Nehammer ging – die Rezession bleibt

Die Industrie zog Herbert Kickl Karl Nehammer vor. Dabei wird eine FP-VP- Regierung die Rezession vertiefen. Deren rasche Überwindung schließt Maastricht leider aus.  

Von der „Wirtschaft“ bedrängt hat Karl Nehammer das Handtuch geworfen. So anständig er ist, so absurd war die Begründung: Die zuletzt von Andreas Babler gar nicht mehr geforderten vermögensbezogenen Steuern, hätten der Wirtschaft doppelt genützt: Indem sie erlaubt hätten, die Steuern auf Arbeit zu senken, hätten sie die Kaufkraft erhöht und zugleich künftige Anstellungen verbilligt.

Dass Generalsekretär Christian Stocker Nehammer als Interimsobmann folgt, um mit Herbert Kickl zu verhandeln, passt ins türkise Bild, hat er ihm zuvor doch die Eignung zum Parlamentarier abgesprochen. Wann die FP-VP- Regierung steht ist offen- ich erwarte sie bald. So gut wie gewiss ist hingegen ein EU- Defizitverfahren und sicher muss der Kampf gegen die Rezession sofort einsetzen.

Von der Regierung Nehammer begangene Fehler mögen die Rezession befördert haben – ausgelöst hat sie die verfehlte Zinspolitik der EZB. Und auch die Grundprobleme Österreichs wie der EU sind nicht nationalen Fehlern, sondern den Maastricht-Kriterien geschuldet, die den Staat zum Sparen zwingen.

Der Glaube der EU, voran Deutschlands, man könne dürftiges Wirtschaftswachstum durch staatliches Sparen überwinden, obwohl auch Konsumenten und Unternehmen sparen, ist widersinnig, weil dann denkunmöglich mehr verkauft werden, die Wirtschaft also wachsen kann.  Der Hinweis auf den aktuellen Überschuss Griechenlands beweist nur Unkenntnis: Griechenlands Sparen unter Aufsicht der EU-Troika mündete in ein Fiasko, von dem es sich erst jetzt, 15 Jahre später, erholt, wobei es der Bevölkerung immer noch miserabel geht. Einen Überschuss kann jeder Staat erringen, der Leistungen kürzt.

Ich weiß nicht, wie viele Top-Ökonomen es braucht, der EU (Deutschland, Österreich) zu erklären, dass Staatshaushalte etwas anderes als der Haushalt der schwäbischen Hausfrau sind. Mir genügte Österreichs durch Jahrzehnte renommiertester Ökonom, Erich Streissler, der in Wien Volkswirtschaft unterrichtete und, obwohl für seine Keynes-kritische Haltung bekannt, lehrte: „In einem hat (John Maynard) Keynes zweifellos recht: In einer Krise darf und kann der Staat nicht sparen.“ Wirtschaftsnobelpreisträger Paul A. Samuelson nennt Sparen in seinem Lehrbuch „eine private Tugend, die für eine Volkswirtschaft verhängnisvoll sein kann.“ Der aktuelle Nobelpreisträger Daron Acemoglu meinte zur Staatsschuldenbremse: „Es macht keinen Sinn, sich derart die Hände zu fesseln.“  Und Nobelpreisträger Joseph Stieglitz rechnete in dem Buch „Europa spart sich kaputt“ schon 2016 vor, dass die Wirtschaft der EU seit Maastricht weit langsamer als davor wächst.

Doch die EU bleibt stolz darauf, ihre Staatsschuldenquote seit der Finanzkrise auf 86 Prozent gesenkt zu haben, während die der USA 119 Prozent erreicht. Wie die Menschen das Ergebnis erleben interessiert offenbar nicht: Im Jahresschnitt wuchs die Wirtschaft der USA mit 2,1 Prozent fast doppelt so stark wie die der EU (1,2 Prozent); entsprechend stärker stiegen die US-Löhne und die Arbeitslosigkeit, die in den USA längst Vollbeschäftigung gewichen ist, verharrt in der EU bei 6,5 Prozent.

„Aber wer soll die immer höheren Staatsschulden bezahlen?“, pflegen ORF- Moderatorinnen aufgeregt zu fragen: Niemand! Sie werden roulierend erneuert. Wie hoch die Zinsen der Finanzmärkte für neues Geld sind, hängt davon ab, wie gut die Wirtschaft läuft – deshalb erdrückt ihre Last weder die USA noch Japan mit 250 Prozent Staatsschuldenquote. Sie erdrückt auch Österreich in keiner Weise, denn unsere Wirtschaft ist stark, differenziert und elastisch: Der Automotoren -Spezialist AVL-List entwickelt bereits Schiffsmotoren. Die pinke Rede von Österreichs „Pleite“ ist trotz der großen, aktuellen Probleme Unsinn.

Auch der Glaube an den Segen staatlichen Sparens wäre längst als solcher entlarvt, hätte Deutschland nicht vorgeführt, dass seine Wirtschaft trotz dieses Sparens herausragend wächst. Doch das lag daran, dass es – unter Missachtung der EU-Forderung nach zweiprozentiger Inflation – seine Arbeitskräfte nicht mehr der Produktivität entsprechend entlohnte und mit so verbilligten Waren anderen Volkswirtschaften Märkte wegnehmen konnte. Nur fand dieses Exportmodell jetzt zwingend Grenzen: Lauter sparende EU-Staaten können sich nicht weiter zu Gunsten Deutschlands verschulden; China ist selbst Großexporteur; und die USA, die sich am meisten zu Deutschlands Vorteil verschuldet haben, haben es satt und drohen mit Zöllen. So sieht die ökonomische Welt aus, in der die EU uns zum Sparen vergattert.

Was bedeutet das für Österreichs künftige Regierung? Ich glaube, sie wird dem geforderten Sparkurs folgen: Das wird die Rezession vertiefen und den Rückstand der EU auf die USA vergrößern. Verringern kann ihn nur eine Reform der Maastricht -Kriterien. Die zu erreichen müsste theoretisch das Ziel jeder neuen österreichischen Regierung sein: Indem sie sich voran mit den Regierungen in Paris und Rom, zusammentäte hätte sie faire Chancen auf Erfolg. Deutsche werden zwar nie zugeben, sich grundlegend geirrt zu haben, aber man könnte die Regeln gesichtswahrend dahin modifizieren, dass Investitionen in die Zukunft, in Klimaschutz, Verteidigung oder Digitalisierung nicht mehr unter „Schulden“ zählen. Nur das wendete vielleicht eine sehr schmerzhafte Krise ab, wenn die USA tatsächlich Zölle einheben. Nur wird die FP-VP-Regierung diesen Versuch nicht unternehmen.

 

 

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Ein denkbar zweischneidiges Neujahrskonzert

Mit 5o Millionen Zuschauern in 91. Ländern ist das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker der mit Abstand größte Werbeauftritt Wiens und Österreichs und er wurde in der Vergangenheit auch immer besser genutzt indem man Balletteinlagen an besonders sehenswerten Plätzen der Stadt einbaute.

Diesmal baute man in der Mitte des Konzerts einen Film ein, wie er schlechter kaum sein konnte: Am Bildschirm ist, bei weiterhin guter musikalischer Untermalung die meiste Zeit ein unglaubwürdiges, nicht einmal spaciges, scheinbar   gebasteltes oder künstlich animiertes Weltraumgefährt zu sehen, in dessen hässlichem Innenraum unter dem rätselhaften Namen „Kapitän Tom“ ein an sich gut aussehender,  ansonsten aber völlig nutzloser Nachfahre der Familie Strauss vor einem altmodischen Radio sitzt. Ansonsten geht er in Schuhen oder barfuß durch den Innenraum des Gefährts, tippt manchmal auf irgendwelche Bildschirme, auf denen gelegentlich Bilder manchmal aber auch Zeichen wir „error“ oder „solved“ auftauchen, die offenbar ans Cockpit einer Raumfähre erinnern sollen. „Kapitän Tom“ setzt denn auch manchmal einen Raumfahrer-Helm auf um dann wieder sein Gesicht in die Kamera zu halten – er scheint sehr zufrieden damit zu sein. Einmal tanzt er auch barfuß Walzer und ist dabei nicht im Takt.

Zwischendurch werden auch interessante historische Bilder der Familie Strauss eigeblendet oder man sieht ein paar Musiker auf einer Art Floß auf der alten Donau gut musizieren. Wirklich Interessantes über die Familie Strauß erfährt man kaum -nur dass Johann Strauss Sohn auch in Sankt Petersburg und in den USA Konzerte gab. Meist aber beherrscht das gebastelte Raumschiff hässlich und störend den Bildschirm. Dabei hätte man anlässlich seines zweihundertsten Geburtstages einen durchaus interessanten Kurzfilm über ihn drehen und seinen Nachfahren vielleicht auch darin einbauen können, wenn der etwas Interessantes zu erzählen hat – so weiß man nicht einmal worauf die Verwandtschaft beruht. In Summe ein miserabler Film, der angesichts der Raumfähre nicht einmal ganz billig gewesen sein kann und das Konzert auf ausschließlich störende Weise unterbricht.

Leider sind auch die Tanzeinlagen diesmal weit schlechter als sonst gelungen: Sie spielen einmal im an sich morbid eleganten Südbahn-Hotel am Semmering, nur dass die wie immer blendenden Tänzer und Tänzerinnen des Staatsoper-Balletts diesmal anfangs besonders öde antike Kostüme anhaben und dass die Männer später besonders knallige bunte Hemden anhaben, die Modernität suggerieren sollen, aber erst recht altmodisch wirken. Zweiter Schauplatz ist dann Wiens Technisches Museum, wo dann in hübscheren Kostümen rund um eine alte Lokomotive getanzt wird, weil auch die Bahn angeblich 200 Jahre alt ist. Gegenüber den Schauplätzen vergangener Tanzeinlagen regt dieser jedenfalls zweifellos am wenigsten dazu an, Wien zu besuchen.

Jedenfalls war man erleichtert, als das gesamte Zwischenprogramm vorbei war und man wieder den wunderbaren Saal des Musikvereins sieht und sich auf die dargebotene Musik konzentrieren konnte, denn besser als unter Ricardo Muti können die Philharmoniker kaum musizieren.

Es ist zu hoffen, dass Zuschauer im Ausland während des Zwischenspiels mit der Raumfähre nicht aufgestanden sind und den Fernseher verlassen haben.

