Die Börse stoppt Trump– was tut die EU?

Fallende Aktienkurse zwangen Donald Trump im Zollkrieg einzulenken. Wer zwingt die EU, endlich mehr eigene Nachfrage zu schaffen, statt zu sparen? Was tut sie uns an?

Donald Trumps Aufruf, die Amerikaner sollten US-Aktien kaufen, nutzte nichts: In einem Land, in dem fast alle Einwohner Aktien besitzen, zwang ihn der Kurssturz, den sein Zollkrieg auslöste, zum Abrüsten: Erst nachdem er die Einigung mit China verkündete, erholten sich die Kurse – der „Markt“ in Gestalt der Börse hat Trump die Grenzen seiner Macht gezeigt.

Dabei wollte Trump ein Problem lösen, das die Grenzen des Marktes aufzeigt: Mit dem „Rustbelt“ gibt es in den USA seit Jahrzehnten einen Gürtel verrotteter traditioneller Unternehmen, deren einst gut bezahlte Arbeiter in der boomenden digitalen Industrie keine vergleichbaren Jobs finden. Ursache ihres Niedergangs: Importierte chinesische Waren sind dank hoher staatlicher Subventionen und niedriger Lohnkosten konkurrenzlos billig, und weil voran Deutschland seine Löhne nicht im Ausmaß seiner Produktivität erhöht, sind voran deutsche Autos preiswerter als ihre US-Konkurrenz.

Das entstandene Währungsproblem: Weil der Dollar seit Jahrzehnten nicht nur gegenüber dem Euro und Chinas Renminbi und Yuan, sondern auch gegenüber Japans Yen oder Südkoreas Won zu hoch bewertet ist, haben die USA ein jährliches Leistungsbilanz -Defizit von mehr als 1000 Milliarden Dollar, das schon Barack Obama und Joe Biden ein Dorn im Auge war. Durch seine Zölle, so meinte Trump, würde er dieses Defizit abbauen. Was er nicht bedachte – Bedenken sind ihm fremd – war, dass ein Zollkrieg mit der ganzen Welt wegen der Verflechtung der Weltwirtschaft kein geeignetes Instrument ist: Zölle gegen China mussten auch Apple Handys, Zölle gegen Mexiko auch dort produzierte Autos von Ford, Zölle gegen Kanada auch das für die traditionelle US-Industrie unverzichtbare Stahl verteuern. Gleichzeitig mussten verteuerte Importe aus China, Südkorea, Japan und EU die Inflation befeuern.

So wie viele Ökonomen vorhersagt hatten, verwandelte sich die Hoffnung der Amerikaner auf das von Trump versprochene „goldene Zeitalter“ schon allein wegen der allgemeinen Verunsicherung in die Angst vor einer Rezession. Trump war gezwungen, 90 Tage Waffenruhe zu erklären und die Einigung mit China zu suchen. Mit Südkorea und Groß Britannien gibt es sie ebenfalls – mit Japan und der EU wird es sie geben, denn der Schrecken bei Trump sitzt tief. Er sitzt freilich auch tief bei allen Unternehmen, die in die USA exportieren: Sie werden dort sehr wohl mehr investieren. Vor allem aber dürfte es der FED in absehbarer Zeit gelingen, den Dollar abzuwerten und das sollte das US-Leistungsbilanzdefizit sukzessive verringern. Man muss in der EU begreifen: Kein US-Präsident kann auf die Dauer zulassen, dass sich die USA um die 2000 Milliarden pro Jahr verschulden.

Eben dies aber war die Voraussetzung für den extremen Exporterfolg voran Deutschlands. Die aktuelle deutsche Krise ist nichts anderes als das Ende der Bereitschaft so vieler anderer, sich zu Deutschlands Gunsten zu verschulden. Damit ist auch die Lösung klar: Der deutsche Staat und die EU müssen sich selbst verschulden, um das nötige Wachstum zu generieren. Das hat in Deutschland soeben mit Milliardeninvestitionen in Rüstung und Infrastruktur begonnen. Irgendwann müssen auch die deutschen Löhne, und muss mit ihnen das das Lohnniveau der EU, so hoch sein, dass die Kaufkraft ihrer Bevölkerung wie in den USA ausreicht, den Großteil des Produzierten selbst zu kaufen.

Anders als in Deutschland wird der Staat in Österreich von der EU bekanntlich zum Sparen gezwungen und das kann aus Gründen der Mathematik nicht gut gehen, weil schon die Konsumenten sparen.  Leider deuten WIFO- Chef Gabriel Felbermayr oder IHS-Chef Holger Bonin dieses Risiko in ihren Reden nur an: Man dürfe sicher nicht radikal sparen, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen. Finanzminister Markus Marterbauer hat in seiner Budgetrede zumindest angefügt, dass er sich in Brüssel für eine Reform der Maastricht Kriterien einsetzen würde. In Wirklichkeit wäre das die zentrale Aufgabe aller Genannten: der EU-Kommission klarzumachen, dass Sparen des Staates widersinnig ist. Natürlich soll er „sparsam“ wirtschaften und hat das, am augenfälligsten bei der Förderung für E-Autos nicht getan, indem sie Leuten zuteilwurde, die sich sowieso Teslas leisten können. Diverse Staatsausgaben wären zweifellos besser zu organisieren – aber nicht um sie einzusparen, sondern um besser zu zielen.

Marterbauers wirksamstes Argument krankt aus dem gleichen Grund. So sagt er, dass wir sparen müssen, um hohe Zinszahlungen zu vermeiden. Nur dass Österreichs jüngste Staatsanleihen in Kenntnis eines drohenden Defizitverfahrens vielfach überzeichnet waren oder dass Japan trotz der horrenden Staatsschuldenquote von 235 Prozent minimale Zinsen zahlt, weil es wirtschaftlich gut funktioniert. Österreich wird daher nur dann höhere Zinsen zahlen müssen, wenn es wirtschaftlich zurückfällt – und genau das kann das Sparen des Staates bewirken.

Wie WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller meine ich, dass die Regierung Gott sei Dank bisher so wirtschaftsschonend wie möglich vorgeht – nur das höhere Kilometergeld ist problematisch. Und die sture Ablehnung vermögensbezogener Steuern durch NEOS und ÖVP war auch für Marterbauer nicht zu überwinden: Lieber benachteiligt man Österreichs Banken durch eine Abgabe im Konkurrenzkampf, als diese Steuern auf das durchschnittliche EU-Niveau anzuheben. Er muss sich leider damit abfinden, dass unsere bürgerlichen Parteien weniger als er von bürgerlicher Ökonomie verstehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Wie wurde die zweite Republik so reich?

Adolf Hitler schuf die industrielle Basis. Der Marshall-Plan lieferte Kapital. Bruno Kreisky waren Schulden mit Erfolg lieber als Arbeitslose. Wieso erstarkte die FPÖ?

Dankenswert sucht der ORF mit zahlreichen Sendungen zu vermitteln, was 80 Jahre zweiter Republik bedeuten. Patriotische Mythen erfreulich vermeidend lieferte die erste Sendung einen Überblick: Es stimmt zwar, dass Talent und Fleiß der Bevölkerung wesentlich dazu beitrugen, dass Österreich mit der zweiten Republik zu einem der reichsten Länder Europas wurde, aber die Bevölkerung der ersten Republik war nicht minder fleißig. Mit noch nicht vertriebenen jüdischen Wissenschaftlern besaß sie sogar das viel größere wirtschaftliche Potential und erlebte dennoch die größte Krise. Äußere Umstände machten den großen Unterschied: Nach dem ersten Weltkrieg forderten die Sieger von Österreich untragbare Reparationszahlungen und eine von den USA ausgehende Krise addierte sich mit einer gleichartigen Krise in Europa zur Weltwirtschaftskrise. Nach dem zweiten Weltkrieg hingegen hatten die die USA ihre Krise dank John M. Keynes überwunden und unterstützten die Kriegsverlierer mit dem Marshallplan.

Die für Zuseher vermutlich ungewohnteste Erkenntnis:  Österreichs industrielle Basis schuf Adolf Hitler. Er baute die Ölindustrie aus, und auch wenn das nach dem Krieg nur der russischen Besatzungsmacht zugutekam, die selbst die Anlagen abtransportierte, war was verblieb, doch Basis der OMV. Vor allem aber schuf Hitler mit den Herman Göring -Werken in Linz die Basis der VOEST. Ihre Verstaatlichung war viel weniger sozialistisches Anliegen als von den USA unterstützter Weg, sie zu behalten- letztlich erreichten sie, dass Deutschland sie Österreich als Entschädigung überließ. Jörg Haiders Lob für Hitlers „gute Beschäftigungspolitik“ war für sich allein zwar empörend, aber sachlich richtig: Der mit seiner Regierung in Deutschland einsetzende Aufschwung war entscheidend dafür, dass er so viele Anhänger gewann, und jeder Aufschwung profitiert von Aufrüstung. Dass Hitlers Krieg alles vernichtete, ist ein anderes Kapitel.

Die Wirtschaft unmittelbar nach dem Krieg hatte mit heutiger Wirtschaft nichts gemein: „Markt“ war nur der Schwarzmarkt, ansonsten mussten verschiedenste Vorschriften ungewisses Angebot mit übergroßer Nachfrage in Einklang bringen. Erst in den 60er Jahren erreichte es diese Nachfrage und erst 1967 gab es eine der heute typischen Diskrepanzen. Finanzminister Stephan Koren überwand diese erste Konjunkturdelle mit Defizit Spending. Dass er ausgegebenes Geld mit Steuern auf Alkoholika und Autos wieder hereinbrachte, führte 1970 zur Niederlage der VP-Alleinregierung gegen Bruno Kreiskys SPÖ und mündete ein Jahr später in deren Alleinregierung. Koren, nun Chef der Notenbank, überzeugte Finanzminister Hannes Androsch, den Schilling weiter an die D- Mark zu binden und leitete damit eine wichtige Etappe ökonomischen Erfolgs ein: Um trotz des „harten“ Schillings erfolgreich zu exportieren, mussten alle Betriebe Qualität und Produktion ihrer Waren optimieren – es entstanden jene führenden Klein- und Mittelbetriebe, die bis heute Rückgrat unserer Wirtschaft und vermutlich Gegenstand kommender Sendungen sind.

Krisen überwand Österreich immer durch Defizit Spending: Kreiskys Ausspruch „Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger Sorgen als hunderttausend Arbeitslose“ erwies sich nachträglich immer als richtig. Doch Kreisky gewann seine letzte Wahl auch, nachdem er groben wirtschaftlichen Unfug angerichtet hatte: Seine Erklärung, dass der Staat für alle Kredite der verstaatlichten Industrie hafte, verschaffte der VOEST unbegrenzten Kredit, den sie auf dem Terminmarkt verspekulierte, worauf Österreichs größte Banken und die VOEST nur mehr vom Staat gerettet werden konnten. Kreisky schadete das so wenig wie der Lucona -Krimi, der zwei seiner Minister schwer belastete. Selbst für die ungeheuerliche Verleumdung Simon Wiesenthals kritisierten ihn nur ganze 12 Personen. Ich schrieb damals – und meine bis heute- dass es ein Glück war, dass Kreisky ein Demokrat war, denn die Österreicher folgten ihm blind. Es wünschen sich ja nicht nur 7 Prozent einen „starken Führer“, den kein Parlament behindert, sondern 20 finden das eher gut. Autoritäres Regieren hat hierzulande mehr Chancen als anderswo und das beantwortet zu einem Teil die Frage dieser ORF Sendung, wieso die FPÖ Herbert Kickls die meisten Stimmen auf sich vereint. Die Journalistin Anneliese Rohrer machte dafür Versäumnisse der Nachkriegszeit verantwortlich:  Es sei unerträglich gewesen, wie ÖVP und SPÖ den Staat zwischen sich aufteilten – jemand, der kein Parteibuch besessen hätte, sei chancenlos gewesen. Gleichzeitig hätte man sich nie mit der Mittschuld an den NS-Verbrechen auseinandergesetzt – so sei zu erklären, dass selbst jemand zur Wahl steht, der nach dem Verbotsgesetz verurteilt wurde.

