Die FPÖ passt zu Österreich. Karl Nehammer schließt eine Koalition mit ihr unverändert aus. Jede künftige Regierung wird größte Wirtschaftsprobleme überwinden müssen.
FPÖ-Mandatar Michael Schnedlitz hatte recht, als er meinte, Österreich hätte soeben Geschichte geschrieben: Mit 29,2 Prozent der Stimmen ist die FPÖ die stärkste rechtsextreme Partei Europas. Für diesen dramatischen Sieg sehe ich folgende Ursachen:
- Der Anteil der Bevölkerung, der für faschistoides Denken und die Anbiederung an Diktatoren á la Wladimir Putin anfällig ist und in allen Ländern um die 25 Prozent liegt, liegt in Österreich deutlich höher. Weder der einstige Erfolg Adolf Hitlers noch der aktuelle Erfolg der FPÖ sind zufällig.
- Überall in Europa, aber für diese Österreicher ganz besonders, ist die Zuwanderung aus sehr fremden Kulturkreisen besonders schwer zu verkraften, zumal sie große reale Probleme aufwirft: Sie drückt auf die Löhne, verschärft den Kampf um Sozialleistungen und überfordert vor allem das öffentliche Schulwesen: Wer seine Kinder nicht in Privatschulen schicken kann, erlebt, dass sie eine immer schlechtere Ausbildung erhalten, weil in Wien oft die Mehrheit der Schüler nicht Deutsch zur Muttersprache hat. Alle diese Nachteile sind für die unteren sozialen Schichten, aus denen sich das Gros der FP-Wähler rekrutiert, besonders gravierend.
- Die gleichen unteren Sozialschichten haben durch die unglückliche Wirtschaftspolitik der EU in den letzten fünfzehn Jahren beträchtliche Reallohnverluste erlitten und am meisten unter der Inflation gelitten,
- Andreas Babler war ungeeignet, untere Sozialschichten (auch Nichtwähler) davon abzuhalten, die FPÖ vorzuziehen.
Da die ÖVP Karl Nehammer vorerst nicht in Frage stellt und er bekräftigt, dass er auf keinen Fall mit der FPÖ koalieren wird, spricht alles für Türkis-Rot, allenfalls verstärkt um die Neos, weil das die Regierungsmehrheit sehr viel stabiler machte und sie ihm wirtschaftspolitisch viel näher als die SPÖ steht. Denn welche Regierung immer wir bekommen, wird vor ökonomischen Problemen stehen, die so groß wie schon lange nicht sind: Österreich befindet sich wie sein wichtigster Handelspartner Deutschland in einer zähen systemischen Rezession. Ausgelöst wurde sie durch die EZB, die die hohen Teuerungsraten des Vorjahres rätselhafter Weise nicht auf die Preisexplosion bei Öl und Gas, sondern auf ihre lockere Geldpolitik zurückführte und mit harsch erhöhten Zinsen bekämpfte. Sie folgte damit der US-Notenbank FED bei der Bekämpfung der US-Inflation, nur dass die zwei zusätzliche Ursachen hatte: eine boomende Wirtschaft und extrem gestiegene Löhne. Was die FED tat, entsprach daher dem Lehrbuch: Die hohen Zinsen bremsten den Boom, erhöhten die Arbeitslosigkeit und erschwerten damit weitere Lohnerhöhungen. In der Eurozone, wo es weder hohe Löhne noch einen Boom gab, schwächten die hohen Zinsen die sowieso dürftige Konjunktur und bescherten Deutschland und Österreich die aktuelle Rezession. Innere Ursache für die ständig dürftige Konjunktur ist die deutsche Überzeugung, dass die Wirtschaft auch wachsen kann, wenn alle Beteiligten sparen. Dass Deutschlands Wirtschaft dennoch wuchs, lag daran, dass sie anderen Volkswirtschaften Marktanteile abjagte, indem sie dank inadäquater Löhne die preisgünstigsten Waren anbot. Doch das endete mit der immer dürftigeren Konjunktur des Euro- Raums und dem Schwächeln Chinas.
Dass sich deutsche Waren so lange so gut verkauften, ohne an Qualität gewonnen zu haben, hatte aber eine weitere Folge: Die verfettete deutsche Autoindustrie verschlief den Übergang zur E-Mobilität und befindet sich in einer existenziellen Krise. Österreich, als ihr wichtigster Zulieferer leidet zwangsläufig mit und tut sich dabei insofern besonders schwer, als auch der ÖGB die Teuerung missverstand und Lohnerhöhungen im Ausmaß der Inflation forderte: Mit 9 Prozent höheren Löhnen liegen unsere Lohnstückkosten derzeit um 7,1 Prozent über dem Durchschnitt der EU, während die deutschen 4 Prozent darunter liegen.
Das wird wirtschaftliche Erfolge unter Türkis-Rot- (Pink) in absehbarer Zeit extrem erschweren, zumal die EU nicht von “Austerity” abgeht, sondern derzeit fordert, dass wir zusätzliche 2,5 Milliarden im Jahr einsparen. Sollte die kommende Regierung unter diesen Voraussetzungen weiter Wohlstandseinbußen mit sich bringen, haben wir in fünf Jahren eine absolute Mehrheit der FPÖ.
Die größte Schwäche der wahrscheinlichen Regierung wäre zweifellos ihre ökonomische Inkongruenz: Beate Meinl Reisinger plädiert trotz des fatalen deutschen Beispiels dafür, die Schuldenbremse anzuziehen; Karl Nehammer hofft auf Wachstum, ohne zu wissen woher; Andreas Babler denkt zwar in die richtige Richtung – höhere vermögensbezogenen Steuern machten Gelder frei – aber er will sie für alles mögliche ausgeben, statt für die Senkung der Steuern auf Arbeit. Nehammer lehnt vermögensbezogene Steuern (wie übrigens Herbert Kickl) grundsätzlich ab, Meinl Reisinger, die ihnen einen Moment lang offen gegenüberzustehen schien, wenn sie der Senkung der Steuern auf Arbeit dienten, ist davon wieder abgekommen.
Kann das Wissen, dass diese Regierung zum Erfolg verdammt ist, solche Differenzen überwinden? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ein vorurteilsloses Gespräch mit der Steuerexpertin des WIFO Margit Schratzenstaller das vermag: Niedrigere Steuern auf Arbeit, die durch höhere vermögensbezogene Steuern gegenfinanziert würden, stellten eine echte Verbesserung der Struktur der Wirtschaft dar, die die Menschen in der Brieftasche spürten.