Trumps Chancen steigen – die EU sieht zu

Der Ex-Präsident liegt in 5 von 6 Swing-States klar vor Biden. Seine Zweifel an der Nato sind amtsbekannt. Dennoch baut die EU keine eigene Streitmacht auf.  

Mit meiner Sorge konfrontiert, dass Donald Trump 2024 gewählt werden könnte, weil man sich seines wirtschaftlichen Erfolgs erinnert, haben mir amerikanische Freunde noch im Vorjahr versichert, dass das ausgeschlossen sei – heute sind sie ähnlich besorgt wie ich: Folgt man den aktuellen Umfragen, muss man Trumps Wiederwahl für wahrscheinlicher als die Joe Bidens halten. In fünf der sechs “Swing-States”, deren Resultate bekanntlich meist wahlentscheidend sind, liegt Trump vor Biden, in vieren um volle neun Prozent – in einem einzigen Staat, Wisconsin, ist Biden zwei Prozent vorne. Dabei hat er 2020 alle diese Staaten gewonnen, aber seine Popularität ist regelrecht abgestürzt: Laut einer Umfrage der Analyse-Website FiveThirtyEight  sind 55,8 Prozent der Wähler nicht mit seiner Arbeit zufrieden, nur 37 Prozent unterstützen ihn. Auch die bundesweite Umfrage des Wall Street Journal sieht Biden daher mit 43 Prozent um 4 Prozent hinter Trump. In Summe sind es die schlechtesten Daten eines zur Wiederwahl antretenden Präsidenten.

Größten Anteil daran hat eine Emotion: Die Meinung, dass Biden zu alt für sein Amt sei. Gelegentliche sprachliche Aussetzer – “Good save the Queen”- haben dazu ebenso beigetragen wie sein peinliches Bemühen, rasch zu gehen. Dabei zeigen gerade seine Äußerungen zum Gaza-Konflikt, dass er seiner Aufgabe intellektuell durchaus gewachsen ist – aber das sehen nur Politik- Interessierte, die ihn sowieso wählen. Obwohl die USA (wie freilich schon unter Trump) alle wirtschaftlichen Krisen ungleich besser als die EU gemeistert haben – der Abstand zueinander hat sich seit 2008 verdreifacht – gereicht auch die wirtschaftliche Entwicklung Biden nicht zum Vorteil: Trump, das wurde in Europas Medien oft negiert, hat keine schlechte Wirtschaftspolitik gemacht, auch wenn er die Steuern Superreicher zu drastisch gesenkt hat – denn er hat auch die Steuern von Unternehmen und Mittelstand gesenkt, und seine Schutzzölle gegen chinesischen Billigstahl wurden von Arbeitern als hilfreich wahrgenommen. Auch wenn Biden sie jetzt durch Protektionismus ersetzt, muss der zughörige Erfolg erst in Zahlen sichtbar werden – zumindest ist das meine Hoffnung.

Denn so wie 2020 die Pandemie, für die er nichts konnte, die gute Wirtschaftsbilanz Trumps verhagelt hat, verhagelt bisher die Inflation, für die er nichts kann, die gute Wirtschaftsbilanz Bidens. Auch in den USA hat sie eine große Zahl Unzufriedener geschaffen, und die Zinserhöhungen, mit denen die FED sie bekämpft, verhindern einen Boom, auch wenn sie, anders als die Zinserhöhungen der EZB wahrscheinlich berechtigt sind. Selbst dass die USA auf einem entscheidenden Gebiet, der Digitalisierung, weit besser als die EU dastehen, kehrt sich im Moment gegen Biden: Es schafft zunehmend Arbeitslose unter ungebildeten sozial Schwachen, die sonst seine Wähler wären.

Im demokratischen Lager tröstet man sich über die katastrophalen Umfragedaten, indem man betont, dass es Momentaufnahmen sind, und dass Umfragen vielleicht voran von Menschen beantwortet werden, die etwas auszusetzen haben, 0bwohl das qualifizierte Umfragen vermeiden. Zudem hofft man wie ich, dass voran Frauen sich wegen der Abtreibungsgesetze in der Wahlkabine doch gegen die Republikaner entscheiden werden und dass das in den Umfragen nicht voll zu Tage tritt. Nur hat auch Trump dieses Risiko begriffen und hütet sich, sich als Abtreibungsgegner zu outen. Obwohl ich unverändert hoffe mich zu irren, muss man einen Wahlsieg Trumps selbst als Optimist derzeit für mindestens so wahrscheinlich wie einen Wahlsieg Bidens halten: Faschistoide USA sind eine reale Gefahr. Denn dass Strafprozesse Trump stoppen bezweifle ich: Im Amerika der Gegenwart werden sie von seinen Wählern nur als Hexenjagt gegen ihn  wahrgenommen.