Ich möchte anfügen: Die Phase parlamentarischer Demokratie, die die Monarchie ablöste, war in Österreich eine der kürzesten: Die erste Republik war sehr begrenzt eine wirkliche Demokratie, unterhielten Sozialisten wie Christlichsoziale doch bewaffnete Milizen und träumten erstere doch auch von der Diktatur des Proletariats, während zweitere nur zu gern mit Engelbert Dollfuss zu Austrofaschisten wurden. Dass es so wenig Erfahrung darin gibt, Gefahren für die Demokratie zu erkennen, macht den Erfolg der FPÖ am ehesten verständlich. Dass große Teile der Bevölkerung wirtschaftlichen Abstieg erleben, lässt sie wie in der Zwischenkriegszeit den Parlamentarismus verachten.

 

 

 

 

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Wie sähe Karl Popper 2025?

Vor 80 Jahren erschien Karl Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“. Da ich ihn gut kannte, frage ich mich, wie er Trump, die EU oder den Ukrainekrieg sähe.

Wenn Karl Popper, den die ZEIT den bedeutendsten Philosophen des 20.Jahrhunderts nannte, seine Heimatstadt Wien besuchte, hatte ich das Glück, nach dem Tod zweier Jugendfreunde der erste zu sein, den er anrief. Einer der ersten Anrufe erreichte mich 1962, knapp nachdem die Kuba-Krise beinahe zum dritten Weltkrieg geführt hätte, als sich US-Kriegsschiffe sowjetischen Schiffen entgegenstellten, die Raketen zu einer kubanischen Basis bringen sollten. Popper bat mich, zu ihm ins Hotel Ambassador zu kommen, um Briefe an westliche Staatsmänner zu verfassen, die besagten, wie dringlich es sei, Raketen zu besitzen, die ohne Atomsprengköpfe in der Lage wären, Raketen-Basen zu zerstören. Hätte die USA solche besessen, so hätten sie die Basis in Kuba zerstört, ohne dass es zur Konfrontation der Kriegsschiffe gekommen wäre.  Solche Aktionen waren typisch für Popper: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, zählte zu seinen Überzeugungen und sie erstreckte sich selbstverständlich auch auf den militärischen Bereich. Gerade weil er den Krieg wie jeder anständige Mensch hasste, war er kein Pazifist. Frieden, so war er überzeugt, war am ehesten durch militärisches Gleichgewicht zu sichern, aber im Idealfall sollte die anständige Partei, und das waren für ihn die USA, ihrem Gegner überlegen sein.

Ich habe daran denken müssen, als ich die aktuellen Aufrufe der Friedensbewegung zu „Ostermärschen“ vernommen habe, mit denen gegen die massive Erhöhung der europäischen Rüstungsetats demonstriert werden sollte – Popper sähe in ihnen einen Beitrag zu der Gefahr, dass Wladimir Putin nach der Ukraine ein weiteres Land angreift. Er war nie ein „Idealist“, sondern ein idealistischer Realist: dem Frieden verpflichtetes, aber rationales Denken ging ihm über alles. Wenn dieses rationale Denken dazu führte, sich stärker zu bewaffnen – Popper war zu Recht der Ansicht, dass es viel eher zu konventionellen als zu atomaren Kriegen kommen würde – dann hatte man sich für diese stärkere Bewaffnung einzusetzen. Ich bin absolut sicher, dass er sich eine militärisch starke EU gewünscht hätte.

Die Entwicklung in den USA hätte ihn ebenso sicher entsetzt. Mit Donald Trump stellt die republikanische Partei das Fundament der „offenen Gesellschaft“ in Frage, indem fundamentalistisch evangelikales oder von bloßer Gier beherrschtes Denken rationales Denken und Verhalten ablösen. Am meisten erschütterte Popper, dass die Unterscheidung zwischen „richtig “ und „falsch“, zu der er mit der „Logik der Forschung“ einen entscheidenden Beitrag geliefert hat, unter Trump keine Bedeutung mehr hat: Er konnte noch so oft gelogen haben und wurde dennoch wiedergewählt. Wenn diese Unterscheidung nicht mehr angestrebt wird, ist rationales Denken und Handeln nicht mehr möglich.

Poppers Forderung wahrheitsgemäß zu agieren war unerbittlich: Als ihn eine ORF- Angestellte im Sendestudio bat, noch rasch für sie zu unterschreiben, dass er das Honorar erhalten hätte, das ihm nach der Sendung übergeben würde, weigerte er sich energisch: „Ich unterschreibe nichts Unwahres. Ich werden unterschreiben, nachdem ich das Honorar erhalten habe“. Nachsatz: „Solche unwahren Bestätigungen sind die Basis des AKH-Skandals.“ Ich lachte damals und meinte, er müsse doch nicht ganz so streng sein. Aber das Problem ist, dass wir jegliche Strenge abgelegt haben: Dass Sebastian Kurz im U-Ausschuss nicht ganz die Wahrheit sagte, finden viele nicht so schlimm; der Ex-Präsident des Nationalrats Wolfgang Sobotka wollte die Wahrheitspflicht im U-Ausschuss abschaffen. Keinen FPÖ- Wähler stört, dass die FPÖ die Neutralität als unverzichtbar erklärt, obwohl sie es war, die Österreichs Beitritt zur NATO forderte oder dass Herbert Kickl, der den Bundestrojaner als Innenminister einführen wollte, ihn jetzt heftig ablehnt. Friedrich Merz ist erste Wahl der CDU-CSU für die deutsche Kanzlerschaft, obwohl er die Staatsschuldenbremse, die er im Verein mit SPD und Grünen soeben zu Recht außer Kraft setzte, noch kurz zuvor unverzichtbar nannte, als die Ampel-Regierung sie in Frage stellte.

Selbst im Bereich der Wissenschaft wird Poppers Prinzip, dass falsch ist, was falsifiziert wurde, negiert:  Es kann sich noch so oft zeigen, dass Volkswirtschaften mit hohen Staatsschuldenquoten wie Japan oder die USA tadellos wachsen, und die EU hält dennoch daran fest, dass mehr als 60 Prozent schädlich wären – und Dutzende Ökonomen unterstützen es, so dass es Maxime der Kommission bleibt. Popper war als Mitglied der Mont Pellerin- Gesellschaft, auch wenn er nur einmal an ihrem Meeting teilnahm, kein Anhänger einer vom Staat dominierten Wirtschaft, aber wenn sich erwiesen hätte, dass höhere Staatsverschuldung nötig ist, um Wachstum zu generieren, so hätte er sie mit absoluter Sicherheit befürwortet (auch wenn er in Frage gestellt hätte, dass Wachstum dauerhaft möglich ist.)

Mit absoluter Sicherheit wäre ihm der Erfolg der EU heute so wichtig wie nie zuvor gewesen, Ist sie doch derzeit wichtigster Hort jener „offenen Gesellschaft“, für die er sich so sehr eingesetzt hat.  Im Übrigen war er ein Optimist: er war zuversichtlich, dass sich die „offene Gesellschaft“ als bestes Modell einer Gesellschaft erweisen würde. Dass sie sich deshalb weltweit durchsetzen müsse, schien ihm allerdings in keiner Weise gewiss. „Wir müssen ständig um die offene Gesellschaft kämpfen“ – „denn „es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

 

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Wien Wahl: besser als befürchtet

Obwohl die FPÖ in Wien 20 Prozent erreicht und ihr katastrophales Ergebnis nach Ibiza damit verdreifacht hat, ist ihr Zuwachs doch unter den eigenen Erwartungen und meinen Befürchtungen geblieben.

Eine Partei, die noch nie einen konstruktiven Beitrag zu irgendeinem Thema geliefert hat, wurde zumindest in Wien in die Schranken gewiesen. Das liegt unverändert daran, dass diese Stadt von der SPÖ alles in allem immer gut regiert wurde und zu Recht zu den lebenswertesten Städten der Welt zählt. Michael Ludwig wird zweifellos mit den NEOS weiter regieren, die sogar dazu gewonnen haben und nicht wie die Grünen den von ihm gewünschten Lobau-Tunnel verhindern. Das von den NEOS forcierte Thema Bildung ist ein zweifellos wesentliches und es ist ein Vorteil, dass es hier die Zusammenarbeit mit dem NEOS-Bildungsminister der Bundesregierung gibt.

Dass die Grünen ihr gutes letztes Ergebnis beinahe halten konnten, zeigt, dass der Klimaschutz den Menschen unverändert wichtig ist, aber er ist es auch den NEOS. Zwar sind auch sie gegen den Lobau-Tunnel, aber nicht mit der Vehemenz der Grünen.

Ich denke, dass das Ergebnis auch ein eher positives für die aktuelle Bundesregierung darstellt: Ihr Image hat sich jedenfalls nicht nachteilig auf SPÖ, Grüne und NEOS ausgewirkt.

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Österreichs Problem heißt auch „EU“

Österreichs „hausgemachte Probleme“ sind gravierend, aber lösbar. Allerdings nur dann nachhaltig, wenn die EU ihre Wirtschaftspolitik grundsätzlich ändert.

Dass Österreichs Wirtschaft heuer um 0,3 Prozent schrumpfen dürfte und damit Schusslicht der EU ist, während Malta mit 4,3 Prozent wächst, ist zweifellos das gravierendste Problem seit langem.  Dennoch soll man es richtig einordnen: Malta ist eine Steueroase, Österreichs BIP pro Kopf ist unverändert 3.500 Euro höher als das deutsche, auch wenn Deutschland seit drei Jahren das Gegenteil einer „Konjunkturlokomotive“ der EU ist.  Seine Ökonomen schreiben das seiner angeblich verringerten Konkurrenzfähigkeit zu. Dass es dennoch einen Handelsbilanzüberschuss von jährlich 80 Milliarden Dollar gegenüber den USA erzielt, passt zwar nicht zu dieser Diagnose, wird von den Ökonomen aber negiert, so sehr Donald Trumps Zölle sie erschüttern.

