Auch Trump opfert die Ukraine nicht

Der überraschende Sinneswandel Donald Trumps bewahrt die Ukraine vor der drohenden Niederlage. Ihren Erfolg behindern EU-Rechtsruck, Schuldenbremse und Friedensbewegte.

Bereits seit einem Jahr konfrontieren mich russische Freunde mit der wachsenden Enttäuschung, dass der “Westen” der Ukraine nur so zögerlich schwere Waffen und nicht einmal genug Munition liefert, “denn dass Putin diesen Krieg verliert, ist unsre einzige Chance, ihn loszuwerden.” Bis zum letzten Wochenende konnte ich ihrem Pessimismus immer Weniger entgegensetzen-ich sah die Ukraine den Krieg verlieren. Donald Trumps überraschender Sinneswandel, stimmt deshalb optimistisch, weil er der Ukraine auch dann eine Chance gibt, wenn er Joe Biden ablösen sollte.

Auch in Bidens Team gibt es Politiker, die die Chance sehen, dass Putin über eine Niederlage in der Ukraine stürzt. Doch Biden selbst ist vorsichtiger – und ich bin es mit ihm: der “Westen” muss nur alles tun, damit Wladimir Putin diesen Krieg nicht gewinnt. Der nicht nur semantische Unterschied: es ist zwar höchst unwahrscheinlich, aber nicht absolut ausgeschlossen, dass Putin doch zu Atomwaffen greift, ehe er den Krieg offenkundig verliert. Das will Biden nicht riskieren und so hat er im Einklang mit seiner der kriegsmüden Bevölkerung immer erklärt, keine Truppen zu entsenden. Damit ließ er Putin auch immer einen gesichtswahrenden Ausweg, den der freilich nur suchen wird, wenn die Ukraine ihn militärisch dazu zwingt: wenn er  über einen Frieden verhandeln muss, bei dem er ihr Terrain samt Donbass räumt, die Krim aber russisch bleibt -schließlich hat Nikita Chruschtschow sie der Ukraine 1954 ohne Volksabstimmung geschenkt. So problematisch dieser Verhandlungsfriede auch wäre, weil er Putins Aggression unverändert belohnte, scheint er mir doch die einzige realistisch Chance, ein fortgesetztes Blutbad zu vermeiden.

Derzeit kann von Verhandlungen freilich nicht die Rede sein – viel eher ist zu fürchten, dass die Ukraine den Krieg verliert. Sie hat nun einmal nur 38 Millionen Einwohner, gegenüber 144,2 Millionen Einwohnern Russlands. Nur überlegene Bewaffnung hätte dieses Manko beseitigt, doch diese Möglichkeit hat Kanzler Olav Scholz vergeben: Deutschland liefert der Ukraine viel zu spät die schweren Panzer, die ihre Sommeroffensive zum Erfolg geführt hätten. So kann Putin die Infrastruktur der Ukraine weiter erfolgreich zerstören und langsam aber sicher Terrain gewinnen.

Weil Trumps Republikaner die USA bis jetzt blockierten, ermannte sich die EU: sie beschloss ein 50 Milliarden -Hilfspaket und liefert aus Deutschland ein Luftabwehrsystem und aus Tschechien Munition. Zudem schlug Generalsekretär Jens Stoltenberg schlug einen 100 Milliarden-Fonds der NATO vor, um den Nachschub der Ukraine für längere Zeit zu sichern. Ungarns Viktor Orban hat freilich schon Widerstand signalisiert und wenn der erwartete Rechtsruck im EU-Parlament stattfindet, weil Österreich durch mehr FP-Mandatare, Frankreich durch mehr Mandatare Marine Le Pens, oder Deutschland durch mehr AfD -Mandatare vertreten ist, stehen auch weitere EU-Gelder auf vorerst auf ungewissen Beinen. Schon allein der Ukraine wegen müsste man diesen Rechtsruck unter die historischen Katastrophen zählen. Den Hauptgrund dafür sehe ich unverändert im Sparen der Staaten und in der von Deutschland praktizierten Lohnzurückhaltung. Franz Schellhorn von der Agenda Austria hielt mir entgegen, dass die Löhne in der EU doch gestiegen wären – aber leider nur wenn man die Inflation außer Acht lässt. Vor allem hat jene Unterschicht massiv Kaufkraft verloren, aus der die Mehrheit der Wähler von FPÖ, AfD oder Marine Le Pen kommt.

Entscheidend für das Schicksal der Ukraine ist aber zweifellos die Haltung der USA. Bisher hatten die Republikaner ein 61 Milliarden-Hilfspaket bekanntlich im Auftrag des wahlkämpfenden Donald Trump blockiert – aber selbst er kann lernen: Indem er jetzt erklärte, die Unterstützung der Ukraine liege sehr wohl im Interesse der USA, verwarf er alles bisher Gesagte und das Paket wird endlich beschlossen.

Damit auch die EU rechtzeitig und ökonomisch verträglich Ihren Teil zu Waffenlieferungen beitragen kann, braucht es aber nicht nur viel Geld, sondern auch den blitzartigen Ausbau der eigenen Rüstungsindustrie, und der erfordert von den EU-Staaten nicht nur massive Basisinvestitionen, sondern auch die Bereitschaft Jahr für Jahr zwei Prozent des BIP für Rüstung auszugeben, denn die Rüstungsbetriebe brauchen diese Gewissheit, um zu investieren. In Deutschland scheitert diese Bereitschaft gleichermaßen am Widerstand Friedensbewegter, die Aufrüstung zur Verteidigung für Kriegstreiberei halten, wie am Widerstand der FDP, die zwar energisch für Waffenhilfe an die Ukraine eintritt, ihren Wählern aber versprochen hat, die Staatsschulden nicht zu erhöhen. Die CDU-CSU verhält sich diesbezüglich nicht anders als bisher die Republikaner: Sie torpediert das von Olaf Scholz geforderte Aussetzen der Staatsschuldenbremse, weil sie ihn damit vor Probleme stellen kann. So musste seine Regierung bekanntlich eine Mehrbelastung der Landwirtschaft beschließen, um die Schuldengrenze einzuhalten und beschwor damit  einen Bauernaufstand herauf. Selbst Mehrausgaben zur Belebung der angeschlagenen deutschen Wirtschaft scheitern an der Schuldengrenze: die widersinnige Schulden-Phobie des Ökonomen Kenneth Rogoff behindert die rasche Überwindung der Rezession nicht anders als die rechtzeitige Waffenhilfe für die Ukraine. Auch ökonomischer Unsinn kann eine historische Katastrophe sein.

 

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Kein Flächenbrand – außer beim Judenhass

Teheran erkennt seine militärische Schwäche. “Saubere Chirurgische Eingriffe” sind eine militärische Illusion. Aber Netanjahu ermöglicht Antisemiten ein gutes Gewissen.

Ein militärischer Flächenbrand scheint uns erspart zu bleiben: Dass Israels “Iron Dom” unter Beihilfe der USA, Großbritanniens, Frankreichs und peripher der US-finanzierten Luftabwehr des jordanischen Königs, 99 Prozent der 300 vom Iran abgefeuerten Drohnen und Raketen abfing, dürfte Teheran klar gemacht haben, wie chancenlos es im Krieg mit Israel wäre – es begnügt sich den Angriff zu feiern. Nun fordern die USA auch von Israel Genügsamkeit bei der “Vergeltung”- sie machten dabei nicht mit. Wie weit Benjamin Netanjahu das begreift, muss sich zeigen: Bisher huldigte er dem Credo, “Aug um Aug, Zahn um Zahn” – jedenfalls ist das die Politik, mit der er politisch zu überleben hofft. Ich freilich hoffe, dass die bisherigen Ereignisse das ausschließen: Sein Versuch, das Oberste Gericht zu entmachten, hat  das Land entzweit; weil er nur als Regierungschef einem Korruptionsprozess entgeht, hat er unfähige ultrareligiöse Partner in Kauf genommen; entsprechend katastrophal hat die Regierung versagt: obwohl er durch Jahre wohlwollend zusah, wie Katar die Hamas finanzierte und so einen funktionierenden Palästinenserstaat ausschloss, negierten seine Minister präzise Informationen, wann und wie die Hamas Israel überfallen würde; indem sie Truppen von der Grenze zum Schutz der illegalen “Siedler” ins Westjordanland verlegten, wurde der Überfall zum Kinderspiel.

Die Bodenoffensive, mit der Netanjahu reagierte, so schrieb ich hier vor fünf Monaten, würde in ein Gemetzel münden, statt Israel sicherer zu  machen. Die von mir angeführte Alternative – sich nach einem demonstrativen Luftschlag damit zu begnügen, ein technisch bereits entwickeltes System zum billigen Abfangen auch kleiner Raketen zu installieren – war freilich unrealistisch: Zurückhaltung war der Bevölkerung nach der brutalen Ermordung von 1.200 Landsleuten und der Verschleppung von 250 Geiseln nicht zuzumuten, und ohne militärischen Druck hätte die Hamas nicht eine Geisel freigegeben. Doch die von mir befürchteten Folgen sind eingetreten: Nach dem Tod von rund tausend Israelis und mindestens dreißigtausend Palästinensern (wie viele davon Hamas-Kämpfer sind, ist schwer zu sagen), ist Israel von intensivierter Feindschaft umgeben: der Iran will es seit jeher vernichten; seine libanesischen, irakischen, syrischen, jemenitischen Milizen beschießen Israel permanent; in Ägypten oder Jordanien wollte die Bevölkerung das genauso – nur ihre autoritären Regime verhindern es; Saudi Arabien wird lang brauchen, wieder über Frieden zu verhandeln. Und der weltweite Antisemitismus hat mit dem Tod der Mitarbeiter von “Worldwide Kitchen” durch eine verirrte israelische Rakete einen historischen Höhepunkt erreicht.

Dabei ist Israel Opfer einer alten militärischen Gesetzmäßigkeit: Nur massivster Beschuss besiegt einen gut verschanzten Gegner. Die geballte US-Armee brauchte fünf Monate, um ein Bataillon deutscher Fallschirmjäger auszuschalten, das sich im zerbombten Montecassino verschanzt hatte. Eine Hamas zu besiegen, die viele Jahre und viele Milliarden der EU und Katars darauf verwendet hat, ein Tunnelsystem zu errichten, dessen Zugänge und Zentren sich durchweg unter Spitälern oder Schulen befinden, geht nur so blutig wie Israels Armee es tut. Der “saubere chirurgische Eingriff” ist eine militärische Illusion – man hätte die Bodenoffensive nur  weitestgehend unterlassen können. Sonst hingegen muss das ständige  Kriegsverbrechen der Hamas – die Nutzung von Zivilisten als Schutzschild – zur Voraussetzung dessen werden, was man jetzt als Kriegsverbrechen Israels bezeichnet.

In Deutschland und Österreich bewahrten die Regierungen der “Vergangenheit” wegen Augenmaß: Sie lehnten Resolutionen ab, die das Hamas- Massaker negierten. Überall sonst explodiert der Antisemitismus. Er war ja nie auf uns beschränkt, sondern es gab und gibt ihn überall und das war und ist zugleich seine angebliche Rechtfertigung: Es muss doch einen Grund haben, dass man “Juden” überall ablehnt. Es gibt ihn tatsächlich: immer und überall sind sie jene nicht völlig “Anderen”, die dennoch ein “Wir”-Empfinden ermöglichen. Dass sie, die ursprünglich nirgends Bauern oder Handwerker sein durften, ihr Überleben damit zu sichern suchten, als Ärzte, Wissenschaftler oder Künstler besonders erfolgreich zu sein und dass die Ablehnung der Geldwirtschaft durch das Christentum zu ihrer Überrepräsentation in der Geldwirtschaft führte, bereichert den ubiquitären Antisemitismus um entsprechenden Neid. Im Verhalten der Juden gegenüber den Palästinensern sehen sich Antisemiten wie selten zuvor bestätigt – statt nur zu sehen, dass Juden Kriege nicht humaner als andere führen. “Gaza” ermöglicht Antisemiten ein gutes Gewissen.

