Kai M. Dankl: Werbung für Marx & Lenin?

Salzburgs Vizebürgermeister Kai -Michael Dankl will Kommunist und Marxist sein, Andreas Babler zumindest Marxist. Ist eine dunkelrote Renaissance denkbar?

 Schon bei ihrer ersten Pressekonferenz war klar: Der neue SP-Bürgermeister Salzburgs, Bernhard Auinger und sein Vize Kai-Michael Dankl, der sich als Kommunist und Marxist bezeichnet, sind eine Chance für die Mozartstadt. Auinger, zuvor unglücklicher Vize des erfolglosen VP-Bürgermeisters Harald Preuner, überzeugt durch Sachkenntnis und Erfahrung, Dankl wirkt kaum weniger informiert und denkbar engagiert. Beide lassen keinen Zweifel, dass sie zusammenarbeiten wollen, statt einander politisch zu bekriegen. So sagte Auinger Dankl sofort das von ihm gewünschte Wohnbau-Ressort zu, obwohl das Dankl, sollte er Erfolg haben, zu einem noch schärferen Konkurrenten bei künftigen Wahlen macht. Beiden geht es offenkundig vor allem um die Stadt – und das kommt gut an.

Ist daher denkbar, dass Marxismus und Kommunismus in Österreich eine Renaissance erleben, nachdem sich SP- Obmann Andreas Babler als Marxist geoutet hat, Elke Kahr erfolgreich als kommunistische Bürgermeisterin von Graz amtiert und nun auch Dankl die Chance auf Erfolg hat?

Aufs Erste hat Dankl sehr persönliche Vorzüge: Er wirkt denkbar sympathisch, spricht so verständlich wie intelligent und es macht  Eindruck, dass er, wie andere KP-Funktionäre, von seinem Gehalt nur 2400 Euro für sich behält und mit dem Rest Bedürftige unterstützt. Durch Politik nicht reich werden zu wollen, fällt angenehm auf, auch wenn es Dankl noch nicht zu einem guten Wohnbaustadtrat macht, denn Wohnungsnot lässt sich nicht durch Almosen, sondern nur durch mehr sozialen Wohnbau beheben. Das Besondere an Dankl: Man traut ihm diesen vermehrten sozialen Wohnbau zu und niemand fürchtet, dass er zu diesem Zweck das Privateigentum abschaffen wird.

Mein Problem ist: Die regierenden Kommunisten dieser Erde haben das primär immer getan – es bleibt für mich schwer verständlich, wie man heute anständig, intelligent und Kommunist sein kann. In erster Linie weil Kommunismus, wo immer er verwirklicht wurde – von Russland bis China, von Kambodscha bis Kuba mit düsterer Diktatur verbunden war. Dankl sollte es als Historiker am besten wissen: Unter Stalin starben 2,5 Millionen Bürger als angebliche “Konterrevolutionäre” im “Archipel Gulag”, 700.000 wurden hingerichtet; Mao Tse Tungs “Kulturrevolution” kostete mindestens 1,5 Millionen Chinesen das Leben; Pol Pots rote Khmer brachten in Kambodscha zumindest 1,7 Millionen Menschen um; in Kuba wird bis heute gefoltert (ich könnte Dankl mit Opfern bekannt machen). Als man Dankl auf die Diktatur Wladimir Putins ansprach, reagierte er freilich so glaubwürdig wie geschickt: Sympathien für Putin würde man eher bei der Wirtschaftskammer oder der FPÖ finden.

Allerdings hat der Kommunismus immer auch wirtschaftlich total versagt, sofern er nicht, wie in China, aufhörte, kommunistischen Maximen zu folgen: In der Sowjetunion verhungerten sieben Millionen, als die Landwirtschaft verstaatlicht wurde, in Kambodscha Hunderttausende, in Kuba gibt es soeben eine Hunger-Revolte. Theoretisch könnte Dankl sich freilich auch von der Staats- und Planwirtschaft des Kommunismus distanzieren: Sie ist kein Gebot des Marxismus, sondern eine Erfindung Lenins. Weil Karl Marx nie sagte, was er unter der von ihm geforderten “Vergesellschaftung” der Produktionsmittel versteht, erklärte Lenin, man hätte darunter “Verstaatlichung” zu verstehen. Da die kommunistische Partei den Staat beherrschte, beherrschte sie die “Produktionsmittel”, und da staatliche Funktionäre mittels Anordnung agieren, herrscht im Kommunismus Planwirtschaft.

Indem er sich, Lenin negierend, auf Marx zurückzieht, könnte Dankl dem Vorwurf entgehen, das kommunistische Wirtschaftsmodell zu vertreten. Allerdings ist es auch nicht ganz leicht, heute Marxist zu sein. Marx war zwar ein für seine Zeit fortschrittlicher Ökonom und erkannte viele dem Kapitalismus eigene Gefahren richtig- etwa das Streben nach Monopolen -, aber er sah auch vieles falsch – etwa, dass Unternehmen keine fallende Profitrate akzeptieren könnten. Sein zentraler Fehler war freilich die Überzeugung, dass der Wirtschaft ein “ehernes Gesetz” innewohne, wonach es zum Klassenkampf zwischen ausgebeutetem Proletariat und besitzender Bourgeoisie kommen müsse, den das Proletariat gewänne, um via “Vergesellschaftung” zur klassenlosen Gesellschaft zu gelangen. Gewerkschaften, wie sie zu seiner Zeit in England erste Erfolge errangen, lehnte Marx ab: Sie würden durch “Scheinerfolge” den Sieg des Sozialismus nur verzögern. Tatsächlich hat es in kommunistischen Staaten nie Gewerkschaften gegeben – “Solidarnosc” in Polen entstand gegen die kommunistische Partei.

Ich frage mich, ob den “Marxisten” Babler, Kahr oder Dankl dergleichen bewusst ist? Jedenfalls habe ich in Österreich bisher nur einen Menschen, den Politologen Norbert Leser gekannt, der Marxens Werk auch gelesen hatte und Marx` zentrale These bei aller Wertschätzung des Ökonomen Marx, energisch ablehnte. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Marxismus hat in der SPÖ nach dem Krieg nie stattgefunden – man hat sich damit begnügt, gelegentlich marxistische Vokabel zu nutzen, kaum aber marxistisch oder kommunistisch zu handeln. Ich glaube, dass das bei Dankl, Kahr oder Babler nicht viel anders ist: Sie wollen gute sozialdemokratische Politik machen. Sollte es tatsächlich zu einer Renaissance von Kommunismus und Marxismus kommen, dann indem beides verkannt wird.

 

 

 

 

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Die Probleme missverstandener Inflation

Dass die EZB die Inflation ihrer Geldpolitik anstatt Russlands Gaspreispolitik zuschreibt, hat der EU Rezession und uns kritische Lohnabschlüsse beschert.  

In der Wissenschaft, so lehrte Sir Karl Popper, gilt das Prinzip der Falsifizierung: Wenn ein korrekter Versuch eine These widerlegt, so legt man sie ad acta. Obwohl die Ökonomie Wissenschaft sein will, agiert sie anders: Dass Japan trotz einer Staatsschuldenquote von 235 Prozent wirtschaftlich ungleich besser als Bulgarien mit seinen 21Prozent funktioniert, hindert Ökonomen, die der Ideologie staatlichen Sparens anhängen, nicht daran, es vorzuschreiben.

Tragisch wird es, wenn die Geldpolitik das Prinzip der Falsifizierung negiert. Bekanntlich hat die EZB die Märkte durch zehn Jahre mit Geld geflutet und dennoch ist jede Verteuerung des Warenkorbes, (=Inflation) unterblieben. Das sähe man in der Wissenschaft normalerweise als Falsifizierung der These an, dass eine vergrößerte Geldmenge Inflation erzeugen muss. Dennoch halten die sogenannten Monetaristen unverändert, daran fest, indem der deutsche Starökonom Hans Werner Sinn ernsthaft erklärt, die Inflation habe sich durch zehn Jahre wie Catchup in eine Plastikflasche angestaut und pflatsche jetzt heraus. Dass sie auf der drastisch gekürzten Förderung von Öl und Gas beruhen könnte, die Russland und OPEC 2020 beschlossen, und die voran Gas drastisch verteuerte, weil Schock, Sorge und Gier hinzutraten, ist offenbar ein zu simpler Gedankengang, um von Ökonomen in Betracht gezogen zu werden.

Das wäre nicht so schlimm, hätte nicht auch die Chefin der EZB, Christine Lagarde, Sinns These übernommen, und, um die angeblich von ihr selbst verursachte Inflation zu bekämpfen, die Zinsen so rasch und drastisch erhöht, dass die aktuelle Rezession einsetzte. Keinen der befassten Ökonomen störte, dass gefährliche Inflation ein Phänomen ist, bei dem Löhne und Preise einander wechselseitig hochtreiben, was in eine Wirtschaftsregion, in der die stärksten Volkswirtschaften, anders als in den USA, “Lohnzurückhaltung” übten, doch eher unwahrscheinlich ist.

Dabei spricht nicht nur die Übereinstimmung der Zeiträume in denen sich Gas verteuerte und die Inflation erhöhte, dafür dass das erste das zweite verursacht hat, sondern es gibt zwei Indizien, die man in einer anderen Wissenschaft als Falsifizierung der These ansähe, dass sie von der Europäischen Zentralbank verursacht wurde: Keine Notenbank hat, um den Frankenkurs zu dämpfen, ihre Bilanzsumme so stark erhöht, wie die der Schweiz – dennoch hat sie kaum Inflation, weil sie ihre Energie aus Wasser- und Atomkraft bezieht.

Wenn die EZB die Inflation tatsächlich verursacht hätte, müsste sie zumindest in den Eurostaaten ziemlich gleich ausfallen – aber sie ist in Spanien, das kaum von russischem Gas abhängt sehr niedrig, und in Österreich das extrem davon abhängt sehr hoch.