In Bezug auf Österreichs diagnostiziert der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) Gabriel Felbermayr, dass unser aktuelles Finanz-Problem „zum größten Teil hausgemacht“ ist, – ich sehe einen mindestens so großen Anteil bei der EU.  Zuerst zu den „hausgemachten“ Problemen: Das älteste davon ist unsere überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas, das uns allerdings erlaubt hat, Stahl und Aluminium, besonders billig zu produzieren. Mit der extremen Verteuerung von Gas durch die von der OPEC und Russland gedrosselte Förderung, mussten sich alle Güter Österreichs daher überdurchschnittlich verteuern. (Es stimmt nicht, dass die Regierung die Teuerung besonders schlecht gemanagt hat: Ungarn, das zu total von russischem Gas abhängt, hatte die höchste Inflation, die Schweiz, die kein Gas braucht, hat keine Inflation)

Mit der Gas-Verteuerung, die zwangsläufig unseren Wohlstand mindern musste, hängt der größte hausgemachte Fehler zusammen: Die sonst so vernünftigen Gewerkschaften haben Lohnerhöhungen gemäß der Benya-Formel (Erhöhung =Inflation + Produktivitätssteigerung) gefordert, obwohl die minimal war, und vor allem, obwohl die Inflation nicht durch übliche Lohnerhöhungen, sondern durch die außergewöhnliche Gaspreis-Explosion verursacht war, so dass ich sie lieber „Teuerung“ als „Inflation“ nenne. Dass die EZB sie dennoch wie eine gefährliche, sich selbst verstärkende Inflation mit einer harschen Zinserhöhung bekämpft hat, hat die Rezession ausgelöst. Der „hausgemachte“ Fehler der Gewerkschaften hat dazu geführt, dass die Löhne in Österreichs exportintensiver Metallindustrie um neun Prozent stiegen, während sich die Gewerkschaften unseres Hauptkonkurrenten Deutschland mit 2,4 Prozent und einer Einmalzahlung begnügten. Als ich hier über kritisch hohe Lohnstückkosten schrieb, warf mir der Ökonom Kurt Bayer in einem Leserbrief Fehlinformation der Falter-Leser vor – heute lassen Felbermayr und der Direktor des „Instituts für höhere Studien (IHS) Holger Bonin keinen Zweifel daran, dass unsere hohen Lohnstückkosten ein zentrales hausgemachtes Problem sind.  Dennoch haben in gewisser Hinsicht auch Bayer und die Gewerkschaften recht: Es ist ein zentrales Problem der EU, dass sie zugelassen hat, dass Deutschland seine Löhne durch zwei Jahrzehnte nicht adäquat erhöht hat, obwohl permanente Handelsbilanzüberschüsse eines Landes unzulässig sind und auch das Zwei-Prozent-Inflationsziel mit zu niedrigen Löhnen nicht erreicht werden kann.

Letztlich drückte Deutschlands Niedriglohnpolitik auf alle Löhne der EU und damit auf ihre Kaufkraft, womit wir bei einem weiteren gemeinsamen Problem sind: Weil die EU-eigene Kaufkraft besonders niedrig ist, muss sie besonders viel exportieren und wird daher besonders unter Trumps Zöllen leiden. Am Rande waren die zu niedrigen deutschen Löhne eine unzureichende Peitsche für die Steigerung der Produktivität.

Das mit Abstand größte Problem bleiben jedoch Maastrichtkriterien und „Staatsschuldenbremse“. Seit es sie gibt, fällt die EU in allen Wirtschaftsdaten mehr und mehr hinter die USA zurück: Wirtschaftswachstum, Produktivität und Löhne der USA steigen ungleich stärker, sie überwinden Krisen rascher und haben kaum Arbeitslosigkeit. Das ist kein Augenblicksbefund, sondern es musste so sein. Den Grund hat Bonin in seiner Pressstunde für Österreich angeführt, aber er gilt für alle hochentwickelten Volkswirtschaften:  die Bürger kaufen – schon gar in Zeiten wie diesen- nicht wesentlich mehr ein, selbst wenn ihre Löhne steigen, sondern legen mehr Geld auf die hohe Kante. Tut mir leid, immer die gleiche Frage zu stellen: Wie sollen die Unternehmen mehr verkaufen -wie soll die Wirtschaft wachsen – wenn der Staat gleichzeitig weniger einkauft, weil er spart? Das ist nicht nur jetzt so, sondern so lange, wie dem Staat Sparen vorgeschrieben ist. Nur wenn er sich, wie die USA, für gemeinsame Zwecke (etwa: ein starkes Heer, Kilmaschutz, KI) verschulden kann, kann die Wirtschaft wachsen. Wenn die EU das nicht begreift, werden sich ihre, und damit unsere,- Probleme verstärken, statt verringern.

Was wir zu Haue machen können, gehört natürlich trotzdem gemacht und ist machbar: der Föderalismus ist auszumisten. Alle Staatsausgaben und Förderungen sind auf ihre Effizienz zu überprüfen. Sozialausgaben müssen treffsicher sein: wer keine Unterstützung braucht, soll keine bekommen – moderne Datenverarbeitung macht das möglich. Das Pensionsalter muss mit der Lebenserwartung steigen. Und natürlich gehören – Bonin hat es wie ich begründet- die Steuern auf Arbeit verringert, indem man die Steuern auf Vermögen, voran die Grund- und Erbschaftssteuer, erhöht.

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Wie der Lohn-Verfall die FPÖ stärkt

Die FPÖ dankt ihren Aufstieg voran der Migration, aber Migranten werden voran von Menschen als irritierende Konkurrenz empfunden, deren Löhne ständig gesunken sind.

 Wenn man fünfundachtzig ist und aus einer Familie kommt, die mehr als andere unter dem Nationalsozialismus gelitten hat und zu wissen glaubt, was ihn so stark werden ließ, wird man zur Irritation von Lesern und Redaktion zur Kassandra, die das immer gleiche Thema für entscheidend hält: Die ökonomischen Voraussetzungen faschistoider Entwicklungen. Ohne die Arbeitslosigkeit der Zwischenkriegszeit hätte es den enormen Zustrom zur NSDAP nicht gegeben – ohne die schlechte wirtschaftliche Entwicklung der EU in den letzten Jahrzehnten wären rechtsextreme Parteien nicht derart erstarkt.

Dass man in meinem Alter trotz elektrischer Zahnbürste immer mehr Zahnprobleme hat – Zahnstein setzt sich an und drängt Zahnfleisch und Kieferknochen zurück- bot mir den jüngsten Anlass, es wahrzunehmen. Mein Zahnarzt empfahl mir die Behandlung durch eine Zahnarztassistentin, die mit einer Reihe technischer Geräte, unter anderem mittels Ultraschalls, Zahnstein zu entfernen vermag. Nachdem sie das durch eine Stunde getan hatte, wollte ich wissen, was sie nach drei Jahren Grundausbildung und einem Jahr Zusatzausbildung für Zahnprophylaxe verdient: 1500 Euro netto bei einer 22 Stunden-Woche. Deshalb sei dies, so erklärte sie mir, auch ihr letzter Arbeitstag: Sie wechsle in eine Tankstelle, wo sie mehr verdiene. Die Fortsetzung des Gespräches förderte den Grund ihrer besonderen Frustrationen zu Tage: ihre Nachbarin, eine Migrantin mit zwei Kindern erhalte, ohne zu arbeiten auch 1500 Euro im Monat. Ich wunderte mich nicht, wenn meine Gesprächspartnerin FPÖ wählte.

Das Beispiel wirft etliche Fragen auf. Erstens: Man zahlt für die Stunde Zahnhygiene 140 Euro – warum bekommt die Zahnarztassistentin nur 17 Euro für ein Stunde, auch wenn ihr der Zahnarzt teure Geräte zur Verfügung stellt? Er, der Kapital einzusetzen vermag und selbstständiger Unternehmer ist, hat offenbar einen gewaltigen Einkommensvorteil. Zweitens: es ist grotesk, dass man für die simple Tätigkeit in einer Tankstelle mehr verdienten kann als für eine hochspezialisierte Tätigkeit. Drittens: Der berühmte „Fachkräftemangel“ wundert mich nicht, solange Arbeitgeber Fachkräfte so schlecht bezahlen. Und vor allem: Nicht die 1500 Euro Grundsicherung für einen Flüchtling mit zwei Kindern sind zu viel, sondern 1500 Euro für eine hoch spezialisierte Arbeit sind viel zu wenig.

Sie entsprechen einer grundsätzlichen Entwicklung, die seit rund fünf Jahrzehnten in Europa wie in den USA stattfindet: das oberste Prozent der Bevölkerung verdient sagenhaft, zehn Prozent verdienen sehr gut -die untersten 25 Prozent verdienen miserabel. Die Lohnentwicklung für Österreich im Zeitablauf: Die Lohnquote ist zwischen 1976 und 2008 von 75 auf 25 Prozent gefallen, die Gewinnquote von 25 auf 42 Prozent gestiegen. Die Finanzkrise brachte 2008 eine befristete Unterbrechung dieses Trends -seither setzte er sich als Konsequenz neoliberalen Wirtschaftens kontinuierlich fort. Wir erleben die Ära eines neuen Feudalismus die 1980 mit Ronald Reagan begann. Davor gab es in den USA eine Erbschaftssteuer von 80 Prozent und die Progression der Einkommensteuer reichte bis 90 Prozent. Inzwischen wird Nachlass in den USA bis 40 Prozent besteuert, die Einkommens-Progression endet bei 39,6 Prozent- bei uns endet sie bei 55 Prozent, aber es gibt keine Erbschaftsteuer und auch alle anderen vermögensbezogenen Steuern sind bekanntlich für die ÖVP und groteskerwiese auch für die FPÖ, deren Sorge angeblich dem kleinen Mann gilt, des Teufels: Ihr Anteil am BIP beträgt 0,63 Prozent und ist damit der geringste der entwickelten Welt– in den USA liegt er bei 3,22 Prozent. Wir besteuern Arbeit besonders hoch -Vermögen besonders niedrig. Wie heftig ÖVP, aber auch Neos diese Besonderheit verteidigen, haben die Regierungsverhandlungen gezeigt. Auch im Moment sind Arbeitnehmer besonders schlecht dran: Zu den 6,4 Milliarden des Sparpakets 2025, das uns die EU absurder Weise auferlegt, tragen Haushalte mehr als das Doppelte von Unternehmen bei.

Seit Jahrzehnten haben wir es so mit einer sozialen Schicht von rund 25 Prozent zu tun, deren Einkommen real ständig gesunken, statt gestiegen ist, und deren Angehörige noch dazu immer wieder Gefahr laufen, den Job, den sie gerade innehaben, zu verlieren. Dass diese Menschen beträchtliche Ressentiments gegenüber der herrschenden Politik haben und sie abwählen wollen, ist verständlich. Dass ihre Ressentiments ausgerechnet der FPÖ zugutekommen, die sie steuerlich ganz besonders benachteiligte, liegt teils an mangelnder Bildung, teils an unzureichender Berichterstattung, vor allem aber daran, dass Parteien wie ÖVP und Neos der gleichen falschen Wirtschaftsphilosophie anhängen: Wenn sie als angebliche Wirtschaftsparteien vermögensbezogene Steuern als No-Go betrachten – wie soll es der „kleine Mann“ dann bei der FPÖ für falsch halten?

