Bisher überwies die EU 70 Prozent der für Rüstung bestimmter Gelder in die USA. Je schneller sie ihre Rüstungsindustrie ausbaut, desto mehr bleibt hier. Auch in Österreich.
Um Donald Trump nicht vor den Kopf stoßen, sagt Wladimir Putin zu dessen mit der Ukraine ausgehandeltem Plan einer dreißigtägigen Waffenruhe: „Ja, aber…“. Gleichzeitig versucht er, den Rest der ins russische Kursk vorgestoßenen ukrainischen Truppen einzukesseln und will sie dann „menschenwürdig behandeln, wenn sie sich ergeben“. Ob daraus dennoch Friedensverhandlungen werden, hängt von der Reaktion Trumps ab, der sich vorerst mit Putins dürftiger Antwort zufriedengibt. Wolodymyr Selenskyjs zentrale Forderung, einen Frieden so abzusichern, dass Russland in ein, zwei Jahren nicht neuerlich angreift, bleibt weiter unerfüllt: Putin lehnt die Integration der Ukraine in ein Bündnis ebenso ab wie die Stationierung von Friedenstruppen.
Bezüglich der Waffenruhe mag auch die Überwachung durch Satelliten – genügen – aber nur das Bestehen einer ernstzunehmenden europäischen Armee schreckt Putin mit einiger Wahrscheinlichkeit von künftigen Vorstößen, sei es in der Ukraine, sei es sonst wo in Europa, ab. Europas führende Politiker haben endlich begriffen, dass die Wirtschaftsweltmacht EU auch Militärmacht sein muss. Polen investiert fünf Prozent seines BIP in Rüstung, Deutschland muss der Schuldenbremse wegen das Grundgesetz ändern, um auch nur zu erreichen, dass Rüstungsausgaben über ein Prozent des BIP (43,5 Milliarden) nicht mehr den Staatsschulden zugezählt werden und in der nötigen Höhe beschlossen werden können. Gleichzeitig soll ein „Sondervermögen“ von 500 Milliarden innerhalb von 12 Jahren, die durch zwei Jahrzehnte kaputtgesparte deutsche Infrastruktur sanieren. Um beides zu ermöglichen, hat der künftige Kanzler Friedrich Merz erreicht, dass dieser Beschluss noch von der Regierung Olaf Scholz´ gefasst wird, indem SPD und Grüne gemeinsam mit der CDU-CSI stimmen. Denn ein Kanzler Merz wird diese Zweidrittelmehrheit nicht mehr besitzen, weil die erstarkte AfD nicht für Aufrüstung gegen Putin gestimmt hätte.
Dass die Grünen dem Milliardenpaket zustimmten, lag daran, dass Merz zusagte, 100 Milliarden aus dem Infrastruktur-Vermögen in den Klimaschutz zu investieren. Dennoch zeugt es auch von verantwortungsbewusster Selbstüberwindung. Denn als Grüne und SPD Merz ersucht hatten, die Schuldenbremse mit ihnen auszusetzen, weil ein Urteil des Bundesgerichtshofes sie zwang, 60 Milliarden einzusparen, die Finanzminister Christian Lindner für den Klimaschutz freigegeben hatte, obwohl sie für die Bewältigung der Pandemie bewilligt worden waren, hatte Merz das verweigert und die Schuldenbremse heftig verteidigt. Die daraus resultierende Finanznot der „Ampel“ trug wesentlich zu ihrer Niederlage und seinem Wahlsieg bei. Jetzt, als künftiger Kanzler, brauchte er die Grünen, um sein Wahlversprechen massiver Aufrüstung und wirtschaftlicher Erholung wahrzumachen. Eine Klage der AfD und der Linken, dass es der Verfassung widerspreche, dass die Scholz-Regierung diese gewichtigen Beschlüsse fasst, obwohl sie ab 30. März nicht mehr im Amt ist, wies der Bundesgerichtshof ab.
All das zeigt einmal mehr, wie nachteilig es ist, dass die EU nach wie vor an den Maastrichtkriterien und der Schuldenbremse festhält: Sie sind ein massives wirtschaftliches wie militärisch Handikap. Dabei kann Aufrüstung die Konjunktur Deutschlands wie der EU entscheidend ankurbeln, weil zahllose Zulieferbetriebe mitverdienen. Dass das in den USA 1943 sogar zu 18,9 Prozent Wirtschaftswachstum führte, lag allerdings daran, dass alle staatlichen Investitionen voll der US- Rüstungsindustrie zugutekamen. Was Deutschland und die EU in Aufrüstung investierten, kam der eigenen Rüstungsindustrie hingegen bisher nur zu 30 Prozent zugute – zu 70 Prozent wurden im Zuge des Ukrainekrieges US-Waffen gekauft. Das ändert sich nur mit dem Tempo, mit dem die EU ihre Rüstungsindustrie ausbaut und das ist einmal mehr eine Geldfrage. Allerding ist es zugleich eine Chance, die aktuelle Krise der deutschen Auto-Industrie abzufedern, denn KFZ- Unternehmen und ihre Zulieferer können relativ leicht auch gepanzerte Fahrzeuge produzieren. Das ist nicht zuletzt eine Chance für Magna, das einmal sehr gute Panzer produzierte. Aber auch alle heimischen Zulieferunternehmen profitierten erheblich von den deutschen Verteidigungsmilliarden. Weil die VOEST einmal sehr gute Kanonen produzierte, Steyr sehr gute Gewehre und Glock sehr gute Revolver produziert, ließe sich dieses Know- How sogar mit gemeinsamem Einkauf und Vertrieb in einem durchaus konkurrenzfähigen. österreichischen Rüstungsunternehmen zusammenfassen.
Geschütze, Panzer, Flugzeuge für die EU so weit wie möglich in der EU zu produzieren, ist aber nicht nur eine Frage des wirtschaftlichen Nutzens, sondern auch der militärischen Unabhängigkeit: US-Waffen funktionieren vielfach nur zusammen mit US-Zielsystemen und wenn Trump die, wie kürzlich der Ukraine, nicht zu Verfügung stellt, sind sie nur mehr begrenzt einsatzfähig. Auch solche Zielsysteme und die Überwachung des Gefechtsfeldes aus der Luft muss die EU dringend entwickeln, und obwohl es dauert, wird es sich als wirtschaftlich rundum vorteilhaft herausstellen. Nicht zuletzt sollte man dringend darüber nachdenken, ob sich Großbritannien nicht, wie die Schweiz, vertraglich viel enger an die EU anbinden lässt – es ist Zeit, dass Europa so eng wie möglich zusammenrückt, um neben den Diktaturen in China und Russland und neben den zunehmend autoritären USA ein Hort der Freiheit zu bleiben.