Und das “Gegenmittel” der EZB, das lehrbuchmäßig wäre, wenn es sich um gefährliche Inflation handelte, nämlich die Zinsen zu erhöhen, um die Konjunktur abzukühlen und mittels steigender Arbeitslosigkeit Lohnerhöhungen zu erschweren, braucht mindestens ein halbes Jahr, um Wirkung zu zeitigen – doch überall in Eurozone sanken die Erzeugerpreise schon davor.

Dass die EZB die Inflation nicht als befristetes Phänomen begriff, ließ, so sehe ich es heute, auch den ÖGB falsch reagieren, indem er Tariflohn -Erhöhungen von 8,6 Prozent durchsetzte, während die deutschen Gewerkschaften sich mit nur 2,4 Prozent, bei freilich sehr hohen Einmalzahlungen begnügten. Der Ökonom Kurt Bayer erhebt gegen meinen Kommentar, in dem ich Österreichs Abschlüsse “kritisch hoch” im Verhältnis zu denen Deutschlands nannte, den Einwand “dass eine von den relevanten österreichischen Ministerien unterstützte Studie der FIW (Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft) festgestellt hat, dass Österreich 2023 im Export Marktanteile gewonnen (!!!) hat und diese in den kommenden beiden Jahren zumindest halten kann. Dazu: Nicht nur die Lohnhöhe bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch Investitionen, Innovationskraft, Qualität der Produkte und anderes. Offenbar ist die Gewinnentwicklung der deutschen und österreichischen Unternehmen in den letzten beiden Jahren so gut, dass Dividendenzahlungen in riesigem Ausmaß möglich waren. Warum wurde nicht mehr investiert oder in die Löhne gesteckt?” (Zitat Ende)

Vor allem bezüglich Bayers letzter Frage, stimmen wir voll überein und natürlich hängt Wettbewerbsfähigkeit nicht nur von den Löhnen ab. Ich nehme an, dass wir die seit zwei Jahrzehnten in Deutschland und Österreich geübte “Lohnzurückhaltung” gleichermaßen kritisch sehen. Aber sie wurde und wird leider geübt und im konkreten Fall hat Deutschland die hohe Inflation, weil sie ein nur temporäres Phänomen ist, mit der sehr hohen Einmalzahlung, aber sehr geringen Tariflohnerhöhung sehr geschickt abgegolten, während Österreich in Zukunft mit 8,6 Prozent höheren Tariflöhnen leben muss. Dass es 2023 sogar Exportanteile dazu gewonnen hat, betrifft leider die Vergangenheit- es ist die Zukunft, der meine Sorge gilt. Die deutsche Ökonomin Friederike Spieker hat errechnet, wo wir mit unseren Lohnstückkosten in Zukunft liegen: Um 7,1 Prozent über den Schnitt der EWU, während unser wichtigster Handelspartner Deutschland 4 Prozent darunter liegt. Wir produzieren damit, noch vor Spanien am teuersten in der EWU. Mir wäre natürlich lieber, Deutschlands Lohnpolitik sähe ganz anders aus, denn dann könnte sie in der gesamten Eurozone eine ganz andere sein – aber vielleicht sieht Kurt Bayer doch, dass unsere aktuelle Situation nicht unkritisch ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sind Österreichs Lohnabschlüsse wirklich “kritisch hoch”? Dies schreibt P.M. Lingens in seinem letzten Kommentar (Falter 11/24). Er belegt dies durch das Zitat einer EZB-Studie, nach der die Tariflöhne großer EU-Länder um 4,5 Prozent stiegen (jene Deutschlands nur um 2,4 Prozent), jene Österreichs jedoch um “fast neun Prozent”. Lingens fürchtet, dass diese hohen Tariflöhne uns im “Export Probleme bereiten [ ], die uns eine Weile begleiten können”. Dagegen spricht, wie kürzlich Nach den Daten der Statistik Austria ist der österreichische Tariflohnindex 2023 zwar um 7,6 Prozent gestiegen, im Jahr zuvor jedoch nur um 3,0 Prozent, im längeren Zeitvergleich, also vor Beginn der Corona-Epidemie, haben die Tariflöhne insgesamt um 15,9 Prozent zugelegt, die Inflation jedoch um 22,0 Prozent. Über diesen Zeitraum sind also die Reallöhne (sprich Kaufkraft der Haushalte) gefallen, und die Lohnkosten-Wettbewerbsfähigkeit gestiegen. Nach dem Modus österreichischer Lohnverhandlungen gehen sie von der vergangenen Inflationsrate aus.

Das führt dazu, dass die Löhne im Aufschwung nachhinken, im Abschwung voranziehen. Gute Kaufleute führen ihre Betriebe nicht für den Moment, sondern vorausschauend für die mittlere Zukunft, sorgen also in guten Gewinnjahren für schlechtere vor und haben damit Polster für die Kaufkrafterhaltung ihrer Angestellten. Die in der finanzmarktgetriebenen Ära üblich gewordene Praxis, sofort alle Gewinne auszuschütten, statt sie zu thesaurieren, darf unter die negativen Verwerfungen neoliberalen Verhaltens subsumiert werden.

 

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Das heikle Verlangen nach “Leitkultur”

Das Bedürfnis, eine Leitkultur in der Verfassung zu verankern, hat in Österreich wie in
Deutschland etwas teils Komisches, teils Beängstigendes an sich.

Weder weiß irgendwer, was unsere Leitkultur ist, auch wenn Mozart, Blasmusik, Trachtenmode und Schifahren für uns zweifellos auffallend wichtig sind – nur dass Spanier, Italiener oder Tschechen alle vier Interessen mit einem andren Komponisten an der Spitze teilen, auch wenn bei den Spaniern Fußball und Tennis an Stelle von Schifahren stünde. Kritisch wird es, wenn “christliche Prägung” in der Leitkultur verankert werden soll, denn ich Danke “Gott”, dass die Aufklärung sie relativiert hat und vor allem zählen Gleichheit der Religionen und Religionsfreiheit zu den Grundpfeilern der Menschenrechtskonvention. Leute, die in Österreich Leben wollen, auf die Einhaltung dieser Menschenrechtskonvention zu verpflichten und sie ihnen vor allem bekannt zu machen, hat Sinn. Mann könnte ihre Eckpfeiler zum Beispiel durch kurze Filmszenen in der Sprache des Zuwanderers illustrieren und von ihm fordern, sich diese Filmszenen anzusehen und sich daraus ergebende allfällige Fragen mit jemandem zu diskutieren. Das könnte ihm zum Beispiel klarmachen, dass Töchter sich bei uns ihre Männer selbst aussuchen können und vielleicht sogar verständlich machen, dass man einer Lehrerin die Hand gibt, statt gar nicht mit ihr zu sprechen.

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Noch einmal: Woher kommt der EU-Rechtsruck?

Franz Schellhorn (Agenda Austria) machte sich auf Twitter darüber lustig, dass ich den Rechtsruck in der EU wie in Österreich auf die erstaunlich große Zahl von Geringverdienern zurückführe, die “Lohnzurückhaltung” und “Sparen des Staates” in den letzten zwei Jahrzehnten geschaffen haben.

Denn, so Schellhorn spöttisch, in Österreich seien die Löhne in den letzten drei Jahren um 20 Prozent gestiegen.

Er lässt nur weg, dass die für die untere Einkommensschicht, die den größten Teil ihres Einkommens für verteuerte Nahrung ausgibt, besonders spürbare Inflation der letzten zwei Jahre gleichzeitig die Kaufkraft dieser Schicht extrem vermindert hat. Und er lässt vor allem weg, dass die FPÖ und andere Rechtsparteien bereits seit Längerem massiv wachsen und dass das spätestens seit 2010 mit einer messbar schlechten Lohnentwicklung, voran der unteren Sozialschichten,  einhergeht. Schellhorn selbst zitiert 2018 die Statistik Austria und andere Statistiken, die besagen, dass Österreichs Löhne inflationsbereinigt seit 2010 stagnieren und sich real nur in Finnland schlechter entwickelt haben.

Er hält dem zwar rechnerisch korrekt entgegen, dass dabei der große Anteil Teilzeitbeschäftigter in Österreich nicht berücksichtigt wurde – nur bedeutet auch ein großer Anteil Teilzeitbeschäftigter einen relativ großen Anteil real wenig Verdienender (meist sind es Frauen, die Beruf und Haushalt nur so vereinen können). Es sind aber, so die zentrale Aussage meines von ihm kritisierten Kommentars, voran die Familien mit geringen Haushaltseinkommen, aus denen überall in der EU die (voran männlichen) Wähler rechtsextremer Parteien kommen. Im “Norden”, Deutschland, Österreich, Niederlande, liegt das sehr wohl an der so lange geübten “Lohnzurückhaltung”, im “Süden”, Frankreich, Italien oder Spanien, liegt es daran, dass ihm der “Norden”, dessen Unternehmen ihre Waren zu Lasten der Arbeitnehmerlöhne immer billiger produzieren konnten, immer mehr Marktanteile wegnahm. Während im “Norden” Mangel an Arbeitskräften, voran Facharbeitern eintrat, (was in den letzten drei Jahren Gott sei Dank tatsächlich endlich größere Lohnerhöhungen erzwang) stieg in den immer weniger ausgelasteten Unternehmen des “Südens” die Arbeitslosigkeit – und wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, sind höhere Löhne schon gar nicht durchzusetzen. Deshalb gibt es im Norden wie im Süden erstaunlich viele Geringverdiener.

