Österreichs kritisch hohe Lohnabschlüsse

Tariflohn-Abschlüsse um die 9 Prozent gegenüber nur 2,4 Prozent unseres größten Handelspartners Deutschland werfen für uns ein Problem auf- für andere ist es gravierend.

Während das 2,2 Milliarden Bau-Paket der Regierung, wie die meisten von den Sozialpartnern geschnürten Pakete, dazu beitragen wird, den Einbruch der Baukonjunktur abzufedern, den die EZB mit ihrer Hochzinspolitik verursacht und soeben prolongiert hat, dürften uns die von den Sozialpartnern 2023 vereinbarten Lohnabschlüsse in Zukunft größere Probleme bescheren, denn laut einer soeben veröffentlichten Untersuchung der EZB waren es die höchsten Europas.

Die EZB-Ökonomen haben sich die Lohnabschlüsse der größten Volkswirtschaften, Deutschland, Frankeich, Italien, Großbritannien, in Relation zu denen der eher kleinen, Holland, Spanien, Griechenland, Österreich im Detail  angeschaut: Im Schnitt erhöhten sich die Tariflöhne um 4,5 Prozent- doch Österreich lag mit fast 9 Prozent am weitesten darüber, und, das macht es so kritisch, unser größter  Handelspartner, Deutschland, lag mit 2,4 Prozent am weitesten darunter.

Möglich wurde das, weil die deutschen Gewerkschaften eine Erhöhung der Tariflöhne über zwei Jahre hinweg akzeptierten, die sich relativ wenig von früheren Abschlüssen unterschied – nur dass sehr hohe Einmalzahlungen hinzukamen, um die extreme Inflation abzugelten. Rechnet man die Einmalzahlungen mit, so ergibt sich ein momentaner Einkommenszuwachs deutscher Arbeitnehmer von 3,7 Prozent – aber nur die 2,4 Prozent erhöhen das fortdauernde deutsche Lohnniveau. Die Einmalzahlungen bleiben, passend zur abklingenden Inflation durch verteuertes russisches Gas, ein nur temporäres Phänomen: sie erhöhen das deutsche Lohnniveau nicht dauerhaft.

Dagegen schaffen unsere fast neun Prozent höheren Tariflöhne in einer Wirtschaft, in der zu 80 Prozent Kollektiverträge gelten, im Export Probleme, die uns eine Weile begleiten könnten.

Zwar wurde etwa mit der Metaller- Gewerkschaft vereinbart, dass Betriebe, die mit dem Abschluss von 8,6 Prozent Probleme haben, mit ihrer Belegschaft doch etwas geringere Lohnerhöhungen vereinbaren können, und ich nehme an, dass das selbst in ziemlich guten Betrieben geschehen ist, aber selbst für die besten ist der hohe Abschluss ein Problem. Haben sie die Löhne tatsächlich um 8,6 Prozent erhöht, so muss man auf einen Effekt hoffen, der 1980 zu beobachten war, als Hannes Androsch den Schilling gegen heftigen Widerstand  der Industriellenvereinigung weiter an die harte D-Mark band und österreichische Waren damit international wesentlich verteuerte: Die betroffenen Betriebe steigerten die Qualität ihrer Produkte und die Effizienz ihrer Produktion daraufhin derart, dass sie dennoch konkurrenzfähig blieben. Im Endeffekt bescherte uns das die besten Klein- und Mittelbetriebe neben denen der Schweiz und Deutschlands. Denn hohe Löhne haben den Vorteil, eine Peitsche für die Produktivität zu sein: Es ist kein Zufall, dass Holland, das seit 1997 „Lohnzurückhaltung“ übt, den geringsten Produktivitätszuwachs seiner Geschichte verzeichnet und dass Österreichs Metallindustrie gegenüber der Deutschlands, mit seiner so massiven Lohnzurückhaltung einen Produktivitätsvorsprung errungen hat: unsere Metallunternehmen sind absolute Weltklasse.