Selbst Joe Biden musste sich von Israel distanzieren, um bei den Wählern nicht an Boden zu verlieren. Dabei erwächst daraus eine groteske Konstellation: Gewinnt Donald Trump die Wahl, wird er Israel meines Erachtens höchst ungerecht gestatten, den Gazastreifen zu annektieren. Der von Biden geforderte “Palästinenserstaat” wäre ungleich gerechter. Nur bezweifle ich, dass er sich gegenüber Israel anders verhielte als das Staatswesen der Hamas: Vermutlich weiterhin arbeitslose, junge Palästinenser haben das Gemetzel von “Gaza” erlebt, ihren  Schulbüchern entnommen, dass es kein Israel geben soll und dass sie ins Paradies kommen, wenn sie es bekämpfen. Ich zweifle, dass sie Frieden mit Israel wollen.

 

 

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Kai M. Dankl: Werbung für Marx & Lenin?

Salzburgs Vizebürgermeister Kai -Michael Dankl will Kommunist und Marxist sein, Andreas Babler zumindest Marxist. Ist eine dunkelrote Renaissance denkbar?

 Schon bei ihrer ersten Pressekonferenz war klar: Der neue SP-Bürgermeister Salzburgs, Bernhard Auinger und sein Vize Kai-Michael Dankl, der sich als Kommunist und Marxist bezeichnet, sind eine Chance für die Mozartstadt. Auinger, zuvor unglücklicher Vize des erfolglosen VP-Bürgermeisters Harald Preuner, überzeugt durch Sachkenntnis und Erfahrung, Dankl wirkt kaum weniger informiert und denkbar engagiert. Beide lassen keinen Zweifel, dass sie zusammenarbeiten wollen, statt einander politisch zu bekriegen. So sagte Auinger Dankl sofort das von ihm gewünschte Wohnbau-Ressort zu, obwohl das Dankl, sollte er Erfolg haben, zu einem noch schärferen Konkurrenten bei künftigen Wahlen macht. Beiden geht es offenkundig vor allem um die Stadt – und das kommt gut an.

Ist daher denkbar, dass Marxismus und Kommunismus in Österreich eine Renaissance erleben, nachdem sich SP- Obmann Andreas Babler als Marxist geoutet hat, Elke Kahr erfolgreich als kommunistische Bürgermeisterin von Graz amtiert und nun auch Dankl die Chance auf Erfolg hat?

Aufs Erste hat Dankl sehr persönliche Vorzüge: Er wirkt denkbar sympathisch, spricht so verständlich wie intelligent und es macht  Eindruck, dass er, wie andere KP-Funktionäre, von seinem Gehalt nur 2400 Euro für sich behält und mit dem Rest Bedürftige unterstützt. Durch Politik nicht reich werden zu wollen, fällt angenehm auf, auch wenn es Dankl noch nicht zu einem guten Wohnbaustadtrat macht, denn Wohnungsnot lässt sich nicht durch Almosen, sondern nur durch mehr sozialen Wohnbau beheben. Das Besondere an Dankl: Man traut ihm diesen vermehrten sozialen Wohnbau zu und niemand fürchtet, dass er zu diesem Zweck das Privateigentum abschaffen wird.

Mein Problem ist: Die regierenden Kommunisten dieser Erde haben das primär immer getan – es bleibt für mich schwer verständlich, wie man heute anständig, intelligent und Kommunist sein kann. In erster Linie weil Kommunismus, wo immer er verwirklicht wurde – von Russland bis China, von Kambodscha bis Kuba mit düsterer Diktatur verbunden war. Dankl sollte es als Historiker am besten wissen: Unter Stalin starben 2,5 Millionen Bürger als angebliche “Konterrevolutionäre” im “Archipel Gulag”, 700.000 wurden hingerichtet; Mao Tse Tungs “Kulturrevolution” kostete mindestens 1,5 Millionen Chinesen das Leben; Pol Pots rote Khmer brachten in Kambodscha zumindest 1,7 Millionen Menschen um; in Kuba wird bis heute gefoltert (ich könnte Dankl mit Opfern bekannt machen). Als man Dankl auf die Diktatur Wladimir Putins ansprach, reagierte er freilich so glaubwürdig wie geschickt: Sympathien für Putin würde man eher bei der Wirtschaftskammer oder der FPÖ finden.

Allerdings hat der Kommunismus immer auch wirtschaftlich total versagt, sofern er nicht, wie in China, aufhörte, kommunistischen Maximen zu folgen: In der Sowjetunion verhungerten sieben Millionen, als die Landwirtschaft verstaatlicht wurde, in Kambodscha Hunderttausende, in Kuba gibt es soeben eine Hunger-Revolte. Theoretisch könnte Dankl sich freilich auch von der Staats- und Planwirtschaft des Kommunismus distanzieren: Sie ist kein Gebot des Marxismus, sondern eine Erfindung Lenins. Weil Karl Marx nie sagte, was er unter der von ihm geforderten “Vergesellschaftung” der Produktionsmittel versteht, erklärte Lenin, man hätte darunter “Verstaatlichung” zu verstehen. Da die kommunistische Partei den Staat beherrschte, beherrschte sie die “Produktionsmittel”, und da staatliche Funktionäre mittels Anordnung agieren, herrscht im Kommunismus Planwirtschaft.

Indem er sich, Lenin negierend, auf Marx zurückzieht, könnte Dankl dem Vorwurf entgehen, das kommunistische Wirtschaftsmodell zu vertreten. Allerdings ist es auch nicht ganz leicht, heute Marxist zu sein. Marx war zwar ein für seine Zeit fortschrittlicher Ökonom und erkannte viele dem Kapitalismus eigene Gefahren richtig- etwa das Streben nach Monopolen -, aber er sah auch vieles falsch – etwa, dass Unternehmen keine fallende Profitrate akzeptieren könnten. Sein zentraler Fehler war freilich die Überzeugung, dass der Wirtschaft ein “ehernes Gesetz” innewohne, wonach es zum Klassenkampf zwischen ausgebeutetem Proletariat und besitzender Bourgeoisie kommen müsse, den das Proletariat gewänne, um via “Vergesellschaftung” zur klassenlosen Gesellschaft zu gelangen. Gewerkschaften, wie sie zu seiner Zeit in England erste Erfolge errangen, lehnte Marx ab: Sie würden durch “Scheinerfolge” den Sieg des Sozialismus nur verzögern. Tatsächlich hat es in kommunistischen Staaten nie Gewerkschaften gegeben – “Solidarnosc” in Polen entstand gegen die kommunistische Partei.

Ich frage mich, ob den “Marxisten” Babler, Kahr oder Dankl dergleichen bewusst ist? Jedenfalls habe ich in Österreich bisher nur einen Menschen, den Politologen Norbert Leser gekannt, der Marxens Werk auch gelesen hatte und Marx` zentrale These bei aller Wertschätzung des Ökonomen Marx, energisch ablehnte. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Marxismus hat in der SPÖ nach dem Krieg nie stattgefunden – man hat sich damit begnügt, gelegentlich marxistische Vokabel zu nutzen, kaum aber marxistisch oder kommunistisch zu handeln. Ich glaube, dass das bei Dankl, Kahr oder Babler nicht viel anders ist: Sie wollen gute sozialdemokratische Politik machen. Sollte es tatsächlich zu einer Renaissance von Kommunismus und Marxismus kommen, dann indem beides verkannt wird.

 

 

 

 

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Die Probleme missverstandener Inflation

Dass die EZB die Inflation ihrer Geldpolitik anstatt Russlands Gaspreispolitik zuschreibt, hat der EU Rezession und uns kritische Lohnabschlüsse beschert.  

In der Wissenschaft, so lehrte Sir Karl Popper, gilt das Prinzip der Falsifizierung: Wenn ein korrekter Versuch eine These widerlegt, so legt man sie ad acta. Obwohl die Ökonomie Wissenschaft sein will, agiert sie anders: Dass Japan trotz einer Staatsschuldenquote von 235 Prozent wirtschaftlich ungleich besser als Bulgarien mit seinen 21Prozent funktioniert, hindert Ökonomen, die der Ideologie staatlichen Sparens anhängen, nicht daran, es vorzuschreiben.

Tragisch wird es, wenn die Geldpolitik das Prinzip der Falsifizierung negiert. Bekanntlich hat die EZB die Märkte durch zehn Jahre mit Geld geflutet und dennoch ist jede Verteuerung des Warenkorbes, (=Inflation) unterblieben. Das sähe man in der Wissenschaft normalerweise als Falsifizierung der These an, dass eine vergrößerte Geldmenge Inflation erzeugen muss. Dennoch halten die sogenannten Monetaristen unverändert, daran fest, indem der deutsche Starökonom Hans Werner Sinn ernsthaft erklärt, die Inflation habe sich durch zehn Jahre wie Catchup in eine Plastikflasche angestaut und pflatsche jetzt heraus. Dass sie auf der drastisch gekürzten Förderung von Öl und Gas beruhen könnte, die Russland und OPEC 2020 beschlossen, und die voran Gas drastisch verteuerte, weil Schock, Sorge und Gier hinzutraten, ist offenbar ein zu simpler Gedankengang, um von Ökonomen in Betracht gezogen zu werden.

Das wäre nicht so schlimm, hätte nicht auch die Chefin der EZB, Christine Lagarde, Sinns These übernommen, und, um die angeblich von ihr selbst verursachte Inflation zu bekämpfen, die Zinsen so rasch und drastisch erhöht, dass die aktuelle Rezession einsetzte. Keinen der befassten Ökonomen störte, dass gefährliche Inflation ein Phänomen ist, bei dem Löhne und Preise einander wechselseitig hochtreiben, was in eine Wirtschaftsregion, in der die stärksten Volkswirtschaften, anders als in den USA, “Lohnzurückhaltung” übten, doch eher unwahrscheinlich ist.

Dabei spricht nicht nur die Übereinstimmung der Zeiträume in denen sich Gas verteuerte und die Inflation erhöhte, dafür dass das erste das zweite verursacht hat, sondern es gibt zwei Indizien, die man in einer anderen Wissenschaft als Falsifizierung der These ansähe, dass sie von der Europäischen Zentralbank verursacht wurde: Keine Notenbank hat, um den Frankenkurs zu dämpfen, ihre Bilanzsumme so stark erhöht, wie die der Schweiz – dennoch hat sie kaum Inflation, weil sie ihre Energie aus Wasser- und Atomkraft bezieht.

Wenn die EZB die Inflation tatsächlich verursacht hätte, müsste sie zumindest in den Eurostaaten ziemlich gleich ausfallen – aber sie ist in Spanien, das kaum von russischem Gas abhängt sehr niedrig, und in Österreich das extrem davon abhängt sehr hoch.

Und das “Gegenmittel” der EZB, das lehrbuchmäßig wäre, wenn es sich um gefährliche Inflation handelte, nämlich die Zinsen zu erhöhen, um die Konjunktur abzukühlen und mittels steigender Arbeitslosigkeit Lohnerhöhungen zu erschweren, braucht mindestens ein halbes Jahr, um Wirkung zu zeitigen – doch überall in Eurozone sanken die Erzeugerpreise schon davor.