Da die hohe Zuwanderung seit dem Syrienkrieg dazu führt, dass Geringverdiener auch noch dem Lohndruck durch billig arbeitende Zuwanderer ausgesetzt sind und da sie mit ihnen um Leistungen konkurrieren, die sparende Staaten in immer weniger zur Verfügung stellen – überall wurden weniger soziale Wohnbauten errichtet, oft wurden Sozialleistungen relativ gekürzt – neigt die gewachsene Schicht der Geringverdiener ganz besonders dazu, Parteien zu wählen, die “Null-Zuwanderung” versprechen – und Null-Zuwanderung versprechen nun einmal rechtsextreme “völkische” Parteien.

 

 

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Ökonomische Ursachen des EU-Rechtsrucks

Sobald Lohnzurückhaltung in sparenden Staaten auf erhöhte Zuwanderung und Inflation trifft, ist ein Rechtsruck unvermeidlich. Deshalb ritt ich so oft auf beidem herum.

 Die EU hat den Rechtsruck, den die kommende Wahl ihrem Parlament zweifellos bescheren wird, voran sich selbst zuzuschreiben: Indem sie mit der Euro-Einführung “Sparen des Staates” vorschrieb und “Lohnzurückhaltung” zuließ, schuf sie eine wachsende Schicht unzufriedener Geringverdiener, aus der rechtsextreme Parteien (in Salzburg auch die KPÖ plus) ihre Wähler rekrutieren.

„Lohnzurückhaltung“ wurde ab 1990 von Hollands Gewerkschaften zugelassen, um angesichts hoher Arbeitslosigkeit Exportvorteile zu erringen. Österreich kopierte dieses Lohndumping noch bevor Deutschland es 2000 durch Hartz 4 perfektionierte. Indem drei der reichsten Staaten ihre Löhne nicht mehr gemäß der Benya-Formel um Produktivitätszuwachs plus Inflation erhöhten, schufen sie eine wachsende Schicht erstaunlich schlecht bezahlter Arbeitnehmer – in Österreich sind 14,8, in Holland 16,5 und in Deutschland 22 Prozent der Bevölkerung sogar armutsgefährdet.

Allerdings konnten die gleichen drei Staaten dank ihrer so massiv verringerten Lohnstückkosten anderen Staaten, die ihre Löhne wie Frankreich weiter nach der Benya-Formel (oder wie Italien gar darüber) erhöhten, immer mehr Marktanteile wegnehmen. (Sich durch “Abwertung” zu wehren, war im Euro nicht mehr möglich.) In Frankreich, Italien oder Spanien entstand daher mangels Auslastung ihrer vom “Norden” bedrängten Unternehmen, eine ähnlich große Schicht schlecht verdienender Arbeitnehmer, denn die gewachsene Zahl Arbeitsloser verhinderte gute Gehälter. Dass auf diese Weise in allen Euro-Staaten, den lohnzurückhaltenden wie den von ihnen wirtschaftlich geschädigten, die Zahl der Geringverdiener massiv zunahm, ist der Grund dafür, dass so viele Wähler die EU (wenn auch meist aus den falschen Gründen) kritisch sehen und auf rechtsextreme Parteien hereinfallen.

Gleichzeitig sorgt „Sparen des Staates“ ständig für solche Wähler. Eingeführt wurde es zum angeblichen Schutz des Euro mit dem Vertrag von Maastricht: Euro-Staaten sollen sich zu maximal 60 Prozent ihres BIP verschulden und  Budgetdefizite von maximal 3 Prozent einhalten. 2012 wurden daraus dank Angela Merkel die mit Strafe geahndeten Verpflichtungen des “Sparpakts”. Nur entspringt die Vorstellung, dass Staatsschulden Wachstum kosten müssen, der irrationalen Emotion schwäbischer Hausfrauen und der nachweislich falschen Berechnung des Ökonomen Kenneth Rogoff, der ermittelt haben will, dass mehr als 80 Prozent Staatsschuldenquote pro Jahr ein halbes Prozent Wachstum  kosten. Japan mit seiner Staatsschuldenquote von 235 Prozent falsifiziert das ebenso wie die USA, die mit 108 Prozent Schulden weit stärker als die EU wachsen.

Für das Wählerreservoir rechtsextremer Parteien bedingt das schwache  Wachstum sparender EU-Staaten nicht nur, wie die “Lohnzurückhaltung”, dürftige Löhne, sondern minimale Budgetdefizite, wie sie unter Sebastian Kurz von ökonomisch Ahnungslosen gefeiert wurden, verringern auf katastrophale Weise  die Investitionen des Staates- zum Beispiel die Investitionen in sozialen Wohnbau, so dass, wie in Salzburg, die Mieten steigen. Denn Leistungen des Staates, die von Gutverdienern stärker als von Geringverdienern finanziert werden, sind das wichtigste Instrument der Umverteilung: Je weniger im Wege von Sozialleistungen umverteilt wird, desto schlechter für das Dasein von Geringverdienern – desto eher wählen sie Marine Le Pen, AfD oder FPÖ.

Zuwanderung und Inflation erhöhen dieses Risiko, auch wenn die EU nichts dafür kann. Der Zustrom von Migranten ist „völkischen“ Parteien ein steter Dorn im Auge, obwohl Deutschland seiner niedrigen Geburtenrate wegen Zuwanderung braucht. Für Geringverdiener wirft sie in sparenden Staaten allerdings sehr wohl sehr reale Probleme auf. Sie übt zusätzlichen Druck auf die Löhne aus und verschärft die Konkurrenz beim Bezug staatlicher Leistungen: Geringverdiener wie Migranten können ihre Kinder nicht in Privatschulen schicken, wenn öffentliche Schulen wegen unzureichender Investitionen (zu weniger Lehrer) immer schlechter werden, Geringverdiener wie Migranten sind gleichermaßen auf preisgünstige Wohnungen in Sozialbauten angewiesen, die sparende Staaten immer weniger errichten. Parteien, die “Null- Zuwanderung” fordern, müssen daher umso erfolgreicher sein, je mehr ein Staat spart.

In Italien ist mit Fratelli d`Italia daher bereits eine rechtsextreme Partei an der Regierung, in Frankreich nur deshalb nicht, weil sein kluges Wahlrecht extreme Kandidaten wie Marine le Pen massiv behindert. In Spanien ließ die nur kurz zurückliegende Diktatur Francisco Francos die rechtsextreme VOX erst in den letzten Jahren massiv wachsen und in Portugal hat es bis zur Vorwoche gedauert,  bis trotz der Erinnerung an die erst 1974 beendete Diktatur Antonio Salazars mit der “Chega” eine rechtsextreme Partei drittstärkste Kraft wurde. Dass die FPÖ in Österreich sogar stärkste Kraft ist, liegt daran, dass man sich hier besonders wenig an die Diktatur Adolf Hitlers erinnert und dass der große Bruno Kreisky dazu sogar kräftig beigetragen hat. Dass die rechtsextreme AfD in Deutschland erst so spät gewachsen ist, liegt daran, dass die „Vergangenheit“ dort weit besser bewältigt wurde. Jetzt hat die Inflation, die Geringverdiener zwangsläufig besonders belastet, ihre Frustration überall maximiert – ökonomische Basis des Rechtsrucks sind dennoch Lohnzurückhaltung und Sparen des Staates.

 

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Österreichs kritisch hohe Lohnabschlüsse

Tariflohn-Abschlüsse um die 9 Prozent gegenüber nur 2,4 Prozent unseres größten Handelspartners Deutschland werfen für uns ein Problem auf- für andere ist es gravierend.

Während das 2,2 Milliarden Bau-Paket der Regierung, wie die meisten von den Sozialpartnern geschnürten Pakete, dazu beitragen wird, den Einbruch der Baukonjunktur abzufedern, den die EZB mit ihrer Hochzinspolitik verursacht und soeben prolongiert hat, dürften uns die von den Sozialpartnern 2023 vereinbarten Lohnabschlüsse in Zukunft größere Probleme bescheren, denn laut einer soeben veröffentlichten Untersuchung der EZB waren es die höchsten Europas.

Die EZB-Ökonomen haben sich die Lohnabschlüsse der größten Volkswirtschaften, Deutschland, Frankeich, Italien, Großbritannien, in Relation zu denen der eher kleinen, Holland, Spanien, Griechenland, Österreich im Detail  angeschaut: Im Schnitt erhöhten sich die Tariflöhne um 4,5 Prozent- doch Österreich lag mit fast 9 Prozent am weitesten darüber, und, das macht es so kritisch, unser größter  Handelspartner, Deutschland, lag mit 2,4 Prozent am weitesten darunter.

Möglich wurde das, weil die deutschen Gewerkschaften eine Erhöhung der Tariflöhne über zwei Jahre hinweg akzeptierten, die sich relativ wenig von früheren Abschlüssen unterschied – nur dass sehr hohe Einmalzahlungen hinzukamen, um die extreme Inflation abzugelten. Rechnet man die Einmalzahlungen mit, so ergibt sich ein momentaner Einkommenszuwachs deutscher Arbeitnehmer von 3,7 Prozent – aber nur die 2,4 Prozent erhöhen das fortdauernde deutsche Lohnniveau. Die Einmalzahlungen bleiben, passend zur abklingenden Inflation durch verteuertes russisches Gas, ein nur temporäres Phänomen: sie erhöhen das deutsche Lohnniveau nicht dauerhaft.

Dagegen schaffen unsere fast neun Prozent höheren Tariflöhne in einer Wirtschaft, in der zu 80 Prozent Kollektiverträge gelten, im Export Probleme, die uns eine Weile begleiten könnten.