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„So sind wir nicht“- viele leider doch!

Die jüngste Studie zum heimischen Rechtsextremismus ist für den Autor „kein Grund für Alarmismus“ – aber sie ist zumindest einer für eine andere Wirtschaftspolitik.

„So sind wir nicht“ erklärte Bundespräsident Alexander van der Bellen bekanntlich als das Ibiza-Video auftauchte, und hatte damit insofern Recht, als die Mehrheit der Österreicher kaum, wie der damalige FP-Obmann Heinz Christian Strache, bereit wäre, einer Oligarchen-Nichte amtsmissbräuchlich Geschäfte zuzuschanzen, damit sie im Gegenzug die Kronenzeitung erwirbt, um dort zack, zack, zack der FPÖ unliebsame Redakteure zu eliminieren. Das bestürzende aber ist, dass nicht nur die FPÖ des  H.C. Strache 30 Prozent Zustimmung besaß, obwohl bekannt war, dass er dem Neonazi Milieu entstammte und kein Hehl aus seiner rechtsextremen Einstellung machte, sondern dass die Bevölkerung der gleichen FPÖ schon wenige Jahren nach dem Ibiza Video wieder mit dreißig Prozent zustimmt, obwohl ihr nächster Obmann Herbert Kickl sich wie Adolf Hitler „Volkskanzler“  nennt, und von „Fahndungslisten“ für unliebsame Journalisten spricht.

Die demokratische Phase unserer Geschichte war nun einmal nach Monarchie, Austrofaschismus und Faschismus eine besonders kurze und selbst „Sonnenkönig“ Bruno Kreisky durfte fast nicht kritisiert werden. Wir  haben ein besonders großes, besonders leicht abrufbares Potential, uns bedingungslos einer Autorität zu unterwerfen. Immerhin 14 Prozent der Österreicher wünscht sich „einen starken Mann an der Spitze des Landes, der sich nicht an die Zustimmung des Parlaments kümmern muss“, während sich das nur 8,6 Prozent der Deutschen wüschen, so erhob der Leiter des „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands“ Andreas Kranebitter  kürzlich in einer Studie zum heimischen Rechtsextremismus, deren auffälligste Ergebnisse mittlerweile eine gewisse Prominenz genießen: 36 Prozent der Bevölkerung will nicht neben Muslimen leben; 29 Prozent findet, ihnen sollte die Zuwanderung untersagt werden; 50 Prozent ist für „Remigration“, das heißt die Deportation Unliebsamer; und 42 Prozent unterschreibt den Satz „Israels Politik in Palästina ist wie die der Nazis im Zweiten Weltkrieg“- der Unterschied zwischen brutalem Krieg und systematischem Mord wird sofort negiert, wenn es um Juden geht. antisemitische Ansichten sind mit 23 Prozent häufiger als in Deutschland  mit 7 Prozent. Das „rechtsextreme“ Segment der Befragten, bei dem solche Ansichten besonders ausgeprägt sind, beziffert die Studie mit 10 Prozent  und 58 Prozent dieser Rechtsextremen stimmten, wenn Sonntag gewählt würde für die FPÖ, 17 für die SPÖ, 1 für die ÖVP.

Dennoch sieht Kranebitter, in seinen Ergebnissen „keinen Anlass zu Alarmismus“- vielleicht, weil Hysterie immer verfehlt ist, wenn es um den Kampf gegen politische Risiken geht. Dennoch scheint mir dieser Kampf dringlich. Ich bleibe bei der Überzeugung, dass heute wie in den Dreißigerjahren die wirtschaftliche Situation  Hauptgrund für die Rechtsverschiebung ist: Damals war es manifeste Arbeitslosigkeit – heute ist es die Angst vor ihr. Damals war es die absolute Not – heute ist es das Erleben eines wachsenden Abstands zum Mittelstand. Natürlich geht es selbst dem ärmsten Österreicher fantastisch im Vergleich zu einem Bulgaren – aber an dem misst er sich nicht. Er misst sich am Mittelstand und an einer Vergangenheit, in der er auf dieser Stufenleiter weiter oben stand.

Vor allem anderen bauchte es daher eine EU-Politik die das immer weitere Auseinanderklaffen zwischen einer winzigen Kaste Hyperreicher und einer gut 25 Prozent großen, wachsenden Schicht Abgehängter beendet. Diese Abgehängten sind die typischen FPÖ -Wähler, auch wenn derzeit Millionäre mit der FPÖ liebäugeln, weil ihnen ihr Wirtschaftsprogramm mit seiner strikten Ablehnung vermögensbezogener Steuern wie das der ÖVP zum Vorteil gereicht, während es der beschriebenen Unterschicht und mit ihr FP-Wählern nur Nachteile beschert. Aber Herbert Kickl ist wie keiner andere in der Lage, ihnen vorzugaukeln, dass er auf ihrer Seite stünde, indem er gegen „Ausländer“ und „Eliten“ schäumt – und leider gibt es keinen entfernt so begabten Gegenspieler. Gleichzeitig ist es ihm, wie Donald Trump, gelungen, seriöse  Medien bis hin zum ORF bei der Bevölkerung auf eine Weise in Verruf zu bringen, die sich in Kranebitters Studie so niederschlägt: 51 Prozent der Befragten ist der Meinung, die Bevölkerung würde von Medien „systematisch belogen“.

Vielleicht ist das ein Anlass den achtzigsten Geburtstag eines Kollegen zu feiern, der in der Lage ist, Rechtsextremismus zumindest mit der Reichweite des Standard zu kritisieren: Hans Rauschers „Einserkastl“ ist, wovon immer es handelt, ein Plädoyer für die „offene Gesellschaft“ und gegen die Geisteshaltung der FPÖ. Gerade weil er Politik  zeitlebens unvoreingenommen analysiert hat, ist seine Kritik an ihr so treffend: Die FPÖ ist eine blendend vermarktete, wirtschaftlich besonders unfähige, asoziale Partei, deren ökonomische Bestleistung im Rahmen der schwarz-blauen Koalition in einer Krankenkassenreform bestand, die eine Milliarde einbringen sollte und bisher Mehrkosten von 215 Millionen verursacht hat, nachdem die dafür verantwortliche Sozialministerin Beate Hartinger-Klein ihre besondere finanzielle Kompetenz mit der Erklärung offenbart hatte, dass man von 150 Euro monatlich blendend leben könne. Rauscher weiß dergleichen mit dem nötigen Humor vorzutragen, während bei mir die Galle überwiegt. Er dürfte einen ehrenden Spitzenplatz auf Kickls Fahndungsliste einnehmen.

 

 

 

 

 

 

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Reale Grundsteuern als Budget-Rettung? 

Karl Nehammer kann sich höhere Grundsteuern vorstellen. Sie sind keine „neuen Steuern“, so dass die ÖVP ihr Gesicht wahrte. Durchführung und Ertrag bleiben ein Problem.

 Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Karl Nehammer kann sich zwar keine Vermögens- und keine Erbschaftssteuer, wohl aber höhere Grundsteuern vorstellen. Tatsächlich können nur sie einen Teil der Milliarden erbringen, die mindestens nötig sein werden, wenn die künftige Regierung ein Budget erstellen will, das den Forderungen der EU entspricht und mit den wirtschaftlichen Problemen zu Rande kommt, die auf uns zukommen: Wir befinden uns bereits mitten in einer Rezession; Deutschlands Autoindustrie und deren österreichische Zulieferer erleben bereits eine existentielle Krise; aber in Zukunft droht ihnen auf dem für sie wichtigsten Markt, den USA, ein Zoll von 50 Prozent.

Damit zurück zur Eingangsnachricht: Sie wurde zwar nicht falsch, aber irreführend verkündet. Eine „Vermögenssteuer“, die exakt diesen Namen trägt und jedes Vermögen, von Geld über Immobilien bis hin zur Briefmarkensammlung umfasst, gibt es meines Wissens nur mehr in der Schweiz. Überall sonst meint man mit „Vermögensteuern“ vermögensbezogene Steuern und deren überall wichtigste ist weit vor der Erbschaftssteuer die Grundsteuer. Grundsteuern haben wir schon, so dass die ÖVP ihr Versprechen „keine neue Steuer“ einzuführen, formal halten kann. Nur ist Österreichs Grundsteuer anders als im Rest der Welt lächerlich gering, denn sie bemisst sich nach den sogenannten „Einheitswerten“, die trotz Verdreifachung im Jahr 1973 mit dem Verkehrswert fast nichts zu tun haben: Oft liegt er über dem Zehnfachen des Einheitswerts. 2008 führte diese Divergenz dazu, dass der Verfassungsgerichtshof einem Kläger Recht gab, der in der Erbschaftsteuer ein Instrument der Ungleichbehandlung sah, denn jemand, der ein Grundstück im Wert von 5 Millionen erbte, zahlte eine lächerlich geringe Erbschaftssteuer, während sie für jemanden, der 5 Millionen in bar erbte und kein Verwandter des Erblassers war, 60 Prozent erreichte. Der VGH trug der Regierung die Reparatur dieses Fehlers auf, aber die ÖVP war dazu nicht fristgerecht bereit und so haben wir seither keine Erbschaftsteuer und weiterhin grotesk niedrige Einheitswerte. Sie sind nicht nur niedrig, sondern werden der Grundsteuer außerdem auf überaus komplizierte Weise, mit vielen Ausnahmen und möglichen Einflussnahmen der zuständigen Gemeinden, zugrunde gelegt: Die Gemeinden können einen „Hebesatz“ festlegen, der Mehreinnahmen zulässt, aber es gibt dafür keine klare  Regel. Derzeit erlösen die Gemeinden aus Grundsteuern nur gerade 800 Millionen Euro. Eine problemlose Möglichkeit, diese Steuer adäquater zu gestalten, hätte darin bestanden, die Einheitswerte „wertgesichert“ mit der Inflation zu erhöhen: Dann läge der Ertrag heute um die zwei Milliarden, die dem Bund insofern zu Gute kämen, als er den Gemeinden dann im Wege des Finanzausgleiches entsprechend weniger überweisen müsste. Doch die Wertsicherung wurde versäumt.