Dennoch verlangen die zitierten Lohnabschlüsse ihnen in Konkurrenz zu erstklassigen deutschen Unternehmen Gewaltiges ab. Ich habe, als der Metaller- Abschluss verhandelt wurde, hier zwar richtig darauf hingewiesen, dass die Benya-Formel, wonach Löhne um den Produktivitätszuwachs plus Vorjahresinflation steigen sollen, nicht mehr angewendet werden darf, wenn die Inflation nicht auf den üblichen moderaten Lohnerhöhungen des Vorjahrs, sondern auf der außergewöhnlichen, extremen Verteuerung russischer Gasimporte beruht – aber ich habe  in den erzielten 8,6 Prozent bei erstmals zwei Jahren Laufzeit, ein gutes Resultat gesehen.  Das ist mir, seit ich die deutsche Vergleichszahl im Detail kenne, nicht mehr möglich: unser so viel höherer Lohnabschluss birgt, wie der Unterhändler der Metallindustrie Christian Knill und der Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill zu Recht befürchtet haben, das Risiko, uns Jobs zu kosten. Denn natürlich verteuert ein Lohnabschluss von 8,6 Prozent Waren erheblich mehr, als einer von 2,4 Prozent und kostet entsprechende Wettbewerbsfähigkeit. Dazu erhöht er im Inland die Inflationsrate und fordert damit womöglich den nächsten problematischen Lohnabschluss heraus.

Dass sich Deutschlands Waren auf Grund seiner so niedrigen Lohnabschlüsse am wenigsten verteuern, schafft aber nicht nur uns ein Problem, sondern verschärft auch das hier schon oft erörtertes Grundproblem des „Südens“ der  EU: Schon bisher haben ihn die niedrigen Lohnstückkosten, die Deutschland auf Grund seiner „Lohnzurückhaltung“ aufweist, massiv Marktanteile gekostet – das könnte auf Grund der niedrigen aktuellen deutschen Lohnabschlüsse noch mehr der Fall sein, denn in Frankreich lagen die Abschlüsse bei 4,8, in Italien bei 5,8 Prozent.

Insofern ist das Jammern der Deutschen über den angeblichen Niedergang ihres Industriestandorts verfehlt, auch wenn die niedrigen Löhne (= die niedrige Kaufkraft seiner Bevölkerung) Deutschland das Exportmodell aufgezwungen haben, das derzeit an Grenzen stößt.

Österreich kann sein so hoher Lohnabschluss zwar vielleicht ein blaues Auge aber keine Katastrophe bescheren, aber voran bei Italiens frage ich mich, wie lang es die so niedrigen deutschen Preise aushält.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4 Kommentare

  1. In dem interessanten Bericht, wird immer vom verteuerten Russengas gesprochen. In Wahrheit ist das Russengas langfristigen Verträgen unterworfen. Wenn unsere Entscheidungsträger so blöd sind teures Frackinggas und verflüssigtes Gas einzukaufen, darf man sich nicht wundern. Wirtschaftliche Abhängigkeiten und Verflechtungen sind ein Beitrag zur Friedenssicherung. Wer bombadiert seinen Handelspartner? Der böse Putin hat eine sehr hohe Zustimmung bei einer sehr guten Wahlbeteiligung erreicht. Wäre die Ablehnung so große, wie uns die Leitmedien einzureden versuchen, hätten die drei Mitbewerber nicht so miserabel gepunktet. Das Lohndumping in Deutschland ist für Europas Deinustrialisierung sehr hilfreich. Gut dass Österreich da nicht mitgeht. Not macht eben erfinderisch. Das haben die Sanktionen gegen Russland sehr präzise aufgezeigt.

    1. Gar nicht, aber das meiste, was Babler bis jetzt von sich gegeben hat, ist unrealistisch und dem Wahlkampf zuzuschreiben. Wahlkampf ist eine Zeit fokussierter Unintelligenz, aber ich fürchte, der Teich, in dem er da fischt, ist zu klein, um der SPÖ wieder zu mehr Bedeutung zu verhelfen.

  2. Nun, offensichtlich haben die niedrigen Lohnabschlüsse in Deutschland nicht zu höherer Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft geführt, sondern zu mehr Unzufriedenheit in der Arbeitnehnerschaft und zu einer schon viel zu lang andauernden Streikwelle, die nicht nur das Vertrauen in die deutsche Infrastruktur zerstört hat, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv schädigt.

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