Eine VP-interne Vision von Kanzler Kickl

Die ÖVP könnte Nehammer nach Brüssel wegloben und jemanden an ihre Spitze hieven, der Blau-Türkis für stimmiger als Rot-schwarz- grün/pink hält. Die SPÖ befördert das.

Bisher habe ich die Horrorvision, dass Herbert Kickl 2024 „Volkskanzler“ wird, damit zur Seite geschoben, dass mir ausgeschlossen schien, dass Karl Nehammer ihn dazu macht, hat er doch denkbar eindringlich erklärt, dass das für ihn nicht in Frage kommt. Denn obwohl er sich schützend vor Wolfgang Sobotka stellt, halte ich ihn für einen anständigen Menschen: Was soll er tun, wenn der nicht geht? Dass es ihm  nicht und nicht gelingt, die ÖVP wenigstens ein Stück aus ihrem Umfragetief herauszuführen, lässt mich allerdings, je länger es andauert, eine Entwicklung für möglich halten, die mir ein intimer Kenner der ÖVP  so beschrieb: Nehammer wird die Wahlschlappe, der die ÖVP entgegengeht, nicht verantworten wollen; mit Österreichs Anspruch auf einen Kommissar in Brüssel böte sich ihm eine Alternative; massive Kräfte (auch Landeshauptleute)innerhalb der ÖVP planten daher, ihn dorthin weg zu loben und jemanden an die Spitze der Partei zu hieven, für den es ein Aufstieg und  kein Problem wäre, Vizekanzler(in) einer blau-türkisen Regierung zu sein. Zwar müssten die schwarzen Landeshauptleute damit einen Kanzler Herbert Kickl akzeptieren, aber da alles dafür spreche, dass sie andernfalls einen Kanzler Andreas Babler akzeptieren müssten, sei ihnen Ersterer lieber. Denn leider sei die innere Übereistimmung mit der FPÖ, die man unter Sebastian Kurz erlebt hat, viel größer als mit der SPÖ. Zudem kann die ÖVP in der möglichen Zweierkoalition mit der FPÖ weit mehr Ministerien für sich fordern als in einer Dreierkoalition mit SPÖ und Grünen oder Neos. Viele Funktionäre hielten das blau-türkise Bündnis daher leider für stimmig und erfolgversprechender. Ich habe eingewendet, dass Tirols Anton Mattle oder Vorarlbergs Markus Wallner das schwerlich so sehen und dass die FPÖ zwar grundsätzlich national, wirtschaftlich aber eher sozialistisch ticke, aber mein Gesprächspartner sah in Mattle und Wallner „leider Leichtgewichte“ und wirtschaftlich, so sei man in der ÖVP überzeugt, würde sie das Sagen haben.

Nicht, dass ich den blau-türkisen „Volkskanzler“ damit für wahrscheinlich hielte – aber für ganz unwahrscheinlich halte ich ihn nicht mehr.

Hans Rauscher hat im DerStandard ausgeführt, wie wichtig es ist, dass eine konservative Partei entscheidende Werte mit der Linken teilt und ich möchte das unterstreichen. Ich sehe eine Katstrophe darin, dass der ÖVP ihr christlich-soziales Fundament abhanden kommt. Am eindrücklichsten illustriert das die Haltung schwarzer Granden zu Sebastian Kurz: sie wollten sich von ihm nicht einmal distanzieren, als offenbar wurde, dass er alles unternommen hat, um zu verhindern, dass Reinhold Mitterlehner mit Christian Kern 1,5 Milliarden für die schulische Förderung von Kindern beschließt, obwohl das viel übler als selbst die Korruption ist, deren er verdächtigt wird.

Wenn ich mich frage, wie die jedenfalls gegebene Gefahr eines blau-türkisen Volkskanzlers im verbleibenden Jahr ausgeschlossen werden kann, fällt mir leider nicht viel ein: Die FPÖ wird ihr Umfragehoch in einen Wahlsieg verwandeln. Nehammer hat nur mehr wenige Möglichkeiten zu punkten: Schwarz-Grün wird irgendwann doch das Transparenzgesetz beschießen, das nur umstritten ist, weil es Bürgermeistern die Möglichkeit korrupter Baubewilligungen erschwert. Er hat ferner die vom Verfassungsgerichtshof eröffnete Möglichkeit, ein ORF- Gesetz zu beschließen, das den Einfluss der Parteien so einschränkt, dass Kickl nicht mehr behaupten kann, die Berichterstattung über die FPÖ sei parteiisch. Leider meint ein anderer diesbezüglicher Insider, die ÖVP wolle einen VP-nahen ORF und würde alles tun, ihn dazu zu machen, ehe ein neues ORF-Gesetz das verhindert. Schließlich könnte Nehammer mit dem größten Applaus das Gesetz beschließen, das eine parteiunabhängige Spitze der Staatsanwaltschaft sicherstellt. Aber daran zweifelt mein zweiter Gesprächspartner noch mehr: Derzeit wolle die ÖVP die WKSTA diffamieren und danach einen alleinigen Bundesanwalt installieren, der ihr nahesteht.

Theoretisch könnten die Grünen die ÖVP bei allen diesen Gesetzen zu Eile und Sauberkeit drängen, indem sie erklären, die Koalition andernfalls zu sprengen – nur dass sie die folgenden Neuwahlen in der Praxis kaum minder als diese zu fürchten haben. Ich meine freilich, dass das jedenfalls so ist, so dass sie auch energischer drängen und dieses Risiko in Kauf nehmen könnten.