Die Grundsteuer jetzt dennoch so zu gestalten, dass sie mehr einbringt, stößt leider auf etliche Hürden. So zahlt sie derzeit nicht, wie das logisch wäre, der Eigentümer einer vermieteten Wohnung, sondern er kann sie als Teil der Betriebskosten dem Mieter verrechnen, sodass ihre Erhöhung höhere Mieten bedingte. Schon mittelfristig brächten höhere Grundsteuern Mietern allerdings Vorteile: Es wäre dann nicht mehr möglich, Grundstücke zu horten, bis sie den maximalen Preis erreichen. Baugrund stünde rascher und billiger zur Verfügung so dass er auch rascher und billiger verbaut werden könnte. Man muss das künftige Mietrecht also zwar ändern, aber das kann nicht nur zu Lasten der Vermieter gehen.

Am schwierigsten ist freilich die Festlegung neuer, dem Verkehrswert angenäherter  Einheitswerte. Den geringsten Aufwand erforderte ein Gesetz, das sie verzehnfachte, so wie man sie verdreifacht hat – aber mit dem Zusatz, dass jeder, der die neue Bewertung unzutreffend findet, sie gerichtlich anfechten kann und die Kosten erstattet erhält, wenn er gewinnt. Das Problem: Der VGH könnte die Verzehnfachung im Gegensatz zur Verdreifachung als mit dem bisherigen Gesetz nicht mehr vereinbar ansehen.

Verzichtet man deshalb auf diese einfache Möglichkeit, bleibt nichts anderes übrig, als die Einheitswerte völlig neu festzulegen, wobei es die seinerzeit dafür zuständigen Abteilungen nicht mehr gibt. So sinnvoll die Neufestlegung auch ist – WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller sieht darin eine nachhaltige Strukturverbesserung- so relativ aufwendig und langwierig ist sie leider. In Fachkreisen wird daher auch eine wenig aufwendige Variante der Besteuerung großer Vermögen diskutiert: Man könnte den Zeitraum für die vorzeitige „Abschreibung für Abnutzung“ (AfA) einer Immobilie von 65 Jahren auf 100 Jahre erstrecken, so dass statt eines Fünfundsechzigstel des Kaufpreises jedes Jahr nur mehr ein Hundertstel steuermindernd geltend gemacht werden könnte.

Am leichtesten wäre es freilich, zuerst eine rasch administrierbare Erbschaftsteuer mit einer Million Euro Freigrenze und dann, wie in allen Ländern, weniger komplizierte substantielle Grundsteuern einzuführen, die tatsächlich die Milliarden erlösen, die man braucht, um nicht nur unser Budgetdefizit, sondern voran die Steuern auf Arbeit zu reduzieren. Aber ÖVP und leider auch Neos wollen die Vermögensverteilung, exakt wie die FPÖ, so wenig wie möglich verändern. Und nicht einmal dieser Gleichklang mit Herbert Kickl stimmt sie nachdenklich.

 

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Wie kann das Team Nehammer II überleben?

Die nächste Regierung steht vor der ökonomisch schwierigsten Situation seit den Nachkriegsjahren. Ihre einzige Chance ist engste Kooperation – intern wie gegenüber der EU.

Die EU glaubt, verhindern zu können, wozu Donald Trump sie mit 20 Prozent Zoll auf alle Waren und 50 Prozent auf deutsche Autos zwingen will: nämlich sich adäquat zu verschulden. Doch ich zweifle, dass er entscheidend nachgibt: Er wird nicht einsehen, warum sich die USA mit 219.000 Milliarden Dollar jährlich verschulden sollen, um voran deutsche Autos zu kaufen, die dank inadäquat zurückgehaltener  Löhne billiger als US-Autos sind. Daher sehe ich auf die nächste Regierung die größten Wirtschaftsprobleme seit den Nachkriegsjahren zukommen: Mit diesen Zöllen konfrontiert, soll sie bekanntlich auch noch Milliarden einsparen, um der 60 Prozent Staatsschuldengrenze näher zu kommen. Theoretisch wäre es das Beste, diese Aufgabe einer geduldeten FPÖ-Minderheitsregierung zu überlassen, um vorzuführen, wie wenig sie, die ständig alles kritisiert, dem gewachsen wäre, begibt sich Herbert Kickl mit seiner strikten Ablehnung vermögensbezogener Steuern doch der einzigen Möglichkeit, die nötigen Milliarden relativ schmerzlos aufzutreiben. Aber praktisch richtete Kickls Regierung Österreich restlos zu Grunde und so muss man es anders probieren: Die auszuhandelnde Regierung Karl Nehammer II ist zum Erfolg verdammt!

Die nächste deutsche Regierung, die sich in einer fast so schlechten Lage befindet, kann mit Zweidrittelmehrheit ihre größte Belastung, die in der Verfassung verankerte Staatsschuldenbremse, außer Kraft setzen – wir haben sie zwar nicht in der Verfassung verankert, können sie aber auch nicht demonstrativ außer Kraft setzen. Die Regierung muss der EU-Kommission vielmehr unsere besondere Notlage plausibel machen und gemäß den neuen, flexibleren Fiskalregeln sollte das möglich sein. Besteht Brüssel fortgesetzt auf  maximal 3 Prozent Budgetdefizit und Annäherung an die Staatsschuldengrenze, ist Hopfen und Malz verloren: Die Regierung kann dann nur nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige tun und die Schuldengrenze überschreiten.

Dass sie aus drei Parteien besteht, muss kein Hindernis sein: Das Wissen, dass sie zum Erfolg verdammt ist sollte einen. Wäre ich Nehammer, nähme ich sogar die Grünen mit an Bord, um die überparteiliche Einheit zu betonen. Gleichzeitig sollte es einen fixen „Regierungssprecher“ geben, der keiner der vier Parteien angehört und etwas von Wirtschaft versteht, um der Öffentlichkeit, was immer die Regierung tut, zu erklären. Das hätte zwei Vorteile: Die Regierung spräche im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Stimme und die vier Parteichefs widerstünden der Versuchung, sich gegeneinander zu „profilieren“. Sehr schnell könnte dieser Regierungssprecher zwei sehr populäre Leistungen verkünden: Er könnte erklären, warum man, indem man sie wie fast alle Länder mit einem Dreiersenat besetzt, die optimale Bundesstaatsanwaltschaft geschaffen hat -denn Karoline Edtstadler, die ein einziges Mitglied wollte, ist nicht mehr an Bord. Und er könnte erklären, wie gut ein endlich parteiunabhängiger Stiftungsrat die Unabhängigkeit des ORF sichert. Bezüglich der  entscheidenden Wirtschaftspolitik erzielte man wahrscheinlich rasch Einigkeit darüber, das Budget nach Einsparungsmöglichkeiten, allenfalls Überförderungen, abzuklopfen. Nur dass man bald feststellte, wie wenig das – die Anhebung des Pensionsalters und ein Durchforsten des Föderalismus als Langfristprojekte ausgenommen – bringt, wenn man die Kaufkraft nicht gefährlich reduzieren will.

Ausreichend rasch und dennoch nachhaltig werden Milliarden nur frei, wenn man vermögensbezogene Steuern beschließt. Soeben wurden sie selbst von den gewiss nicht linken G20 gefordert, um die weltweit dramatische Ungleichheit abzubauen, die nicht nur die Demokratie gefährdet, sondern wirtschaftsfeindlich ist: So wie im Feudalismus einige Wenige, die über riesige Güter verfügten, ungleich weniger aus dem Boden herausholten als die vielen Bauern, auf die er aufgeteilt wurde, verwalten Hyperreiche ihre Vermögen schlechter: Elon Musk setzte beim Umbau von Twitter zu X 30 Milliarden Dollar in den Sand, weil es ihm auf diesen Klacks nicht ankam. Es soll geniale Unternehmer wie ihn geben, aber wenn Vermögen nicht derart auf sie konzentriert wäre, gäbe es mehr davon.

Österreichs Vermögensverteilung unterscheidet sich wenig von der der USA: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 39 Prozent des Gesamtvermögens und schon weil es bereits so viel besitzt, kauft es nicht so viel ein – aber nur wenn möglichst viel eingekauft wird, kann möglichst viel verkauft werden und wächst die Wirtschaft optimal. Anders als selbst die USA hat Österreich jedoch die nach Mexiko und der Slowakei niedrigsten vermögensbezogenen Steuern der Welt. Ziel muss daher sein, eine adäquate Grundsteuer und wieder eine Erbschaftsteuer einzuführen, um die Steuern auf Arbeit entsprechend zu senken. (Reichte der Betrag nur, die Forderungen Brüssels zu erfüllen, wären beide zu gering bemessen.) Beate Meinl-Reisinger schien die Notwendigkeit dieser Umverteilung einen Moment lang zu verstehen, Karl Nehammer verstand, dass der Staat, statt nur sparsamer zu agieren, das Wirtschaftswachstum befördern muss – und das geht nur mit dem Geld aus vermögensbezogenen Steuern. Sollten Neos und ÖVP dennoch an ihrer apodiktischen Ablehnung solcher Steuern festhalten, lehnte ich, wäre ich Andreas Babler, die Beteiligung der SPÖ an der Regierung ab – dann möge wenigstens eine FP-VP- Regierung scheitern.

 

 

 

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Inflation strafte Nehammer wie Biden

Geschichte kann sehr ungerecht sein: Karl Nehammer konnte so wenig für die überdurchschnittliche Inflation, wie Jo Biden – beiden bescherte sie Wahlniederlagen.

 Auch bei der steirischen Wahl hat die überdurchschnittliche Inflation, die Österreich heimsuchte, laut Nachwahlbefragung eine wesentliche Rolle für das Debakel der ÖVP wie der Grünen gespielt: in ihr wird bei jeder Wahl das zentrale Versagen der Regierung Karl Nehammers gesehen. Zu Unrecht: Die überdurchschnittliche Inflation rührt so gut wie ausschließlich davon her, dass Österreich überdurchschnittlich von russischem Gas abhängig war, und das verantworten ausschließlich vorhergehende Regierungen. Den letzten Vertrag, der diese Abhängigkeit für 40 Jahre fortschrieb, unterzeichnete die OMV unter dem Applaus von Sebastian Kurz und damals noch Heinz Christian Strache als Obmann jener FPÖ, die jetzt derart vom angeblichen Versagen Nehammers profitiert. (Erst jetzt kann dieser Vertrag vielleicht aufgelöst werden, weil Russland die Lieferung unterbrach.)

