Hans Pretterebner war idealer Ghostwriter eines brillanten Presseanwalts, der mit “LUCONA” den unglaublichsten Kriminalfall in der Ära roter Polit-Justiz aufdeckte.
Hans Pretterebner ist tot. Mit dem Buch „Der Fall Lucona“ beschrieb er das unglaublichste Verbrechen der Nachkriegsschichte. Unglaublich in seiner Brutalität: Udo Proksch, alias Serge Kirchhofer sprengte mit dem Schiff Lucona auch dessen Mannschaft in die Luft. Unglaublich durch die engen Beziehungen Pokschs zur SPÖ. Und unglaublich wegen des Verlaufs des Strafverfahrens: Obwohl gar nicht so lang nach der Tat im Jahr 1977 massive Verdachtsmomente vorlagen, wurde Proksch erst 1992 wegen sechsfachen Mordes verurteilt.
Die Vorgeschichte: Proksch, Zuwanderer aus einer nationalen deutschen Familie machte viel Geld als Brillendesigner. Dank witziger todernst vorgetragener Vorschläge zur „Senkrechtbestattung“ und beträchtlichem Exhibitionismus erlangte er eine gewisse Berühmtheit in der Wiener Szene: Es störte ihn nicht, dass man erzählte, er pisse vor Freundinnen ins Zimmer oder schieße in Wände und Decke.
Ich lernte ihn durch meinen, leider wie Proksch alkoholabhängigen, sensiblen profil Kollegen Reinhard Tramontana kennen, der ihn als Genie verehrte und für die Schönheit seiner Frau bewunderte. Zumindest sie, die Schauspielerin Erika Pluhar, bewunderte ich auch – umso verblüffter war ich, als ich Proksch erstmals sah: Klein, aufgedunsen, mit schmutzigen Fingernägeln wirkte er auf mich nur abstoßend und was er von sich gab, sprach nur für seine NS-Sozialisation. Aber damit stand ich alleine da: Nicht nur Tramontana hielt ihn für genial.
Tatsächlich genial war seine Idee, nach Oben gelangten roten Politikern mit der Gründung des „Club 45“ oberhalb der Konditorei Demel die Sehnsucht nach bürgerlicher Noblesse zu erfüllen: Ein „Herrenklub“ mit erlesenem Mobiliar samt Escort-Damen. Mitgründer und idealtypisches Mitglied war Wiens Bürgermeister Leopold Gratz, der einen Jaguar statt eines Mercedes fuhr und Whisky statt Wein trank. Bruno Kreisky und Heinz Fischer waren die einzigen roten Granden, die den Club nur einmal besuchten, für die anderen war er politischer Treffpunkt mit der Chance auf galante Abenteuer im Separee, die Proksch durch ein Guckloch filmte.
Vergleichbar perfide plante er seinen kriminellen Coup: Laut Papieren belud er den Frachter Lucona gemeinsam mit seinem Freund Hans Peter Daimler mit einer Uranaufbereitungsanlage, die er im Gegenwert von 15,4 Millionen Euro bei der „Bundesländer“ versicherte. Als die Lucona an einer der tiefsten Stellen des Ozeans sank, hatte er allerdings das Pech, dass sechs von 12 Matrosen wie durch ein Wunder gerettet wurden. Die Erzählung eines dieser Geretteten weckten bei der „Bundesländer“, Zweifel an der Zufälligkeit des Unglücks: Sie engagierte den Rechtsanwalt Werner Masser, um den Fall zu überprüfen.
Jemand besseren hätte sie dafür nicht finden können: Ich kannte Masser als Anwalt des profil, für das er die heikelsten Prozesse gewonnen hatte und später erreichte er beim Europäischen Gerichtshof die Aufhebung des Urteils, mit dem ich der Ehrenbeleidigung an Bruno Kreisky schuldig gesprochen worden war, weil ich sein Verhalten in der Causa Wiesental „ungeheuerlich“ genannt hatte. (Das EuGH-Urteil erlangte presserechtliche Grundsatzbedeutung). Ähnlich erfolgreich agierte Masser in der Causa Lucona: Er fand heraus, dass die angebliche Uranaufbereitungsanlage aus Teilen eines Plastikextruders bestand, den Proksch zur Fertigung von Brillen verwendet hatte, dazu aus Teilen einer Bergbauanlage sowie von Bundesheergeräten, die er von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf geschenkt bekommen hatte. Als Masser schließlich herausfand, dass Proksch sich bei einem Bundesheer-Experten eingehend über Sprengungen und Zeitzünder informiert hatte, ergab sich für ihn, zusammen mit der Erzählung eines geretteten Matrosen, der einen Knall gehört haben wollte, das ziemlich klare Bild eines fast perfekten Verbrechens.
Gerald Freihofner in der Wochenpresse und ich im profil vermochten dieses Bild Woche für Woche nachzuzeichnen, gab uns Masser doch jede seiner Recherchen samt Belegen weiter. (Er schlug mir auch vor, sie zu einem Buch zu verarbeiten, aber ich lehnte ab, weil ich bei der Beurteilung der SPÖ nie so unbefangen wie der spätere FP-Abgeordnete Pretterebner gewesen wäre.)
Das Phantastische war nur: Obwohl Wochenpresse und profil Proksch durch Jahre offen des Mordes ziehen, leitete die Staatsanwaltschaft unter Justizminister Christian Broda kein Verfahren gegen ihn ein. Nur für mich war das nicht wirklich erstaunlich, hatte sie es bei Kriminalfällen, die die SPÖ in Verlegenheit bringen konnten, doch noch nie getan. Auch Brodas FP-Nachfolger Harald Ofner in der rot-blauen Koalition Fred Sinowatz‘ fand „die Suppe zu dünn“ für eine Anklage. Erst unter dem parteilosen Rechtsgelehrten Egmont Foregger als Justizminister der Regierung Franz Vranitzky kam es endlich zu einem Strafverfahren und Prokschs Verhaftung, nachdem ein Tauchroboter Sprenglöcher der Lucona zu filmen vermochte. Dennoch versuchte Leopold Gratz, Proksch mit Dokumenten über den Kauf einer Urananlage zu helfen, die sich als Fälschungen herausstellten und Ähnliches tat Innenminister Karl Blecha, um das Verfahren zu verzögern. Die widerrechtliche Enthaftung ermöglichte Proksch sogar die Flucht, bis er 1989 wieder verhaftet und 1992 verurteilet werden konnte.
Eine eindringlichere Begründung für eine parteiunabhängige Staatsanwaltschaft als den Fall Lucona kenne ich nicht.