Die Katastrophe ist, dass die Wirtschaftspolitik der EU-Kommission den Lohnverfall der Unterschicht mehrfach begünstigt: Sparen des Staates lässt das BIP pro Kopf seit 2000 weit langsamer als in den USA wachsen; die Umverteilung durch Steuern hat abgenommen, so dass die Ungleichheit steigt. Und die Kommission bestraft zwar auf absurde Weise Staaten, die zu Recht mehr Geld ausgeben, nicht aber Staaten, die, wie Deutschland, Vorteile gegenüber anderen Staaten erlangen, indem Unternehmen inadäquate Löhne bezahlen. So fördert die EU Rechts-Parteien.

 

 

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Putin & Trump killen die Schuldenbremse

Was ökonomische Einsicht nicht vermochte, gelingt Wladimir Putin: Die Schuldenbremse fällt, weil sie Aufrüstung unmöglich macht. Widersinnige Defizit-Verfahren bleiben.

Was Putin will, ist klar: Zur Krim auch den Donbas und im Rest der Ukraine ein Satellitenregime, das ihm militärisch ausgeliefert ist. Auch was Trump will, ist klar: Den Friedensnobelpreis, ohne der Ukraine weiter Geld und Waffen zu liefern. Beide sind der Erfüllung ihrer Ansprüche nah: Indem Trump Wolodymyr Selenskyj keine Waffen mehr liefert und ihn von US-Informationen über das Schlachtfeld ausschließt, muss er jedem von Putin & Trump beschlossenen Frieden zustimmen und ist dann womöglich intern so geschwächt, dass er jemandem weichen muss, der Putin genehm ist.

Einzige Hindernisse: Der ungebrochene Widerstand der Ukrainer und die Möglichkeit, dass die EU der Ukraine im Zuge massiver Aufrüstung doch rasch ausreichend Waffen und Munition liefert.

Da Ursula von der Leyen und Europas wichtigste Staatschefs begriffen haben, dass diese massive Aufrüstung unverzichtbar ist, ändert Deutschland die Staatsschuldenbremse erstaunlich rasch: Militärausgaben, über ein Prozent des BIP sollen nicht mehr zur Staatsschuld zählen. Nur so könnte Frankreich, das als einziges auch Atomwaffen besitzt, zusätzliches Geld in Rüstung zu investieren. Viel besser wäre gewesen, gänzlich auf Schuldenbremse wie Maastricht-Kriterien zu verzichten – so wurden beide nur aufgeweicht. Deutschland muss womöglich doch zu „Sondervermögen“ Zuflucht nehmen, Österreich könnte seiner marginalen Militärausgaben wegen nur marginal von der Änderung profitieren.

Kanzler Christian Stocker könnte historische Verdienste erringen, wenn es ihm gelänge, sich mit Emanuel Macron und Giorgia Meloni und weiteren betroffenen Staatschefs zusammenzutun und zu erreichen, dass die EU-Kommission wenigstens auch von den geisteskranken Strafverfahren absieht, mit denen sie derzeit ahndet, dass Österreich die Maastricht-Kriterien nicht eingehalten hat.

Ich habe immer gehofft, dass führende Politiker und Ökonomen das auf Grund der Mathematik einsehen, dass Unternehmen nicht mehr verkaufen können (die Wirtschaft nicht wachsen kann), wenn alle Staaten weniger einkaufen, weil sie sparen müssen. (Dass es deutschen Unternehmen dennoch lange gelang, lag daran, dass andere Staaten, voran die USA sich lange Zeit zu ihren Gunsten verschuldeten. Das aber dürfte mit Trumps Strafzöllen enden.) Wenn es jetzt die Angst vor Russland ist, die zu dieser Veränderung zwingt, muss man trotzdem froh sein. Hauptsache sie findet statt. Auch die USA haben die Angst vor Adolf Hitler gebraucht, um zu sehen, dass ihre Wirtschaft durch Aufrüstung mit bis zu 18,9 Prozent weit stärker wächst als durch den argwöhnisch beäugten und arg gebremsten „New Deal“ Harry S. Trumans.

Dass die USA wirtschaftlich bis heute so viel besser als die EU funktionieren, liegt nicht zuletzt an ihrer ständigen Aufrüstung. Denn auch die meisten US- Politiker sind wie die deutschen der Überzeugung der schwäbischen Hausfrau, dass der Staat keinesfalls Schulden machen darf, obwohl Konsumenten und Unternehmen auch in den USA sparen. Doch weil Republikaner wie Demokraten darauf bestehen, dass die US-Armee immer die mit Abstand stärkste der Welt ist, stimmen sie doch jedes Mal für hohe Militärbudgets.

Ich hatte schon mit 29 Jahren diesbezüglich eine Lehrstunde, wie sie eindrucksvoller nicht denkbar ist: Der Kurier hatte sich damals wahnwitziger Weise von Hugo Portisch getrennt und gemeinsam wollten wir eine neue Tageszeitung gründen, für die ich Investoren suchte. Nach zwei denkbar ungeeigneten Geldgebern wurde ich an einen deutschen Anwalt verwiesen, der sich ausgerechnet als Vertreter des weltgrößten Waffenhandelsunternehmen entpuppte.  Um meine offenkundige Skepsis zu zerstreuen, erzählte er mir, dass sein Unternehmen soeben zu einem künftigen Vietnam- Frieden beitrüge, indem es Journalisten über Kriegsverbrechen informiere. Seine durchaus glaubhafte Begründung: Die USA hätten so viel Munition verbraucht, dass die US -Rüstungsindustrie an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt sei und Gefahr laufe, Geschäfte an ausländische Konkurrenz zu verlieren.  Sie hätte nur die Möglichkeit gehabt, enorme Summen in eine Kapazitätserweiterung zu investieren, die nicht gelohnt hätten, weil der Krieg sicher nicht mehr lang gedauert hätte –„also wollt ma, dass a endet“. „Und jetzt erwarten Sie den Friedensnobelpreis“, reagierte ich boshaft. „Rein rational“, gab er ganz ruhig zurück, „wäre das durchaus berechtigt“: Die Rüstungsindustrie könne nicht dafür sein, dass man einander bombardiert, denn wenn alles kaputt sei, hätten die Staaten kein Geld, um Waffen zu kaufen. Ideal sei Friede durch Angst, in dem sie einander bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstünden. „Aber die maximale Auslastung durch den Vietnam-Krieg dürfte Sie doch gefreut haben“, ließ ich nicht locker. Die Antwort ist mir bis heute im Ohr: „Große Krieche nee, kleene Krieche ja.“ Meinen Einwand, dass ich auch auf kleine Kriege verzichten könnte, schmetterte er ab: „Nee, könn se nich“ – die brauche die Wirtschaft. Denn die Arbeitslosigkeit würde explodieren, wenn die Rüstungsindustrie nicht ständig für Arbeit und Einkommen sorge. „Waffen und Munition werden doch letztlich zu Schrott“, wendete ich ein, da könnte der Staat doch genauso gut große Investitionen in Nützliches beschließen und würde genauso Arbeit und Einkommen schaffen. „Nee, können se nich“, erwiderte mein Gegenüber einmal mehr: Dergleichen würde nur beschlossen, wenn es um Krieg geht.

 

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Trumps Problem heißt Elon Musk

Das „goldene Zeitalter“, das Donald Trump den USA mit seinem Amtsantritt prophezeite, begann mit einer Korrektur an der Wall Street, der ein kräftiges Minus in Tokio, Peking und Frankfurt folgte. Weil Börsen als Orakel gelten, wurden eilig Erklärungen gesucht.

Die einfachste fand die geringste Beachtung: Trumps Wahlsieg hatte ein Kursfeuerwerk entfacht und diese Überreaktion wurde korrigiert. Doch weil die Korrektur unmittelbar auf Trumps Ausführungen zu Zöllen gegen China, Kanada und Mexiko folgte, machten viele Medien Europas Trumps „Handelskrieg“ auch für den US-Kursverlust verantwortlich, indem sie die These vertieften, dass er auch die Zölle, die er der EU allen voran Deutschland, androht, noch bereuen würde: Ohne preisgünstige Importe stiege das US-Preisniveau, und die steigende Inflation könnte die Notenbank Fed zu neuerlichen Zinserhöhungen bewegen, die die US-Konjunktur empfindlich träfen.

Das hat zwar manches für sich, doch das wäre erstaunlich, wenn die US-Aktienkurse schon jetzt darauf reagierten. Noch erstaunlicher ist, dass die Börsen in Frankfurt und Wien nicht längst korrigieren, denn ihre heimischen Werte müssen Trumps Zöllen am meisten fürchten, sind deutsche Kfz-Exporte doch hauptverantwortlich für das 80 Milliarden-Dollar-Defizit der USA im Handel mit Deutschland, das Trump so irritiert. Auch unsere Handelsbilanz erklärt seine Irritation: Es gibt einen ständig steigenden Überschuss von heute 6,8 Milliarden Euro zu unseren Gunsten. Denn wenn auch nicht im Ausmaß Deutschlands erhöhten auch wir unsere Löhne nicht mehr gemäß Produktivitätszuwachs + Inflation und erlangten dadurch einen steigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber US-Waren.

Mit Trumps Zöllen verlören wir ihn, und das kostete bekanntlich doppelt: Indirekt als Zulieferer der deutschen Kfz-Industrie und direkt, weil unser Export in die USA mit 14,7 Milliarden Euro der größte hinter dem Export nach Deutschland ist. Er umfasst vor allem Maschinen und Geräte, Pharmazeutika und Getränke sowie Zugmaschinen, Kraftfahrzeuge und Metallwaren. Alle diese Branchen litten unter Trumps Zöllen. Einziger Lichtblick: Österreichische Unternehmen, die auch in den USA produzieren – Paradebeispiel VÖEST -, steigerten ihren US-Absatz. In Summe sorgen sie in den USA für 60.000 Arbeitsplätze, und solche weiterhin zu schaffen, ist mindestens so sehr Ziel von Treumps Zollpolitik wie der Schutz der eigenen Waren. Ich glaube daher nicht, dass ihn eine kurze Kurskorrektur an der Wall Street von dieser Politik abbringt, und auch nicht, dass der Zollkrieg Grund dieser Korrektur war.

Donald Trumps „goldenes Zeitalter“

begann mit Korrekturen an der Wall Street,

die die EU seinem Handelskrieg zuschreibt.

Doch ökonomisch gefährdet

vor allem Elon Musk die USA

Das viel größere Risiko für die US-Wirtschaft schein Elon Musk zu sein: An der Seite Donald Trumps wahlkämpfend hat er behauptet, die Ausgaben der Regierung ließen sich durch Bürokratieabbau um bis zu 30 Prozent senken, und Trump hat ihm den US-Verwaltungsapparat daruf als Spielzeug überlassen, und so behandelt er ihn auch: setzt ihn Kündigungsorgien aus, schloss nach Gutdünken Behörden, entriss ihm nach Belieben Datensätze, bis ein Gericht es stoppte – vorerst scheint das nicht die Effizienz zu steigern, sondern Chaos auszulösen. Dabei werden die USA der vielen Partikularinteressen der Bundesstaaten wegen tatsächlich kostspielig verwaltet, und der Abstand zwischen Staatsausgaben und Staatseinnahmen wird, freilich auch der Steuersenkungen für Reiche wegen, immer größer. Die Verwaltungsausgaben zu senken machte also Sinn. Allerdings nur, wenn der Staat Geld, das er derzeit kostspielig (schlecht) investiert, in Zukunft gut investierte.