Zwar wurde etwa mit der Metaller- Gewerkschaft vereinbart, dass Betriebe, die mit dem Abschluss von 8,6 Prozent Probleme haben, mit ihrer Belegschaft doch etwas geringere Lohnerhöhungen vereinbaren können, und ich nehme an, dass das selbst in ziemlich guten Betrieben geschehen ist, aber selbst für die besten ist der hohe Abschluss ein Problem. Haben sie die Löhne tatsächlich um 8,6 Prozent erhöht, so muss man auf einen Effekt hoffen, der 1980 zu beobachten war, als Hannes Androsch den Schilling gegen heftigen Widerstand  der Industriellenvereinigung weiter an die harte D-Mark band und österreichische Waren damit international wesentlich verteuerte: Die betroffenen Betriebe steigerten die Qualität ihrer Produkte und die Effizienz ihrer Produktion daraufhin derart, dass sie dennoch konkurrenzfähig blieben. Im Endeffekt bescherte uns das die besten Klein- und Mittelbetriebe neben denen der Schweiz und Deutschlands. Denn hohe Löhne haben den Vorteil, eine Peitsche für die Produktivität zu sein: Es ist kein Zufall, dass Holland, das seit 1997 „Lohnzurückhaltung“ übt, den geringsten Produktivitätszuwachs seiner Geschichte verzeichnet und dass Österreichs Metallindustrie gegenüber der Deutschlands, mit seiner so massiven Lohnzurückhaltung einen Produktivitätsvorsprung errungen hat: unsere Metallunternehmen sind absolute Weltklasse.

Dennoch verlangen die zitierten Lohnabschlüsse ihnen in Konkurrenz zu erstklassigen deutschen Unternehmen Gewaltiges ab. Ich habe, als der Metaller- Abschluss verhandelt wurde, hier zwar richtig darauf hingewiesen, dass die Benya-Formel, wonach Löhne um den Produktivitätszuwachs plus Vorjahresinflation steigen sollen, nicht mehr angewendet werden darf, wenn die Inflation nicht auf den üblichen moderaten Lohnerhöhungen des Vorjahrs, sondern auf der außergewöhnlichen, extremen Verteuerung russischer Gasimporte beruht – aber ich habe  in den erzielten 8,6 Prozent bei erstmals zwei Jahren Laufzeit, ein gutes Resultat gesehen.  Das ist mir, seit ich die deutsche Vergleichszahl im Detail kenne, nicht mehr möglich: unser so viel höherer Lohnabschluss birgt, wie der Unterhändler der Metallindustrie Christian Knill und der Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill zu Recht befürchtet haben, das Risiko, uns Jobs zu kosten. Denn natürlich verteuert ein Lohnabschluss von 8,6 Prozent Waren erheblich mehr, als einer von 2,4 Prozent und kostet entsprechende Wettbewerbsfähigkeit. Dazu erhöht er im Inland die Inflationsrate und fordert damit womöglich den nächsten problematischen Lohnabschluss heraus.

Dass sich Deutschlands Waren auf Grund seiner so niedrigen Lohnabschlüsse am wenigsten verteuern, schafft aber nicht nur uns ein Problem, sondern verschärft auch das hier schon oft erörtertes Grundproblem des „Südens“ der  EU: Schon bisher haben ihn die niedrigen Lohnstückkosten, die Deutschland auf Grund seiner „Lohnzurückhaltung“ aufweist, massiv Marktanteile gekostet – das könnte auf Grund der niedrigen aktuellen deutschen Lohnabschlüsse noch mehr der Fall sein, denn in Frankreich lagen die Abschlüsse bei 4,8, in Italien bei 5,8 Prozent.

Insofern ist das Jammern der Deutschen über den angeblichen Niedergang ihres Industriestandorts verfehlt, auch wenn die niedrigen Löhne (= die niedrige Kaufkraft seiner Bevölkerung) Deutschland das Exportmodell aufgezwungen haben, das derzeit an Grenzen stößt.

Österreich kann sein so hoher Lohnabschluss zwar vielleicht ein blaues Auge aber keine Katastrophe bescheren, aber voran bei Italiens frage ich mich, wie lang es die so niedrigen deutschen Preise aushält.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Weiter am Trittbrett – zu höheren Kosten

Wir haben keine Sicherheitsdoktrin, kaufen aber Panzer für Milliarden. Neutrales Trittbrettfahren bleibt dennoch weiterhin relativ billig und relativ ungefährlich.

Eigentlich sollte die Regierung Österreichs neue Sicherheitsdoktrin bekanntgeben, die der Bedrohung durch Russland Rechnung trägt. Stattdessen gab sie bekannt, dass sie für 1,8 Milliarden Euro 225 Pandur- Radpanzer kauft. Allerdings sind das, vor allem mit zusätzlich gekauften Luftabwehrsystemen, Fahrzeuge, deren Eignung für konventionelle Kriegsführung außer Streit steht. Da sie von General Dynamics in Wien gefertigt werden, kommt ein Gutteil der Milliarden unserer Wirtschaft zu Gute. Leider ist nur NEOS- Chefin Beate Meinl Reisinger der Meinung, dass sie auch im Rahmen der Beistandspflicht der EU eingesetzt werden sollten – sie wären dazu jedenfalls geeignet.

Schon die bisher größte Investition in die Landesverteidigung, der Kauf der Eurofighter unter Wolfgang Schüssel, erfolgte ohne geklärte Sicherheitsdoktrin: Schüssels schwarzblaue Koalition spielte 2003 mit der Idee eines Nato-Beitritts, schreckte aber davor zurück, als Umfragen ihr zeigten, wie unverbrüchlich die Österreicher an der Neutralität hängen. Diesmal erklärte Karl Nehammer die Neutralität von vorherein für sakrosankt – Experten, die hofften, ein NATO-Beitritt würde zumindest diskutiert, hofften vergeblich. Darauf angesprochen meinte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die Österreicher hätten durch ihr Bekenntnis zur Neutralität und ihre Haltung zum Bundesheer stets bestes Gespür für ihre Sicherheit bewiesen.

In meinen Augen beweist die Volksabstimmung gegen ein Berufsheer und der Applaus für die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate im Gegenteil, wie sehr dieses Gespür ihnen fehlt. Denn um nicht bloßes Kanonenfutter zu sein, muss man moderne Waffensysteme bedienen können und das erlernt man nicht in sechs Monaten. Zurecht zweifelte Armin Wolf, dass wir auch nur genug Personal hätten, den Pandur zu bedienen- und selbst, wenn Wehrdiener es erlernen sollten, verlassen sie das Heer nach sechs Monaten wieder. Männern, die “Soldat“ als Beruf gewählt haben, ist auch am ehesten zuzumuten, ihr Leben zu riskieren – dafür sind sie entsprechend zu bezahlen, weshalb ein Berufsheer teurer als ein Heer Wehrpflichtiger kommt. Um wieviel effizienter es freilich ist, konnte man beim Falklandkrieg sehen: 5000 britische Marinesoldaten vermochten die Insel in sechs Wochen von der benachbarten riesigen Armee der argentinischen Junta zurückzuerobern.

Als reiches Land beim Heer zu sparen ist absurd, sofern man nicht die Möglichkeit des Trittbrettfahrens ins Auge fasst. Dass Österreich, wie die Schweiz, auch für sich ein ernsthafter Gegner eines Aggressors wäre, ist pure Illusion. Gleichzeitig strotzt die Vorstellung, dass Neutralität uns schütze, von Ahnungslosigkeit: Adolf Hitler überfiel nacheinander die neutralen Staaten Luxemburg, Belgien, Holland, Dänemark und Norwegen. Dass er die Schweiz nicht überfiel, lag nicht an ihrer Neutralität, sondern daran, dass die Generäle Manstein und Guderian ihn überzeugt hatten, dass es erfolgversprechender ist, Frankreich über die angeblich nicht panzergängigen belgischen Ardennen als auf dem Weg durch die Schweiz zu überfallen. Erst in der Folge spielte eine Rolle, dass Schweizer  Banken für Deutschland von Nutzen waren und dass die allfällige Eroberung der Schweiz militärisch aufwendig gewesen wäre, weil ihr Oberbefehlshaber Henry Guisan eine kleine Gebirgsregion (das „Reduit“) derart befestigt hatte, dass es lange gedauert hätte, bis die Schweiz kapituliert. Allerdinge hat sich auch Guisan nicht auf Schweizer Militär verlassen, sondern mit Frankreich vereinbart, dass es der Schweiz zu Hilfe kommt, wenn Hitler sie überfällt. Die offizielle Schweiz bestreitet diesen Neutralitätsbruch mit der Begründung, der Bundestag hätte diesen Vertrag des Volkshelden mit Frankreich nicht gekannt.

Dass die Schweiz bei ihrer Neutralität bleibt – diskutiert wird sie sehr wohl – hat auch bei ihr voran emotionale Gründe: immerhin geht es um eine Jahrhunderte alte Tradition. Dass es teurer ist, einem Feind allein und neutral erfolgreich die Stirn zu bieten als Teil eines funktionierenden Bündnisses zu sein, spielt für das reichste Land der Welt keine Rolle. Indem sie ein Vielfaches Österreichs in ihre Landesverteidigung investiert hat, besitzt die Schweiz ein hochgerüstetes Heer, in das sie jetzt nur massiver weiter investiert. Dazu liegen in ihren Banktresoren Milliarden aus den Ländern jedes potentiellen Aggressors, und nicht zuletzt ist sie von NATO-Staaten umgeben.

In Österreich entspringt die Heiligsprechung der Neutralität neben der historischen Unkenntnis dem Erlebnis, dass unser Wirtschaftswunder, wenn auch rein zufällig, ziemlich exakt mit dem Staatsvertrag und der dort ursprünglich widerwillig vereinbarten Neutralität einsetzte und dass sie uns mit so angesehen Staaten wie Schweden und Schweiz in eine Reihe stellte. Gleichzeitig erspart uns die Neutralität eigene Söhne dem Risiko eines Kampfeinsatzes auszusetzen und billiger – wenn auch unter grober Missachtung der Verpflichtungen eines neutralen Staates – ist Trittbrettfahren trotz nunmehr erhöhter Kosten allemal. Umgeben von lauter Nato-Staaten und der Schweiz ist Österreich auch in der Ära Wladimir Putins ziemlich sicher – nicht so sicher wie ein Nato-Staat, aber nicht so unsicher, dass man sich fürchten müsste. Österreichs militärische Unterentwicklung ist nicht lebensgefährlich – nur unsolidarisch.

