Trump gefährdet den US-Rechtsstaat wie nie. Das wird das goldene Zeitalter, das er der US-Wirtschaft verspricht, verkürzen. Der EU drohen harte Zeiten, wenn sie bleibt wie sie ist.
Noch sind die USA ein Teil der freien Welt, aber Vieles an der Inauguration Donald Trumps im Capitol erinnerte an Auftritte Wladimir Putins im Kreml.
Frenetisch beklatschen die Anwesenden jede seiner Lügen, selbst wenn sie ans Surreale grenzten: Er würde die Justiz wieder zu einem Instrument der Rechtsprechung statt der Verfolgung Unschuldiger machen, erklärte er, ohne dass jemand lachte und begnadigte tags darauf den Mob, den er zum Sturm aufs Capitol angestiftet hatte. So wie Putin die orthodoxe Kirche hinter sich weiß, ist Trump das Idol der Evangelikalen und konnte sich wie wie Adolf Hitler rühmen, dass Attentate auf ihn erfolglos blieben, weil Gott ihn auserwählt hat, Amerika wieder groß zu machen. Joe Biden, der der Feier wie alle Ex-Präsidenten beiwohnte, musste sich anhören, dass er die USA in den Abgrund geführt hat, obwohl sie wirtschaftlich bestens dastehen. Aber Trump hat, wie bei der Wahl, das Glück, dass preissteigernde Lohnerhöhungen eine durch die OPEC und Russland verursachte Verteuerung fossiler Energie zu einer Inflation gesteigert hatten, die Bidens Erfolg vorerst verdeckt.
Für mich beinahe gespenstisch war, dass die reichsten Männer der Welt, Jeff Bezos (Amazon), Marc Zuckerburg (Facebook), Bill Gates(Microsoft)und Elon Musk, ( X, Tesla Space X) sich Trump nicht anders unterwerfen als Russlands Oligarchen Wladimir Putin: Sie wissen um seine Entschlossenheit, jeden, der ihm entgegentritt, zu vernichten. Anders als die meisten Kommentatoren bin ich nicht so sicher, dass die US-Verfassung und das US-Justizsystem dergleichen verhindern.
Deshalb bin ich auch nicht so sicher, dass der wirtschaftliche Boom, den Trump auslöste, nachhaltig ist: Erfolgreiche Marktwirtschaft braucht auf Dauer Rechtssicherheit, die Freunderlwirtschaft vermeidet. Und die ist massiv wie nie zuvor: Groß-Spender Elon Musk erhielt bekanntlich eine eigene Behörde, um die Staatsausgaben zu reduzieren und wird das sicher nicht dort tun, wo sie seinem Raketenprogramm Space X zu Gute kommen. Eher werden sie dort kräftig steigen, hat Trump doch das Erobern des Mars zum Staatsziel erklärt. Doch so prestigeträchtig das ist, wird es, anders als die Space X- Raketen zur Installation von Satelliten im All, das Bruttoinlandsprodukt der USA nur marginal erhöhen- den Reichtum Musks dagegen astronomisch.
Ganz anders ist das mit Trumps Milliardeninvestition in Künstliche Intelligenz, ist sie doch die Technologie der Zukunft. Der Draghi-Bericht sah Ähnliches auch für die EU vor, aber dort haben vier Staaten, darunter Österreich, gemeinsam mit Deutschland verhindert, dass ein entsprechender Fonds geschaffen wurde. Ihrer ökonomischen Ahnungslosigkeit wegen spart die EU sich auch bei KI so kaputt, wie Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz vorgerechnet hat.
Allerdings rechnet Stieglitz jetzt auch vor, dass Trumps Investitionen die gesetzliche Grenze überschreiten dürften, die der Congress jeweils für die US-Staatsverschuldung festlegt, und so wie konservative Republikaner Trump in seiner ersten Amtszeit an Investitionen in die Infrastruktur gehindert haben, könnten sie ihn jetzt auch bei KI daran hindern – die Ideologie, der er zum Sieg verholfen hat, steht ihm zugleich im Weg.
Sich selbst steht Trump im Weg indem er versprach, elf Millionen Ausländer, die ohne Papiere im Land sind, zu deportieren. Denn damit verschärfte er massiv den Arbeitskräftemangel, der US- Arbeitnehmern zuletzt die großen Lohnerhöhungen verschafft hat, die die Inflation anheizten. Das geschähe jetzt in noch viel größerem Ausmaß – wie Trump dennoch sein Versprechen einhalten will, die Preise zu senken, bleibt ein Rätsel, sofern er sich nicht wie in den letzten Tagen mit Show-Abschiebungen begnügt.
Stieglitz hat aber auch vorgerechnet, wie gewaltig die Staatsverschulung nicht nur durch Trumps Investitionen, sondern auch durch seine neuerlich geplanten Steuersenkungen steigen wird und dass die Märkte darauf mit empfindlichen Zinserhöhungen für neues Geld reagieren könnten. Um so mehr ist daher damit zu rechnen, dass Trump alle von ihm angedrohten Zölle auch verhängt, um sein Handelsbilanzdefizit zu verringern, zu dem die EU zwar nicht 350, wohl aber 220 Milliarden Dollar beiträgt: In diesem Ausmaß verschulden sich die USA jährlich zu Gunsten der EU, davon allein mit 80 Milliarden zu Gunsten Deutschlands, voran seiner Autoindustrie. Deutsche Luxuslimousinen können Cadillac und Co. nämlich voran deshalb so erfolgreich ausstechen, weil deutsche Unternehmen sie dank protektionistischer Lohnzurückhaltung besonders preisgünstig produzieren. Wie sehr Politiker, Ökonomen oder Medien Trumps Protektionismus auch verdammen, ist er doch die logische Konsequenz deutscher Dumpinglöhne.
Irgendwann wird man in der EU begreifen müssen: In den USA wurden und werden die Löhne so erhöht, dass die Bevölkerung fast alles, was die USA produzieren, auch kaufen kann – sie müssen relativ wenig exportieren. Bei der EU ist das nicht entfernt der Fall, obwohl sie der größere Wirtschaftsraum ist. Nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit (digitale Plattformen ausgenommen) ist zu gering, sonst könnte die EU nicht solche Handelsbilanzüberschüsse gegenüber den USA erzielen, sondern unsere Löhne sind zu niedrig, um zu ermöglichen, dass wir das Gros unserer Waren selber kaufen. Ändert die EU weder ihre Lohn- noch ihre Sparpolitik, geschieht uns recht, wenn wir abgehängt werden.