Im Internet kann man bei der deutschen „Zentrale für politische Bildung“ ein Schaubild abrufen, aus dem man die Abhängigkeit der EU-Staaten von russischem Gas bis 2020 ersehen kann -ich kann es hier zwar nicht wiedergeben, wohl aber beschreiben: Die größte, so gut wie hundertprozentige Abhängigkeit verzeichnen die Staaten des ehemalige Ostblocks, danach folgt mit 80 Prozent Österreich, das in diesem Schaubild leider nicht berücksichtigt ist, aber die Zahl ist unbestritten, dann folgt Deutschland mit 65 Prozent – die geringste Abhängigkeit weist Spanien auf, das damals null russisches Gas bezog. Exakt so verhielt es sich mit der Inflation: am Geringsten war sie in Spanien, am höchsten im ehemaligen Ostblock, und überdurchschnittlich hoch, der überdurchschnittlichen Abhängigkeit von russischem Gas entsprechend, war sie in Österreich, mit Abstand gefolgt von Deutschland. Man könnte die Schaubilder von Gas-Abhängigkeit und Inflation übereinanderlegen, und sie wären so gut wie deckungsgleich. Das Management der Inflation spielte dem gegenüber kaum eine Rolle und gelang Österreich im Detail sogar besser als Deutschland. So warf die FPÖ der Regierung vor, nicht wie Deutschland die Treibstoffsteuer zu senken, aber eben das kostete den deutschen Fiskus 3,5 Milliarden Euro, denn die relativ wenigen Tankstellenketten gaben nur einen Teil der Steuersenkung weiter und behielten den Rest für sich. Die Forderung der FPÖ war, wie meist, falsch.

Nicht nur die FPÖ sondern auch die SPÖ forderten bekanntlich auch dingend, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu senken, wie Spanien das weise getan hätte. Die Regierung unterließ es angesichts der deutschen Treibstofferfahrung, weil man zweifelte, dass der Nahrungsmittelhandel, der in Österreich von nur drei Anbietern dominiert wird, die Ermäßigung weitergeben würde. In Spanien gab er sie weiter, weil dort zahlreiche Nahrungsmittelketten miteinander konkurrieren. Dass der so falsche und in der Folge so wahlentscheidende Vorwurf des schlechten Inflationsmanagements von der Regierung Nehammer nie bestritten wurde, indem man die gleichen Grafiken wie ich gegenüberstellt, ist mir ein Rätsel – oder richtiger: einer von mehreren Belegen dafür wie schlecht er sich ökonomisch beraten lässt. Nicht minder versagt hat die Wirtschaftsberichterstattung, die das  ebenfalls unterließ und Österreichs „überdurchschnittliche Inflation“ etwa im ORF stets vorwurfsvoll ins Treffen führte. Übrigens wäre es jetzt ebenso unseriös, kreidet ich vorangegangenen Regierungen die hohe Abhängigkeit von russischem Gas  als Kardinalfehler an: Österreich muss mit der VOEST einen der erfolgreichsten Stahlproduzenten mit Energie versorgen, und da war russisches Gas die preisgünstigste Möglichkeit. Die USA haben zwar stets vor der einseitigen Russland- Abhängigkeit gewarnt,  aber das schien nur ihrem Interesse zu entsprechen, ihr Fracking-Gas zu verkaufen.

Tatsächlich hat dieses Interesse einen gewissen Anteil daran, dass sich Russland und die OPEC 2020 noch vor dem Ukraine Krieg, aber von Wladimir Putin in dessen Vorbereitung auf jene massive Kürzung der Öl und Gasförderung einigten, die die Explosion des Öl/ Gas- Preises auslöset. Denn zuvor war es den USA immer gelungen, diesen Preis moderat zu halten, indem sie den Saudis drohten ihnen weniger Waffenhilfe zu leiste. Ab durch Fracking selbst zum weltgrößten Öl/Gasproduzenten geworden, war diese Drohung 2020  ersten nicht so energisch wie sonst ausgefallen weil man selbst vom höheren Preis profitierte und zweitens konnte Saudi-Machthaber Mohammed bin Salem drohen, sich Russland zu nähern. Jedenfalls war die damalige Preiserhöhung auch Auslöser der explodierenden Inflation in den USA, auch wenn später massive Lohnerhöhungen unter Donald Trump wie Joe Biden hinzutraten. Doch obwohl die Schuld daran Joe Biden nur höchst indirekt trifft, war diese Inflation zweifellos ein wesentlicher Grund dafür, dass die Demokraten die Wahl gegen Trump verloren, obwohl Biden mit seinen hohen Investitionen in den Klimaschutz und die US-Infrastruktur eine optimales Programm zur Stärkung der US-Wirtschaft in Gang gesetzt hatte ohne ihre Verschuldung so drastisch wie Trump zu erhöhen, denn dessen übertrieben Senkung der Körperschaftsteuer auf 21 Prozent hatte er auf 26 Prozent korrigiert. Die USA wären mit Biden bzw. Harris einer glänzenden wirtschaftlichen Zukunft entgegengegangen, ohne den Rechtsstaat zu gefährden. Aber die Wirtschaftsgeschichte kann leider sehr ungerecht sein – vor allem wenn das Wahlvolk sehr wenig von Wirtschaft versteht.

 

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Wie viel Förderung verdient die Kultur?

Österreich sieht in Kultur eine nötige  Leistung des Staates und gibt dafür viel Geld aus.  Gründe, warum das die Durchforstung des Förderdschungels überstehen sollte.

Es gibt derzeit nicht viele Ereignisse, über die man besonders erfreut berichten könnte. Ich habe soeben dennoch ein solches erlebt: Weil das meine einzige Chance war, noch zu Karten zu kommen, habe ich die Jugend-Vorstellung des Musicals „Anatevka“ an der Volksoper um 11 Uhr Vormittag besucht und bin daher mit lauter Zehn- bis Fünfzehnjährigen zusammengesessen.

Mehr Begeisterung eines Publikums habe ich nie erlebt.

Dabei gehört Anatevka innerhalb der Musicals zur „Hochkultur“. Jungen Leuten, die keine Ahnung von einem jüdischen Schtetl haben, ein solches nahezubringen, ist auch für sich hohe Kunst. Die leistet eine Inszenierung des Amerikaners Matthias Davids aus dem Jahr 2003, die jetzt nur wieder aufgenommen wurde. Aber manchmal ist es geradezu erholsam, wenn ein Regisseur sich nicht, wie derzeit fast jeder, bemüht, ein Stück „ganz anders als je zuvor“ zu inszenieren, sondern wenn der Respekt vor einem sehr guten Stück – und das ist Anatevka von Jerry Bock abseits der sehr guten Musik – überwiegt.

Dazu kamen grandiose Bühnenbilder von Mathias Fischer-Dieskau, die das jüdische Schtetl Anatevka mit seiner Fröhlichkeit bei Sonnenaufgängen so perfekt illustrierten wie seine Armut, die seine lehmige Dorfstraße angesichts einer drohenden Vertreibung in einen blutigen Sonnenuntergang führen lässt – immer ist der Bezugspunkt der Perspektive fühlbar. Dazu kommt das großartige Ballett, das Staatsoper und Volksoper gemeinsam haben: Da sind russische Tanzfreude und russische Musikalität so gegenwärtig wie jüdische Tanzfreude  und jüdische Musikalität – die Tänzerinnen und Tänzer „verkörperten“ sie, Die Besetzung der vielen Rollen ist tadellos, aber das Erlebnis dieser Aufführung ist, wie auch alle Kritiken sagen,  Cornelius Obonya, der die Rolle des Milchmanns Tevje als Einspringer übernahm: Es ist so, als ob Tevje soeben aus dem russischen Anatvka ausgereist und in Wien eingereist wäre, wo er die Bühne der Volksoper mit seiner Heimatschtetl verwechselt. Obonya ist Tevje. Wenn er singt, wie es wäre, wenn er einmal reich wär, dann träumt man diesen unerfüllbaren Traum mit ihm und weiß gleichzeitig wie er, dass das wirkliche Glück etwas ganz anders ist. Obonya, der anders als viele Darsteller Tevje kein Jude ist, spricht die Sprache der Juden die ich kenne, ohne je zu jiddln und beherrscht den jüdischen Witz wie ich ihn nur bei Simon Wiesenthal erlebt habe, wenn er erzählt: Sagt der Blau 1939 zum Grün: „Hast schon g`hört, der Kohn hat sich umbracht“, antwortet der Grün, „na ja, wann ma kann a Sach` verbessern.“.

Alle Schüler, die diese Vorstellung gesehen haben, wissen jetzt, wie Juden sein können und da es sich um österreichische Schulklassen gehandelt hat, waren sicher Moslems unter ihnen. Keiner davon, so bin ich überzeugt, ließe sich dazu verhetzen, wie in Amsterdam, auf jüdische Fußballfans loszugehen. Er erinnerte sich an Tevje.

In Österreich, um einmal etwas extrem Positives über dieses Land zu sagen, haben die bisherigen Regierungen in Zunehmendem Ausmaß erkannt, dass Kultur ein Angebot ist, für das der Staat ebenso zu sorgen hat wie für innere Sicherheit, funktionierende Spitäler oder intakte Brücken. Ich kenne kein anderes Land, wo so viele Bühnen subventioniert werden, wo im Sommer in jedem dritten Dorf Theater gespielt wird und es zugleich so viele Festivals gibt. Österreich wird seinem Anspruch, „Kulturnation“ zu sein, wird rundum gerecht und gibt dafür im Wege verwirrender „Förderungen“, die derzeit „auf ihre Notwendigkeit hin“ überprüft werden, viel Geld aus. Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen ausnahmsweise begreifen, dass das Streichen kultureller Förderungen, ganz sicher kein Weg ist, der Wirtschaft auf die Beine zu helfen, auch wenn in Kultur investierte Geld, ausgenommen die „Salzburger Festspiele“ und  die „Staatsoper“ und „Burg“ fast nur inländisches Geld einbringt, das auch sonst ausgegeben würde,  auch wenn eine gewisse Umweg-Rentabilität im Fremdenverkehr hinzutritt.