Für absolut verfehlt  halte ich die Taktik der SPÖ und Andras Bablers, Nehammer genauso heftig zu kritisieren wie Kickl es tut. Erstens machen sie Kickl damit glaubwürdig und treiben ihm Wähler zu; zweitens muss die SPÖ mit Nehammer koalieren, wenn sie Schwarz-Blau abwenden will; drittens ist ihre aktuell zentrale Kritik – dass Schwarz-Grün die Teuerung so viel schlechter als andere Regierungen bekämpfe – höchst problematisch: Es waren vorangegangene Regierungen, die Österreich eine so extreme Abhängigkeit von russischem Gas bescherten, dass sie doppelt so hoch wie die Deutschlands ausfiel. Es ist absurd, Teuerungsraten zu vergleichen, ohne zu berücksichtigen, wie die Energieversorgung eines Landes beschaffen ist.

In Wirklichkeit sollte man in der SPÖ beten, dass ihr Nehammer als ÖVP-Obmann erhalten bleibt. Denn seine Ablehnung dessen, was ein Volkskanzler Kickl für Österreich bedeutete, ist ehrlich.

 

5 Kommentare

  1. Lieber Herr Lingens, mein Kommentar von heute vormittag scheint im Nirvana gelandet zu sein. Ob sie ihn für anstößig befunden haben, ob ein Softwareproblem der Grund ist oder welcher Grund sonst vorliegt ist für mich nicht erkennbar – nicht sehr nett.

    Unverzagt versuche ich trotzdem noch einen ganz anderen Kommentar:
    Bei der Nationalratswahl stehen bekanntlich nicht Babler, Kickl, Nehammer etc. zur Wahl sondern FPÖ, ÖVP, SPÖ etc.
    Wenn die zuständigen Gremien der ÖVP danach Verhandlungen Blau – Türkis/Schwarz(?) beschließen, dann kann Nehammer den Beschluss umsetzen oder sich aus der Bundespolitik zurückziehen, eventuell nach Brüssel gehen. Nehammers innerparteiliches Gewicht wird nach der Niederlage gering sein, egal wie deutlich diese Niederlage ausfallen wird.

    Lieber Herr Lingens, Sie setzen doch soviel auf Empirie. Wieviele empirische Belege brauchen Sie eigentlich noch dafür, dass die ÖVP mit den Freiheitlichen koalieren wird, wenn es der ÖVP in den Kram passt ??

    Wer als Wähler Blau – Türkis(?) verhindern will, sollte sich fragen ob wenigstens eine
    2/3-Mehrheit der rechten Parteien zu verhindern ist.
    Zwei Parteien sollte man halt dann sicher nicht wählen, nämlich Blau und Türkis!

    Welche Partei man wählen sollte ist nicht ganz so einfach zu beantworten, da auch mit Umfrage-Ergebnissen Politik gemacht wird. Man sollte umso mehr rechtzeitig beginnen darüber nachzudenken.

  2. Sehr geschätzter Herr Lingens. Ich kann Ihren Ausführungen ausnahmsweis weitgehend zustimmen. Die Rückendeckung von Herrn Sobotka ist aber alles andere als anständig. Wie Sie sagen ist es eine Katastrophe, dass die christlich sozialen Werte der ÖVP abhanden gekommen sind. Das korreliert mit dem plausiblen Wählerschwund. Die gute Zusammenarbeit von Herrn Reinhold Mitterlehner und Herrn Christian Kern war nicht gewünscht und wurde mutwillig beendet. Die beschlossenen 1,5 Milliarden für die schulische Förderung wurde eigennützig verteilt und Österreich sandelt weiter ab. Koste es was es wolle. Ich hoffe auf unmanipulierte Neuwahlen und ein wenig Demokratieverständnis bei den Verlierern. Der gefürchtete Herr Herbert Kickl bestellt den Boden sehr intensiv und deutlich. Die Ernte wird dementsprechend ausfallen. Das Ausbluten des Volkes für zweifelhafte Ziele dauert schon viel zu lange und ist nur möglich, weil den Leitmedien der unabhängige Journalismus, sowie christlich-soziale Werte abhanden gekommen sind. Die Chancen für einen mutigen, gevieften Volkskanzler stehen gut. Es wird harte Arbeit geben, die aufdringlichen NGO’s wie WHO, NATO, UN, EU u.v.m. in ihre Schranken zu weisen und die Werte der Subsidiarität und Eigenständigkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Es bleibt nicht viel Zeit, denn mit der angestrebten weltweiten digitalen Knechtung ist jedes Individuum normierbar, LGBTQ tauglich und folgsam zu formen. Unsere Scheindemokratie ist dann auch Geschichte. Die Grünen sind von einer friedvollen, naturnahen Basisarbeit zu kriegslüsternen Geld- und Ressourcenverschwendern* mutiert. Ihre Ernte wird verkümmern. Die SPÖ wird testen, testen, testen, und weitertesten bis sie blau werden.

  3. Ich könnte viel dazu schreiben …
    Aber eines wundert mich: Wieso kommt in diesem Lingens’schem Artikel nicht einmal die Ukraine mit dem Beitritt zur EU vor? Die FPÖ ist die einzige Partei in Ö, die ganz eindeutig dagegen ist und das auch ausspricht. Und hat auch in dieser Frage ganz klar die Mehrheit hinter sich. Das sind nochmal zusätzlich einige Prozentpunkte zu den derzeitigen Umfragen …

  4. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass die SPÖ mit der FPÖ besser harmonieren würde als mit der ÖVP. Bei Haider hatte ich immer das Gefühl, dass ein Kreisky mit ihm ganz gut gekonnt hätte. Babler hat ja nicht ausgeschlossen – was ich für richtig halte -, nach der Wahl auch mit Kickl zu reden. Bei Nehammer fange ich an, Mitleid zu empfinden. Der Mann ist wahrscheinlich ein guter Kumpel mit guten Absichten, aber wie kann man bloß in einer Führungsposition so tollpatschig sein?

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