Dass die EZB die Inflation nicht als befristetes Phänomen begriff, ließ, so sehe ich es heute, auch den ÖGB falsch reagieren, indem er Tariflohn -Erhöhungen von 8,6 Prozent durchsetzte, während die deutschen Gewerkschaften sich mit nur 2,4 Prozent, bei freilich sehr hohen Einmalzahlungen begnügten. Der Ökonom Kurt Bayer erhebt gegen meinen Kommentar, in dem ich Österreichs Abschlüsse “kritisch hoch” im Verhältnis zu denen Deutschlands nannte, den Einwand “dass eine von den relevanten österreichischen Ministerien unterstützte Studie der FIW (Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft) festgestellt hat, dass Österreich 2023 im Export Marktanteile gewonnen (!!!) hat und diese in den kommenden beiden Jahren zumindest halten kann. Dazu: Nicht nur die Lohnhöhe bestimmen die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch Investitionen, Innovationskraft, Qualität der Produkte und anderes. Offenbar ist die Gewinnentwicklung der deutschen und österreichischen Unternehmen in den letzten beiden Jahren so gut, dass Dividendenzahlungen in riesigem Ausmaß möglich waren. Warum wurde nicht mehr investiert oder in die Löhne gesteckt?” (Zitat Ende)

Vor allem bezüglich Bayers letzter Frage, stimmen wir voll überein und natürlich hängt Wettbewerbsfähigkeit nicht nur von den Löhnen ab. Ich nehme an, dass wir die seit zwei Jahrzehnten in Deutschland und Österreich geübte “Lohnzurückhaltung” gleichermaßen kritisch sehen. Aber sie wurde und wird leider geübt und im konkreten Fall hat Deutschland die hohe Inflation, weil sie ein nur temporäres Phänomen ist, mit der sehr hohen Einmalzahlung, aber sehr geringen Tariflohnerhöhung sehr geschickt abgegolten, während Österreich in Zukunft mit 8,6 Prozent höheren Tariflöhnen leben muss. Dass es 2023 sogar Exportanteile dazu gewonnen hat, betrifft leider die Vergangenheit- es ist die Zukunft, der meine Sorge gilt. Die deutsche Ökonomin Friederike Spieker hat errechnet, wo wir mit unseren Lohnstückkosten in Zukunft liegen: Um 7,1 Prozent über den Schnitt der EWU, während unser wichtigster Handelspartner Deutschland 4 Prozent darunter liegt. Wir produzieren damit, noch vor Spanien am teuersten in der EWU. Mir wäre natürlich lieber, Deutschlands Lohnpolitik sähe ganz anders aus, denn dann könnte sie in der gesamten Eurozone eine ganz andere sein – aber vielleicht sieht Kurt Bayer doch, dass unsere aktuelle Situation nicht unkritisch ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sind Österreichs Lohnabschlüsse wirklich “kritisch hoch”? Dies schreibt P.M. Lingens in seinem letzten Kommentar (Falter 11/24). Er belegt dies durch das Zitat einer EZB-Studie, nach der die Tariflöhne großer EU-Länder um 4,5 Prozent stiegen (jene Deutschlands nur um 2,4 Prozent), jene Österreichs jedoch um “fast neun Prozent”. Lingens fürchtet, dass diese hohen Tariflöhne uns im “Export Probleme bereiten [ ], die uns eine Weile begleiten können”. Dagegen spricht, wie kürzlich Nach den Daten der Statistik Austria ist der österreichische Tariflohnindex 2023 zwar um 7,6 Prozent gestiegen, im Jahr zuvor jedoch nur um 3,0 Prozent, im längeren Zeitvergleich, also vor Beginn der Corona-Epidemie, haben die Tariflöhne insgesamt um 15,9 Prozent zugelegt, die Inflation jedoch um 22,0 Prozent. Über diesen Zeitraum sind also die Reallöhne (sprich Kaufkraft der Haushalte) gefallen, und die Lohnkosten-Wettbewerbsfähigkeit gestiegen. Nach dem Modus österreichischer Lohnverhandlungen gehen sie von der vergangenen Inflationsrate aus.

Das führt dazu, dass die Löhne im Aufschwung nachhinken, im Abschwung voranziehen. Gute Kaufleute führen ihre Betriebe nicht für den Moment, sondern vorausschauend für die mittlere Zukunft, sorgen also in guten Gewinnjahren für schlechtere vor und haben damit Polster für die Kaufkrafterhaltung ihrer Angestellten. Die in der finanzmarktgetriebenen Ära üblich gewordene Praxis, sofort alle Gewinne auszuschütten, statt sie zu thesaurieren, darf unter die negativen Verwerfungen neoliberalen Verhaltens subsumiert werden.

 

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Rüstung macht die EU sicherer & reicher

Hohe Rüstungsausgaben bewirken einen Teil des wirtschaftlichen Vorsprungs der USA. Das wird in einer EU, der ein US-Präsident Donald Trump droht, nicht anders sein.

 Obwohl er Wladimir Putin riet, NATO-Länder anzugreifen, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen, bleibt Donald Trump Favorit für die US-Präsidentschaft. Er liegt in den wahlentscheidenden “Swing states” weiter klar vor Joe Biden und wenn nichts Unvorhersehbares geschieht – Millionen Erstwähler ihn ablehnen, weil er den Klimawandel negiert- heißt der nächste US-Präsident wieder Trump. Dass Frauen ihn nicht wählen, hat er schon abgewendet: Er verspricht ein Abtreibungsverbot – aber ab der 16 Woche. Sollte er dennoch verlieren, “so gibt es in den USA keine Wahlen mehr”, ließ er zweideutig wissen: Jemandem, der mit dem Sturm aufs Kapitol den Bürgerkrieg schon einmal geprobt hat, ist zuzutrauen, ihn diesmal zu riskieren, denn ihm droht Gefängnis, wenn die USA ein Rechtsstaat unter Biden bleiben. Nicht einmal Bidens Mehrheit sichert Europa daher zweifelsfrei die militärische Unterstützung der USA – ganz abgesehen davon, dass kein US-Präsident dauerhaft einsehen wird, dass die größte Wirtschaftsregion der Welt nicht selbst für ihre Sicherheit sorgt. Dank Trump scheint angekommen, dass die EU aufrüsten muss.

Gemeinsamer Einkauf, vor allem aber die gemeinsame Produktion von Waffen ist dazu ein erster, richtiger Schritt. Denn davon hängt ab, was die Aufrüstung finanziell bedeutet: Wenn die Waffen in den USA zugekauft werden müssen, ist sie teuer und nützt nur den USA – nur wenn die Waffen in der EU produziert werden, nutzt es der EU. Denn Waffenproduktion im Auftrag des Staates ist überall ein Weg, die Konjunktur zu stabilisieren. Zwar ist das mit staatlichen Investitionen in den Klimaschutz nicht minder möglich – Biden plant sie- aber sie finden voran in den USA nicht die gleiche Zustimmung. Die EU hingegen kann sowohl in “Verteidigung” wie “Klimaschutz” investieren, sobald sie begreift, dass es Investitionen und Aufträge des Staates sind, die für ausreichend Wirtschaftswachstum sorgen. Große Investitionen des Staates setzen freilich voraus, dass er Schulden eingeht – solange man darin wie der Vertrag von Maastricht die größte Sünde wieder die Wirtschaft sieht, hat man ein Problem.

Ich will versuchen, dieses Problem zu entzaubern. Wohlstand entsteht, indem Menschen die über das nötige Knowhow und die nötigen Ressourcen verfügen, Güter und Leistungen produzieren. Das tun sie in unserem Wirtschaftssystem, wenn sie dafür bezahlt werden, das heißt einen entsprechenden Teil des Produzierten kaufen können. Der Auftrag zur  Produktion kommt von Unternehmen und von staatlichen Stellen. Je mehr es dabei um deren ureigene Aufgaben, die Herstellung und Erhaltung der Infrastruktur, die Landesverteidigung oder den Kampf gegen den Klimawandel geht, desto mehr solche Aufträge erteilt der Staat, indem er zusagt, ihre Erfüllung zu bezahlen. Dazu dient allen Beteiligten im aktuellen Wirtschaftssystem Geld, das immer auf einer Übereinkunft des Staates beruht und  das zu 90 Prozent Banken schöpfen, indem sie Kredite vergeben und das zu 10 Prozent die Notenbank schöpft, die freilich den Zinssatz bestimmt.

Die Vorstellung des Ökonomen Kenneth Rogoff, beziehungsweise der Autoren des Maastricht-Vertrages, dass dem Staat, der souverän über seine Währung verfügt, dabei eine “Schuldengrenze” gesetzt ist, trifft nicht zu  – die Grenze ist die Verfügbarkeit von Menschen mit Knowhow, von Bodenschätzen und von Energie als Ressourcen. Ich möchte die Fähigkeit des Staates, Geld herzustellen, um militärische Aufgaben zu erfüllen am Beispiel der USA illustrieren, weil es das zweifellos eindrucksvollste ist: Schon der New Deal Franklin D. Roosevelts hat die Wirtschaftskrise der Dreißigerjahre gelindert, indem der Staat in Übereinstimmung mit der Theorie John M. Keynes größere Schulden eingegangen ist. Aber vollends überwand er sie erst, als die USA, um ihre Rüstung gegen Deutschland zu finanzieren, einfach “Geld druckten” und ihre Schulden damit gewaltig vermehrten: Denn die gewaltigen Investitionen des Staates in Kampfflugzeuge, Panzer, Geschütze und Munition ließen zwar im ersten Moment nur die Rüstungsindustrie boomen, aber gleich darauf ließ die boomende Rüstungsindustrie auch die Zulieferindustrie boomen und die Menschen die in beiden Industrien gut verdienten, ließen die Konsumgüterindustrie boomen. Die US- Wirtschaft wuchs von 1940 bis1944 im Schnitt um jährlich um gewaltige 13,6 Prozent. Die USA zerbrachen nicht unter der “Schuldenlast” sondern waren am Ende dieses “Gelddruckens” die erfolgreichste Volkswirtschaft der Welt. Nicht anders wuchs Österreichs Wohlstand am stärksten unter der “Schuldenpolitik” Hannes Androsch und die Wirtschaft der EU am wenigsten, seit sie dem “Spar-Pakt” folgt.

Ein aktuelles, wenn auch nicht so eindrucksvolles Beispiel ist -leider- Putins Russland: Seine Wirtschaft schrumpfte wegen der Sanktionen 2022 zwar um 2,6 Prozent wuchs aber schon 2023 wieder weit stärker als die der EU um 2,5 und im letzten Quartal gar um 5,5 Prozent. Dass dabei nur die Waffenindustrie gewachsen ist, ist eine Halbwahrheit: Auch die boomende russische Waffenindustrie verschafft vielen Zulieferbetrieben Aufträge und lässt viele Menschen verdienen und konsumieren. Wenn Wladimir Putin in der Ukraine keinen Krieg führte, könnte er als wirtschaftlich relativ erfolgreich in die Geschichte eingehen.

 

 

 

 

 

 

 

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Noch einmal: Woher kommt der EU-Rechtsruck?

Franz Schellhorn (Agenda Austria) machte sich auf Twitter darüber lustig, dass ich den Rechtsruck in der EU wie in Österreich auf die erstaunlich große Zahl von Geringverdienern zurückführe, die “Lohnzurückhaltung” und “Sparen des Staates” in den letzten zwei Jahrzehnten geschaffen haben.