Bliebe es hingegen beim reinen Senken der Staatsausgaben, so litte die US-Wirtschaft, denn auch für sie gilt seit Jahrzehnten, dass Konsumenten und Unternehmen sich nicht mehr ausreichend verschulden, sodass nur steigende Staatsausgaben (Staatsverschuldung) ausreichende Nachfrage (Wachstum) gewährleisten. Dass man das in der EU nicht begreift, bedingt ihr Zurückbleiben hinter der USA. Dort wird es zwar intellektuell vielleicht auch nicht begriffen, aber zumindest um ihre militärische Überlegenheit zu erhalten, haben sich die USA stets verschuldet.

Elon Musk mag die besten E-Autos und Raketen bauen – die Mathematik zu widerlegen vermag er nicht. Senkt er die US-Verwaltungsausgaben tatsächlich um volle zwei Billionen Dollar, ohne dass die Investitionen an anderer Stelle steigen, so schrumpft die US-Wirtschaft.

Die Folgen wären katastrophal: Sie könnte weder die lahmende Wirtschaft der EU in Gang halten, indem sie deren Exporte aufnimmt, noch könnte China wie bisher wachsen, wenn ihren Exporten in die USA nicht nur Zölle, sondern auch wirtschaftliche Schrumpfung entgegenstehen. Zölle können nützlich sein um alle Beteiligten zu gleichartiger, fairer Verschuldung zu bewegen, aber wenn die stärkste Volkswirtschaft der Welt in den Krisenmodus verfiele, beschleunigten sie die Abwärtsspirale.

Doch ich zähle auf Trumps Wunsch „Make America Great Again“: er merkte ziemlich bald, dass Massenkündigungen vor allem aber drastisch reduzierte Verwaltungsausgaben ohne deutlich erhöhte andere Investitionen das Gegenteil dessen bewirken, was er geglaubt hat, und agierte wohl wie seinerzeit Ronald Reagan: der senkte im Glauben an Milton Friedmans neoliberale Ökonomie anfangs auch die Staatsausgaben, bis er nach zwei Jahren merkte, wie schlecht das der Wirtschaft tat, und zum Gegenteil überging. Trump so glaube (hoffe) ich, merkte es schneller und feuert Musk.

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Nur ökonomisch ist die FPÖ ungefährlich

Das aktuelles Schuldenproblem löst die FPÖ nicht schlechter als ÖVP oder NEOS -es ist die EU, die es zum Risiko macht. Für kritische Medien ist die FPÖ lebensgefährlich.

Die Plattform #aufstehn sammelt Unterschriften, um ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne dazu zu bewegen, doch neuerlich die Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit zu versuchen, um Herbert Kickl als Kanzler abzuwenden. Ich habe unterschrieben, obwohl ich dafür nur eine marginale Chance sehe – aber ich will mir nicht vorwerfen, sie nicht genützt zu haben. Denn ich halte das Aufgeben dieses Versuches seitens der NEOS für eine Katastrophe: Auch ich habe Probleme mit der Sprache Andreas Bablers, aber seine Forderung, Vermögen, das nur in der Slowakei und Mexiko weniger als bei uns besteuert wird, höher zu besteuern, sei es um die Steuern auf Arbeit zu senken oder unser Budgetloch zu reduzieren, ist wahrhaftig nicht absurd. Aber vermutlich war der Einfluss Vermögender auf Beate Meinl-Reisinger doch so groß, dass sie diese Überlegung weder angestellt noch gar gegenüber Karl Nehammer vertreten hat. Und natürlich war die ÖVP immer das zentrale Problem: Ihre ökonomische Sturheit ist seit Sebastian Kurz zur Lähmung geworden. Dagegen kann man dem Chef der Industriellenvereinigung Georg Knill, der derzeit die  höchsten Lohnstückkosten der EU zu verkraften hat, viel schwererer verübeln, dass ihm bei der Lektüre des FP- Programms das Wasser im Mund zusammenläuft, lehnt es doch nicht nur Vermögensteuern ab, sondern empfiehlt auch, die Körperschaftsteuer auf 10 Prozent zu halbieren, nicht entnommene Gewinne gar nicht zu besteuern. (Zum Vergleich: die US-Körperschaftsteuer beträgt nach ihrer drastischen Reduktion durch Donald Trump 21Prozent). Zu begreifen, dass es die Nachfrage gefährlich reduziert, wenn man Vermögende (Wohlhabende) kaum besteuert, während die große Mehrheit derer, die wenig haben und daher soviel wie möglich kauften, hoch besteuert, ist von Industriellen leider zu viel verlangt. So wenig wie man historisches Bewusstsein von ihnen erwarten kann: Auch für die Industrie war es am Ende fatal, selbst Adolf Hitler zum Kanzler gemacht zu haben.

Allerdings müssten selbst Teenagern von minimaler politischer Bildung spätestens seit Mitte der Vorwoche klar sein, wie sehr eine FP-geführte Regierung die Demokratie gefährdet. Bekanntlich nahmen französische Journalisten Aussagen der FP-Mandatare Harald Stefan und Markus Tschank mit dem Handy auf, wonach die ÖVP „jämmerlich“ sei und man „eigentlich aus der EU austreten müsse“. Selbst wenn man in diesen Aussagen nur den Widerspruch zu Kickls Beteuerungen sieht, musste einem Angst und Bange werden, wenn man erlebte, wie Wiens FP-Obmann Dominik Nepp reagierte, als Der Standard diese Aussagen publizierte: „Wir haben Österreich fünf gute Jahre versprochen“ postete er auf  X, „fünf gute Jahre, wenn es mit diesem ‚Scheissblatt‘ endlich vorbei ist“. Im angefügten Hashtag erklärte er wie: Man könnte ja die Presseförderung überdenken. Eigentlich müsste VP-Chef Christian Stocker eine Gänsehaut haben, nachdem er gehört hat, wie Nepp und FP-Generalsekretär Christian Hafenecker mit dem ORF oder mit Der Standard, das heißt mit kritischen Meinungen, umgehen wollen. Aber VP-Funktionäre haben seit gut zehn Jahren eine Elefantenhaut.

Dabei wäre sogar eine Rückkehr der ÖVP zu Verhandlungen mit SPÖ, und NEOS rein technisch nicht schwer: Finanzminister Gunter Mayr müsste Brüssel nur bekanntgeben, dass Österreich die von ihm bereits gemeldeten und akzeptierten Einsparungen auch in dieser Regierungskonstellation durchführt. Andreas Babler müsste sich dann zwar ärgern, dass Vermögende keinen Beitrag leisten und Beate Meinl Reisinger müsste bedauern, dass große Reformen, etwa die Anpassung des Pensionsantrittsalters an die gestiegene Lebenserwartung fehlen, aber die Demokratie vor Herbert Kickl zu schützen, müsste ihnen das eigentlich wert sein. Nur wird es das Georg Knill das sicher nicht wert sein.

Weil ich Knill wie Kickl gegenüber selbstverständlich fair sein will, gestehe ich ihnen zu, dass die Maßnahmen, auf die FPÖ und ÖVP sich bisher geeinigt haben, die Wirtschaft nicht gleich abwürgt, handelt es sich doch um den einfachen Anfang: Die Bildungskarenz zu streichen, erhöht sogar den wirtschaftlichen Output, denn sie hat die berufliche Fortbildung kaum befördert, nur Geld und Arbeitsleistung gekostet. Die im EU-Vergleich besonders hohe Förderung für E-Autos oder Wärmepumpen zu reduzieren, kostet die Wirtschaft zwar Aufträge, aber es stellt die Klimaziele nicht in Frage und das wichtige Klimaticket bliebe erhalten. Den Klimabonus zu streichen, ist zwar ökologisch sogar sinnvoll, verringert aber massiv und voran zu Lasten sozial Schwacher die Kaufkraft, denn die CO2-Abgabe muss ja erhalten bleiben.

Dagegen muss eine Senkung der Körperschaftsteuer nicht völlig schief gehen: In den USA mussten die Unternehmen Teile ihrer erhöhten Gewinne an die Arbeitnehmer weitergeben, weil es an Arbeitskräften mangelte -das kann auch hier passieren.

Obwohl die FP-VP- Maßnahmen also meines Erachtens die relativ besten waren, wenn man dem Sparzwang der EU nachkommen muss und vermögensbezogene Steuern tumb ausschließt, wird das Ende des Klimabonus, die geplanten Gebührenerhöhung und die Einsparung der Ministerien die Inlandskaufkraft doch deutlich senken. Da die EU gleichzeitig die Auslandkaufkraft senkt, indem sie bereits acht Staaten Defizitverfahren androht, wird sich die Rezession letztlich vertiefen. Dafür wird die FPÖ nichts können – für das Aushungern kritischer Medien dagegen sehr wohl.

 

 

 

 

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Nehammer ging – die Rezession bleibt

Die Industrie zog Herbert Kickl Karl Nehammer vor. Dabei wird eine FP-VP- Regierung die Rezession vertiefen. Deren rasche Überwindung schließt Maastricht leider aus.  

Von der „Wirtschaft“ bedrängt hat Karl Nehammer das Handtuch geworfen. So anständig er ist, so absurd war die Begründung: Die zuletzt von Andreas Babler gar nicht mehr geforderten vermögensbezogenen Steuern, hätten der Wirtschaft doppelt genützt: Indem sie erlaubt hätten, die Steuern auf Arbeit zu senken, hätten sie die Kaufkraft erhöht und zugleich künftige Anstellungen verbilligt.

Dass Generalsekretär Christian Stocker Nehammer als Interimsobmann folgt, um mit Herbert Kickl zu verhandeln, passt ins türkise Bild, hat er ihm zuvor doch die Eignung zum Parlamentarier abgesprochen. Wann die FP-VP- Regierung steht ist offen- ich erwarte sie bald. So gut wie gewiss ist hingegen ein EU- Defizitverfahren und sicher muss der Kampf gegen die Rezession sofort einsetzen.

Von der Regierung Nehammer begangene Fehler mögen die Rezession befördert haben – ausgelöst hat sie die verfehlte Zinspolitik der EZB. Und auch die Grundprobleme Österreichs wie der EU sind nicht nationalen Fehlern, sondern den Maastricht-Kriterien geschuldet, die den Staat zum Sparen zwingen.

Der Glaube der EU, voran Deutschlands, man könne dürftiges Wirtschaftswachstum durch staatliches Sparen überwinden, obwohl auch Konsumenten und Unternehmen sparen, ist widersinnig, weil dann denkunmöglich mehr verkauft werden, die Wirtschaft also wachsen kann.  Der Hinweis auf den aktuellen Überschuss Griechenlands beweist nur Unkenntnis: Griechenlands Sparen unter Aufsicht der EU-Troika mündete in ein Fiasko, von dem es sich erst jetzt, 15 Jahre später, erholt, wobei es der Bevölkerung immer noch miserabel geht. Einen Überschuss kann jeder Staat erringen, der Leistungen kürzt.