Was dieses Geld dennoch bringt ist Freude und ist Befassung mit Kunst als schöpferischem Akt. Dazu sollte man wissen, dass der schöpferische Akt des Künstlers dem schöpferischen Akt des Wissenschaftlers in höchstem Maße ähnelt: Wagemut, Phantasie und Innovation sind die wichtigsten Qualitäten für große Kunst wie große Wissenschaft. An der Wissenschaft aber hängt der Fortschritt der Technik, die letztlich entscheidend für den Fortschritt der Wirtschaft ist,

Einer der besten und produktivsten Physiker der Welt, der Altösterreicher Leo Szillard (er zeichnete für den Einstein-Szillard -Kühlschrank, das Elektronenmikroskop und die Nutzung der Kernenergie verantwortlich, und war zugleich einer der Heroen der Friedensbewegung, weil er von der US-Regierung -leider vergeblich- gefordert hatte, einen militärischen Gegner zuerst einmal dem Abwurf einer Atombombe in einer unbewohnten Wüste beizuwohnen, ehe man sie wirklich einsetzt) meinte mir gegenüber über einen uns gemeinsam bekannten Durchschnittsphysiker: „Zu einem wirklich großen Physiker fehlen ihm Intuition und Phantasie „. Alle großen Physiker, die ich kannte, bestätigen das. Österreichs größten wirtschaftlichen Erfolg, das LD-Verfahren zur Herstellung hochwertigen Stahls verdankt es sechs physikalisch begabten Ingenieuren, die vor allem eines hatten: Phantasie und Intuition.

 

 

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Chronist einer roten Eiterbeule

Hans Pretterebner war idealer Ghostwriter eines brillanten Presseanwalts, der mit „LUCONA“ den unglaublichsten Kriminalfall in der Ära roter Polit-Justiz aufdeckte.

Hans Pretterebner ist tot. Mit dem Buch „Der Fall Lucona“ beschrieb er das unglaublichste Verbrechen der Nachkriegsschichte. Unglaublich in seiner Brutalität: Udo Proksch, alias Serge Kirchhofer sprengte mit dem Schiff Lucona auch dessen Mannschaft in die Luft. Unglaublich durch die engen Beziehungen Pokschs zur SPÖ. Und unglaublich wegen des Verlaufs des Strafverfahrens: Obwohl gar nicht so lang nach der Tat im Jahr 1977 massive Verdachtsmomente vorlagen, wurde Proksch erst 1992 wegen sechsfachen Mordes verurteilt.

Die Vorgeschichte: Proksch, Zuwanderer aus einer nationalen deutschen Familie machte viel Geld als Brillendesigner. Dank witziger todernst vorgetragener Vorschläge zur „Senkrechtbestattung“ und beträchtlichem Exhibitionismus erlangte er eine gewisse Berühmtheit in der Wiener Szene: Es störte ihn nicht, dass man erzählte, er pisse vor Freundinnen ins Zimmer oder schieße in Wände und Decke.

Ich lernte ihn durch meinen, leider wie Proksch alkoholabhängigen, sensiblen profil Kollegen Reinhard Tramontana kennen, der ihn als Genie verehrte und für die Schönheit seiner Frau bewunderte. Zumindest sie, die Schauspielerin Erika Pluhar, bewunderte ich auch – umso verblüffter war ich, als ich Proksch erstmals sah: Klein, aufgedunsen, mit schmutzigen Fingernägeln wirkte er auf mich nur abstoßend und was er von sich gab, sprach nur für seine NS-Sozialisation. Aber damit stand ich alleine da: Nicht nur Tramontana hielt ihn für genial.

Tatsächlich genial war seine Idee, nach Oben gelangten roten Politikern mit der Gründung des „Club 45“ oberhalb der Konditorei Demel die Sehnsucht nach bürgerlicher Noblesse zu erfüllen: Ein „Herrenklub“ mit erlesenem Mobiliar samt Escort-Damen. Mitgründer und idealtypisches Mitglied war Wiens Bürgermeister Leopold Gratz, der einen Jaguar statt eines Mercedes fuhr und Whisky statt Wein trank. Bruno Kreisky und Heinz Fischer waren die einzigen roten Granden, die den Club nur einmal besuchten, für die anderen war er politischer Treffpunkt mit der Chance auf galante Abenteuer im Separee, die Proksch durch ein Guckloch filmte.

Vergleichbar perfide plante er seinen kriminellen Coup: Laut Papieren belud er den Frachter Lucona gemeinsam mit seinem Freund Hans Peter Daimler mit einer Uranaufbereitungsanlage, die er im Gegenwert von 15,4 Millionen Euro bei der „Bundesländer“ versicherte. Als die Lucona an einer der tiefsten Stellen des Ozeans sank, hatte er allerdings das Pech, dass sechs von 12 Matrosen wie durch ein Wunder gerettet wurden. Die Erzählung eines dieser Geretteten weckten bei der „Bundesländer“, Zweifel an der Zufälligkeit des Unglücks: Sie engagierte den Rechtsanwalt Werner Masser, um den Fall zu überprüfen.

Jemand besseren hätte sie dafür nicht finden können:  Ich kannte Masser als Anwalt des profil, für das er die heikelsten Prozesse gewonnen hatte und später erreichte er beim Europäischen Gerichtshof die Aufhebung des Urteils, mit dem ich der Ehrenbeleidigung an Bruno Kreisky schuldig gesprochen worden war, weil ich sein Verhalten in der Causa Wiesental „ungeheuerlich“ genannt hatte. (Das EuGH-Urteil erlangte presserechtliche Grundsatzbedeutung). Ähnlich erfolgreich agierte Masser in der Causa Lucona: Er fand heraus, dass die angebliche Uranaufbereitungsanlage aus Teilen eines Plastikextruders bestand, den Proksch zur Fertigung von Brillen verwendet hatte, dazu aus Teilen einer Bergbauanlage sowie von Bundesheergeräten, die er von Verteidigungsminister Karl Lütgendorf geschenkt bekommen hatte. Als Masser schließlich herausfand, dass Proksch sich bei einem Bundesheer-Experten eingehend über Sprengungen und Zeitzünder informiert hatte, ergab sich für ihn, zusammen mit der Erzählung eines geretteten Matrosen, der einen Knall gehört haben wollte, das ziemlich klare Bild eines fast perfekten Verbrechens.

Gerald Freihofner in der Wochenpresse und ich im profil vermochten dieses Bild Woche für Woche nachzuzeichnen, gab uns Masser doch jede seiner Recherchen samt Belegen weiter. (Er schlug mir auch vor, sie zu einem Buch zu verarbeiten, aber ich lehnte ab, weil ich bei der Beurteilung der SPÖ nie so unbefangen wie der spätere FP-Abgeordnete Pretterebner gewesen wäre.)

Das Phantastische war nur: Obwohl Wochenpresse und profil Proksch durch Jahre offen des Mordes ziehen, leitete die Staatsanwaltschaft unter Justizminister Christian Broda kein Verfahren gegen ihn ein. Nur für mich war das nicht wirklich erstaunlich, hatte sie es bei Kriminalfällen, die die SPÖ in Verlegenheit bringen konnten, doch noch nie getan. Auch Brodas FP-Nachfolger Harald Ofner in der rot-blauen Koalition Fred Sinowatz‘ fand „die Suppe zu dünn“ für eine Anklage. Erst unter dem parteilosen Rechtsgelehrten Egmont Foregger als Justizminister der Regierung Franz Vranitzky kam es endlich zu einem Strafverfahren und Prokschs Verhaftung, nachdem ein Tauchroboter Sprenglöcher der Lucona zu filmen vermochte. Dennoch versuchte Leopold Gratz, Proksch mit Dokumenten über den Kauf einer Urananlage zu helfen, die sich als Fälschungen herausstellten und Ähnliches tat Innenminister Karl Blecha, um das Verfahren zu verzögern. Die widerrechtliche Enthaftung ermöglichte Proksch sogar die Flucht, bis er 1989 wieder verhaftet und 1992 verurteilet werden konnte.

Eine eindringlichere Begründung für eine parteiunabhängige Staatsanwaltschaft als den Fall Lucona kenne ich nicht.

 

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Wie die EU die Rezession maximiert

Die Sparauflagen der EU maximieren die Rezession. Das Exportland Österreich steht vor extrem schwierigen Jahren. Die FPÖ regieren zu lassen, ist eine Überlegung wert.

Langsam kommen auch „Institut für Wirtschaftsforschung“ (WIFO) und „Institut für höhere Studien“ (IHS) drauf:  Österreich befindet sich mit Deutschland in einer Rezession, in der es nicht zuletzt deshalb schlechte Karten hat, weil die Lohnstückkosten seiner Exportindustrie nach der letzten Lohnrunde zu den höchsten der EU zählen.

Das „Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche“ (WIIW), das seit Jahrzehnten die präzisesten ökonomischen Prognosen abgibt, teilt auch meine hier deponierten Sorgen bezüglich der Konsequenzen zusätzlichen Sparens des Staates, wie die EU es uns derzeit abverlangt: Es beeinträchtigte unser  Wirtschaftswachstum erheblich.

WIIW-Experte Philipp Heimberger sagt darüber hinaus auch klar, was die Logik der EU sagen müsste: Wenn sie alle ihre Mitglieder gleichzeitig zum Sparen vergattert, so kumulieren die negativen Effekte und ihre Wirtschaftsleistung muss sinken. Von dieser Ansicht Heimbergers ist es nur mehr ein kleiner Schritt zu dem hier im Juni zitierten, mit Zahlen belegten Urteil des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stieglitz: “Europa spart sich kaputt“.

Folgt man den Berechnungen des Chefvolkswirts des Finanzhauses Namura, Richard Koo, so führt das, wenn man es fortsetzt, in die von ihm so benannte „Bilanzrezession“, wie sie Weltwirtschaftskrisen vorhergeht.

Ich führe das nicht an, um Sie zu erschrecken, sondern um vor Augen zu führen, dass nicht nur ich, sondern doch recht namhafte Ökonomen die Wirtschaftspolitik der EU-Kommission für gemeingefährlich halten, weil sie der von mir so oft strapazierten Saldenmechanik widerspricht: Wirtschaft kann nicht wachsen, wenn sich nicht irgendwer zusätzlich verschuldet; da Unternehmen das derzeit nicht tun, muss es der Staat sein, der auch genügend ihm zufallende Aufgaben hat: Er muss in den Klimaschutz investieren, Europas Verteidigungsfähigkeit gegenüber Russland stärken und die Leitungen ausbauen, die umfassende Digitalisierung erlauben, denn die ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Fortschritt bis hin zur künstlichen Intelligenz.