Denn, so Schellhorn spöttisch, in Österreich seien die Löhne in den letzten drei Jahren um 20 Prozent gestiegen.

Er lässt nur weg, dass die für die untere Einkommensschicht, die den größten Teil ihres Einkommens für verteuerte Nahrung ausgibt, besonders spürbare Inflation der letzten zwei Jahre gleichzeitig die Kaufkraft dieser Schicht extrem vermindert hat. Und er lässt vor allem weg, dass die FPÖ und andere Rechtsparteien bereits seit Längerem massiv wachsen und dass das spätestens seit 2010 mit einer messbar schlechten Lohnentwicklung, voran der unteren Sozialschichten,  einhergeht. Schellhorn selbst zitiert 2018 die Statistik Austria und andere Statistiken, die besagen, dass Österreichs Löhne inflationsbereinigt seit 2010 stagnieren und sich real nur in Finnland schlechter entwickelt haben.

Er hält dem zwar rechnerisch korrekt entgegen, dass dabei der große Anteil Teilzeitbeschäftigter in Österreich nicht berücksichtigt wurde – nur bedeutet auch ein großer Anteil Teilzeitbeschäftigter einen relativ großen Anteil real wenig Verdienender (meist sind es Frauen, die Beruf und Haushalt nur so vereinen können). Es sind aber, so die zentrale Aussage meines von ihm kritisierten Kommentars, voran die Familien mit geringen Haushaltseinkommen, aus denen überall in der EU die (voran männlichen) Wähler rechtsextremer Parteien kommen. Im “Norden”, Deutschland, Österreich, Niederlande, liegt das sehr wohl an der so lange geübten “Lohnzurückhaltung”, im “Süden”, Frankreich, Italien oder Spanien, liegt es daran, dass ihm der “Norden”, dessen Unternehmen ihre Waren zu Lasten der Arbeitnehmerlöhne immer billiger produzieren konnten, immer mehr Marktanteile wegnahm. Während im “Norden” Mangel an Arbeitskräften, voran Facharbeitern eintrat, (was in den letzten drei Jahren Gott sei Dank tatsächlich endlich größere Lohnerhöhungen erzwang) stieg in den immer weniger ausgelasteten Unternehmen des “Südens” die Arbeitslosigkeit – und wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, sind höhere Löhne schon gar nicht durchzusetzen. Deshalb gibt es im Norden wie im Süden erstaunlich viele Geringverdiener.

Da die hohe Zuwanderung seit dem Syrienkrieg dazu führt, dass Geringverdiener auch noch dem Lohndruck durch billig arbeitende Zuwanderer ausgesetzt sind und da sie mit ihnen um Leistungen konkurrieren, die sparende Staaten in immer weniger zur Verfügung stellen – überall wurden weniger soziale Wohnbauten errichtet, oft wurden Sozialleistungen relativ gekürzt – neigt die gewachsene Schicht der Geringverdiener ganz besonders dazu, Parteien zu wählen, die “Null-Zuwanderung” versprechen – und Null-Zuwanderung versprechen nun einmal rechtsextreme “völkische” Parteien.

 

 

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Ökonomische Ursachen des EU-Rechtsrucks

Sobald Lohnzurückhaltung in sparenden Staaten auf erhöhte Zuwanderung und Inflation trifft, ist ein Rechtsruck unvermeidlich. Deshalb ritt ich so oft auf beidem herum.

 Die EU hat den Rechtsruck, den die kommende Wahl ihrem Parlament zweifellos bescheren wird, voran sich selbst zuzuschreiben: Indem sie mit der Euro-Einführung “Sparen des Staates” vorschrieb und “Lohnzurückhaltung” zuließ, schuf sie eine wachsende Schicht unzufriedener Geringverdiener, aus der rechtsextreme Parteien (in Salzburg auch die KPÖ plus) ihre Wähler rekrutieren.

„Lohnzurückhaltung“ wurde ab 1990 von Hollands Gewerkschaften zugelassen, um angesichts hoher Arbeitslosigkeit Exportvorteile zu erringen. Österreich kopierte dieses Lohndumping noch bevor Deutschland es 2000 durch Hartz 4 perfektionierte. Indem drei der reichsten Staaten ihre Löhne nicht mehr gemäß der Benya-Formel um Produktivitätszuwachs plus Inflation erhöhten, schufen sie eine wachsende Schicht erstaunlich schlecht bezahlter Arbeitnehmer – in Österreich sind 14,8, in Holland 16,5 und in Deutschland 22 Prozent der Bevölkerung sogar armutsgefährdet.

Allerdings konnten die gleichen drei Staaten dank ihrer so massiv verringerten Lohnstückkosten anderen Staaten, die ihre Löhne wie Frankreich weiter nach der Benya-Formel (oder wie Italien gar darüber) erhöhten, immer mehr Marktanteile wegnehmen. (Sich durch “Abwertung” zu wehren, war im Euro nicht mehr möglich.) In Frankreich, Italien oder Spanien entstand daher mangels Auslastung ihrer vom “Norden” bedrängten Unternehmen, eine ähnlich große Schicht schlecht verdienender Arbeitnehmer, denn die gewachsene Zahl Arbeitsloser verhinderte gute Gehälter. Dass auf diese Weise in allen Euro-Staaten, den lohnzurückhaltenden wie den von ihnen wirtschaftlich geschädigten, die Zahl der Geringverdiener massiv zunahm, ist der Grund dafür, dass so viele Wähler die EU (wenn auch meist aus den falschen Gründen) kritisch sehen und auf rechtsextreme Parteien hereinfallen.

Gleichzeitig sorgt „Sparen des Staates“ ständig für solche Wähler. Eingeführt wurde es zum angeblichen Schutz des Euro mit dem Vertrag von Maastricht: Euro-Staaten sollen sich zu maximal 60 Prozent ihres BIP verschulden und  Budgetdefizite von maximal 3 Prozent einhalten. 2012 wurden daraus dank Angela Merkel die mit Strafe geahndeten Verpflichtungen des “Sparpakts”. Nur entspringt die Vorstellung, dass Staatsschulden Wachstum kosten müssen, der irrationalen Emotion schwäbischer Hausfrauen und der nachweislich falschen Berechnung des Ökonomen Kenneth Rogoff, der ermittelt haben will, dass mehr als 80 Prozent Staatsschuldenquote pro Jahr ein halbes Prozent Wachstum  kosten. Japan mit seiner Staatsschuldenquote von 235 Prozent falsifiziert das ebenso wie die USA, die mit 108 Prozent Schulden weit stärker als die EU wachsen.

Für das Wählerreservoir rechtsextremer Parteien bedingt das schwache  Wachstum sparender EU-Staaten nicht nur, wie die “Lohnzurückhaltung”, dürftige Löhne, sondern minimale Budgetdefizite, wie sie unter Sebastian Kurz von ökonomisch Ahnungslosen gefeiert wurden, verringern auf katastrophale Weise  die Investitionen des Staates- zum Beispiel die Investitionen in sozialen Wohnbau, so dass, wie in Salzburg, die Mieten steigen. Denn Leistungen des Staates, die von Gutverdienern stärker als von Geringverdienern finanziert werden, sind das wichtigste Instrument der Umverteilung: Je weniger im Wege von Sozialleistungen umverteilt wird, desto schlechter für das Dasein von Geringverdienern – desto eher wählen sie Marine Le Pen, AfD oder FPÖ.

Zuwanderung und Inflation erhöhen dieses Risiko, auch wenn die EU nichts dafür kann. Der Zustrom von Migranten ist „völkischen“ Parteien ein steter Dorn im Auge, obwohl Deutschland seiner niedrigen Geburtenrate wegen Zuwanderung braucht. Für Geringverdiener wirft sie in sparenden Staaten allerdings sehr wohl sehr reale Probleme auf. Sie übt zusätzlichen Druck auf die Löhne aus und verschärft die Konkurrenz beim Bezug staatlicher Leistungen: Geringverdiener wie Migranten können ihre Kinder nicht in Privatschulen schicken, wenn öffentliche Schulen wegen unzureichender Investitionen (zu weniger Lehrer) immer schlechter werden, Geringverdiener wie Migranten sind gleichermaßen auf preisgünstige Wohnungen in Sozialbauten angewiesen, die sparende Staaten immer weniger errichten. Parteien, die “Null- Zuwanderung” fordern, müssen daher umso erfolgreicher sein, je mehr ein Staat spart.

In Italien ist mit Fratelli d`Italia daher bereits eine rechtsextreme Partei an der Regierung, in Frankreich nur deshalb nicht, weil sein kluges Wahlrecht extreme Kandidaten wie Marine le Pen massiv behindert. In Spanien ließ die nur kurz zurückliegende Diktatur Francisco Francos die rechtsextreme VOX erst in den letzten Jahren massiv wachsen und in Portugal hat es bis zur Vorwoche gedauert,  bis trotz der Erinnerung an die erst 1974 beendete Diktatur Antonio Salazars mit der “Chega” eine rechtsextreme Partei drittstärkste Kraft wurde. Dass die FPÖ in Österreich sogar stärkste Kraft ist, liegt daran, dass man sich hier besonders wenig an die Diktatur Adolf Hitlers erinnert und dass der große Bruno Kreisky dazu sogar kräftig beigetragen hat. Dass die rechtsextreme AfD in Deutschland erst so spät gewachsen ist, liegt daran, dass die „Vergangenheit“ dort weit besser bewältigt wurde. Jetzt hat die Inflation, die Geringverdiener zwangsläufig besonders belastet, ihre Frustration überall maximiert – ökonomische Basis des Rechtsrucks sind dennoch Lohnzurückhaltung und Sparen des Staates.

 

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Österreichs kritisch hohe Lohnabschlüsse

Tariflohn-Abschlüsse um die 9 Prozent gegenüber nur 2,4 Prozent unseres größten Handelspartners Deutschland werfen für uns ein Problem auf- für andere ist es gravierend.

Während das 2,2 Milliarden Bau-Paket der Regierung, wie die meisten von den Sozialpartnern geschnürten Pakete, dazu beitragen wird, den Einbruch der Baukonjunktur abzufedern, den die EZB mit ihrer Hochzinspolitik verursacht und soeben prolongiert hat, dürften uns die von den Sozialpartnern 2023 vereinbarten Lohnabschlüsse in Zukunft größere Probleme bescheren, denn laut einer soeben veröffentlichten Untersuchung der EZB waren es die höchsten Europas.

Die EZB-Ökonomen haben sich die Lohnabschlüsse der größten Volkswirtschaften, Deutschland, Frankeich, Italien, Großbritannien, in Relation zu denen der eher kleinen, Holland, Spanien, Griechenland, Österreich im Detail  angeschaut: Im Schnitt erhöhten sich die Tariflöhne um 4,5 Prozent- doch Österreich lag mit fast 9 Prozent am weitesten darüber, und, das macht es so kritisch, unser größter  Handelspartner, Deutschland, lag mit 2,4 Prozent am weitesten darunter.

Möglich wurde das, weil die deutschen Gewerkschaften eine Erhöhung der Tariflöhne über zwei Jahre hinweg akzeptierten, die sich relativ wenig von früheren Abschlüssen unterschied – nur dass sehr hohe Einmalzahlungen hinzukamen, um die extreme Inflation abzugelten. Rechnet man die Einmalzahlungen mit, so ergibt sich ein momentaner Einkommenszuwachs deutscher Arbeitnehmer von 3,7 Prozent – aber nur die 2,4 Prozent erhöhen das fortdauernde deutsche Lohnniveau. Die Einmalzahlungen bleiben, passend zur abklingenden Inflation durch verteuertes russisches Gas, ein nur temporäres Phänomen: sie erhöhen das deutsche Lohnniveau nicht dauerhaft.