Ich weiß nicht, wie viele Top-Ökonomen es braucht, der EU (Deutschland, Österreich) zu erklären, dass Staatshaushalte etwas anderes als der Haushalt der schwäbischen Hausfrau sind. Mir genügte Österreichs durch Jahrzehnte renommiertester Ökonom, Erich Streissler, der in Wien Volkswirtschaft unterrichtete und, obwohl für seine Keynes-kritische Haltung bekannt, lehrte: „In einem hat (John Maynard) Keynes zweifellos recht: In einer Krise darf und kann der Staat nicht sparen.“ Wirtschaftsnobelpreisträger Paul A. Samuelson nennt Sparen in seinem Lehrbuch „eine private Tugend, die für eine Volkswirtschaft verhängnisvoll sein kann.“ Der aktuelle Nobelpreisträger Daron Acemoglu meinte zur Staatsschuldenbremse: „Es macht keinen Sinn, sich derart die Hände zu fesseln.“  Und Nobelpreisträger Joseph Stieglitz rechnete in dem Buch „Europa spart sich kaputt“ schon 2016 vor, dass die Wirtschaft der EU seit Maastricht weit langsamer als davor wächst.

Doch die EU bleibt stolz darauf, ihre Staatsschuldenquote seit der Finanzkrise auf 86 Prozent gesenkt zu haben, während die der USA 119 Prozent erreicht. Wie die Menschen das Ergebnis erleben interessiert offenbar nicht: Im Jahresschnitt wuchs die Wirtschaft der USA mit 2,1 Prozent fast doppelt so stark wie die der EU (1,2 Prozent); entsprechend stärker stiegen die US-Löhne und die Arbeitslosigkeit, die in den USA längst Vollbeschäftigung gewichen ist, verharrt in der EU bei 6,5 Prozent.

„Aber wer soll die immer höheren Staatsschulden bezahlen?“, pflegen ORF- Moderatorinnen aufgeregt zu fragen: Niemand! Sie werden roulierend erneuert. Wie hoch die Zinsen der Finanzmärkte für neues Geld sind, hängt davon ab, wie gut die Wirtschaft läuft – deshalb erdrückt ihre Last weder die USA noch Japan mit 250 Prozent Staatsschuldenquote. Sie erdrückt auch Österreich in keiner Weise, denn unsere Wirtschaft ist stark, differenziert und elastisch: Der Automotoren -Spezialist AVL-List entwickelt bereits Schiffsmotoren. Die pinke Rede von Österreichs „Pleite“ ist trotz der großen, aktuellen Probleme Unsinn.

Auch der Glaube an den Segen staatlichen Sparens wäre längst als solcher entlarvt, hätte Deutschland nicht vorgeführt, dass seine Wirtschaft trotz dieses Sparens herausragend wächst. Doch das lag daran, dass es – unter Missachtung der EU-Forderung nach zweiprozentiger Inflation – seine Arbeitskräfte nicht mehr der Produktivität entsprechend entlohnte und mit so verbilligten Waren anderen Volkswirtschaften Märkte wegnehmen konnte. Nur fand dieses Exportmodell jetzt zwingend Grenzen: Lauter sparende EU-Staaten können sich nicht weiter zu Gunsten Deutschlands verschulden; China ist selbst Großexporteur; und die USA, die sich am meisten zu Deutschlands Vorteil verschuldet haben, haben es satt und drohen mit Zöllen. So sieht die ökonomische Welt aus, in der die EU uns zum Sparen vergattert.

Was bedeutet das für Österreichs künftige Regierung? Ich glaube, sie wird dem geforderten Sparkurs folgen: Das wird die Rezession vertiefen und den Rückstand der EU auf die USA vergrößern. Verringern kann ihn nur eine Reform der Maastricht -Kriterien. Die zu erreichen müsste theoretisch das Ziel jeder neuen österreichischen Regierung sein: Indem sie sich voran mit den Regierungen in Paris und Rom, zusammentäte hätte sie faire Chancen auf Erfolg. Deutsche werden zwar nie zugeben, sich grundlegend geirrt zu haben, aber man könnte die Regeln gesichtswahrend dahin modifizieren, dass Investitionen in die Zukunft, in Klimaschutz, Verteidigung oder Digitalisierung nicht mehr unter „Schulden“ zählen. Nur das wendete vielleicht eine sehr schmerzhafte Krise ab, wenn die USA tatsächlich Zölle einheben. Nur wird die FP-VP-Regierung diesen Versuch nicht unternehmen.

 

 

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Ein denkbar zweischneidiges Neujahrskonzert

Mit 5o Millionen Zuschauern in 91. Ländern ist das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker der mit Abstand größte Werbeauftritt Wiens und Österreichs und er wurde in der Vergangenheit auch immer besser genutzt indem man Balletteinlagen an besonders sehenswerten Plätzen der Stadt einbaute.

Diesmal baute man in der Mitte des Konzerts einen Film ein, wie er schlechter kaum sein konnte: Am Bildschirm ist, bei weiterhin guter musikalischer Untermalung die meiste Zeit ein unglaubwürdiges, nicht einmal spaciges, scheinbar   gebasteltes oder künstlich animiertes Weltraumgefährt zu sehen, in dessen hässlichem Innenraum unter dem rätselhaften Namen „Kapitän Tom“ ein an sich gut aussehender,  ansonsten aber völlig nutzloser Nachfahre der Familie Strauss vor einem altmodischen Radio sitzt. Ansonsten geht er in Schuhen oder barfuß durch den Innenraum des Gefährts, tippt manchmal auf irgendwelche Bildschirme, auf denen gelegentlich Bilder manchmal aber auch Zeichen wir „error“ oder „solved“ auftauchen, die offenbar ans Cockpit einer Raumfähre erinnern sollen. „Kapitän Tom“ setzt denn auch manchmal einen Raumfahrer-Helm auf um dann wieder sein Gesicht in die Kamera zu halten – er scheint sehr zufrieden damit zu sein. Einmal tanzt er auch barfuß Walzer und ist dabei nicht im Takt.

Zwischendurch werden auch interessante historische Bilder der Familie Strauss eigeblendet oder man sieht ein paar Musiker auf einer Art Floß auf der alten Donau gut musizieren. Wirklich Interessantes über die Familie Strauß erfährt man kaum -nur dass Johann Strauss Sohn auch in Sankt Petersburg und in den USA Konzerte gab. Meist aber beherrscht das gebastelte Raumschiff hässlich und störend den Bildschirm. Dabei hätte man anlässlich seines zweihundertsten Geburtstages einen durchaus interessanten Kurzfilm über ihn drehen und seinen Nachfahren vielleicht auch darin einbauen können, wenn der etwas Interessantes zu erzählen hat – so weiß man nicht einmal worauf die Verwandtschaft beruht. In Summe ein miserabler Film, der angesichts der Raumfähre nicht einmal ganz billig gewesen sein kann und das Konzert auf ausschließlich störende Weise unterbricht.

Leider sind auch die Tanzeinlagen diesmal weit schlechter als sonst gelungen: Sie spielen einmal im an sich morbid eleganten Südbahn-Hotel am Semmering, nur dass die wie immer blendenden Tänzer und Tänzerinnen des Staatsoper-Balletts diesmal anfangs besonders öde antike Kostüme anhaben und dass die Männer später besonders knallige bunte Hemden anhaben, die Modernität suggerieren sollen, aber erst recht altmodisch wirken. Zweiter Schauplatz ist dann Wiens Technisches Museum, wo dann in hübscheren Kostümen rund um eine alte Lokomotive getanzt wird, weil auch die Bahn angeblich 200 Jahre alt ist. Gegenüber den Schauplätzen vergangener Tanzeinlagen regt dieser jedenfalls zweifellos am wenigsten dazu an, Wien zu besuchen.

Jedenfalls war man erleichtert, als das gesamte Zwischenprogramm vorbei war und man wieder den wunderbaren Saal des Musikvereins sieht und sich auf die dargebotene Musik konzentrieren konnte, denn besser als unter Ricardo Muti können die Philharmoniker kaum musizieren.

Es ist zu hoffen, dass Zuschauer im Ausland während des Zwischenspiels mit der Raumfähre nicht aufgestanden sind und den Fernseher verlassen haben.

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„So sind wir nicht“- viele leider doch!

Die jüngste Studie zum heimischen Rechtsextremismus ist für den Autor „kein Grund für Alarmismus“ – aber sie ist zumindest einer für eine andere Wirtschaftspolitik.

„So sind wir nicht“ erklärte Bundespräsident Alexander van der Bellen bekanntlich als das Ibiza-Video auftauchte, und hatte damit insofern Recht, als die Mehrheit der Österreicher kaum, wie der damalige FP-Obmann Heinz Christian Strache, bereit wäre, einer Oligarchen-Nichte amtsmissbräuchlich Geschäfte zuzuschanzen, damit sie im Gegenzug die Kronenzeitung erwirbt, um dort zack, zack, zack der FPÖ unliebsame Redakteure zu eliminieren. Das bestürzende aber ist, dass nicht nur die FPÖ des  H.C. Strache 30 Prozent Zustimmung besaß, obwohl bekannt war, dass er dem Neonazi Milieu entstammte und kein Hehl aus seiner rechtsextremen Einstellung machte, sondern dass die Bevölkerung der gleichen FPÖ schon wenige Jahren nach dem Ibiza Video wieder mit dreißig Prozent zustimmt, obwohl ihr nächster Obmann Herbert Kickl sich wie Adolf Hitler „Volkskanzler“  nennt, und von „Fahndungslisten“ für unliebsame Journalisten spricht.

Die demokratische Phase unserer Geschichte war nun einmal nach Monarchie, Austrofaschismus und Faschismus eine besonders kurze und selbst „Sonnenkönig“ Bruno Kreisky durfte fast nicht kritisiert werden. Wir  haben ein besonders großes, besonders leicht abrufbares Potential, uns bedingungslos einer Autorität zu unterwerfen. Immerhin 14 Prozent der Österreicher wünscht sich „einen starken Mann an der Spitze des Landes, der sich nicht an die Zustimmung des Parlaments kümmern muss“, während sich das nur 8,6 Prozent der Deutschen wüschen, so erhob der Leiter des „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands“ Andreas Kranebitter  kürzlich in einer Studie zum heimischen Rechtsextremismus, deren auffälligste Ergebnisse mittlerweile eine gewisse Prominenz genießen: 36 Prozent der Bevölkerung will nicht neben Muslimen leben; 29 Prozent findet, ihnen sollte die Zuwanderung untersagt werden; 50 Prozent ist für „Remigration“, das heißt die Deportation Unliebsamer; und 42 Prozent unterschreibt den Satz „Israels Politik in Palästina ist wie die der Nazis im Zweiten Weltkrieg“- der Unterschied zwischen brutalem Krieg und systematischem Mord wird sofort negiert, wenn es um Juden geht. antisemitische Ansichten sind mit 23 Prozent häufiger als in Deutschland  mit 7 Prozent. Das „rechtsextreme“ Segment der Befragten, bei dem solche Ansichten besonders ausgeprägt sind, beziffert die Studie mit 10 Prozent  und 58 Prozent dieser Rechtsextremen stimmten, wenn Sonntag gewählt würde für die FPÖ, 17 für die SPÖ, 1 für die ÖVP.