Der Österreich von der EU auferlegte Zwang, nicht nur 2,5, sondern, wie man jetzt weiß, über 3 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich einzusparen, um sich der wissenschaftlich nie seriös begründeten Staatsschuldenquote von 60 Prozent des BIP anzunähern, ist die  Krönung des diesbezüglichen Widersinns. Dass auch Italien, Frankreich, Belgien, Spanien oder Finnland mehr sparen sollen und dass alle anderen Staaten es schon bisher tun, maximiert (siehe oben) den negativen Effekt.

Gelingt es nicht, die EU-Kommission durch einen gemeinsamen Vorstoß der Betroffenen zur Besinnung zu bringen, so steht Österreich die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten bevor. Ich frage mich daher, ob es nicht das Beste wäre, ihre Bewältigung einer Regierung aus FPÖ und ÖVP unter Volkskanzler Herbert Kickl zu überlassen, halten beide Parteien die Sparpolitik der EU doch für richtig und lehnen die einzige Möglichkeit, mehr Geld für Investitionen zu erhalten, indem man die vermögensbezogenen Steuern erhöhte, aufs Energischste ab. Verbunden mit der in der Vergangenheit erwiesenen besonderen Unfähigkeit ihrer Wirtschaftsakteure müsste diese Regierung innerhalb kürzester Zeit ökonomisch so krachend scheitern, dass die FPÖ vielleicht für ein paar Jahrzehnte wieder zur Kleinpartei schrumpfte. (Ganz würde man sie nie los, denn die Österreicher neigen faschistoidem Denken und Fühlen mehr als andere Völker zu.)

Was mich davon abhält, der SPÖ ausdrücklich die Fortsetzung ihrer Opposition zu empfehlen, ist zum einen, dass ich den Österreichern zumindest krachendes ökonomisches Scheitern doch lieber ersparte, zum anderen, dass ich mich sorge, dass es Kickl gelingen könnte, Österreich in seiner Regierungszeit Orbanistan anzunähern, auch wenn ihm die Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen fehlt.

Nicht zuletzt halte ich für nicht ganz ausgeschlossen, dass eine Koalition aus ÖVP und SPÖ es doch um eine Nuance besser als Kickl machte. Denn Karl Nehammer scheint den Widersinn staatlichen Sparens zumindest zu ahnen, hat er in den jüngsten, den Sparauflagen der EU folgenden Diskussionen, doch dafür plädiert, besser das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Allerdings brauchte es auch dafür staatliches Geld und die einzige Möglichkeit, es trotz Maastricht zu erhalten, bestünde darin, die vermögensbezogenen Steuern (nicht nur die Erbschaftssteuer) zu erhöhen und damit die Senkung der Steuern auf Arbeit zu finanzieren, denn damit verbesserte man jedenfalls die Wirtschaftsstruktur.

Beate Meinl-Reisinger, die das in einem luziden Intervall zu verstehen schien, ist davon leider wieder abgekommen und empfiehlt stattdessen die absurde Schuldenbremse (auch wenn der Staat natürlich sparsam wirtschaften soll.)

Hätte ich es ursprünglich für sinnvoll gehalten, eine türkis-rote Regierung um die NEOs zu erweitern, um ihre Stabilität zu erhöhen, so sehe ich darin keinen Vorteil mehr – nur mehr Streit.

Es muss jemandem – ich bleibe bei der WiFO -Steuer- Expertin Margit Schratzenstaller- gelingen, Karl Nehammer vom Vorteil vermögensbezogener Steuern in Relation zu Steuern auf Arbeit zu überzeugen, während Philipp Heimberger ihn weiter darin bestärken müsste, dass Sparen des Staates der falsche Weg ist.

Wenn das nicht gelingt, verstünde ich, wenn die SPÖ die Opposition dem Regieren vorzöge.

 

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Bewältigt Türkis-Rot die Rezession?

Die FPÖ passt zu Österreich. Karl Nehammer schließt eine Koalition mit ihr unverändert aus. Jede künftige Regierung wird größte Wirtschaftsprobleme überwinden müssen.

 FPÖ-Mandatar Michael Schnedlitz hatte recht, als er meinte, Österreich hätte soeben Geschichte geschrieben: Mit 29,2 Prozent der Stimmen ist die FPÖ die stärkste rechtsextreme Partei Europas. Für diesen dramatischen Sieg sehe ich folgende Ursachen:

  • Der Anteil der Bevölkerung, der für faschistoides Denken und die Anbiederung an Diktatoren á la Wladimir Putin anfällig ist und in allen Ländern um die 25 Prozent liegt, liegt in Österreich deutlich höher. Weder der einstige Erfolg Adolf Hitlers noch der aktuelle Erfolg der FPÖ sind zufällig.
  • Überall in Europa, aber für diese Österreicher ganz besonders, ist die Zuwanderung aus sehr fremden Kulturkreisen besonders schwer zu verkraften, zumal sie große reale Probleme aufwirft: Sie drückt auf die Löhne, verschärft den Kampf um Sozialleistungen und überfordert vor allem das öffentliche Schulwesen: Wer seine Kinder nicht in Privatschulen schicken kann, erlebt, dass sie eine immer schlechtere Ausbildung erhalten, weil in Wien oft die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Alle diese Nachteile sind für die unteren sozialen Schichten, aus denen sich das Gros der FP-Wähler rekrutiert, besonders gravierend.
  • Die gleichen unteren Sozialschichten haben durch die unglückliche Wirtschaftspolitik der EU in den letzten fünfzehn Jahren beträchtliche Reallohnverluste erlitten und am meisten unter der Inflation gelitten,
  • Andreas Babler war ungeeignet, untere Sozialschichten (auch Nichtwähler) davon abzuhalten, die FPÖ vorzuziehen.

Da die ÖVP Karl Nehammer vorerst nicht in Frage stellt und er bekräftigt, dass er auf keinen Fall mit der FPÖ koalieren wird, spricht alles für Türkis-Rot, allenfalls verstärkt um die Neos, weil das die Regierungsmehrheit sehr viel stabiler machte und sie ihm wirtschaftspolitisch viel näher als die SPÖ steht. Denn welche Regierung immer wir bekommen, wird vor ökonomischen Problemen stehen, die so groß wie schon lange nicht sind: Österreich befindet sich wie sein wichtigster Handelspartner Deutschland in einer zähen systemischen Rezession. Ausgelöst wurde sie durch die EZB, die die hohen Teuerungsraten des Vorjahres rätselhafter Weise nicht auf die Preisexplosion bei Öl und Gas, sondern auf ihre lockere Geldpolitik zurückführte und mit harsch erhöhten Zinsen bekämpfte. Sie folgte damit der US-Notenbank FED bei der Bekämpfung der US-Inflation, nur dass die zwei zusätzliche Ursachen hatte: eine boomende Wirtschaft und extrem gestiegene Löhne. Was die FED tat, entsprach daher dem Lehrbuch: Die hohen Zinsen bremsten den Boom, erhöhten die Arbeitslosigkeit und erschwerten damit weitere Lohnerhöhungen. In der Eurozone, wo es weder hohe Löhne noch einen Boom gab, schwächten die hohen Zinsen die sowieso dürftige Konjunktur und bescherten Deutschland und Österreich die aktuelle Rezession. Innere Ursache für die ständig dürftige Konjunktur ist die deutsche Überzeugung, dass die Wirtschaft auch wachsen kann, wenn alle Beteiligten sparen. Dass Deutschlands Wirtschaft dennoch wuchs, lag daran, dass sie anderen Volkswirtschaften Marktanteile abjagte, indem sie dank inadäquater Löhne die preisgünstigsten Waren anbot. Doch das endete mit der immer dürftigeren Konjunktur des Euro- Raums und dem Schwächeln Chinas.

Dass sich deutsche Waren so lange so gut verkauften, ohne an Qualität gewonnen zu haben, hatte aber eine weitere Folge: Die verfettete deutsche Autoindustrie verschlief den Übergang zur E-Mobilität und befindet sich in einer existenziellen Krise. Österreich, als ihr wichtigster Zulieferer leidet zwangsläufig mit und tut sich dabei insofern besonders schwer, als auch der ÖGB die Teuerung missverstand und Lohnerhöhungen im Ausmaß der Inflation forderte: Mit 9 Prozent höheren Löhnen liegen unsere Lohnstückkosten derzeit um 7,1 Prozent über dem Durchschnitt der EU, während die deutschen 4 Prozent darunter liegen.

Das wird wirtschaftliche Erfolge unter Türkis-Rot- (Pink) in absehbarer Zeit extrem erschweren, zumal die EU nicht von „Austerity“ abgeht, sondern derzeit fordert, dass wir zusätzliche 2,5 Milliarden im Jahr einsparen. Sollte die kommende Regierung unter diesen Voraussetzungen weiter Wohlstandseinbußen mit sich bringen, haben wir in fünf Jahren eine absolute Mehrheit der FPÖ.

Die größte Schwäche der wahrscheinlichen Regierung wäre zweifellos ihre ökonomische Inkongruenz: Beate Meinl Reisinger plädiert trotz des fatalen deutschen Beispiels dafür, die Schuldenbremse anzuziehen; Karl Nehammer hofft auf Wachstum, ohne zu wissen woher; Andreas Babler denkt zwar in die richtige Richtung – höhere vermögensbezogenen Steuern machten Gelder frei – aber er will sie für alles mögliche ausgeben, statt für die Senkung der Steuern auf Arbeit. Nehammer lehnt vermögensbezogene Steuern (wie übrigens Herbert Kickl) grundsätzlich ab, Meinl Reisinger, die ihnen einen Moment lang offen gegenüberzustehen schien, wenn sie der Senkung der Steuern auf Arbeit dienten, ist davon wieder abgekommen.

Kann das Wissen, dass diese Regierung zum Erfolg verdammt ist, solche Differenzen überwinden? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ein vorurteilsloses Gespräch mit der Steuerexpertin des WIFO Margit Schratzenstaller das vermag: Niedrigere Steuern auf Arbeit, die durch höhere vermögensbezogene Steuern gegenfinanziert würden, stellten eine echte Verbesserung der Struktur der Wirtschaft dar, die die Menschen in der Brieftasche spürten.

