Putin ist dabei in der Ukraine zu siegen – Scholz wie Biden lieferten ihr nie die nötigen Waffen. Während Putins Kriegsindustrie boomt, spart die EU, bis er sie angreift.
Auf Youtube gibt Österreichs Militäranalyst Markus Reisner einen präzisen Überblick über die militärische Situation der Ukraine. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Meinung, dort habe sich nur wenig am herrschenden Patt geändert, zeigt er auf, wie sehr sich die Lage zu Gunsten Russlands geändert hat: Hatte sie bisher “nur” 60 Prozent der kritischen ukrainischen Infrastruktur an Kraftwerken und Produktionsstätten zerstört, so dürften es jetzt gegen 80 Prozent sein. Denn die Ukraine ist immer weniger in der Lage, russische Dronen, Bomber, vor allem aber Marschflugkörper abzuwehren. Sie schießt nur mehr 30 Prozent der Marschflugkörper ab, während Russlands Kriegsindustrie mittlerweile in der Lage ist, sie in jeder gewünschten Menge zu produzieren. Gleichzeitig stoßen auch die russischen Truppen langsam aber sicher immer weiter vor: Putin schickt frisch eingezogene Soldaten als Kanonenfutter voraus und stößt mit gut ausgebildeten nach. Gleichzeitig sind russische Präzisionswaffen in der Lage, ukrainische Verteidigungsanlagen zu zertrümmern, so dass die russischen Truppen sie früher oder später durchbrechen werden.
Putins boomende Kriegsindustrie lässt Russland nicht verarmen, sondern stärkt, wie jede Großinvestition des Staates, im Gegenteil die Konjunktur. Sollte Wolodymyr Selenskyj nicht sehr bald sehr viel mehr überlegene Waffen – Marschflugkörper, Luftabwehrsysteme, Raketenwerfer, Flugzeuge – erhalten, so befürchte ich mit Reisner, dass die Ukraine diesen Krieg vielleicht noch heuer verlieren könnte. Nur der Ordnung halber will ich es auch positiv formulieren: Nur wenn die Ukraine rasch und in ausreichender Zahl alle angeführten Waffen erhält, hat sie die Chance, im Rahmen einer neuerlichen Offensive vielleicht wieder soviel Boden zu gewinnen, dass Putin doch zu einem Verhandlungsfrieden bereit ist, bei dem er sich mit der Annexion der Krim und von Teilen des Donbass begnügt. Aber ich zweifle, dass das geschieht. Denn der “Westen” wird von Zauderern geführt: Er ist nicht einmal dann in der Lage eine Front zu halten, wenn ihm statt auf eigene Truppen todesmutige ukrainische Truppen zur Verfügung stehen er ihnen die überlegenen Waffen, die sie brauchten, durchaus liefern könnte.
Man kann Krieg nur entschlossen oder gar nicht führen. So bin ich hier etwa im Krieg Israels mit der Hamas dafür eingetreten, dass Israel sich auf einen demonstrativen Luftschlag beschränken möge, weil es ein System zur billigen Abwehr auch kleinster Raketen schon so weit entwickelt hat, dass es demnächst allen Hamas-Raketen aus dem Gazastreifen abzuwehren, und weil Frieden mit Saudi Arabien und gute Beziehungen zu seinen Nachbaren für seine Sicherheit und die Befreiung der Geiseln wichtiger sind, als der Sieg über die Hamas. Aber das ist eine ganz andere Situation als die der überfallenen Ukraine: Sie hört zu bestehen auf, wenn sie nicht in der Lage ist, Russlands Truppen zurückzuschlagen. In der Ukraine hat die zögernde Kriegsführung nur Menschenleben und Chancen gekostet. So hatte sie im Zuge ihrer ersten Offensive eine große Chance auf militärischen Erfolg, weil das russische Heer erstaunlich schlecht geführt wurde: hätte Deutschland der Ukraine damals schwere Panzer geliefert, so wäre sie in der Lage gewesen, die russischen Truppen im Donbass bis an die e Grenze zurückzudrängen – aber Scholz zögerte mit der Lieferung so lang, bis Russland Panzersperren errichtet hatte, die die Truppen der Ukraine nicht zu durchbrechen vermochten. Jetzt lieferte er keine Taurus -Marschflugkörper und ermöglichte Putins Truppen so den für ihre Offensive nötigen Nachschub aus dem Hinterland.
Es ist vermutlich richtig, dass Scholz stets im Einklang mit Joe Biden handelte, aber auch der ist ein Zauderer. Zwar konnte man für richtig halten, Putin nicht in eine so ausweglose militärische Lage zu bringen, dass er womöglich doch zu Atomwaffen greift, aber davon war man im Ukrainekrieg weit entfernt: Dass es gelungen wäre, seine Truppen zurückzudrängen, hätte ihn nicht zu Atomwaffen greifen lassen- wohl aber Friedensverhandlungen eine Chance verschafft.
Jetzt droht der Ukraine das gespenstisch Comeback Donald Trumps. Aber kein US-Präsident, auch nicht Biden, wird Europa mit US-Soldaten vor Putin schützen, wenn es sich nicht in erster Linie selber schützt. Dazu aber braucht es einsatzfähige Armeen und eine funktionierende Waffenindustrie. Beides kostet viel Geld, das Staaten, die zum Sparen verpflichtet sind, nicht aufbringen können.
Aber um zu begreifen, dass eine funktionierende Militärindustrie nicht nur Sicherheit schafft, sondern auch die Konjunktur stützt, sind die politischen Führer der EU von Scholz bis Emmanuelle Macron ökonomisch zu ahnungslos, und auch wenn man es im Falter erörtert und mit Ziffern aus der Beendigung der Weltwirtschaftskrise belegt, wird einem “Kriegsrausch” unterstellt, statt zu begreifen, dass man “kriegstauglich” sein muss, um den Frieden zu bewahren.
So wie die EU Putin nach dem Rechtsruck im Zuge der kommenden Wahl gegenüberstehen wird, kann er beruhigt riskieren, in Moldawien und Georgien weiter vorzustoßen und wenn in den USA Trump auf Biden folgen sollte, geht er auch bei einem Angriff auf die baltischen Staaten kein zu großes Risiko ein. Sollte Biden bleiben, so bleibt es ein Risiko – aber nicht zwingend ein untragbares.