Dagegen schaffen unsere fast neun Prozent höheren Tariflöhne in einer Wirtschaft, in der zu 80 Prozent Kollektiverträge gelten, im Export Probleme, die uns eine Weile begleiten könnten.

Zwar wurde etwa mit der Metaller- Gewerkschaft vereinbart, dass Betriebe, die mit dem Abschluss von 8,6 Prozent Probleme haben, mit ihrer Belegschaft doch etwas geringere Lohnerhöhungen vereinbaren können, und ich nehme an, dass das selbst in ziemlich guten Betrieben geschehen ist, aber selbst für die besten ist der hohe Abschluss ein Problem. Haben sie die Löhne tatsächlich um 8,6 Prozent erhöht, so muss man auf einen Effekt hoffen, der 1980 zu beobachten war, als Hannes Androsch den Schilling gegen heftigen Widerstand  der Industriellenvereinigung weiter an die harte D-Mark band und österreichische Waren damit international wesentlich verteuerte: Die betroffenen Betriebe steigerten die Qualität ihrer Produkte und die Effizienz ihrer Produktion daraufhin derart, dass sie dennoch konkurrenzfähig blieben. Im Endeffekt bescherte uns das die besten Klein- und Mittelbetriebe neben denen der Schweiz und Deutschlands. Denn hohe Löhne haben den Vorteil, eine Peitsche für die Produktivität zu sein: Es ist kein Zufall, dass Holland, das seit 1997 „Lohnzurückhaltung“ übt, den geringsten Produktivitätszuwachs seiner Geschichte verzeichnet und dass Österreichs Metallindustrie gegenüber der Deutschlands, mit seiner so massiven Lohnzurückhaltung einen Produktivitätsvorsprung errungen hat: unsere Metallunternehmen sind absolute Weltklasse.

Dennoch verlangen die zitierten Lohnabschlüsse ihnen in Konkurrenz zu erstklassigen deutschen Unternehmen Gewaltiges ab. Ich habe, als der Metaller- Abschluss verhandelt wurde, hier zwar richtig darauf hingewiesen, dass die Benya-Formel, wonach Löhne um den Produktivitätszuwachs plus Vorjahresinflation steigen sollen, nicht mehr angewendet werden darf, wenn die Inflation nicht auf den üblichen moderaten Lohnerhöhungen des Vorjahrs, sondern auf der außergewöhnlichen, extremen Verteuerung russischer Gasimporte beruht – aber ich habe  in den erzielten 8,6 Prozent bei erstmals zwei Jahren Laufzeit, ein gutes Resultat gesehen.  Das ist mir, seit ich die deutsche Vergleichszahl im Detail kenne, nicht mehr möglich: unser so viel höherer Lohnabschluss birgt, wie der Unterhändler der Metallindustrie Christian Knill und der Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill zu Recht befürchtet haben, das Risiko, uns Jobs zu kosten. Denn natürlich verteuert ein Lohnabschluss von 8,6 Prozent Waren erheblich mehr, als einer von 2,4 Prozent und kostet entsprechende Wettbewerbsfähigkeit. Dazu erhöht er im Inland die Inflationsrate und fordert damit womöglich den nächsten problematischen Lohnabschluss heraus.

Dass sich Deutschlands Waren auf Grund seiner so niedrigen Lohnabschlüsse am wenigsten verteuern, schafft aber nicht nur uns ein Problem, sondern verschärft auch das hier schon oft erörtertes Grundproblem des „Südens“ der  EU: Schon bisher haben ihn die niedrigen Lohnstückkosten, die Deutschland auf Grund seiner „Lohnzurückhaltung“ aufweist, massiv Marktanteile gekostet – das könnte auf Grund der niedrigen aktuellen deutschen Lohnabschlüsse noch mehr der Fall sein, denn in Frankreich lagen die Abschlüsse bei 4,8, in Italien bei 5,8 Prozent.

Insofern ist das Jammern der Deutschen über den angeblichen Niedergang ihres Industriestandorts verfehlt, auch wenn die niedrigen Löhne (= die niedrige Kaufkraft seiner Bevölkerung) Deutschland das Exportmodell aufgezwungen haben, das derzeit an Grenzen stößt.

Österreich kann sein so hoher Lohnabschluss zwar vielleicht ein blaues Auge aber keine Katastrophe bescheren, aber voran bei Italiens frage ich mich, wie lang es die so niedrigen deutschen Preise aushält.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Das vollendete Taurus -Fiasko

Deutsche Militärs werden abgehört, als sie das Potential von Marschflugkörpern bereden, Frankreichs Präsident erträumt einsam Bodentruppen – die Ukraine hat den Schaden.

Vermutlich wollten deutsche Militärs der Ukraine Gutes tun, indem sie ein Taurus-Briefing für Kanzler Olaf Scholz besprachen das diesen „nicht überfordert“. Denn Taurus- Marschflugköper können die russische Brücke zur Krim zerstören und Experten in Zivil helfen der Ukraine ständig beim Programmieren britischer Marschflugkörper. Doch indem der russische Geheimdienst dieses Gespräch abzuhören vermocht und ins Netz stellte, gelang es Wladimir Putin, die Chance, dass Scholz der Ukraine Taurus tatsächlich liefert maximal zu reduzieren.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte der Ukraine Gutes tun, als er, ohne es abzusprechen, die Möglichkeit ansprach, Wolodymyr Selenskyj mit Bodentruppen zu unterstützen – das ging nicht minder nach hinten los: Scholz und US-Präsident Joe Biden erklärten energischer denn je, dass das nicht in Frage käme. Dennoch konnte Putin in seiner „Rede an die Nation“ zu Haus erfolgreicher denn je behaupten, dass der Westen Russland einkreise und in der EU die Angst schüren, er könnte darauf mit Atomwaffen antworten.

Dabei wäre es höchst sinnvoll gewesen, Joe Biden hätte nie verkündet, auf keinen Fall mit Truppen einzugreifen: es hätte Putin etwas nachdenklicher und Verhandlungen zugänglicher gestimmt. Die Wahrheit ist freilich: Niemand im „Westen“ hat je daran gedacht, das Leben eigener Soldaten in der Ukraine zu riskieren, obwohl Putin, sollte er dort siegen, sehr wohl eine Gefahr für ganz Europa darstellt. Wir haben nur das Glück, dass die Ukrainer ihr Leben für ihre Freiheit, aber eben auch Europas Sicherheit, riskieren. Deshalb halte ich es aus Anstand wie Eigennutz für das Mindeste, sie wenigstens mit den besten Waffen zu unterstützen. Scholz aber dürfte fast sicher dabei bleiben Taurus nicht zu liefern.  Erst kürzlich hat er endlich gesagt, warum: Marschflugkörper mit 500 Kilometer Reichweite, mit der selbst Moskau erreichbar wäre und der Umstand, dass deutsche Soldaten vor Ort sein müssten, um Taurus zu bedienen, berge die Gefahr, dass Putin in Deutschland eine Kriegspartei sieht.

Richtig daran ist, dass Selenskyj über keine anderen Waffen so großer Reichweite verfügt: die von Groß Britannien und Frankreich gelieferten Marschflugkörper „Storm Shadow“ und „Scalp“ erreichen nur Ziele in 250 Kilometer Entfernung – um eine russische Stadt zu treffen reichte freilich auch das. Richtig ist ferner, dass Scholz mit der Lieferung von Taurus nicht mehr im Gleichklang mit Biden agierte, denn der lieferte bisher nur Raketen mit 165 km Reichweite. Er versprach zwar Exemplare größerer Reichweite, aber die sind bisher so wenig eingetroffen wie die von den Republikanern blockierten Milliarden.

Natürlich hat Selenskyj immer geschworen, Raketen oder Marschflugkörper nicht auf Ziele innerhalb Russlands abzufeuern und sich daran auch gehalten. Aber da Putin auch die annektierten Teile des Donbas und die Krim als russisches Gebiet betrachtet, kann er jederzeit einen Angriff auf Russland behaupten, wenn Selenskij dort Taurus-Marschflugkörper einsetzt. Das aber wäre zwangsläufig ihr wesentlichster Zweck: er könnte Putins Truppen damit vom Nachschub abschneiden und auffahrende Panzerkolonnen zerstören. Taurus für sich alleine ist zwar kein Game-Changer, aber es könnte das Momentum im Ukrainekrieg wieder weg von Russland und etwas mehr zur Ukraine verschieben.

Dass die Verwendung von Taurus deutsche Soldaten vor Ort braucht bezweifeln Experten: In Spanien und Südkorea, die Taurus erworben haben, sind offiziell keine deutschen Soldaten vor Ort, wobei sich Südkorea formal nach wie vor im Krieg mit Nordkorea befindet. Im Übrigen wäre es völkerrechtlich natürlich zulässig, dass Deutschland die angegriffene Ukraine auch mit Soldaten vor Ort unterstützt. Ob Putin Deutschland deshalb „Kriegspartei“ nennt, ist völlig unerheblich – sicher betrachtet er es längt als solche. Wesentlich ist, wie dringend die Ukraine Taurus braucht und wesentlich ist, wie Putin auf die Lieferung reagiert.

Wie sehr die Ukraine Taurus braucht ist klar: sie befindet sich eindeutig in der Defensive, und nur, wenn es ihr gelingt, militärische Vorteile gegenüber Russland zu erringen, besteht zumindest die Chance, dass Putin bereit ist zu verhandeln.

Entscheidend ist, wie Putin auf die Taurus- Lieferung reagiert – und das wage ich sicher vorherzusagen: Er greift sicher kein NATO-Land, schon gar nicht Deutschland an. Denn solange Biden die USA regiert, bedeutete das für Putin Krieg mit der NATO, den er unmöglich gewänne – und so dumm, dieses Risiko einzugehen, ist er bei allem Sendungsbewusstsein nicht. Dass er den Verstand verliert und doch angreift, ja Atomwaffen einsetzt, halte ich nur dann für möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, wenn man ihm eine Niederlage zufügte, die ihm keine Chance lässt, wenigstens innerhalb Russlands sein Gesicht zu wahren. Das ist auch das Risiko, das Biden nicht eingehen will.

Das Risiko, Taurus-Marschflugköper zu liefern und der Ukraine damit doch wieder die Chance zu Verhandlungen zu eröffnen, halte ich dagegen sehr wohl für tragbar. Im Übrigen hätte es diese Chance schon gegeben, wenn ihre Gegenoffensive erfolgreich gewesen wäre – und das wäre sie gewesen, wenn Scholz rechtzeitig, bevor Russland die Frontlinie befestigen konnte, schwere Panzer geliefert hätte. Doch Scholz wird neuerlich versagen.

 

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Weiter am Trittbrett – zu höheren Kosten

Wir haben keine Sicherheitsdoktrin, kaufen aber Panzer für Milliarden. Neutrales Trittbrettfahren bleibt dennoch weiterhin relativ billig und relativ ungefährlich.