 

 

 

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ÖVP wählen verhindert Kickl am ehesten (so schwer es mir fällt):

Ich halte Hebert Kickls Kanzlerschaft (wenig überraschend) insofern für eine substantielle Gefahr, als es ihm in fünf Jahren gelingen könnt, Österreich so umzubauen, wie es sein Vorbild Viktor Orban mit Ungarn getan hat. Erstmals ziehe ich damit in Erwägung, taktisch zu wählen:

  • Karl Nehemammer, so bin ich überzeugt, wird tatsächlich nicht Steigbügelhalter für Kickl spielen, sondern bei seinem Versprechen bleiben, nicht mit der Kickl-FPÖ zu koalieren.
  • Schneidet er bei der Wahl allerdings schlecht ab, wird die ÖVP im schlimmsten Fall nur Nummer drei hinter Andreas Babler, so wird er als Obmann abgelöst und es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass sich die Industriellenvereinigung mit ihrem Wunsch nach einer blau-türkisen Regierung durchsetzt, denn die hat ihr finanziell Gewaltiges zu bieten. Natürlich die Senkung der Körperschaftssteuer, aber darüber hinaus Steuerfreiheit für nicht entnommene Gewinne. Dass das dazu führt, dass die dann an der Börse veranlagt, statt ins Unternehmen investiert werden, wird von den Wählern so wenig bedacht, wie dass die drastische Senkung der Körperschaftssteuer in den letzten zwanzig Jahren mit ständig sinkenden Unternehmensinvestitionen einherging.
  • Je besser Nehammer dagegen abschneidet, desto sicherer ist sein Verbleib an der Spitze der ÖVP und desto weniger kommt seine Ablöse und damit eine blau-türkise Koalition in Frage. Ich halte daher für möglich, für die ÖVP zu stimmen, obwohl ich auch ihren wirtschaftspolitischen Kurs ablehne. Denn natürlich wäre es höchst sinnvoll. die vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen, um die Steuern auf Arbeit zu senken (was Babler übrigens leider nie fordert.)
  • Man kann einwenden, dass auch Johanna Mikl -Leitner versprochen hatte, nicht mit der FPÖ zu koalieren und es dann doch getan hat. Aber a) ist ein Bundesland etwas anderes als der Staat; b) hat sich Mikl-Leitner nie im Ausmaß Nehammers festgelegt und c) hat sich ihr potentieller SP-Partner besonders blöd benommen, indem er erklärte, eher würde er sich die Hand abhacken als von seinen Forderungen zu lassen.
  • Garantieren, dass Nehammer nicht dennoch umfällt oder sich wegloben lässt, kann ich trotzdem nicht, aber ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Und selbst wenn es zur blau-türkisen Koalition kommt, ist es ein Vorteil, wenn die ÖVP dort wenigstens ein relativ starker Widerpart ist.
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Wie kann der Staat sparsamer sein?

Indem Brüssel fordert, zusätzliche Milliarden einzusparen, vertieft es die Rezession. Aber man kann Geld sparsamer einsetzen. Der Föderalismus ist das größte Hindernis.

 Wer immer Österreichs nächstes Budget erstellt, tut mir leid: folgt er Brüssels Vorgabe, jährlich zusätzliche 2,5 Milliarden Euro einzusparen, vertieft er die Rezession – folgt er ihr nicht, zahlen wir Strafe. Dazu vorweg eine Klarstellung: So sicher ich bin, dass Sparen des Staates Wirtschaftswachstum kostet, so sehr soll der Staat „sparsam“ wirtschaften. Es stimmt, dass ihm das oft schwerer als privaten Investoren fällt. Im schlimmsten mir bekannten Fall, beim Bau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, betrugen die Kosten dank Korruption und zughörigen Abwicklungsfehlern mit 45 Milliarden Schilling (3,27 Milliarden Euro) das Sechsfache eines vergleichbaren Klinikums in Aachen. Allerdings hat Österreichs Wirtschaft selbst in diesem Fall keine 2,33 Milliarden Euro verloren, denn der Großteil des Geldes blieb dank der überhöhten Gewinne der beteiligten Firmen im Land und wurde von ihnen (hoffentlich sparsamer) reinvestiert: vom Staat ausgegebenes Geld kommt dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) selbst im schlimmsten Fall zugute. Staatsausgaben streng zu kontrollieren und die Abwicklung von Projekten durch den Staat tunlichst zu vermeiden, ist also höchst sinnvoll – große Staatsausgaben grundsätzlich abzulehnen, ist es nicht: Österreich schrieb in der Ära des für den Bau des AKH Hauptverantwortlichen Finanzministers Hannes Androsch ständig Budgetdefizite, doch Österreichs Wohlstand wuchs wie nie.

Das alles ist für Österreichs künftigen Finanzminister freilich irrelevant. Da wir EU-Mitglied sind, hat er Brüssels Sparvorgabe zu erfüllen. Es bleibt ihm also nur der von Karl Nehammer empfohlene Weg, Budgetposten für Budgetposten in Frage zu stellen.  Der Aufschrei derer, denen etwas weggenommen wird, wird freilich gewaltig sein, denn „Förderungen“, wie sie voran zur Diskussion stehen, sind selten sinnlos und weniger Fördergeld wird dem BIP auf jeden Fall fehlen. Um zwei große Spar-Kandidaten zu analysieren: Natürlich ist die Förderung des Klimaschutzes durch Wärmepumpen und den Umstieg auf E-Autos teuer; es war vielleicht falsch, die Förderung von Firmenautos zu beenden, während sie für reiche Tesla-Käufer vielleicht überflüssig war. Aber Förderung erfolgreich zu differenzieren ist extrem schwierig und die finanziell wichtigere Frage lautet: Schafft unsere Wirtschaft ein BIP, das uns die rasche Reduktion des CO2 Ausstoßes gestattet? Ähnlich teuer sind hohe Beamtenpensionen und absurde Pensionsverträge für Mitglieder der Nationalbank – aber es sind Verträge und wenn die Senkung gewisser Pensionen die Kaufkraft senkt, senkt das auch das BIP. Klar ist einzig: Die Pensionspolitik muss berücksichtigen, wie sehr die Lebenserwartung gestiegen ist. Ansonsten sind Eingriffe ins Pensionssystem einmal mehr extrem schwierig und am wichtigsten ist abermals: Schafft die Generation, die die Pensionen der vorangegangenen Generation finanzieren soll ein BIP, das ihr das ermöglicht?

Die Regierung sollte daher meines Erachtens lieber prüfen, was die größten „einheimischen“ Hindernisse für Wirtschaftswachstum sind. Die ÖVP wird sofort auf zu hohe Unternehmenssteuern verweisen, aber deren gewaltige Reduktion in den letzten zwanzig Jahren geht mit einem denkbar niedrigen Investitionsniveau einher. Ebenso umstritten ist, ob die Abschaffung der Lohnnebenkosten der Wirtschaft wirklich hilft, denn gleichzeitig kann sie Kaufkraft kosten und jedenfalls schafft sie ein Loch im Budget.

Mit Sicherheit nutzen würde uns hingegen, interne Hindernisse für die sparsame Allokation von Mitteln zu beseitigen und das größte davon ist überbordender Föderalismus in einem Land von der Größe Bayerns. Statt Großspitäler so zu errichten, dass sie ein maximales Einzugsgebiet versorgen, baute jedes Bundesland sein eigenes, selbst wenn es dem des Nachbarbundeslandes benachbart ist. Einige Bundesländer kennen kaum befahrene Autobahnen, weil ihre Landesfürsten sie durchzusetzen vermochten. Das Wiener U-Bahn Netz wird nicht auf nahe Ortschaften im schwarzen Niederösterreich erweitert. Die Gesundheitspolitik wird durch die Unterscheidung in Bundes- und Landeskompetenzen unendlich erschwert- bis heute hat Österreich bei einer Pandemie keine Übersicht über die jeweiligen Betten-Kapazitäten.

Am hinderlichsten sind neun verschiedene Vorschriften: Ich hatte einmal eine Firma für Heizungstechnik, deren Lizenzgeber ein großes steirisches Unternehmen war; dabei stieß ich in Wien immer wieder auf Großaufträge, die ich dem Steirer vermitteln wollte, doch deren Geschäftsführer winkte ab: „Um den Vorschriften in Wien zu genügen, müsste ich meine Leute eigens umschulen – ich bin in Wien nicht konkurrenzfähig.“  Dennoch gibt es neun verschiedene Bauordnungen; neun Naturschutzgesetze, neun Katastrophenschutzgesetze – in einigen Bundesländern werden Unwetterschäden jetzt zu 20, in andren zu 100 Prozent ersetzt; wer seine Öl-Heizung in Niederösterreich gegen Wärmepumpen tauscht wird weniger als in Wien gefördert. Selbst der Jugendschutz unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Alles was nicht ausdrücklich dem Bund vorbehalten ist, obliegt dem Land und um vielfach absurde Unterschiede zu zelebrieren finanzieren wir neun Landesregierungen. Die heilige Kuh des Föderalismus zu schlachten, wäre zweifellos am billigsten, ist aber undenkbar. Doch eine Partei, die es wagte, sie zumindest abzumagern, erhöhte ihre Chancen meines Erachtens erheblich.

 

 

 

 

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Covid 19 blüht wieder

Obwohl die Viren-Konzentration im Abwasser angeblich nicht zugenommen, hat der Herbst prompt eine neuerliche Covid19-Welle mit sich gebracht, auch wenn  nicht mehr davon gesprochen wird ist und man auch keine wirklichen Daten zur Verfügung hat, da die Krankheit nicht mehr meldepflichtig ist.

Wohl aber kann man Schlüsse daraus ziehen, wie viele Menschen in der engsten eigenen Bekanntschaft  gerade erkrankt sind und sich durch einen Test davon überzeugt haben, dass es sich um Covid 19 handelt. Auch befragte Ärzte bestätigen sofort, dass sie wieder öfter zu Patienten gerufen oder um einschlägige Rezepte gebeten werden.

Zu verdanken haben wir den Umstand, dass die Krankheit nicht verschwunden ist den Anti-Impf-Demonstrationen der FPÖ im Verein mit naiven grünalternativen Impfskeptikern, die zu einer unzureichenden Durchimpfungsrate führten, so dass keine Herdenimmunität eingetreten ist. Die blaue Mobilmachung gegen die Impfung war einmalig: Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch verstieg sich als Ärztin bekanntlich zu der Behauptung, die Intensivstationen wären nicht von Covid-19 Patienten, sondern von Impfgeschädigten überfüllt, während Herbert Kickl ein Mittel zur Entwurmung von Pferden an Stelle einer Impfung empfahl.