 

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Wie Deutschland sich selbst ausbremst

Die deutsch dominierte EZB-Politik lässt das deutsche Exportmodell mit angezogener Schuldenbremse in die Rezession fahren. Wenn die EZB nichts ändert fahren wir mit.

Europas größte Volkswirtschaft, Deutschland, weist mit 0,3 Prozent das zweitniedrigste Wirtschaftswachstum der EU aus. Verständlich, dass das die Berichterstattung deutscher Medien beherrscht und in Österreich entsprechendes Echo findet, ist Deutschland doch unser wichtigster Handelspartner.

Nicht nur CDU-CSU oder AfD, sondern auch Deutschlands Bevölkerung, schreiben Deutschlands Problem der aktuellen Regierung aus SPD, Grünen und FDP zu. Das stimmt freilich, wie in Österreich, nur sehr ungefähr. Die Wurzeln des Problems reichen bis ins Jahr 2000 zurück, als die SPD-Regierung Gerhard Schröders mittels Hartz IV „Lohnzurückhaltung“ sicherstellte: Seit damals fiel die Kaufkraft der deutschen Bevölkerung immer weiter hinter die Menge der in Deutschland produzierten Waren zurück– es musste immer mehr davon im Export verkaufen. Das gelang, weil „Lohnzurückhaltung“ die Waren zu Lasten der Arbeitnehmer verbilligte und weil andre Regionen, von der EU über die USA bis China, sich gegenüber Deutschland verschuldeten. Derzeit ist das nur mehr begrenzt der Fall: Den EU-Ländern erlaubt der Spar-Pakt nur begrenzte Verschuldung; die USA begünstigen eigene Waren durch geringere Besteuerung, nicht anders als Deutschland, das seine durch inadäquate Löhne begünstigt. Zugleich lahmt Chinas Wirtschaft. Das deutsche “Modell” zwingender Exportüberschüsse ist somit an Grenzen gelangt.

Gleichzeitig hat Angela Merkel 2012 mit dem „Austerity-Pakt“ nicht nur alle anderen EU- Mitglieder gezwungen, die Grenzen, die der Maastricht-Vertrag der Staatsverschuldung setzt, auch tatsächlich einzuhalten, sondern Deutschlands eigenes Wachstum hat darunter zunehmend gelitten, verlangt die „Staatsschuldenbremse“ doch, die Staatsschuld mit 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen, obwohl es keine vernünftige Begründung für diese Grenze gibt: Staaten die sie nicht einhalten, fahren wie Japan um nichts schlechter oder wie die USA sogar wesentlich besser. Die Berechnungen des Ökonomen Kenneth Rogoff mit der sie begründet wird, erwiesen sich schlicht als falsch und die 60 Prozent kommen selbst bei ihm nicht vor.

Zwar litt die gesamte EU im Zuge der diversen Krisen, die es zu überwinden galt (von der Finanzkrise über die Corona und Energie-Krise bis zu aktuellen Teuerung) besonders unter der „Schuldenbremse“, aber kein Land versuchte im Ausmaß Deutschlands, sie einzuhalten, dessen aktueller Finanzminister Christian Lindner sie zum Markenzeichen der FDP erhoben hat. Keine Koalition, an der die FDP teilhätte, schon gar nicht eine mit der kaum minder schuldenkritischen CDU-CSU, könnte das Problem beseitigen, das daraus resultiert: Wenn der deutsche Staat seine Einkäufe grundsätzlich einschränkt, können Unternehmen in Deutschland unmöglich mehr verkaufen. Gleichzeitig musste die deutsche Infrastruktur verfallen: Auch die konservativsten Zeitungen bestreiten nicht mehr, dass Bundeswehr oder die Bundesbahnen kaputtgespart wurden, dass Straßen und Brücken verkommen und Schulen immer schlechter funktionieren, was künftig Leistung kosten wird. Dennoch konnte auch Lindner nicht anders, als die Schuldenbremse auszutricksen, um wenigstens in den Klimaschutz zu investieren: er verwendete bekanntlich unzulässig Geld, das seinem Vorgänger zur Bewältigung der Pandemie bewilligt worden war. Und natürlich ist auch ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden zur Sanierung der Bundeswehr nichts anderes als ein Aussetzen der Schuldenbremse.

Das Problem ist, dass weder FDP, noch CDU/CSU, noch die führenden Ökonomen des Landes erkennen, dass die Staatsschuldenbremse grundsätzlich unsinnig ist, indem sie Wirtschaftswachstum grundsätzlich hemmt. Irgendwann sollte es doch Sorge bereiten, dass sich der Abstand zum BIP pro Kopf der USA, die keine Schuldenbremse kennen, in zwanzig Jahren verdreifacht hat. Natürlich mögen auch übertriebene Bürokratie und konkrete Fehler der Regierung Scholz Anteil am niedrigen deutschen Wirtschaftswachstum haben – aber ohne die Staatsschuldenbremse zu lösen werden weder Deutschland noch Europa kräftig wachsen.

Dass es sogar zur Rezession kam, ist der EZB zu danken. Obwohl die 2021 in der EU einsetzende Teuerung ausschließlich durch die extreme Verteuerung russischen Erdgases zustande kam, und, anders als in den USA, nicht das Geringste mit steigenden Löhnen zu tun hat -die deutsche „Lohnzurückhaltung“ ließ sie nirgends in der EU so dramatisch steigen- steigerte die EZB ihren Zinssatz dramatisch und rascher als es selbst bei echter Lohnbedingter Inflation sinnvoll gewesen wäre.

Auch daran hat Deutschland wesentlichen Anteil. Denn während EZB-Chefin Christin Lagarde die Zinsen ursprünglich allenfalls ganz langsam anheben wollte, drängten deutsche Ökonomen, oder auch Österreichs Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann, innerhalb und außerhalb der EZB immer heftiger, auf deren drastisches Eingreifen, und ahnungslose Wirtschaftsjournalisten drängten mit.

Obwohl die Teuerung mittlerweile, wie erwartet längst abflaut, weil Norwegen und die USA ihre Erdgasproduktion erhöht haben, stemmt sich das deutsche Mitglied des EZB- Rates Isabelle Schnabel gegen eine Zinssenkung, ja meint, dass die EZB sich auf den letzten Metern besonders anstrengen müsse, ihr Zwei-Prozent- Inflationsziel zu erreichen. Sollte Schnabel sich durchsetzen, wird das die Rezession vertiefen – noch aber hoffe ich, dass ökonomische Vernunft zu einer baldigen Zinssenkung führt.

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Die unterbewertete Regierung

Jede Leistung der Regierung verblasst neben der „überdurchschnittlichen Inflation“, für die sie nichts kann. Dergleichen hat Tradition und liegt am Versagen der Medien.

 Die schwarzgrüne Regierung bleibt im Umfragetief. Der falsche Vorwurf, sie verantwortete Österreichs weit überdurchschnittliche Inflation erschlägt, was immer sie leistet.

Die Fehlbewertung insbesondere ökonomischer Vorgänge hat Tradition. Die erste, die ich erlebt habe, galt der ÖVP-Alleinregierung Josef Klaus: Finanzminister Stephan Koren versetzte ihr den Todesstoß, indem er eine europaweite Konjunkturdelle lehrbuchmäßig mittels Defizit-Spending überwand und das Budget danach mit Luxussteuern und der Neuwagenabgabe gleich wiedersanierte.[1]  Damit bescherte er der Regierung Klaus die Erdrutschniederlage von 1970. Denn die Opposition unter Bruno Kreisky geißelte wortgewaltig eine „Teuerungslawine“ und kein Wirtschaftsjournalist kam der ÖVP zur Hilfe, indem er auf die Lehre von John Maynard Keynes verwiesen hätte, obwohl Klaus auf der Basis eines von allen Zeitungen vertretenen Volksbegehrens einen unabhängigen, qualifizierten ORF verwirklicht hatte.

Vergleichbar ungerecht wurde der Ruf der rotschwarzen Regierung Werner Faymann- Michael Spindelegger ruiniert. Obwohl sie die Finanzkrise mit besonders wenig Wachstumsverlust und geringer Mehrverschuldung bewältig hatte, behauptete der Chef der Bundeswirtschaftskammer Christoph Leitl, der Wirtschaftsstandort Österreich sei „abgesandelt“. Dabei belegten alle Wirtschaftsdaten das Gegenteil: Österreichs Industrieproduktion war stärker als die deutsche gewachsen, der Abstand zum höheren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Hollands war geschrumpft, die OECD hatte Österreichs Politik offiziell gelobt. Aber der ÖVP Mann in Leitl war nicht nur bereit, die Leistung seiner Kammer zu diffamieren, sondern auch Österreichs Ruf zu beschädigen, um dem Regierungspartner SPÖ eins auszuwischen. Nachdem Christian Kern Faymann abgelöst hatte und nachdem Wolfgang Mitterlehner, der Spindelegger gefolgt war, entnervt das Handtuch geworfen hatte, mündete die rot-schwarze Koalition bekanntlich in den ersten Wahlsieg Sebastian Kurz`. Leitl war Kurz` in Wahrheit wichtigster Wahlhelfer.

Mindestens so sehr aber waren es die Medien, voran der ORF. Denn deren Aufgabe wäre es gewesen, auf den diametralen Widerspruch zwischen den Behauptungen Leitls und den Wirtschaftsdaten hinzuweisen. Doch die „Zeit im Bild“ befasste sich zwar ausgiebig mit Leitls „Abgesandelt“-Sager, nie aber mit der der Frage, ob er zutrifft und wollte zuletzt täglich wissen, wie lang die Regierung Kern-Mitterlehner noch hält.