Dennoch sieht Kranebitter, in seinen Ergebnissen „keinen Anlass zu Alarmismus“- vielleicht, weil Hysterie immer verfehlt ist, wenn es um den Kampf gegen politische Risiken geht. Dennoch scheint mir dieser Kampf dringlich. Ich bleibe bei der Überzeugung, dass heute wie in den Dreißigerjahren die wirtschaftliche Situation  Hauptgrund für die Rechtsverschiebung ist: Damals war es manifeste Arbeitslosigkeit – heute ist es die Angst vor ihr. Damals war es die absolute Not – heute ist es das Erleben eines wachsenden Abstands zum Mittelstand. Natürlich geht es selbst dem ärmsten Österreicher fantastisch im Vergleich zu einem Bulgaren – aber an dem misst er sich nicht. Er misst sich am Mittelstand und an einer Vergangenheit, in der er auf dieser Stufenleiter weiter oben stand.

Vor allem anderen bauchte es daher eine EU-Politik die das immer weitere Auseinanderklaffen zwischen einer winzigen Kaste Hyperreicher und einer gut 25 Prozent großen, wachsenden Schicht Abgehängter beendet. Diese Abgehängten sind die typischen FPÖ -Wähler, auch wenn derzeit Millionäre mit der FPÖ liebäugeln, weil ihnen ihr Wirtschaftsprogramm mit seiner strikten Ablehnung vermögensbezogener Steuern wie das der ÖVP zum Vorteil gereicht, während es der beschriebenen Unterschicht und mit ihr FP-Wählern nur Nachteile beschert. Aber Herbert Kickl ist wie keiner andere in der Lage, ihnen vorzugaukeln, dass er auf ihrer Seite stünde, indem er gegen „Ausländer“ und „Eliten“ schäumt – und leider gibt es keinen entfernt so begabten Gegenspieler. Gleichzeitig ist es ihm, wie Donald Trump, gelungen, seriöse  Medien bis hin zum ORF bei der Bevölkerung auf eine Weise in Verruf zu bringen, die sich in Kranebitters Studie so niederschlägt: 51 Prozent der Befragten ist der Meinung, die Bevölkerung würde von Medien „systematisch belogen“.

Vielleicht ist das ein Anlass den achtzigsten Geburtstag eines Kollegen zu feiern, der in der Lage ist, Rechtsextremismus zumindest mit der Reichweite des Standard zu kritisieren: Hans Rauschers „Einserkastl“ ist, wovon immer es handelt, ein Plädoyer für die „offene Gesellschaft“ und gegen die Geisteshaltung der FPÖ. Gerade weil er Politik  zeitlebens unvoreingenommen analysiert hat, ist seine Kritik an ihr so treffend: Die FPÖ ist eine blendend vermarktete, wirtschaftlich besonders unfähige, asoziale Partei, deren ökonomische Bestleistung im Rahmen der schwarz-blauen Koalition in einer Krankenkassenreform bestand, die eine Milliarde einbringen sollte und bisher Mehrkosten von 215 Millionen verursacht hat, nachdem die dafür verantwortliche Sozialministerin Beate Hartinger-Klein ihre besondere finanzielle Kompetenz mit der Erklärung offenbart hatte, dass man von 150 Euro monatlich blendend leben könne. Rauscher weiß dergleichen mit dem nötigen Humor vorzutragen, während bei mir die Galle überwiegt. Er dürfte einen ehrenden Spitzenplatz auf Kickls Fahndungsliste einnehmen.

 

 

 

 

 

 

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Reale Grundsteuern als Budget-Rettung? 

Karl Nehammer kann sich höhere Grundsteuern vorstellen. Sie sind keine „neuen Steuern“, so dass die ÖVP ihr Gesicht wahrte. Durchführung und Ertrag bleiben ein Problem.

 Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Karl Nehammer kann sich zwar keine Vermögens- und keine Erbschaftssteuer, wohl aber höhere Grundsteuern vorstellen. Tatsächlich können nur sie einen Teil der Milliarden erbringen, die mindestens nötig sein werden, wenn die künftige Regierung ein Budget erstellen will, das den Forderungen der EU entspricht und mit den wirtschaftlichen Problemen zu Rande kommt, die auf uns zukommen: Wir befinden uns bereits mitten in einer Rezession; Deutschlands Autoindustrie und deren österreichische Zulieferer erleben bereits eine existentielle Krise; aber in Zukunft droht ihnen auf dem für sie wichtigsten Markt, den USA, ein Zoll von 50 Prozent.

Damit zurück zur Eingangsnachricht: Sie wurde zwar nicht falsch, aber irreführend verkündet. Eine „Vermögenssteuer“, die exakt diesen Namen trägt und jedes Vermögen, von Geld über Immobilien bis hin zur Briefmarkensammlung umfasst, gibt es meines Wissens nur mehr in der Schweiz. Überall sonst meint man mit „Vermögensteuern“ vermögensbezogene Steuern und deren überall wichtigste ist weit vor der Erbschaftssteuer die Grundsteuer. Grundsteuern haben wir schon, so dass die ÖVP ihr Versprechen „keine neue Steuer“ einzuführen, formal halten kann. Nur ist Österreichs Grundsteuer anders als im Rest der Welt lächerlich gering, denn sie bemisst sich nach den sogenannten „Einheitswerten“, die trotz Verdreifachung im Jahr 1973 mit dem Verkehrswert fast nichts zu tun haben: Oft liegt er über dem Zehnfachen des Einheitswerts. 2008 führte diese Divergenz dazu, dass der Verfassungsgerichtshof einem Kläger Recht gab, der in der Erbschaftsteuer ein Instrument der Ungleichbehandlung sah, denn jemand, der ein Grundstück im Wert von 5 Millionen erbte, zahlte eine lächerlich geringe Erbschaftssteuer, während sie für jemanden, der 5 Millionen in bar erbte und kein Verwandter des Erblassers war, 60 Prozent erreichte. Der VGH trug der Regierung die Reparatur dieses Fehlers auf, aber die ÖVP war dazu nicht fristgerecht bereit und so haben wir seither keine Erbschaftsteuer und weiterhin grotesk niedrige Einheitswerte. Sie sind nicht nur niedrig, sondern werden der Grundsteuer außerdem auf überaus komplizierte Weise, mit vielen Ausnahmen und möglichen Einflussnahmen der zuständigen Gemeinden, zugrunde gelegt: Die Gemeinden können einen „Hebesatz“ festlegen, der Mehreinnahmen zulässt, aber es gibt dafür keine klare  Regel. Derzeit erlösen die Gemeinden aus Grundsteuern nur gerade 800 Millionen Euro. Eine problemlose Möglichkeit, diese Steuer adäquater zu gestalten, hätte darin bestanden, die Einheitswerte „wertgesichert“ mit der Inflation zu erhöhen: Dann läge der Ertrag heute um die zwei Milliarden, die dem Bund insofern zu Gute kämen, als er den Gemeinden dann im Wege des Finanzausgleiches entsprechend weniger überweisen müsste. Doch die Wertsicherung wurde versäumt.

Die Grundsteuer jetzt dennoch so zu gestalten, dass sie mehr einbringt, stößt leider auf etliche Hürden. So zahlt sie derzeit nicht, wie das logisch wäre, der Eigentümer einer vermieteten Wohnung, sondern er kann sie als Teil der Betriebskosten dem Mieter verrechnen, sodass ihre Erhöhung höhere Mieten bedingte. Schon mittelfristig brächten höhere Grundsteuern Mietern allerdings Vorteile: Es wäre dann nicht mehr möglich, Grundstücke zu horten, bis sie den maximalen Preis erreichen. Baugrund stünde rascher und billiger zur Verfügung so dass er auch rascher und billiger verbaut werden könnte. Man muss das künftige Mietrecht also zwar ändern, aber das kann nicht nur zu Lasten der Vermieter gehen.

Am schwierigsten ist freilich die Festlegung neuer, dem Verkehrswert angenäherter  Einheitswerte. Den geringsten Aufwand erforderte ein Gesetz, das sie verzehnfachte, so wie man sie verdreifacht hat – aber mit dem Zusatz, dass jeder, der die neue Bewertung unzutreffend findet, sie gerichtlich anfechten kann und die Kosten erstattet erhält, wenn er gewinnt. Das Problem: Der VGH könnte die Verzehnfachung im Gegensatz zur Verdreifachung als mit dem bisherigen Gesetz nicht mehr vereinbar ansehen.

Verzichtet man deshalb auf diese einfache Möglichkeit, bleibt nichts anderes übrig, als die Einheitswerte völlig neu festzulegen, wobei es die seinerzeit dafür zuständigen Abteilungen nicht mehr gibt. So sinnvoll die Neufestlegung auch ist – WIFO-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller sieht darin eine nachhaltige Strukturverbesserung- so relativ aufwendig und langwierig ist sie leider. In Fachkreisen wird daher auch eine wenig aufwendige Variante der Besteuerung großer Vermögen diskutiert: Man könnte den Zeitraum für die vorzeitige „Abschreibung für Abnutzung“ (AfA) einer Immobilie von 65 Jahren auf 100 Jahre erstrecken, so dass statt eines Fünfundsechzigstel des Kaufpreises jedes Jahr nur mehr ein Hundertstel steuermindernd geltend gemacht werden könnte.

Am leichtesten wäre es freilich, zuerst eine rasch administrierbare Erbschaftsteuer mit einer Million Euro Freigrenze und dann, wie in allen Ländern, weniger komplizierte substantielle Grundsteuern einzuführen, die tatsächlich die Milliarden erlösen, die man braucht, um nicht nur unser Budgetdefizit, sondern voran die Steuern auf Arbeit zu reduzieren. Aber ÖVP und leider auch Neos wollen die Vermögensverteilung, exakt wie die FPÖ, so wenig wie möglich verändern. Und nicht einmal dieser Gleichklang mit Herbert Kickl stimmt sie nachdenklich.

 

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Wie kann das Team Nehammer II überleben?

Die nächste Regierung steht vor der ökonomisch schwierigsten Situation seit den Nachkriegsjahren. Ihre einzige Chance ist engste Kooperation – intern wie gegenüber der EU.

Die EU glaubt, verhindern zu können, wozu Donald Trump sie mit 20 Prozent Zoll auf alle Waren und 50 Prozent auf deutsche Autos zwingen will: nämlich sich adäquat zu verschulden. Doch ich zweifle, dass er entscheidend nachgibt: Er wird nicht einsehen, warum sich die USA mit 219.000 Milliarden Dollar jährlich verschulden sollen, um voran deutsche Autos zu kaufen, die dank inadäquat zurückgehaltener  Löhne billiger als US-Autos sind. Daher sehe ich auf die nächste Regierung die größten Wirtschaftsprobleme seit den Nachkriegsjahren zukommen: Mit diesen Zöllen konfrontiert, soll sie bekanntlich auch noch Milliarden einsparen, um der 60 Prozent Staatsschuldengrenze näher zu kommen. Theoretisch wäre es das Beste, diese Aufgabe einer geduldeten FPÖ-Minderheitsregierung zu überlassen, um vorzuführen, wie wenig sie, die ständig alles kritisiert, dem gewachsen wäre, begibt sich Herbert Kickl mit seiner strikten Ablehnung vermögensbezogener Steuern doch der einzigen Möglichkeit, die nötigen Milliarden relativ schmerzlos aufzutreiben. Aber praktisch richtete Kickls Regierung Österreich restlos zu Grunde und so muss man es anders probieren: Die auszuhandelnde Regierung Karl Nehammer II ist zum Erfolg verdammt!

