um Leistungen konkurrieren, die sparende Staaten in immer weniger zur Verfügung stellen – überall wurden weniger soziale Wohnbauten errichtet, oft wurden Sozialleistungen relativ gekürzt – neigt die gewachsene Schicht der Geringverdiener ganz besonders dazu, Parteien zu wählen, die “Null-Zuwanderung” versprechen – und Null-Zuwanderung versprechen nun einmal rechtsextreme “völkische” Parteien.

 

 

6 Kommentare

  1. es liegt nicht nur an den zuwanderern sondern auch an der gier der großkonzerne, vor allem die energiekonzerne, haben dick abgesahnt, selbst als die preise wieder stark fielen, beließen sie die erhöhten preise aufrecht, was scho höchste assozialität signalisierte. und das was sie jetzt anbieten, geld zurückzugeben, ist ein hohn. vor 3 monaten hatten sie noch vor 40% zu retiurnieren, von der bezahlten jahresleistung, jetzt ist nur mehr ein klacks – da ists klar, daß viele sich radikale einschnitte bei diesen riesenfirmen erwarten und man denen kräftig wegnehmen solle…

  2. Das zu verstehen müsste man das Hirn einschalten. Sagen wir mal für zehn Minuten, mit einem guten Getränk. Als Folge davon müsste man dann einsehen und zugeben, dass in manchen Punkten auch andere Menschen, auch andere Parteien auf Richtiges und Wichtiges hinweisen.

    Dass beispielsweise die Asyl- und Migrationsproblematik sauber, fair und konsequent bearbeitet werden muss, mit klaren Richtlinien, verständlich für ALLE kommuniziert. Und dass Ungerechtigkeiten, wie die im Artikel geschilderten, niemals ohne Folgen bleiben.

    Tja, Hirn einschalten? In Partei-Zentralen? So, dass es einfache Menschen mitbekommen, daran teilhaben können? Sich womöglich mit ihren Problemen gehört fühlen? Und das auch noch gut überlegt und menschlich gut kommuniziert? Wird das je passieren?

    “Wir haben Wichtigeres zu tun!” Und das wäre?

  3. Es ist, und war nie nicht klug, die Menschen in Rechte und Linke zu spalten. Die Konservativen haben geglaubt sie sind die Besseren. Heute glauben es die Liberalen. Es gibt nur einen Topf (Welt), in den wir alle schwimmen. Die Menschheitsfamilie lässt sich nicht mehr spalten. Die Waffe des “teile und herrsche ” ist stumpf geworden. Siehe Genderpandemie. Die Innen sind nicht die Treiber. Es sind die Inninen, die Verschwörer, die denkenden Querdenker!!!

  4. Die Aufgabe der “Agenda Austria” wäre es aufzulisten, was alles in Österreich seitens der Politik und der Wirtschaft getan werden muss – oder getan werden sollte / müsste. Diese Liste dürfte mangels entsprechender Aktionen der Unternehmer und der Bundes- und einiger Landesregierungen im Lauf der letzten Jahre immer länger geworden sein und immer noch anwachsen: wenn Herr Schellhorn sich also spöttisch äußert, so ist das auch ein Zeichen dafür, dass ihm allmählich die Tinte ausgeht beim Fortschreiben, da die Liste noch abzuarbeitender Themen immer länger wird, die abgearbeiteten (und somit zu streichenden) Themen aber immer weniger werden. Dass für dieses Jahr die Wirtschaftsprognosen von WiFo und IHS noch einmal zurückgenommen werden mussten, zeigt nur, dass die über lange Jahre geübte Lohnzurückhaltung im vergangenen Jahr zuletzt zu Forderungen geführt hat, die schon in den Jahren davor schrittweise hätten erfüllt werden sollen und auch erfüllt hätten werden können. Nur das endlos lange Hinausschieben berechtigter Lohnforderungen ‘auf die lange Bank’ führt dann – wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die Gewerkschaften bereits die Rute mit Streikdrohungen ins Fenster stellen – bei den selbsternannten Wirtschaftsexperten der WKO und der Industriellenvereinigung zu Empörung und Weinerlichkeit, obwohl sie es sich mit ihrer Handlungsweise, ihre Mitarbeiter nicht gleich am Erfolg ihrer gestiegenen Produktivität teilhaben zu lassen, selbst zuzuschreiben haben. Wenn es doch Tränen der Reue wären, die da über den verpassten Zeitpunkt vergossen werden! But there’s no sense in crying over spilt milk! Aber so lange Herr Schellhorn noch spotten darf, geht es der Wirtschaft immer noch besser als sie uns glauben machen will.

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