Wieso das so war, verstehe Ich nicht, denn ich halte die Nachrichtenredaktion des ORF nicht für parteiisch – am ehesten sehe ich ökonomisch versierte Mitarbeiter dort unterrepräsentiert oder zu wenig engagiert. Denn auch in der aktuellen Debatte über das „Totalversagen“ (Herbert Kickl, SPÖ, ÖGB)) der schwarzgrünen Regierung im Kampf gegen Österreichs „überdurchschnittliche Inflation“ wurde vom ORF nie kritisch berichtet. Dabei erlauben die Daten der OECD denkbar einfach, eine Rangliste der Abhängigkeit der EU- Staaten von russischem Gas zu erstellen und sie mit einer Rangliste ihrer Inflation zu vergleichen: Alle sechs Staaten die  unterdurchschnittlich (unter 39Prozent) von russischem Gas abhängen, (etwa Spanien mit nur 8 Prozent) haben bis heute eine unterdurchschnittliche Inflation –  alle 21 Staaten, die überdurchschnittlich von russischem Gas abhängen, haben eine überdurchschnittliche. Ex-kommunistische Staaten von Tschechien bis Lettland, die zu 100 Prozent von russischem Gas abhängen, haben die höchste, Österreich, das dank vergangener Regierungen zu 80 Prozent mit dem Doppelten des Durchschnitts von russischem Gas abhängt, hat zwangsläufig eine „weit überdurchschnittliche.“

Wie gut oder schlecht die jeweilige Regierung die Inflation bekämpft, ist gemessen an ihrer Abhängigkeit von russischem Gas sekundär.

Dass die Opposition dennoch die Chance wahrgenommen hat, der Regierung „totales Versagen“ vorzuwerfen, hat mich bei der FPÖ nicht gewundert, bei SPÖ und ÖGB eher schon, denn im Momentum-Institut hat man qualifizierte Ökonomen zur Verfügung. Nicht gewundert hat mich, dass die ÖVP sich nie mit den angeführten Statistiken verteidigt hat, denn ein ökonomisch ahnungsloserer Politiker als ihr Sprecher Christian Stocker ist mir selten begegnet.

Dabei steht die schwarz-grüne Regierung weit besser da, sobald man aufhört, Ihr zu Unrecht die überdurchschnittliche Inflation anzulasten: Sie hat die kalte Progression abgeschafft und – viel wichtiger – Beihilfen an die Inflation gebunden, wie das für die meisten Leistungen zum Prinzip werden sollte. Das Erneuerbare Wärme Gesetz ist dank stark erhöhter Förderungen zumindest nicht schlecht, wenn auch unvollständig, und das Informationsfreiheitsgesetz ist ein großer Fortschritt, auch wenn kleine Gemeinden nur auf Anfrage Auskunft geben müssen. Zugleich gibt es mit Karoline Edtstadler, Leonore Gewessler, Alexander Schallenberg oder Martin Kocher fünf jedenfalls vergleichsweise kompetente Minister und mit Alma Zadic und Johannes Rauch zwei, die sich zudem durch außergewöhnliche Tatkraft auszeichnen: Sie hat das System Pilnacek souverän überwunden, er die Ärztekammer in die Schranken gewiesen.

 [1]  Eine so rasche Steuererhöhung etwa nach der Finanzkrise wäre tatsächlich problematisch gewesen, weil sie unmittelbar in  Covid- und  Ukrainekrise überging- damals  war sie ebenso lehrbuchmäßig, denn sie erfolgte in einer Phase guter Konjunktur.

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Wie wird Babler wirtschaftsfreundlich?

Der einflussreiche Gewerkschafter Josef Muchitsch rät SP-Chef Andreas Babler zu einem „wirtschaftsfreundlicheren“ Profil:

Er möge nicht auf Vermögenssteuern beharren, die mit der ÖVP auf keinen Fall durchführbar wären. Richtig daran ist, dass man Verhandlungen nicht damit beginnen kann zu erklären, dass sie aussichtslos wären, wenn die ÖVP keine Vermögenssteuern akzeptiere, sonst passiert, was in Niederösterreich passiert ist: Johanna Mickl Leitner blieb nur die FPÖ als Partner, wenn sie eine regierungsfähige Mehrheit haben wollte.

Babler zu raten, dass er deshalb von der Forderung nach Vermögenssteuern abgehen soll, um sich „wirtschaftsfreundlicher“ zu zeigen, ist hingegen absurd: Höhere Vermögenssteuern im Abtausch gegen niedrigere Steuern auf Arbeit sind nach Ansicht jedes kompetenten Ökonomen denkbar wirtschaftsfreundlich und die entsprechende, im übrigen auch von der Gewerkschaft seit jeher vertretene Forderung hat bei Umfragen mittlerweile auch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Dass die ÖVP dennoch dagegen ist, spricht entweder für ihre rasende ökonomische Inkompetenz oder dafür, dass sie sich von einigen superreichen Parteispendern kaufen ließ. Um es so einfach wie möglich zu erklären: Geld schafft Wohlstand, indem es arbeitet. Vermögen ist Geld, das, wenn es in Österreich etwa im Eigentum an riesigen Wäldern oder anderen Grundstücken besteht wie nicht zuletzt diverse eingebürgerte Milliardäre sie besitzen, durch lange Zeiträume überhaupt nicht arbeitet, sondern brachliegt und allenfalls Wohnungen verteuert, weil Grundstücke angesichts der niedrigen Grundsteuern immer nur zum Zeitpunkt ihres Höchstpreises verkauft werden.

Niedrigere Steuern auf Arbeit verbilligen hingegen jedes Produkt, erhöhen die Zahl der Beschäftigten und die Konkurrenzfähigkeit österreichischer Unternehmen. Deshalb gibt es keinen ökonomischen Think-Tank, der Österreich diesen Abtausch nicht empfiehlt. Gerade wenn die ÖVP die hohen Lohnnebenkosten ständig als wirtschaftsfeindlich brandmarkt, obwohl es sich voran um die Kosten einer Sozialversicherung handelt, müsste sie geradezu begeistert sein, die Abschaffung der Lohnnebenkosten durch eine Erhöhung der Vermögenssteuern gegen zu finanzieren.

Die aktuellen Granden der ÖVP sind möglicherweise ökonomisch so ahnungslos oder so gekauft, dass sie das alles nicht verstehen – aber dann muss Babler dennoch alles tun, der Öffentlichkeit diese rasende Ahnungslosigkeit der ÖVP- Granden vor Augen zuführen und bewusst zu machen. Auch der ORF könnte seinem Auftrag zur Volksbildung nachkommen, indem er die Steuer-Expertin des WIFO Margit Schratzenstaller zu diesem Thema interviewte.

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Der ÖGB-Chef kann Geschichte schreiben

Wolfgang Katzian kann helfen die Schuldenbremse zu lösen und lag lohnpolitisch richtig. Karl Nehammer wirft er die hohe Inflation zu Unrecht vor, will aber Rot-Schwarz.

In seiner Pressestunde hat ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian vor zweiWochen seine Ziele definiert. Das wichtigste: Er will als Präsident des europäischen Gewerkschaftsbundes dafür kämpfen, dass die Staatsschuldenbremse Investitionen „in die Zukunft“, in Klimaschutz oder Digitalisierung als notwendig zulässt. Stimmen Europas Gewerkschaften darin überein, so lebt die Chance auf Erfolg, denn erstmals gibt es in Deutschland, das der EU die Schuldenbremse unter Angela Merkel aufzwang, zunehmenden Widerstand dagegen.

Ökonomen, die Zahlen lesen können, müssten sie sowieso verdammen, hat sich der Abstand des realen Bruttoinlandsprodukts pro Kopf der EU zu dem der nicht schuldengebremsten USA doch seit Merkels Spar-Pakt verdreifacht. Katzians zweites wichtiges Anliegen, die Senkung unserer überdurchschnittlichen Inflation, ist zwar ebenso berechtigt, nur dass Medien, SPÖ und ÖGB sie zu Unrecht voran der schwarz-grünen Regierung anlasten: Ihre Ursache ist voran Österreichs überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas, die unter SP-geführten Regierungen begann. Wobei freilich festzuhalten ist, dass billiges, russisches Gas wesentlich zu unserem Wohlstand beitrug und dass etwa schon Deutschlands Kanzler Helmut Schmidt glaubte, dass Handelsbeziehungen dem Frieden dienen, „weil man auf Handelspartner nicht schießt.“ Als die türkis-blaue Regierung Sebastian Kurz` Österreich 2018 bis zum Jahr 2040 an russisches Gas band, hatte Russland freilich bereits die Krim überfallen und war das Problem einseitiger Abhängigkeit klar.

Ein „Statista“- Schaubild zeigt, in welchem Ausmaß Europas Staaten 2018 von russischem Gas abhingen: Im Durchschnitt zu 39 Prozent – aber gegen 100 Prozent in ex-kommunistischen Staaten von Bulgarien über Rumänien bis Lettland oder Tschechien, die prompt die höchste Inflation aufweisen, während Staaten mit geringer Abhängigkeit von russischem Gas, von Spanien, über Malta bis Dänemark, die geringste Inflation verzeichnen. Österreich und die Schweiz sind im Statista-Schaubild leider ausgespart, aber unsere mit 80 Prozent weit überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas stimmt so exakt mit unserer überdurchschnittlichen Inflation überein wie die Null-Inflation der Gas- unabhängigen Schweiz. Diese OECD-Daten zu kennen, hätte die sonntägliche Diskussion „Im Zentrum“ um einiges seröser gemacht. Denn wie die jeweiligen Regierungen die Inflation bekämpfen, hat zwar auch einen Einfluss auf die Inflation, aber verglichen mit der Gasabhängigkeit von Russland ist er weit geringer und schwer zu bewerten: „Deckel“ etwa kosten den Staat sehr viel Geld und verhindern, dass der Energie-Konsum im Interesse des Klimas maximal sinkt. Dass Deutschland die Steuer auf Treibstoff so senkte, wie das auch bei uns gefordert wurde, hat den deutschen Staat drei Milliarden Euro gekostet und deutschen Treibstoff kaum verbilligt. Nicht zuletzt blieb Österreichs Wirtschaftswachstum weit höher als das deutsche.
Nicht dass unsere Regierung entfernt perfekt agiert hätte, aber wenn Katzian zu Recht mehr Einvernehmen mit der ÖVP
sucht, sollte man sie weniger ungerecht prügeln.