Eigentlich sollte die Regierung Österreichs neue Sicherheitsdoktrin bekanntgeben, die der Bedrohung durch Russland Rechnung trägt. Stattdessen gab sie bekannt, dass sie für 1,8 Milliarden Euro 225 Pandur- Radpanzer kauft. Allerdings sind das, vor allem mit zusätzlich gekauften Luftabwehrsystemen, Fahrzeuge, deren Eignung für konventionelle Kriegsführung außer Streit steht. Da sie von General Dynamics in Wien gefertigt werden, kommt ein Gutteil der Milliarden unserer Wirtschaft zu Gute. Leider ist nur NEOS- Chefin Beate Meinl Reisinger der Meinung, dass sie auch im Rahmen der Beistandspflicht der EU eingesetzt werden sollten – sie wären dazu jedenfalls geeignet.

Schon die bisher größte Investition in die Landesverteidigung, der Kauf der Eurofighter unter Wolfgang Schüssel, erfolgte ohne geklärte Sicherheitsdoktrin: Schüssels schwarzblaue Koalition spielte 2003 mit der Idee eines Nato-Beitritts, schreckte aber davor zurück, als Umfragen ihr zeigten, wie unverbrüchlich die Österreicher an der Neutralität hängen. Diesmal erklärte Karl Nehammer die Neutralität von vorherein für sakrosankt – Experten, die hofften, ein NATO-Beitritt würde zumindest diskutiert, hofften vergeblich. Darauf angesprochen meinte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die Österreicher hätten durch ihr Bekenntnis zur Neutralität und ihre Haltung zum Bundesheer stets bestes Gespür für ihre Sicherheit bewiesen.

In meinen Augen beweist die Volksabstimmung gegen ein Berufsheer und der Applaus für die Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate im Gegenteil, wie sehr dieses Gespür ihnen fehlt. Denn um nicht bloßes Kanonenfutter zu sein, muss man moderne Waffensysteme bedienen können und das erlernt man nicht in sechs Monaten. Zurecht zweifelte Armin Wolf, dass wir auch nur genug Personal hätten, den Pandur zu bedienen- und selbst, wenn Wehrdiener es erlernen sollten, verlassen sie das Heer nach sechs Monaten wieder. Männern, die “Soldat“ als Beruf gewählt haben, ist auch am ehesten zuzumuten, ihr Leben zu riskieren – dafür sind sie entsprechend zu bezahlen, weshalb ein Berufsheer teurer als ein Heer Wehrpflichtiger kommt. Um wieviel effizienter es freilich ist, konnte man beim Falklandkrieg sehen: 5000 britische Marinesoldaten vermochten die Insel in sechs Wochen von der benachbarten riesigen Armee der argentinischen Junta zurückzuerobern.

Als reiches Land beim Heer zu sparen ist absurd, sofern man nicht die Möglichkeit des Trittbrettfahrens ins Auge fasst. Dass Österreich, wie die Schweiz, auch für sich ein ernsthafter Gegner eines Aggressors wäre, ist pure Illusion. Gleichzeitig strotzt die Vorstellung, dass Neutralität uns schütze, von Ahnungslosigkeit: Adolf Hitler überfiel nacheinander die neutralen Staaten Luxemburg, Belgien, Holland, Dänemark und Norwegen. Dass er die Schweiz nicht überfiel, lag nicht an ihrer Neutralität, sondern daran, dass die Generäle Manstein und Guderian ihn überzeugt hatten, dass es erfolgversprechender ist, Frankreich über die angeblich nicht panzergängigen belgischen Ardennen als auf dem Weg durch die Schweiz zu überfallen. Erst in der Folge spielte eine Rolle, dass Schweizer  Banken für Deutschland von Nutzen waren und dass die allfällige Eroberung der Schweiz militärisch aufwendig gewesen wäre, weil ihr Oberbefehlshaber Henry Guisan eine kleine Gebirgsregion (das „Reduit“) derart befestigt hatte, dass es lange gedauert hätte, bis die Schweiz kapituliert. Allerdinge hat sich auch Guisan nicht auf Schweizer Militär verlassen, sondern mit Frankreich vereinbart, dass es der Schweiz zu Hilfe kommt, wenn Hitler sie überfällt. Die offizielle Schweiz bestreitet diesen Neutralitätsbruch mit der Begründung, der Bundestag hätte diesen Vertrag des Volkshelden mit Frankreich nicht gekannt.

Dass die Schweiz bei ihrer Neutralität bleibt – diskutiert wird sie sehr wohl – hat auch bei ihr voran emotionale Gründe: immerhin geht es um eine Jahrhunderte alte Tradition. Dass es teurer ist, einem Feind allein und neutral erfolgreich die Stirn zu bieten als Teil eines funktionierenden Bündnisses zu sein, spielt für das reichste Land der Welt keine Rolle. Indem sie ein Vielfaches Österreichs in ihre Landesverteidigung investiert hat, besitzt die Schweiz ein hochgerüstetes Heer, in das sie jetzt nur massiver weiter investiert. Dazu liegen in ihren Banktresoren Milliarden aus den Ländern jedes potentiellen Aggressors, und nicht zuletzt ist sie von NATO-Staaten umgeben.

In Österreich entspringt die Heiligsprechung der Neutralität neben der historischen Unkenntnis dem Erlebnis, dass unser Wirtschaftswunder, wenn auch rein zufällig, ziemlich exakt mit dem Staatsvertrag und der dort ursprünglich widerwillig vereinbarten Neutralität einsetzte und dass sie uns mit so angesehen Staaten wie Schweden und Schweiz in eine Reihe stellte. Gleichzeitig erspart uns die Neutralität eigene Söhne dem Risiko eines Kampfeinsatzes auszusetzen und billiger – wenn auch unter grober Missachtung der Verpflichtungen eines neutralen Staates – ist Trittbrettfahren trotz nunmehr erhöhter Kosten allemal. Umgeben von lauter Nato-Staaten und der Schweiz ist Österreich auch in der Ära Wladimir Putins ziemlich sicher – nicht so sicher wie ein Nato-Staat, aber nicht so unsicher, dass man sich fürchten müsste. Österreichs militärische Unterentwicklung ist nicht lebensgefährlich – nur unsolidarisch.

 

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Die unterbewertete Regierung

Jede Leistung der Regierung verblasst neben der „überdurchschnittlichen Inflation“, für die sie nichts kann. Dergleichen hat Tradition und liegt am Versagen der Medien.

 Die schwarzgrüne Regierung bleibt im Umfragetief. Der falsche Vorwurf, sie verantwortete Österreichs weit überdurchschnittliche Inflation erschlägt, was immer sie leistet.

Die Fehlbewertung insbesondere ökonomischer Vorgänge hat Tradition. Die erste, die ich erlebt habe, galt der ÖVP-Alleinregierung Josef Klaus: Finanzminister Stephan Koren versetzte ihr den Todesstoß, indem er eine europaweite Konjunkturdelle lehrbuchmäßig mittels Defizit-Spending überwand und das Budget danach mit Luxussteuern und der Neuwagenabgabe gleich wiedersanierte.[1]  Damit bescherte er der Regierung Klaus die Erdrutschniederlage von 1970. Denn die Opposition unter Bruno Kreisky geißelte wortgewaltig eine „Teuerungslawine“ und kein Wirtschaftsjournalist kam der ÖVP zur Hilfe, indem er auf die Lehre von John Maynard Keynes verwiesen hätte, obwohl Klaus auf der Basis eines von allen Zeitungen vertretenen Volksbegehrens einen unabhängigen, qualifizierten ORF verwirklicht hatte.

Vergleichbar ungerecht wurde der Ruf der rotschwarzen Regierung Werner Faymann- Michael Spindelegger ruiniert. Obwohl sie die Finanzkrise mit besonders wenig Wachstumsverlust und geringer Mehrverschuldung bewältig hatte, behauptete der Chef der Bundeswirtschaftskammer Christoph Leitl, der Wirtschaftsstandort Österreich sei „abgesandelt“. Dabei belegten alle Wirtschaftsdaten das Gegenteil: Österreichs Industrieproduktion war stärker als die deutsche gewachsen, der Abstand zum höheren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Hollands war geschrumpft, die OECD hatte Österreichs Politik offiziell gelobt. Aber der ÖVP Mann in Leitl war nicht nur bereit, die Leistung seiner Kammer zu diffamieren, sondern auch Österreichs Ruf zu beschädigen, um dem Regierungspartner SPÖ eins auszuwischen. Nachdem Christian Kern Faymann abgelöst hatte und nachdem Wolfgang Mitterlehner, der Spindelegger gefolgt war, entnervt das Handtuch geworfen hatte, mündete die rot-schwarze Koalition bekanntlich in den ersten Wahlsieg Sebastian Kurz`. Leitl war Kurz` in Wahrheit wichtigster Wahlhelfer.

Mindestens so sehr aber waren es die Medien, voran der ORF. Denn deren Aufgabe wäre es gewesen, auf den diametralen Widerspruch zwischen den Behauptungen Leitls und den Wirtschaftsdaten hinzuweisen. Doch die „Zeit im Bild“ befasste sich zwar ausgiebig mit Leitls „Abgesandelt“-Sager, nie aber mit der der Frage, ob er zutrifft und wollte zuletzt täglich wissen, wie lang die Regierung Kern-Mitterlehner noch hält.

Wieso das so war, verstehe Ich nicht, denn ich halte die Nachrichtenredaktion des ORF nicht für parteiisch – am ehesten sehe ich ökonomisch versierte Mitarbeiter dort unterrepräsentiert oder zu wenig engagiert. Denn auch in der aktuellen Debatte über das „Totalversagen“ (Herbert Kickl, SPÖ, ÖGB)) der schwarzgrünen Regierung im Kampf gegen Österreichs „überdurchschnittliche Inflation“ wurde vom ORF nie kritisch berichtet. Dabei erlauben die Daten der OECD denkbar einfach, eine Rangliste der Abhängigkeit der EU- Staaten von russischem Gas zu erstellen und sie mit einer Rangliste ihrer Inflation zu vergleichen: Alle sechs Staaten die  unterdurchschnittlich (unter 39Prozent) von russischem Gas abhängen, (etwa Spanien mit nur 8 Prozent) haben bis heute eine unterdurchschnittliche Inflation –  alle 21 Staaten, die überdurchschnittlich von russischem Gas abhängen, haben eine überdurchschnittliche. Ex-kommunistische Staaten von Tschechien bis Lettland, die zu 100 Prozent von russischem Gas abhängen, haben die höchste, Österreich, das dank vergangener Regierungen zu 80 Prozent mit dem Doppelten des Durchschnitts von russischem Gas abhängt, hat zwangsläufig eine „weit überdurchschnittliche.“

Wie gut oder schlecht die jeweilige Regierung die Inflation bekämpft, ist gemessen an ihrer Abhängigkeit von russischem Gas sekundär.

Dass die Opposition dennoch die Chance wahrgenommen hat, der Regierung „totales Versagen“ vorzuwerfen, hat mich bei der FPÖ nicht gewundert, bei SPÖ und ÖGB eher schon, denn im Momentum-Institut hat man qualifizierte Ökonomen zur Verfügung. Nicht gewundert hat mich, dass die ÖVP sich nie mit den angeführten Statistiken verteidigt hat, denn ein ökonomisch ahnungsloserer Politiker als ihr Sprecher Christian Stocker ist mir selten begegnet.