Dass uns Covid 19 auf diese Weise noch länger erhalten bleiben dürfte, hat sich für die FPÖ freilich mehr als gelohnt: Indem sie behauptete, das Land habe sich auf dem Weg zu einer Impf-Diktatur befunden, vermochte sie in der Zustimmung der Bevölkerung auf nie dagewesene Weise zuzulegen.  Noch einmaliger war die nachfolgende Volte: Kickl erreichte, dass sieh Karl Nehammer de facto für Fehler bei der Verhängung von „Maßnahmen“ gegen die Pandemie entschuldigte, obwohl klar ist, dass solche Fehler angesichts einer völlig unbekannten, neuen Epidemie unausweichlich sind, statt dass die Führung der FPÖ sich dafür entschuldigt hätte, dass ihre Anti-Impf -Kampagne die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet und Österreich Covid- 19 auf unbestimmte Zeit erhalten hat.

 

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Österreich drohen schwierige Zeiten

Die EU tut alles, die Rezession zu vertiefen. In Deutschland kommt die Krise seiner Autoindustrie hinzu. Wir sind ihre Lieferanten mit den höchsten Lohnstückkosten.

Beate Meinl Reisinger behauptete in den „Sommergesprächen“ zu wissen, wie der Staat erfolgreich sparen kann – Karl Nehammer behauptete, man könne fast ohne Sparen  auskommen, indem man die Wirtschaft belebt. Seither gilt er als unseriös und sie als seriös, fordert die EU doch 2,5 Milliarden jährliche Einsparung, obwohl Sparen des Staates Wirtschaftsprobleme noch nie behoben hat. Das einzige angebliche Gegenbeispiel- die Erholung Schwedens im Jahr 1993- trifft nicht zu: Nicht Austerity, sondern die Abwertung der Schwedenkrone und ein gleichzeitiges Lohn-Stillhalteabkommen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften hat Schwedens Krise beendet.

Erstmals in jüngerer Zeit gibt es jetzt eine Krise Deutschlands. Dank der Einhaltung der Schuldenbremse und der Zinspolitik der EZB befindet es sich im dritten Quartal einer Rezession, die mit einer substantiellen Krise seiner Autoindustrie einhergeht und keineswegs nur VW betrifft. Da deutsche Autoproduzenten den Produzenten anderer Länder dank inadäquater Löhne ständig Marktanteile abzujagen vermochten, wiegten sie sich in trügerischer Überheblichkeit und verschliefen die Elektromobilität. Leider stimmt das Sprichwort „wenn Deutschland Grippe hat, hat  Österreich Schnupfen“, zumal die von der EU verhängten Strafen gegen Länder, die ihre kontraproduktiven Schuldenregeln nicht einzuhalten vermögen, nun auch uns drohen. Nicht zuletzt droht uns besonderes Ungemach, weil unsere Zulieferindustrie den Problemen der deutschen Autoindustrie mit den höchsten Lohnstückkosten der EU gegenübersteht: Die Aufträge unserer Metallindustrie sind um 20 Prozent eingebrochen.

In der Vergangenheit haben auch die Regierungen der EU sich zumindest in Zeiten heftiger Konjunktureinbrüche wie „Corona“ oder der Öl/Gas-Verteuerung der Erkenntnis John M. Keynes´ erinnert, dass der Staat sich dann eben doch verschulden muss. Nur fordert die herrschende Lehre scheinbar überzeugend, diese Verschuldung jetzt schleunigst zu beenden. Doch das verkennt eine wesentliche Veränderung der ökonomischen Grundbedingungen, mit der Keynes noch nicht konfrontiert war: In der Vergangenheit haben durchwegs die Unternehmen für die zum Wirtschaftswachstum nötige Verschuldung gesorgt- doch genau das tun sie heute nicht mehr: sie verdienen genug, um Investitionen ohne Kredite zu bestreiten. Die Mehrzahl der Unternehmen ist daher von Schuldnern zu Sparern geworden. Deshalb braucht es die Verschuldung des Staates ständig, um Wachstum zu garantieren: Er muss ständig viel Geld investieren und kann das, weil er es nicht nur druckt, sondern weil eine funktionierende Wirtschaft ständig für die Deckung des Geldes durch Güter und Leistungen sorgt.

Keynes selbst hat auch nie behauptet, dass seine These nur zur Überwindung von Krisen taugt. Zu dieser Ansicht kamen Ökonomen erst angesichts des Ölschocks 1973: Die Staaten gaben damals mehr Geld aus, aber statt dass die Konjunktur ansprang, stagnierte die Wirtschaft bei gleichzeitig durch höhere Ausgaben beförderter Inflation. Das hatte zwei Ursachen: die eingesetzten Summen waren oft zu gering, um Wachstum zu generieren, vor allem aber bekämpften die Zentralbanken die Inflation mit drastisch erhöhten Zinsen – das zu schwache Gas-Geben war also immer von harschem Bremsen begleitet und funktionierte entsprechend schlecht. Daraus resultierte der Schlachtruf „Keynes ist tot“, statt dass man erkannt hätte, dass das Vorgehen von Staat und Notenbank sehr viel besser und vor allem auch mit den Gewerkschaften, abgestimmt werden muss.

So hat die EZB auch diesmal harsch gebremst, um eine Inflation zu bekämpfen, die freilich längst im Abklingen war, weil sie nicht auf einer Preis-Lohn-Spirale, sondern der befristeten Verteuerung von  Öl/Gas beruhte. Dass EZB-Chefin Christine Lagarde dennoch so vorging, lag an einem doppelten Missverständnis: Sowohl daran, den Unterschied zur Preis-Lohn-Spirale nicht zu sehen, wie daran, sich voran von deutschen Ratsmitgliedern einreden zu lassen, die lockere Geldpolitik der EZB hätte die Inflation verschuldet, obwohl sie durch ein Jahrzehnt fast von Deflation begleitet war.

Leider missverstand auch der ÖGB das Wesen der aktuellen Inflation: Er nahm die bewährte Benya- Formel (Lohnerhöhung = Inflation des abgelaufenen Jahres + Produktivitätszuwachs) zum Ausgangspunkt seiner Lohnforderungen, obwohl die Inflation nicht wie sonst auf der mäßigen Lohnerhöhung des abgelaufenen Jahres, sondern der massiven Verteuerung von Öl und Gas beruhte: Mit Tariflohnerhöhungen um die 9 Prozent waren wir EU-Spitzenreiter und das ist deshalb so kritisch, weil unser wichtigster Handelspartner Deutschland seine Tariflöhne nur um 2,6 Prozent erhöhte, weil man das Wesen der Teuerung dort besser begriff – ohne freilich zu verstehen, dass Deutschlands inadäquate Tariflöhne eine kräftige Steigerung nicht nur vertrügen, sondern brauchten.

Derzeit äußert sich die Rezession nur in leicht erhöhter Arbeitslosigkeit, aber sie wird steigen. Wir müssen hoffen, dass der ÖGB das Exportproblem bei künftigen Lohnforderungen berücksichtigt; vielleicht gelingt es unseren Unternehmen auch einmal mehr, die Qualität ihrer Produkte so zu steigern, dass ihr Export kaum leidet, und im Inland sollte ihnen die gestiegene Kaufkraft zu Gute kommen. Nicht zuletzt könnte ein US-Boom die EU-Rezession lindern. Dass die EU von Austerity abgeht, habe ich zu hoffen aufgehört.

 

 

 

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Hure für die Reichen

Der Chef der Industrie-nahen Agenda Austria Franz Schellhorn hat in einer Diskussion mit der Chefin des ÖGB-nahen Momentum-Instituts Barbara Blaha über Andreas Bablers Erbschaftsteuer gemeint, die anderthalb Milliarden, die man daraus vielleicht erziele, könne man vergessen, denn sie wären doch ein völlig unzureichender Betrag.

Ähnlich äußerte sich der Chef des Instituts für höhere Studien IHS, Holger Bonin, der meint der Freibetrag könne nicht bei anderthalb Millionen Euro sondern müsse deutlich darunter liegen. Beide haben insofern recht, als die Erbschaftssteuer in ihrer auch vom ÖGB erwogenen Ausgestaltung sicher nicht die Beträge einbrächte, die Babler für eine Unzahl von Wohltaten ausgeben will – aber anderthalb Milliarden derart zu verachten scheint mir bei Ökonomen trotzdem etwas befremdlich.

Wesentlich war eine Tafel, die Babler im Zuge seiner Auseinandersetzung um dieses Thema viel zu kurz im Fernsehen zeigte: Nur in zwei Staaten, der Slowakei und Mexiko sind Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern geringer als in Österreich, wo sie bei nur 0,6 Prozent des BIP liegen, während es im Schnitt der OECD 2,5 Prozent sind. Würden sie auf dieses Niveau angehoben, so nähme der Staat um die sieben Milliarden mehr ein um die man – und auch das ist wesentlich- die Steuern auf Arbeit senken könnte. Vor der Erbschaftsteuer, die man tatsächlich nicht mit einer Freigrenze von anderthalb Millionen ausstatten muss, um das berühmte Enkerl zu schonen, dem die Oma ihre Wohnung vermacht, ist fast überall die Grundsteuer die wichtigste der vermögensbezogenen Steuern, während bei uns diesbezüglich jene lächerlichen Einheitswerte gelten, die den Verfassungsgerichtshof veranlassten, die Erbschaftsteuer aufzuheben, weil jemand, der ein Grundstück im Wert von einer Million Euro erbte eine ungleich geringere Steuer bezahlte, als jemand der eine Million in bar erbte. Der VfGH trug der rot-schwarzen Regierung auf, das zu reparieren, nicht aber die Erbschaftssteuer abzuschaffen. Doch die ÖVP war nicht bereit, diese Reparatur innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist mit zu beschließen und so blieb es bei den lächerlichen Einheitswerten und war die Erbschaftsteuer gestorben. Wie schrieb doch der abgesetzte Ex-Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid angesichts der Steuersache Siegfried Wolf  einem Mitarbeiter: „Vergiss nicht. Du hackelst im ÖVP-Kabinett. Du bist die Hure für die Reichen“. Charakteristischer Weise will auch der angebliche „Volkskanzler“  Herbert Kickl keine Erbschaftssteuer und das Volk ist schlicht genug, der FPÖ demnächst die Mehrheit zu verschaffen.

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