Noch weniger, so zeigt die Gegenüberstellung von Gas-Abhängigkeit und Inflation, hat die herrschende Inflation mit der EZB zu tun, so sehr sie den aktuellen Rückgang ihrer nunmehr so restriktiven Geldpolitik zuschreibt. Denn viel leichter lässt er sich damit erklären, dass forciertes Fracking und höhere Förderung in Norwegen Gas verbilligt haben. Sicher verantwortlich ist die EZB nur für die aktuelle Rezession. Allerdings wird ihr nicht anzulasten sein, wenn sich die Inflation demnächst vielleicht deutlich erhöht: Die Huthi-Rebellen beschießen bekanntlich Containerschiffe, die ihre Waren durch den Suezkanal transportieren wollen, so dass sie einen unglaublich teuren Umweg von 4000 Kilometer ums Cap der Guten Hoffnung machen müssen. Ob Kriegsschiffe von USA und EU das abstellen können, ist mindestens fraglich.

Ein dadurch bewirkter Anstieg der Inflation könnte verdecken, dass vielleicht auch Lohnabschlüsse um die 9 Prozent sie erhöhen. Geht man von der Benya-Formel aus, wonach Löhne im Ausmaß der Inflation des abgelaufenen Jahres zuzüglich des Produktivitätszuwachses steigen sollen, so waren die vom ÖGB durchgesetzten 9 Prozent mehr als maßvoll, aber die Benya-Formel wurde erdacht, als die Inflation von den Lohnsteigerungen des abgelaufenen Jahres, nicht aber von der extremen Steigerung des Gaspreises abhing. Die Gegenwart ist daher mit der Vergangenheit nicht vergleichbar. Daher haben sich die deutschen Gewerkschaften mit hohen Einmalzahlungen und längeren Laufzeiten begnügt, während Katzian beides energisch abgelehnt hat. Irrte er damit, so litte die Wettbewerbsfähigkeit unserer Metallindustrie, verteuerten sich ihre Waren und erhöhte sich die Inflation. Doch die jüngste Berechnung von Eurostat weist Österreichs Arbeitskosten als sogar niedriger als die deutschen aus: Katzian scheint richtig gelegen zu sein. Jetzt hofft er, dass die erhöhte Kaufkraft unsere Konjunktur beflügeln wird. Nicht anders als die hohen schwarzgrünen Zahlungen an die Bevölkerung 2023 mit 4,5 Prozent zu überdurchschnittlichem Wachstum geführt, vielleicht aber auch zur Inflation beigetragen haben.

Eines sollte jedenfalls klar sein: Es kann uns unmöglich so gut wie früher gehen, wenn Krieg Güter massiv verteuert.

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Wenn der Mörder seinen Mord untersucht

Wladimir Putin liefert derzeit eindrückliche Beweise seiner Glaubwürdigkeit:

Anfang der Woche erklärte er, dass auch er sich wie die Europäer einen Sieg Joe Bidens bei den Präsidentschaftswahlen der USA wünscht und soeben ordnete er an, den Tod des Regimekritikers von Alexej Nawalny im Straflager bei der Gefängnisverwaltung zu untersuchen.

Die EU erklärte, dass Russland zahlreiche Fragen zu beantworten hätte. Ich gehe davon aus, dass Putin sie demnächst geben wird: Alle Bemühungen der Ärzte hätten den Tod Nawalnys durch einen Herzinfarkt leider nicht verhindern können.

In Russland wird das von der Bevölkerung kaum anders hingenommen werden als Putins Behauptung, er habe eine „Spezialoperation“ in Gang setzen müssen, um die Ukraine von der Nazi-Diktatur des Juden Wolodymyr Selenskyj zu befreien und sein Land vor einem Angriff der NATO zu schützen.

In Österreich wollen derzeit laut Umfrage 30 Prozent der Wähler für eine Partei stimmen, die Sanktionen gegen Wladimir Putin ablehnt und einen Freundschaftspakt mit seiner Partei geschlossen hatte. Alexander Van der Bellen meint immer wieder, dass wir „nicht so sind“ wie man meinen könnte- ich fürchte, dass wir zu einem verdammt großen Teil sehr wohl so sind.

 

 

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Ahnungslos in der Sendung “Im Zentrum”

Die ORF Sendung “Im Zentrum” am vergangenen Sonntag war in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Die ÖVP scheint absolut entschlossen, die einzige realistische Möglichkeit, die Steuern auf Arbeit zu senken indem man diese Senkung durch erhöhte Vermögenssteuern gegenfinanziert, auszuschließen.

Die Dummheit der dabei vorgebrachten Argumente übersteigt alles, was sie bisher zu diesem Thema vorgebracht hat – etwa, dass der erzielbare Ertrag den Aufwand nicht lohnt. So krönte VP-Generalsekretär Christian Stocker die ahnungslose Behauptung, dass höhere Vermögensteuern, wie sie die USA oder die Schweiz vorweisen, der „linken Mottenkiste“ entstammen, mit der grotesken Behauptung, dass sie Reiche und Leistungsträger aus Österreich vertrieben, obwohl sie niedrigere Vermögenssteuern nur noch in der Slowakei fänden, und obwohl USA oder die Schweiz sich ja wahrhaftig nicht dadurch auszeichnen, dass Reiche und Leistungsträger diese Länder fluchtartig verlassen.

Die einzige, die in dieser Sendung ökonomische Kenntnisse verriet und verständlich “kapitalistisch“ zu argumentieren wusste, warum höhere Vermögensteuern Sinn machen war ausgerechnet die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Von Beate Meinl- Reisinger hatte ich mir aus früheren Äußerungen – wenn die höheren Vermögenssteuern zu niedrigeren Einkommenssteuern führen, könne man darüber reden – eigentlich auch ein gewisse ökonomisches Verständnis erwartet, aber „Im Zentrum“ strafte sie mich Lügen. Außer dass alle Parteien mit Ausnahme der Neos unehrlich wären, fiel ihr nichts ein. Das hat mich deshalb so bekümmert, weil ich sie ob ihrer Ehrlichkeit tatsächlich besonders schätze und vor allem bewundere, wie offen sie Österreichs teuren Föderalismus kritisiert, dass sie einsam wagt, an Österreichs überholten Neutralität zu zweifeln und nicht zuletzt, dass die Neos ebenso einsam für eine EU-Armee eintreten.

PS: Mit Marianne Engelhardt habe ich in meinen Kommentar der Vorwoche natürlich Marlene Engelhorn. gemeint.

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Die ökonomische Ahnungslosigkeit der ÖVP

Die EZB ortet in Österreich „extreme Vermögenskonzentration“. Die ÖVP ordnet Vermögensteuern der „linken Mottenkiste“ zu. Die Schweiz reduziert mit ihnen die Lohnsteuern

Zwei Ereignisse haben die Diskussion über Vermögenssteuern aktualisiert:

  • Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) belegten erneut Österreichs extreme Vermögenskonzentration: Die reichsten 5 Prozent besitzen mehr als die Hälfte allen Vermögens. Dennoch liegen wir bei den Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern unter 38 OECD-Staaten an fünftletzter Stelle: Nur 1,5 Prozent des Steueraufkommens stammen aus ihnen – gegenüber 5,6 Prozent im Schnitt der OECD.
  • und Marlene Engelhardt überließ einem, der Gesellschaft Österreichs nachgebildeten Gremium tatsächlich 25 Millionen Euro ihres Erbes zur Verteilung, um zu demonstrieren, wie ungerecht es sei, dass sie dieses Gel ohne die geringste Leistung erhielt.

Mir wäre lieber gewesen, sie hätte wie das SPÖ-Modell vorsieht, 1,5 Millionen für sich behalten, denn die Österreicher hätten sich dann eher damit identifiziert: Vermögenssteuern verlangen von der überwältigen Mehrheit keineswegs Selbstlosigkeit – bringen aber größten ökonomischen Profit. Stattdessen identifizieren sie sich mehrheitlich mit dem Generalsekretär der angeblichen Wirtschaftspartei ÖVP, Christian Stocker, der behauptete, dass Vermögenssteuern „aus der linken Mottenkiste“ stammten.

Bisher haben VP- Granden nur behauptet, dass Vermögenssteuern nichts einbrächten, so absurd das angesichts der EZB- Daten auch ist. Aber Stocker krönte die schwarze Ahnungslosigkeit: Während Österreich dank der ökonomischen Weisheit der ÖVP nur 1,5 Prozent seines Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern bezieht, sind es in der „linken“ Schweiz 7,7 und in den „linkslinken“ USA gar 11,4 Prozent. Einziger Vorteil dieser für Stocker offenbar schwachsinnigen linken Steuerpolitik: Diese Staaten besteuern Arbeit vergleichsweise niedrig und weisen ein besonders hohes Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf, obwohl (in Wahrheit weil) vermögensbezogene Steuern in den USA volle 3,5 Prozent des BIP ausmachen.

Jedenfalls ist die besondere Wirtschaftsfreundlichkeit vermögensbezogener Steuern der Grund dafür, dass OECD, IWF oder Wirtschaftsforschungsinstitut Österreich seit Jahren raten, seine vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen und die Steuern auf Arbeit zu senken.