Dabei steht die schwarz-grüne Regierung weit besser da, sobald man aufhört, Ihr zu Unrecht die überdurchschnittliche Inflation anzulasten: Sie hat die kalte Progression abgeschafft und – viel wichtiger – Beihilfen an die Inflation gebunden, wie das für die meisten Leistungen zum Prinzip werden sollte. Das Erneuerbare Wärme Gesetz ist dank stark erhöhter Förderungen zumindest nicht schlecht, wenn auch unvollständig, und das Informationsfreiheitsgesetz ist ein großer Fortschritt, auch wenn kleine Gemeinden nur auf Anfrage Auskunft geben müssen. Zugleich gibt es mit Karoline Edtstadler, Leonore Gewessler, Alexander Schallenberg oder Martin Kocher fünf jedenfalls vergleichsweise kompetente Minister und mit Alma Zadic und Johannes Rauch zwei, die sich zudem durch außergewöhnliche Tatkraft auszeichnen: Sie hat das System Pilnacek souverän überwunden, er die Ärztekammer in die Schranken gewiesen.

 [1]  Eine so rasche Steuererhöhung etwa nach der Finanzkrise wäre tatsächlich problematisch gewesen, weil sie unmittelbar in  Covid- und  Ukrainekrise überging- damals  war sie ebenso lehrbuchmäßig, denn sie erfolgte in einer Phase guter Konjunktur.

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Der ÖGB-Chef kann Geschichte schreiben

Wolfgang Katzian kann helfen die Schuldenbremse zu lösen und lag lohnpolitisch richtig. Karl Nehammer wirft er die hohe Inflation zu Unrecht vor, will aber Rot-Schwarz.

In seiner Pressestunde hat ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian vor zweiWochen seine Ziele definiert. Das wichtigste: Er will als Präsident des europäischen Gewerkschaftsbundes dafür kämpfen, dass die Staatsschuldenbremse Investitionen „in die Zukunft“, in Klimaschutz oder Digitalisierung als notwendig zulässt. Stimmen Europas Gewerkschaften darin überein, so lebt die Chance auf Erfolg, denn erstmals gibt es in Deutschland, das der EU die Schuldenbremse unter Angela Merkel aufzwang, zunehmenden Widerstand dagegen.

Ökonomen, die Zahlen lesen können, müssten sie sowieso verdammen, hat sich der Abstand des realen Bruttoinlandsprodukts pro Kopf der EU zu dem der nicht schuldengebremsten USA doch seit Merkels Spar-Pakt verdreifacht. Katzians zweites wichtiges Anliegen, die Senkung unserer überdurchschnittlichen Inflation, ist zwar ebenso berechtigt, nur dass Medien, SPÖ und ÖGB sie zu Unrecht voran der schwarz-grünen Regierung anlasten: Ihre Ursache ist voran Österreichs überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas, die unter SP-geführten Regierungen begann. Wobei freilich festzuhalten ist, dass billiges, russisches Gas wesentlich zu unserem Wohlstand beitrug und dass etwa schon Deutschlands Kanzler Helmut Schmidt glaubte, dass Handelsbeziehungen dem Frieden dienen, „weil man auf Handelspartner nicht schießt.“ Als die türkis-blaue Regierung Sebastian Kurz` Österreich 2018 bis zum Jahr 2040 an russisches Gas band, hatte Russland freilich bereits die Krim überfallen und war das Problem einseitiger Abhängigkeit klar.

Ein „Statista“- Schaubild zeigt, in welchem Ausmaß Europas Staaten 2018 von russischem Gas abhingen: Im Durchschnitt zu 39 Prozent – aber gegen 100 Prozent in ex-kommunistischen Staaten von Bulgarien über Rumänien bis Lettland oder Tschechien, die prompt die höchste Inflation aufweisen, während Staaten mit geringer Abhängigkeit von russischem Gas, von Spanien, über Malta bis Dänemark, die geringste Inflation verzeichnen. Österreich und die Schweiz sind im Statista-Schaubild leider ausgespart, aber unsere mit 80 Prozent weit überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas stimmt so exakt mit unserer überdurchschnittlichen Inflation überein wie die Null-Inflation der Gas- unabhängigen Schweiz. Diese OECD-Daten zu kennen, hätte die sonntägliche Diskussion „Im Zentrum“ um einiges seröser gemacht. Denn wie die jeweiligen Regierungen die Inflation bekämpfen, hat zwar auch einen Einfluss auf die Inflation, aber verglichen mit der Gasabhängigkeit von Russland ist er weit geringer und schwer zu bewerten: „Deckel“ etwa kosten den Staat sehr viel Geld und verhindern, dass der Energie-Konsum im Interesse des Klimas maximal sinkt. Dass Deutschland die Steuer auf Treibstoff so senkte, wie das auch bei uns gefordert wurde, hat den deutschen Staat drei Milliarden Euro gekostet und deutschen Treibstoff kaum verbilligt. Nicht zuletzt blieb Österreichs Wirtschaftswachstum weit höher als das deutsche.
Nicht dass unsere Regierung entfernt perfekt agiert hätte, aber wenn Katzian zu Recht mehr Einvernehmen mit der ÖVP
sucht, sollte man sie weniger ungerecht prügeln.

Noch weniger, so zeigt die Gegenüberstellung von Gas-Abhängigkeit und Inflation, hat die herrschende Inflation mit der EZB zu tun, so sehr sie den aktuellen Rückgang ihrer nunmehr so restriktiven Geldpolitik zuschreibt. Denn viel leichter lässt er sich damit erklären, dass forciertes Fracking und höhere Förderung in Norwegen Gas verbilligt haben. Sicher verantwortlich ist die EZB nur für die aktuelle Rezession. Allerdings wird ihr nicht anzulasten sein, wenn sich die Inflation demnächst vielleicht deutlich erhöht: Die Huthi-Rebellen beschießen bekanntlich Containerschiffe, die ihre Waren durch den Suezkanal transportieren wollen, so dass sie einen unglaublich teuren Umweg von 4000 Kilometer ums Cap der Guten Hoffnung machen müssen. Ob Kriegsschiffe von USA und EU das abstellen können, ist mindestens fraglich.

Ein dadurch bewirkter Anstieg der Inflation könnte verdecken, dass vielleicht auch Lohnabschlüsse um die 9 Prozent sie erhöhen. Geht man von der Benya-Formel aus, wonach Löhne im Ausmaß der Inflation des abgelaufenen Jahres zuzüglich des Produktivitätszuwachses steigen sollen, so waren die vom ÖGB durchgesetzten 9 Prozent mehr als maßvoll, aber die Benya-Formel wurde erdacht, als die Inflation von den Lohnsteigerungen des abgelaufenen Jahres, nicht aber von der extremen Steigerung des Gaspreises abhing. Die Gegenwart ist daher mit der Vergangenheit nicht vergleichbar. Daher haben sich die deutschen Gewerkschaften mit hohen Einmalzahlungen und längeren Laufzeiten begnügt, während Katzian beides energisch abgelehnt hat. Irrte er damit, so litte die Wettbewerbsfähigkeit unserer Metallindustrie, verteuerten sich ihre Waren und erhöhte sich die Inflation. Doch die jüngste Berechnung von Eurostat weist Österreichs Arbeitskosten als sogar niedriger als die deutschen aus: Katzian scheint richtig gelegen zu sein. Jetzt hofft er, dass die erhöhte Kaufkraft unsere Konjunktur beflügeln wird. Nicht anders als die hohen schwarzgrünen Zahlungen an die Bevölkerung 2023 mit 4,5 Prozent zu überdurchschnittlichem Wachstum geführt, vielleicht aber auch zur Inflation beigetragen haben.

Eines sollte jedenfalls klar sein: Es kann uns unmöglich so gut wie früher gehen, wenn Krieg Güter massiv verteuert.

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Die Ukraine braucht die EU gegen Trump

Die EU erweist sich bei der Unterstützung der Ukraine überraschend als verlässlicher als die USA.

Ursula von der Leyen vermochte ihr Versprechen eines 50 Milliarden-Kredits an das überfallene Land letzte Woche bekanntlich einzuhalten, wobei es vor allem sie ist, der das Verdienst dafür zukommt: Sie konnte 26 EU-Staaten davon überzeugen, diesen Kredit zur Not nicht als EU, sondern als lose Staatengemeinschaft aufzunehmen und Victor Orban, der die Vergabe durch die EU mit seinem Veto blockierte, auf diese Weise zu isolieren. Vermutlich tatsächlich ohne finanzielle Gegenleistung rückte er plötzlich innerhalb weniger Stunden von seinem Veto ab.

Damit hat die Ukraine zumindest das Geld, den Staatsbetrieb aufrecht zu erhalten.

Denn Joe Biden konnte sein Versprechen eines 70 Milliarden Dollar Kredits nicht einhalten: Die Republikaner, die schon beinahe einem Kompromisspaket zugestimmt hatten, wonach die Ukraine-Hilfe mit beträchtlichem Mehraufwand für die Sicherung der Grenze zu Mexiko und einer Erschwernis der Zuwanderung gekoppelt war, ließen diesen Kompromiss im letzten Moment platzen, nachdem Donald Trump seine engsten Getreuen entsprechend instruiert hatte: Für ihn ist der immer heftigere Zustrom  von Wirtschaftsflüchtlingen über die mexikanische Grenze das wichtigste Argument im Wahlkampf gegen Joe Biden. Er will die Grenze im Moment nicht besser kontrolliert wissen, um dieses Argument nicht zu verlieren. Tatsächlich ist die immer massivere Zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen aus den armen Staaten Mittelamerikas für die USA ein mindestens so großes Problem wie die massive Zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika, Pakistan oder Afghanistan für uns. Die US- Bevölkerung befürchtet die Konkurrenz billiger Arbeitskräfte und natürlich lassen sich die Zuwanderer aus Guatemala oder Mexiko genauso als Kriminelle, voran Drogendealer diffamieren.

Gleichzeitig hat Trump die Unterstützung der Ukraine schon zuvor als zu teuer und nicht im nationalen Interesse abgelehnt, hat damit aber bei einer Reihe von Republikanern nicht den erhofften Erfolg gehabt, weil die in Wladimir Putin sehr wohl einen Gegner sehen. Das Platzen des Hilfspakets hat gezeigt, dass Trump seine Interessen letztlich auch gegen Widerstand durchzusetzen vermag.

Die Ukraine wird bis zu den Wahlen im November kein amerikanisches Geld erhalten, und sollte Trump diese Wahlen gewinnen, sicher auch danach keines mehr. Nur die EU ist dann noch in der Lage, die Niederlage der Ukraine zu verhindern. Wirtschaftlich möglich ist das – aber sie muss es entschlossen in Angriff nehmen.

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Nur modernste Waffen retten die Ukraine

Die Ukraine braucht Marschflugkörper, Kampfjets und Munition, wenn sie den Abnutzungskrieg nicht verlieren soll. Noch kann ihr der Verzicht auf die Krim Frieden bringen.

Krieg kann man nicht emotionslos kommentieren. Es kann nur manchmal hinzutreten, dass Fernsehbilder vom Kriegsschauplatz einem die Tränen in die Augen treiben. Für mich waren es Bilder aus einer Sendung des „Weltjournal“, die eigentlich Ukrainerinnen galt, die Minen räumen und nur zur Illustration auch ein Minen-Opfer zeigte: Erst sieht man nur Gesicht und Oberkörper einer jungen Frau, dann, nach einem winzigen Schwenk, die beiden keine zwanzig  Zentimeter langen  Stümpfe ihrer Oberschenkel. „Ich wollte mich umbringen, als ich mich erstmals so gesehen habe“, sagte sie – und man versteht sie. Auch für mich war dieser Anblick schlimmer als der jeder Leiche. Denn Leichen leiden nicht mehr- Krüppel aber spiegeln das ganze Leid eines Krieges.

Wenn man Wladimir Putin wegen dieses Krieges verurteilt, müsste ein Projektor lebenslang Bilder wie dieses an die Wand seiner Zelle projizieren.