Die nächste deutsche Regierung, die sich in einer fast so schlechten Lage befindet, kann mit Zweidrittelmehrheit ihre größte Belastung, die in der Verfassung verankerte Staatsschuldenbremse, außer Kraft setzen – wir haben sie zwar nicht in der Verfassung verankert, können sie aber auch nicht demonstrativ außer Kraft setzen. Die Regierung muss der EU-Kommission vielmehr unsere besondere Notlage plausibel machen und gemäß den neuen, flexibleren Fiskalregeln sollte das möglich sein. Besteht Brüssel fortgesetzt auf  maximal 3 Prozent Budgetdefizit und Annäherung an die Staatsschuldengrenze, ist Hopfen und Malz verloren: Die Regierung kann dann nur nach bestem Wissen und Gewissen das Richtige tun und die Schuldengrenze überschreiten.

Dass sie aus drei Parteien besteht, muss kein Hindernis sein: Das Wissen, dass sie zum Erfolg verdammt ist sollte einen. Wäre ich Nehammer, nähme ich sogar die Grünen mit an Bord, um die überparteiliche Einheit zu betonen. Gleichzeitig sollte es einen fixen „Regierungssprecher“ geben, der keiner der vier Parteien angehört und etwas von Wirtschaft versteht, um der Öffentlichkeit, was immer die Regierung tut, zu erklären. Das hätte zwei Vorteile: Die Regierung spräche im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Stimme und die vier Parteichefs widerstünden der Versuchung, sich gegeneinander zu „profilieren“. Sehr schnell könnte dieser Regierungssprecher zwei sehr populäre Leistungen verkünden: Er könnte erklären, warum man, indem man sie wie fast alle Länder mit einem Dreiersenat besetzt, die optimale Bundesstaatsanwaltschaft geschaffen hat -denn Karoline Edtstadler, die ein einziges Mitglied wollte, ist nicht mehr an Bord. Und er könnte erklären, wie gut ein endlich parteiunabhängiger Stiftungsrat die Unabhängigkeit des ORF sichert. Bezüglich der  entscheidenden Wirtschaftspolitik erzielte man wahrscheinlich rasch Einigkeit darüber, das Budget nach Einsparungsmöglichkeiten, allenfalls Überförderungen, abzuklopfen. Nur dass man bald feststellte, wie wenig das – die Anhebung des Pensionsalters und ein Durchforsten des Föderalismus als Langfristprojekte ausgenommen – bringt, wenn man die Kaufkraft nicht gefährlich reduzieren will.

Ausreichend rasch und dennoch nachhaltig werden Milliarden nur frei, wenn man vermögensbezogene Steuern beschließt. Soeben wurden sie selbst von den gewiss nicht linken G20 gefordert, um die weltweit dramatische Ungleichheit abzubauen, die nicht nur die Demokratie gefährdet, sondern wirtschaftsfeindlich ist: So wie im Feudalismus einige Wenige, die über riesige Güter verfügten, ungleich weniger aus dem Boden herausholten als die vielen Bauern, auf die er aufgeteilt wurde, verwalten Hyperreiche ihre Vermögen schlechter: Elon Musk setzte beim Umbau von Twitter zu X 30 Milliarden Dollar in den Sand, weil es ihm auf diesen Klacks nicht ankam. Es soll geniale Unternehmer wie ihn geben, aber wenn Vermögen nicht derart auf sie konzentriert wäre, gäbe es mehr davon.

Österreichs Vermögensverteilung unterscheidet sich wenig von der der USA: Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 39 Prozent des Gesamtvermögens und schon weil es bereits so viel besitzt, kauft es nicht so viel ein – aber nur wenn möglichst viel eingekauft wird, kann möglichst viel verkauft werden und wächst die Wirtschaft optimal. Anders als selbst die USA hat Österreich jedoch die nach Mexiko und der Slowakei niedrigsten vermögensbezogenen Steuern der Welt. Ziel muss daher sein, eine adäquate Grundsteuer und wieder eine Erbschaftsteuer einzuführen, um die Steuern auf Arbeit entsprechend zu senken. (Reichte der Betrag nur, die Forderungen Brüssels zu erfüllen, wären beide zu gering bemessen.) Beate Meinl-Reisinger schien die Notwendigkeit dieser Umverteilung einen Moment lang zu verstehen, Karl Nehammer verstand, dass der Staat, statt nur sparsamer zu agieren, das Wirtschaftswachstum befördern muss – und das geht nur mit dem Geld aus vermögensbezogenen Steuern. Sollten Neos und ÖVP dennoch an ihrer apodiktischen Ablehnung solcher Steuern festhalten, lehnte ich, wäre ich Andreas Babler, die Beteiligung der SPÖ an der Regierung ab – dann möge wenigstens eine FP-VP- Regierung scheitern.

 

 

 

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Inflation strafte Nehammer wie Biden

Geschichte kann sehr ungerecht sein: Karl Nehammer konnte so wenig für die überdurchschnittliche Inflation, wie Jo Biden – beiden bescherte sie Wahlniederlagen.

 Auch bei der steirischen Wahl hat die überdurchschnittliche Inflation, die Österreich heimsuchte, laut Nachwahlbefragung eine wesentliche Rolle für das Debakel der ÖVP wie der Grünen gespielt: in ihr wird bei jeder Wahl das zentrale Versagen der Regierung Karl Nehammers gesehen. Zu Unrecht: Die überdurchschnittliche Inflation rührt so gut wie ausschließlich davon her, dass Österreich überdurchschnittlich von russischem Gas abhängig war, und das verantworten ausschließlich vorhergehende Regierungen. Den letzten Vertrag, der diese Abhängigkeit für 40 Jahre fortschrieb, unterzeichnete die OMV unter dem Applaus von Sebastian Kurz und damals noch Heinz Christian Strache als Obmann jener FPÖ, die jetzt derart vom angeblichen Versagen Nehammers profitiert. (Erst jetzt kann dieser Vertrag vielleicht aufgelöst werden, weil Russland die Lieferung unterbrach.)

Im Internet kann man bei der deutschen „Zentrale für politische Bildung“ ein Schaubild abrufen, aus dem man die Abhängigkeit der EU-Staaten von russischem Gas bis 2020 ersehen kann -ich kann es hier zwar nicht wiedergeben, wohl aber beschreiben: Die größte, so gut wie hundertprozentige Abhängigkeit verzeichnen die Staaten des ehemalige Ostblocks, danach folgt mit 80 Prozent Österreich, das in diesem Schaubild leider nicht berücksichtigt ist, aber die Zahl ist unbestritten, dann folgt Deutschland mit 65 Prozent – die geringste Abhängigkeit weist Spanien auf, das damals null russisches Gas bezog. Exakt so verhielt es sich mit der Inflation: am Geringsten war sie in Spanien, am höchsten im ehemaligen Ostblock, und überdurchschnittlich hoch, der überdurchschnittlichen Abhängigkeit von russischem Gas entsprechend, war sie in Österreich, mit Abstand gefolgt von Deutschland. Man könnte die Schaubilder von Gas-Abhängigkeit und Inflation übereinanderlegen, und sie wären so gut wie deckungsgleich. Das Management der Inflation spielte dem gegenüber kaum eine Rolle und gelang Österreich im Detail sogar besser als Deutschland. So warf die FPÖ der Regierung vor, nicht wie Deutschland die Treibstoffsteuer zu senken, aber eben das kostete den deutschen Fiskus 3,5 Milliarden Euro, denn die relativ wenigen Tankstellenketten gaben nur einen Teil der Steuersenkung weiter und behielten den Rest für sich. Die Forderung der FPÖ war, wie meist, falsch.

Nicht nur die FPÖ sondern auch die SPÖ forderten bekanntlich auch dingend, die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel zu senken, wie Spanien das weise getan hätte. Die Regierung unterließ es angesichts der deutschen Treibstofferfahrung, weil man zweifelte, dass der Nahrungsmittelhandel, der in Österreich von nur drei Anbietern dominiert wird, die Ermäßigung weitergeben würde. In Spanien gab er sie weiter, weil dort zahlreiche Nahrungsmittelketten miteinander konkurrieren. Dass der so falsche und in der Folge so wahlentscheidende Vorwurf des schlechten Inflationsmanagements von der Regierung Nehammer nie bestritten wurde, indem man die gleichen Grafiken wie ich gegenüberstellt, ist mir ein Rätsel – oder richtiger: einer von mehreren Belegen dafür wie schlecht er sich ökonomisch beraten lässt. Nicht minder versagt hat die Wirtschaftsberichterstattung, die das  ebenfalls unterließ und Österreichs „überdurchschnittliche Inflation“ etwa im ORF stets vorwurfsvoll ins Treffen führte. Übrigens wäre es jetzt ebenso unseriös, kreidet ich vorangegangenen Regierungen die hohe Abhängigkeit von russischem Gas  als Kardinalfehler an: Österreich muss mit der VOEST einen der erfolgreichsten Stahlproduzenten mit Energie versorgen, und da war russisches Gas die preisgünstigste Möglichkeit. Die USA haben zwar stets vor der einseitigen Russland- Abhängigkeit gewarnt,  aber das schien nur ihrem Interesse zu entsprechen, ihr Fracking-Gas zu verkaufen.

Tatsächlich hat dieses Interesse einen gewissen Anteil daran, dass sich Russland und die OPEC 2020 noch vor dem Ukraine Krieg, aber von Wladimir Putin in dessen Vorbereitung auf jene massive Kürzung der Öl und Gasförderung einigten, die die Explosion des Öl/ Gas- Preises auslöset. Denn zuvor war es den USA immer gelungen, diesen Preis moderat zu halten, indem sie den Saudis drohten ihnen weniger Waffenhilfe zu leiste. Ab durch Fracking selbst zum weltgrößten Öl/Gasproduzenten geworden, war diese Drohung 2020  ersten nicht so energisch wie sonst ausgefallen weil man selbst vom höheren Preis profitierte und zweitens konnte Saudi-Machthaber Mohammed bin Salem drohen, sich Russland zu nähern. Jedenfalls war die damalige Preiserhöhung auch Auslöser der explodierenden Inflation in den USA, auch wenn später massive Lohnerhöhungen unter Donald Trump wie Joe Biden hinzutraten. Doch obwohl die Schuld daran Joe Biden nur höchst indirekt trifft, war diese Inflation zweifellos ein wesentlicher Grund dafür, dass die Demokraten die Wahl gegen Trump verloren, obwohl Biden mit seinen hohen Investitionen in den Klimaschutz und die US-Infrastruktur eine optimales Programm zur Stärkung der US-Wirtschaft in Gang gesetzt hatte ohne ihre Verschuldung so drastisch wie Trump zu erhöhen, denn dessen übertrieben Senkung der Körperschaftsteuer auf 21 Prozent hatte er auf 26 Prozent korrigiert. Die USA wären mit Biden bzw. Harris einer glänzenden wirtschaftlichen Zukunft entgegengegangen, ohne den Rechtsstaat zu gefährden. Aber die Wirtschaftsgeschichte kann leider sehr ungerecht sein – vor allem wenn das Wahlvolk sehr wenig von Wirtschaft versteht.

 

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