Dass ich lieber von „vermögensbezogenen“ Steuern schreibe, liegt daran, dass „Vermögenssteuer“ in der Einzahl eine Steuer bezeichnet, die jedes Vermögen bis hin zur Briefmarkensammlung besteuert und die es meines Wissens nur mehr in der Schweiz gibt, weil die Ehrlichkeit der Bürger den Verwaltungsaufwand begrenzt. Das hat die ÖVP nie gehindert, missverständlich zu behaupten, dass es ja kaum mehr Vermögenssteuern gäbe und dass der rote Finanzminister Ferdinand Lacina sie bei uns abgeschafft hätte. In Wirklichkeit lehnte Lacina nur das Schweizer Modell ab und die Erbschaftssteuer endete mit einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der es gleichheitswidrig befand, dass jemand, der ein Grundstück im Verkehrswert von einer Million Euro erbte, ungleich weniger Steuer bezahlen musste, als jemand, der diese Million in bar erbte, weil Grundstücke gemäß ihrem „Einheitswert“ bewertet werden, obwohl der mittlerweile zehnmal niedriger als ihr Verkehrswert ist. Allerdings trug der VfGH der Regierung auf, diesen Fehler zu beheben und setzte dafür eine Frist. Die verstrich, weil die ÖVP zu keiner Reparatur bereit war. Seither haben wir keine Erbschaftsteuer mehr und weiterhin nur eine lächerliche Grundsteuer, während sie in den meisten Staaten die wichtigste vermögensbezogene Steuer ist. Dass sie bei uns so niedrig ist, ist einmal mehr ökonomisch von Nachteil: es ermöglicht, Grundstücke zu horten, während man sie in den USA schnellstens verkaufen oder verbauen muss.

Der entscheidende Vorteil höherer vermögensbezogener Steuern ist freilich, dass sie niedrigere Lohn- und Einkommenssteuern erlaubten, die der überwältigenden Mehrheit zu Gute kommen, die Arbeitskosten der Unternehmen senken und die Beschäftigung erhöhen. Einziger winziger Vorteil extrem niedriger Vermögenssteuern: Sie führten dazu, dass einige Superreiche zu Österreichern wurden und hier voran Grundstücke kauften. Das entzieht, wie jede Steueroase ihrem Herkunftsland, meist Deutschland, Steuern, ohne unser Steueraufkommen sonderlich zu erhöhen, weil unsere Grundsteuer ja extrem niedrig ist. Ansonsten investieren sie bei uns so viel oder so wenig wie zuvor. Nur Parteispenden an die ÖVP sind für sie eine beinahe zwingende Investition.

Der SPÖ oder den Grünen ist der verteilungspolitische Vorteil Vermögensbezogener Steuern zwar klar – ihre spezifischen ökomischen Vorteile betonen sie meines Erachtens aber viel zu wenig. Sie haben diese Steuern immer nur allgemein gefordert, statt zu trommeln, dass sie die Steuern auf Arbeit entsprechend senken werden. Dabei wäre der Grüne Werner Kogler als Ökonom dafür prädestiniert gewesen – nur koaliert er leider mit der ÖVP.

Auch NEOS- Chefin Beate Meinl -Reisinger schien mir den Vorteil des Abtauschs höherer Vermögenssteuern gegen niedrigere Einkommenssteuern zu verstehen – jedenfalls hat sie sich einmal dahingehend geäußert. Jüngst allerdings hat auch sie wieder „Nein“ zu Vermögensteuern gesagt. Sollte das darauf beruhen, dass ihr Wirtschaftssprecher sie zurückgepfiffen hat, so versteht er von Wirtschaft so wenig wie Christian Stocker oder Herbert Kickl für den Vermögenssteuern auch nicht in Frage kommen.

 

 

 

 

 

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Kein gutes Neues Jahr für die Welt

Wladimir Putin schafft 2024 das größte Blutbad seit Adolf Hitler. Der Welt droht das Comeback Donald Trumps und Österreich ein Kanzler Herbert Kickl

Es fällt schwer, dem neuen Jahr optimistisch entgegenzusehen. Bisher verantwortete Iraks Saddam Hussein bei seinem Überfall auf den Iran mit geschätzten fünfhunderttausend Kriegstoten das größte Blutbad seit Adolf Hitler – 2024 wird ihn Wladimir Putin in der Ukraine um Leichenberge übertreffen. Und sollte Donald Trump tatsächlich wieder zum Präsidenten der USA gewählt werden, so hören nicht nur sie auf, ein demokratischer Rechtsstaat zu sein, sondern alle halbwegs demokratischen Staaten verlieren die weltstärkste Armee als sicheren oder zumindest denkbaren Schutz vor den Diktaturen Russlands, China und des Iran.

Für die Ukraine bedeutete ein Wahlsieg Donald Trumps die fast sichere Niederlage: Reduziert auf die Unterstützung der EU, die Viktor Orban jederzeit torpedieren kann, hielte sie Russlands Übermacht kaum weiter stand. Nur, dass Putin riesige Truppen brauchte, um das riesige Land unter Kontrolle zu halten, hindert ihn vielleicht, sofort Georgien zu kassieren und in Moldawien vorzustoßen. Ein Nato-Land griffe er meines Erachtens nicht an, weil ich nicht glaube, dass Trump die Nato tatsächlich auflöste, wenn sie die USA nichts kostet. Am ehesten lockerte er freilich die Beistandspflicht, was gefährlich genug wäre. Entgegen stünde dem, dass sichere Verbündete in der Konfrontation mit China auch für Trump von Vorteil sind – aber denkt er so weit?

Anders als die Ukraine profitierte Israel von Trumps Sieg: Der unterstütze, was immer es im Westjordanland und in Gaza täte. Ein Rechtsstaat blieb es dann kaum und auch einen Flächenbrand in Nahost schlösse ich nicht völlig aus.

Ich glaube, dass es nötig ist, so weit in die Zukunft zu spekulieren, weil Umfragen Trump derzeit in 5 von 6 der bisher stets wahlentscheidenden Swing-States vor Joe Biden sehen, auch wenn ich hoffe, dass die gute Wirtschaftslage und der insgeheime Widerstand der Frauen gegen die Abtreibungsgesetze der Republikaner diese Umfragen Lügen strafen.

Was wird aus Kickl?

In Österreich wird die Umfrage-Führung der FPÖ so gut wie sicher in ihren Wahlsieg münden, zumal die Rezession, die uns die Geldpolitik der EZB bescherte, Herbert Kickl weiter Stoff für wüste Kritik liefern wird, obwohl diese Regierung dafür keinerlei Verantwortung trägt.

Allerdings bleibe ich zuversichtlich, dass Kickl keinen Partner findet, um tatsächlich zu regieren, selbst wenn die ÖVP sich von Karl Nehammer trennt. Zum einen, weil ihr christlich-sozialer Flügel nicht völlig abgedankt hat, zum anderen, weil ihr auch ein Kanzler Andreas Babler das Finanzministerium überließe und weil mir ihre Chance, Babler dereinst durch einen schwarzen Kanzler abzulösen, größer scheint als die Chance auf die Ablöse Kickls, wenn der sich etabliert hat.

Ich rechne daher relativ fest mit einer Koalition aus SPÖ, ÖVP und NEOS oder Grünen, denn eine rote Minderheitsregierung zu dulden hat die ÖVP keinen Anlass und Kickl dürfte Babler kaum die Chance einräumen, die Friedrich Peter Bruno Kreisky eingeräumt hat. Denn Kickls größte Chance besteht darin, fünf Jahre zuzuwarten, um dann allein zu regieren – das wünschen auch seine Wähler.

Deshalb muss die wahrscheinliche Dreierkoalition unbedingt begreifen, dass sie sich augenscheinlich bewähren muss, wenn sie Kickl = Österreichs Orbanisierung nachhaltig verhindern will. Dazu ist unverzichtbar, dass die beteiligten Parteichefs ein brauchbares Verhältnis zueinander haben. Babler hat mittlerweile begriffen, dass er politische Profis zu seiner Unterstützung braucht – vielleicht begreift er auch, wie kontraproduktiv es ist, wenn er Karl Nehammer im Einklang mit Kickl beschimpft: Er treibt damit nur Wähler zur FPÖ.

Bei der Frage, welche wesentliche wirtschaftliche Verbesserung die künftige Koalition bewirken könnte, drängt sich auf, endlich, wie von OECD, IWF oder WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller und allen einigermaßen kundigen Ökonomen seit langem gefordert, die Steuern auf Arbeit in dem Ausmaß zu senken, in dem man die Steuern auf Vermögen auf ein Mittelmaß anhebt. Für Babler ist die Forderung nach höheren Vermögenssteuern bekanntlich Wahlprogramm und eine Erbschaftssteuer mit hohen Freigrenzen erfüllte es am einfachsten. Nur darf er keine Zweifel lassen, dass er die Steuern auf Arbeit im gleichen Ausmaß senkt, denn dann hat er nicht nur Grünen-Chef Werner Kogler, sondern auch Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger auf seiner Seite und macht es der ÖVP um Vieles schwerer, bei ihrem sturen „Nein“ zu bleiben.

Die ÖVP ist leider Gefangene ihrer speziellen Klientel von Superreichen und Großspendern, die natürlich vorzieht in einem Land zu leben, das nach Mexiko und der Slowakei die niedrigsten Vermögenssteuern der Welt hat – aber die Gruppe derer, die von niedrigeren Steuern auf Arbeit profitierten, ist natürlich auch unter VP- Wählern die viel größere – sie hat nur anders als die Superreichen keine Lobby. Deshalb muss es Babler, Meinl Reisinger und Kogler gelingen, der ÖVP klarzumachen, dass sie in dieser Frage die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich hat und dass das in der jüngsten Umfrage schon offenbar so war. Bei Finanzminister Magnus Brunner sollten auch Gespräche mit Margit Schratzenstaller helfen und selbst bei Karl Nehammer gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass er erkennt, dass hohe Steuern auf Arbeit die Wirtschaft mehr belasten als durchschnittliche Steuern auf Vermögen

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