Das vollendete Taurus -Fiasko

Deutsche Militärs werden abgehört, als sie das Potential von Marschflugkörpern bereden, Frankreichs Präsident erträumt einsam Bodentruppen – die Ukraine hat den Schaden.

Vermutlich wollten deutsche Militärs der Ukraine Gutes tun, indem sie ein Taurus-Briefing für Kanzler Olaf Scholz besprachen das diesen „nicht überfordert“. Denn Taurus- Marschflugköper können die russische Brücke zur Krim zerstören und Experten in Zivil helfen der Ukraine ständig beim Programmieren britischer Marschflugkörper. Doch indem der russische Geheimdienst dieses Gespräch abzuhören vermocht und ins Netz stellte, gelang es Wladimir Putin, die Chance, dass Scholz der Ukraine Taurus tatsächlich liefert maximal zu reduzieren.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte der Ukraine Gutes tun, als er, ohne es abzusprechen, die Möglichkeit ansprach, Wolodymyr Selenskyj mit Bodentruppen zu unterstützen – das ging nicht minder nach hinten los: Scholz und US-Präsident Joe Biden erklärten energischer denn je, dass das nicht in Frage käme. Dennoch konnte Putin in seiner „Rede an die Nation“ zu Haus erfolgreicher denn je behaupten, dass der Westen Russland einkreise und in der EU die Angst schüren, er könnte darauf mit Atomwaffen antworten.

Dabei wäre es höchst sinnvoll gewesen, Joe Biden hätte nie verkündet, auf keinen Fall mit Truppen einzugreifen: es hätte Putin etwas nachdenklicher und Verhandlungen zugänglicher gestimmt. Die Wahrheit ist freilich: Niemand im „Westen“ hat je daran gedacht, das Leben eigener Soldaten in der Ukraine zu riskieren, obwohl Putin, sollte er dort siegen, sehr wohl eine Gefahr für ganz Europa darstellt. Wir haben nur das Glück, dass die Ukrainer ihr Leben für ihre Freiheit, aber eben auch Europas Sicherheit, riskieren. Deshalb halte ich es aus Anstand wie Eigennutz für das Mindeste, sie wenigstens mit den besten Waffen zu unterstützen. Scholz aber dürfte fast sicher dabei bleiben Taurus nicht zu liefern.  Erst kürzlich hat er endlich gesagt, warum: Marschflugkörper mit 500 Kilometer Reichweite, mit der selbst Moskau erreichbar wäre und der Umstand, dass deutsche Soldaten vor Ort sein müssten, um Taurus zu bedienen, berge die Gefahr, dass Putin in Deutschland eine Kriegspartei sieht.

Richtig daran ist, dass Selenskyj über keine anderen Waffen so großer Reichweite verfügt: die von Groß Britannien und Frankreich gelieferten Marschflugkörper „Storm Shadow“ und „Scalp“ erreichen nur Ziele in 250 Kilometer Entfernung – um eine russische Stadt zu treffen reichte freilich auch das. Richtig ist ferner, dass Scholz mit der Lieferung von Taurus nicht mehr im Gleichklang mit Biden agierte, denn der lieferte bisher nur Raketen mit 165 km Reichweite. Er versprach zwar Exemplare größerer Reichweite, aber die sind bisher so wenig eingetroffen wie die von den Republikanern blockierten Milliarden.

Natürlich hat Selenskyj immer geschworen, Raketen oder Marschflugkörper nicht auf Ziele innerhalb Russlands abzufeuern und sich daran auch gehalten. Aber da Putin auch die annektierten Teile des Donbas und die Krim als russisches Gebiet betrachtet, kann er jederzeit einen Angriff auf Russland behaupten, wenn Selenskij dort Taurus-Marschflugkörper einsetzt. Das aber wäre zwangsläufig ihr wesentlichster Zweck: er könnte Putins Truppen damit vom Nachschub abschneiden und auffahrende Panzerkolonnen zerstören. Taurus für sich alleine ist zwar kein Game-Changer, aber es könnte das Momentum im Ukrainekrieg wieder weg von Russland und etwas mehr zur Ukraine verschieben.

Dass die Verwendung von Taurus deutsche Soldaten vor Ort braucht bezweifeln Experten: In Spanien und Südkorea, die Taurus erworben haben, sind offiziell keine deutschen Soldaten vor Ort, wobei sich Südkorea formal nach wie vor im Krieg mit Nordkorea befindet. Im Übrigen wäre es völkerrechtlich natürlich zulässig, dass Deutschland die angegriffene Ukraine auch mit Soldaten vor Ort unterstützt. Ob Putin Deutschland deshalb „Kriegspartei“ nennt, ist völlig unerheblich – sicher betrachtet er es längt als solche. Wesentlich ist, wie dringend die Ukraine Taurus braucht und wesentlich ist, wie Putin auf die Lieferung reagiert.

Wie sehr die Ukraine Taurus braucht ist klar: sie befindet sich eindeutig in der Defensive, und nur, wenn es ihr gelingt, militärische Vorteile gegenüber Russland zu erringen, besteht zumindest die Chance, dass Putin bereit ist zu verhandeln.

Entscheidend ist, wie Putin auf die Taurus- Lieferung reagiert – und das wage ich sicher vorherzusagen: Er greift sicher kein NATO-Land, schon gar nicht Deutschland an. Denn solange Biden die USA regiert, bedeutete das für Putin Krieg mit der NATO, den er unmöglich gewänne – und so dumm, dieses Risiko einzugehen, ist er bei allem Sendungsbewusstsein nicht. Dass er den Verstand verliert und doch angreift, ja Atomwaffen einsetzt, halte ich nur dann für möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, wenn man ihm eine Niederlage zufügte, die ihm keine Chance lässt, wenigstens innerhalb Russlands sein Gesicht zu wahren. Das ist auch das Risiko, das Biden nicht eingehen will.

Das Risiko, Taurus-Marschflugköper zu liefern und der Ukraine damit doch wieder die Chance zu Verhandlungen zu eröffnen, halte ich dagegen sehr wohl für tragbar. Im Übrigen hätte es diese Chance schon gegeben, wenn ihre Gegenoffensive erfolgreich gewesen wäre – und das wäre sie gewesen, wenn Scholz rechtzeitig, bevor Russland die Frontlinie befestigen konnte, schwere Panzer geliefert hätte. Doch Scholz wird neuerlich versagen.

 

2 Kommentare

  1. Das finde ich auch, dass Scholz völlig versagt zum Nachteil der Ukraine. Sehr wichtig fände ich, eben wie angesprochen, eine bessere Koordination, Absprachen und Strategie in der EU ! Denn es ist wie es ist, seit 2 Jahren: beendet Putin den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine, ist Waffenstillstand, runde Tische und Frieden. Wird die Ukraine zur Kapitulation gezwungen, gibts keine Ukraine mehr – UND erhöhte Gefahr für Europas Demokratien in West UND OST !

  2. Ich lese Ihre Kommentare sehr gerne. Bin mir aber nicht sicher, ob man Scholz nicht Unrecht tut, wenn man ihm vorwirft, ständig zu „versagen“. Möglicherweise hat er hinter den Kulissen eine große potentielle Katastrophe abgewendet, wie der „Spiegel“ schreibt.

    https://www.spiegel.de/ausland/russland-ukraine-krieg-us-regierung-bereitete-sich-laut-new-york-times-ende-2022-auf-russischen-atomschlag-in-der-ukraine-vor-a-8b6039ee-dcd5-4c97-be21-bec41ae6cfc4

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