Die junge Frau hat sich nicht umgebracht -sie will für ihre beiden kleinen Kinder weiterleben, ihr Mann steht zu ihr und wird weiter gegen Russland kämpfen. Ukrainer sind ungemein starke Menschen – ich erinnere mich der Erzählung meiner Mutter, wonach sie auch Auschwitz besser als die Häftlinge anderer Nationen überlebten. Insofern hinterließ die Sendung am Ende auch  positive Gefühle. Damit kann ich endlich die übliche Aufgabe eines Kommentators erfüllen: Die freie Welt darf nicht zulassen, dass die Ukraine diesen Krieg verliert. Und sie verliert ihn, weil sie nur 43,8 Millionen, Russland aber 143,4 Millionen Einwohner hat. Bisher sind 200.000 ukrainische und 300.000 russische Soldaten gefallen, aber wenn es zwei Millionen ukrainische und drei Millionen russische Soldaten sein werden, wird Wolodymyr Selenskyj unlösbare Probleme haben, seine Truppen zu ergänzen – Wladimir Putin nicht. Den aktuellen „Abnutzungskrieg“, bei dem er nur einfach die lebensnotwendige Infrastruktur der Ukraine zerbombt, gewinnt er. Solange der Krieg so wie jetzt verläuft, hat er keinen Grund über Frieden zu verhandeln.

Das ist nur zu ändern, wenn die freie Welt Selenskyj endlich so schnell wie möglich mit all ihrer Wirtschaftskraft unterstützt, indem sie ihm Munition und modernste Waffen liefert: Er braucht so viele F16 Kampfjets als er Piloten hat, die sie fliegen können, er baucht die besten Raketen Abwehrsysteme und die die besten Marschflugköper.

Es tut mir leid, wenn meine Kritik schon wieder bei Deutschland beginnt: Es ist absurd, dass Olav Scholz der Ukraine noch immer keine Taurus-Marschflugkörper liefert. Begreift er denn nicht, was sein Zögern schon bisher angerichtet hat: Es könnte schon Verhandlungen geben, wenn er von Beginn an schwerste Geschütze und Panzer geliefert hätte, denn Russlands Armee hätte dann nicht die Zeit gehabt, die Frontlinie so massiv zu befestigen, dass die Ukraine sie bei ihrer Offensive nicht zu durchbrechen und Putin damit zu Verhandlungen zu zwingen vermochte. Dieses zentrale Versagen bleibt bestehen, auch wenn Deutschland mittlerweile größter Waffenlieferant der Ukraine ist.

Am dringendste braucht Selenskyj Munition und die könnte nur die Schweiz sofort liefern, tut es aber ihrer Neutralität wegen nicht. Das erinnert an ihre Weigerung, in der NS- Zeit fliehende Juden aufzunehmen.

Dass Ungarns Viktor Orban durch Monate einen der Ukraine zugesagten Kredit von 50 Milliarden blockierte, endete vergangene Woche überraschend, weil die EU- Mitglieder ihn sonst eben ohne Ungarn gewährt hätten. Dafür erreichte Donald Trump, dass die Republikaner einen bereits ausgehandelten Kompromiss über einen zugesagten 70 Milliarden-Kredit der USA platzen ließen. (Am Rande: was soll man zu einem Land sagen, in dem eine FPÖ 30 Prozent Zustimmung hat, obwohl sie Sanktionen gegen Russland ablehnt.)

Dass selbst Joe Biden und schon gar Olaf Scholz nie ausreichend schnell und ausrechend energisch gehandelt haben, beruht unter anderem auf einem Gedankenfehler: Dem Irrglauben, dass mehr Waffen den Frieden gefährden – Putin hätte die Ukraine nie angegriffen, wenn er auf eine Ukraine getroffen wäre, die als Nato-Mitglied über jede Menge Waffenhilfe verfügt hätte. Bidens Zurückhaltung war nur insofern berechtigt, als er keinen Weltkrieg riskieren wollte und den riskierte man zwar nicht wahrscheinlicher, wohl aber möglicher Weise dann, wenn man Putin keine Chance zu einem gesichtswahrenden Frieden ließe – aber die lässt man ihm: Die Ukraine muss zwar so schnell wie möglich die größtmögliche Menge modernster Waffen geliefert bekommen- aber gleichzeitig muss man Putin unmissverständlich versichern, dass man die Zugehörigkeit der Krim zu Russland akzeptiert und nicht weiter mit Sanktionen belegt, wenn er sich aus der restlichen Ukraine zurückzieht. Die dann auch nicht der Nato beitritt, deren territoriale Integrität aber unmissverständlich von mehreren großen Nato-Staaten garantiert wird. Das kann er zu Hause als Erfolg seiner „Spezialoperation“ verkaufen und Wolodymyr Selenskij kann gegenüber seiner Bevölkerung erklären, dass er dem Verlust der Krim und der theoretischen „Neutralität“ der Ukraine zustimmen musste, weil sie die Voraussetzung für Waffenlieferungen war und ist. Das wäre zwar kein gerechter Friede – aber es wäre Friede, der mehr und mehr Krüppel mit Beinstümpfen ersparte. Nach Putins Tod kann man über eine Volksabstimmung in der Krim verhandeln.

 

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Die ökonomische Ahnungslosigkeit der ÖVP

Die EZB ortet in Österreich „extreme Vermögenskonzentration“. Die ÖVP ordnet Vermögensteuern der „linken Mottenkiste“ zu. Die Schweiz reduziert mit ihnen die Lohnsteuern

Zwei Ereignisse haben die Diskussion über Vermögenssteuern aktualisiert:

  • Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) belegten erneut Österreichs extreme Vermögenskonzentration: Die reichsten 5 Prozent besitzen mehr als die Hälfte allen Vermögens. Dennoch liegen wir bei den Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern unter 38 OECD-Staaten an fünftletzter Stelle: Nur 1,5 Prozent des Steueraufkommens stammen aus ihnen – gegenüber 5,6 Prozent im Schnitt der OECD.
  • und Marlene Engelhardt überließ einem, der Gesellschaft Österreichs nachgebildeten Gremium tatsächlich 25 Millionen Euro ihres Erbes zur Verteilung, um zu demonstrieren, wie ungerecht es sei, dass sie dieses Gel ohne die geringste Leistung erhielt.

Mir wäre lieber gewesen, sie hätte wie das SPÖ-Modell vorsieht, 1,5 Millionen für sich behalten, denn die Österreicher hätten sich dann eher damit identifiziert: Vermögenssteuern verlangen von der überwältigen Mehrheit keineswegs Selbstlosigkeit – bringen aber größten ökonomischen Profit. Stattdessen identifizieren sie sich mehrheitlich mit dem Generalsekretär der angeblichen Wirtschaftspartei ÖVP, Christian Stocker, der behauptete, dass Vermögenssteuern „aus der linken Mottenkiste“ stammten.

Bisher haben VP- Granden nur behauptet, dass Vermögenssteuern nichts einbrächten, so absurd das angesichts der EZB- Daten auch ist. Aber Stocker krönte die schwarze Ahnungslosigkeit: Während Österreich dank der ökonomischen Weisheit der ÖVP nur 1,5 Prozent seines Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern bezieht, sind es in der „linken“ Schweiz 7,7 und in den „linkslinken“ USA gar 11,4 Prozent. Einziger Vorteil dieser für Stocker offenbar schwachsinnigen linken Steuerpolitik: Diese Staaten besteuern Arbeit vergleichsweise niedrig und weisen ein besonders hohes Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf, obwohl (in Wahrheit weil) vermögensbezogene Steuern in den USA volle 3,5 Prozent des BIP ausmachen.

Jedenfalls ist die besondere Wirtschaftsfreundlichkeit vermögensbezogener Steuern der Grund dafür, dass OECD, IWF oder Wirtschaftsforschungsinstitut Österreich seit Jahren raten, seine vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen und die Steuern auf Arbeit zu senken.

Dass ich lieber von „vermögensbezogenen“ Steuern schreibe, liegt daran, dass „Vermögenssteuer“ in der Einzahl eine Steuer bezeichnet, die jedes Vermögen bis hin zur Briefmarkensammlung besteuert und die es meines Wissens nur mehr in der Schweiz gibt, weil die Ehrlichkeit der Bürger den Verwaltungsaufwand begrenzt. Das hat die ÖVP nie gehindert, missverständlich zu behaupten, dass es ja kaum mehr Vermögenssteuern gäbe und dass der rote Finanzminister Ferdinand Lacina sie bei uns abgeschafft hätte. In Wirklichkeit lehnte Lacina nur das Schweizer Modell ab und die Erbschaftssteuer endete mit einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der es gleichheitswidrig befand, dass jemand, der ein Grundstück im Verkehrswert von einer Million Euro erbte, ungleich weniger Steuer bezahlen musste, als jemand, der diese Million in bar erbte, weil Grundstücke gemäß ihrem „Einheitswert“ bewertet werden, obwohl der mittlerweile zehnmal niedriger als ihr Verkehrswert ist. Allerdings trug der VfGH der Regierung auf, diesen Fehler zu beheben und setzte dafür eine Frist. Die verstrich, weil die ÖVP zu keiner Reparatur bereit war. Seither haben wir keine Erbschaftsteuer mehr und weiterhin nur eine lächerliche Grundsteuer, während sie in den meisten Staaten die wichtigste vermögensbezogene Steuer ist. Dass sie bei uns so niedrig ist, ist einmal mehr ökonomisch von Nachteil: es ermöglicht, Grundstücke zu horten, während man sie in den USA schnellstens verkaufen oder verbauen muss.

Der entscheidende Vorteil höherer vermögensbezogener Steuern ist freilich, dass sie niedrigere Lohn- und Einkommenssteuern erlaubten, die der überwältigenden Mehrheit zu Gute kommen, die Arbeitskosten der Unternehmen senken und die Beschäftigung erhöhen. Einziger winziger Vorteil extrem niedriger Vermögenssteuern: Sie führten dazu, dass einige Superreiche zu Österreichern wurden und hier voran Grundstücke kauften. Das entzieht, wie jede Steueroase ihrem Herkunftsland, meist Deutschland, Steuern, ohne unser Steueraufkommen sonderlich zu erhöhen, weil unsere Grundsteuer ja extrem niedrig ist. Ansonsten investieren sie bei uns so viel oder so wenig wie zuvor. Nur Parteispenden an die ÖVP sind für sie eine beinahe zwingende Investition.

Der SPÖ oder den Grünen ist der verteilungspolitische Vorteil Vermögensbezogener Steuern zwar klar – ihre spezifischen ökomischen Vorteile betonen sie meines Erachtens aber viel zu wenig. Sie haben diese Steuern immer nur allgemein gefordert, statt zu trommeln, dass sie die Steuern auf Arbeit entsprechend senken werden. Dabei wäre der Grüne Werner Kogler als Ökonom dafür prädestiniert gewesen – nur koaliert er leider mit der ÖVP.

Auch NEOS- Chefin Beate Meinl -Reisinger schien mir den Vorteil des Abtauschs höherer Vermögenssteuern gegen niedrigere Einkommenssteuern zu verstehen – jedenfalls hat sie sich einmal dahingehend geäußert. Jüngst allerdings hat auch sie wieder „Nein“ zu Vermögensteuern gesagt. Sollte das darauf beruhen, dass ihr Wirtschaftssprecher sie zurückgepfiffen hat, so versteht er von Wirtschaft so wenig wie Christian Stocker oder Herbert Kickl für den Vermögenssteuern auch nicht in Frage kommen.

 

 

 

 

 

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