Leider überdenken die Demokraten die Kandidatur Bidens trotz der miserablen Umfragedaten in keiner Weise. Sie erinnern mich damit stark an die Europäer, die ihre Sicherheitspolitik nicht überdenken: Zwar kann man natürlich hoffen, dass die Nato ein unverändert starkes Schutzschild bleibt – aber man muss sich doch zumindest in Betracht ziehen, das sich das mit Trumps Wiederwahl dramatisch ändert. Schließlich hat er schon bisher nie Zweifel daran gelassen, dass ihm die Verteidigung Europas keine Herzensangelegenheit ist. So wird er den Krieg in der Ukraine mit größter Wahrscheinlichkeit binnen eines Tages beenden: er wird sie Putin überlassen. Dass er die Verpflichtungen der Nato in Europa einhält, ist zwar wahrscheinlich, aber es für sicher zu halten, ist fahrlässig. Ich kann nicht verstehen, dass man sich in der EU so gar nicht mit der Möglichkeit auseinandersetzt, dass Europa Trump keine toten US-Soldaten wert sein könnte. Dass man nicht einmal daran denkt, eine ernsthafte eigene Streitmacht aufzubauen. Es stehen ja in den nationalen Armeen der EU rund 600.000 Mann unter Waffen. Es gibt nur keine gemeinsame Militärindustrie, keine gegenseitige Abstimmung der Truppen aufeinander und vor allem keine gemeinsame Befehlsstruktur. Das alles kann man sehr wohl schaffen, ohne die Nato zu damit zu konkurrenzieren. Besteht sie wie bisher, so wäre diese Streitmacht eben ein adäquater Partner der Armeen der USA oder Kanadas. Ökonomisch wäre das kein Problem: Die Militärausgaben bedingen einen Teil der ökonomischen Vorsprungs der USA.

3 Kommentare

  1. Sehr geschätzter Herr Lingens,
    Ich verstehe die Angst vor Trump, Orban, Kickl, Erdogan ,…. Darum werden diese Persönlichkeiten ja auch mit allen lauteren und unlauteren Mitteln bekämpft. Wer die dominion Wahlmaschinen beherrscht wird wohl das Wahlergebnis bestimmen. Die Demoktraten werden deshalb Biden, der brav die Agenda weiterführen wird als Kandidaten beibehalten.
    Die Nato Geheimarmeen in Europa haben Befehlsstrukturen, sie wissen das besser als das gemeine Volk. Vielleicht wollen sich die CIA und MI6, welche die Vorarbeit leisten, hinter europäische Strukturen verstecken. In Italien ist die Geheimarmee Glaudio schon mehr als 30 Jahre im Einsatz. Wir sollten endlich aufhören, aus wirtschaftlichen Gründen Völkermord und Waffenarsenale zu fordern und ungefragt zu finanzieren. Die meisten Menschen und Menschinnen* wollen in Frieden leben und für den Nachwuchs Verantwortung tragen. Freie, wirklich freie Wahlen könnten das ermöglichen. Die Wahrheit kann ohne Beeinflussung und Unterdrückung bestehen. Sie kommt ans Tageslicht, wann immer wir dazu bereit sein werden!!!

  2. Verehrter Michael Lingens! Sachlich wie immer beeindruckend!
    Aber wie ist denn das passiert: da steht
    “dass die Nato ein unverändert starkes Schutzschild bleibt” !
    DER Schutzschild / (in disem Sinn genügt auch einfach) DER Schild!
    Und dann steht auch noch “Schreibe einen Kommentar”
    Imperativ ist “Schreib!” Nicht “Schreibe!”
    Allerdings gehe ich davon aus, dass Sie’s eh wissen.
    Hochachtungsvoll
    Mag. Friedelwolf Wicke-Jabornegg fw@aon.at

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