Der doppelte Schäuble

Mit Wolfgang Schäuble verliert Deutschland einen Politiker der sich durch eine Reihe wichtiger Tugenden ausgezeichnet hat: Anstand, Handschlagqualität, Loyalität, Patriotismus und ein dennoch klares Bekenntnis zu einem vereinten Europa.

Leider schlägt sich die Tätigkeit in seiner mit Abstand wichtigsten Funktion als Finanzminister Angela Merkls und damit als Taktgeber der Fiskalpolitik der EU messbar in folgenden Zahlen nieder: Der Abstand zwischen dem realen Bruttoinlandsprodukt der EU, zu dem der USA, der 2008 nach der Finanzkrise 15 Prozent betragen hat, beträgt heute 31 Prozent und der noch aussagekräftigere Unterschied im realen  BIP pro Kopf hat sich von 9.000 auf 27.000 Dollar verdreifacht. Alle Krisen, von der Finanz- über zur Corona- Krise bis zur Ukraine-Krise wurden (werden) von der EU ungleich langsamer und ungleich unvollständiger als von den USA bewältigt.  Doch nichts konnte Schäuble eines Besseren belehren. Schon gar nicht eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds IWF, die zu dem Schluss kam, dass die Staatsschuldenbremse den beteiligten Staaten mehr geschadet als genutzt hat.

(Sie belehrte bekanntlich auch Sebastian Kurz  und seine Finanzminister oder Österreichs Öffentlichkeit nicht- auch hier wurde ein schwachsinniges Null-Defizit als Jahrhundertereignis gefeiert und wäre die Schuldenbremse beinahe in der Verfassung verankert worden)

Das Tragischste ist freilich, dass sich Deutschlands aktueller Finanzminister Christian Lindner voll zur Politik Wolfgang Schäubles bekennt, obwohl sie im Moment auch den Deutschen selbst auf den Kopf fällt, während sie ihn in der Vergangenheit  aus des Schlinge ziehen konnten, indem sie anderen Staaten durch Lohnzurückhaltung Marktanteile weggenommen haben, Derzeit bezahlen sie die Lohnzurückhaltung mit dem Wachstum der AfD und die Schuldenbremse mit einer kaputtgesparten Bundeswehr, einer nicht elektrifizierten Eisenbahn, vernachlässigten Schulen und Universitäten und desolaten Verkehrswegen. Aber Ökonomisch Umdenken ist für Deutsche offenbar unmöglich – sie sind fehlerfrei.

5 Kommentare

  1. @Heinz Melion
    Ich nehme an, Sie beziehen sich auf den Artikel von Herrn Lingens, denn mit meinem Kommentar erkenne ich keinen Zusammenhang. Trotzdem eine Bemerkung: wie kommen die Plumps von der Notenpresse zum Staat? Indem der Staat als Gegengeschäft der Notenpresse einen Schuldschein gibt. Die Notenbank erhöht ihre ‚Kundenforderungen‘ gegenüber dem Staat und der Staat erhöht seine Schulden. Kurz: der Staat HAT Schulden. Natürlich muss der Staat diese Schulden an die Notenpresse zurückzahlen. Ich glaube, was Sie – richtigerweise – sagen, ist, dass Staatsschulden für Konsum eine andere Qualität haben als Staatsschulden für Investitionen. In letzterem Fall wurden mit den Schulden Werte geschaffen und das gut so.

  2. Das ewige vergleichen mit der USA zeigt mangelnden nationalen Selbstwert. Bei näherer Betrachtungen sieht die Wirtschaftsleistung in Amerika ohne Kriegsindustrie weniger gut aus. Da wäre mir ein harter Kurs ohne neuen Schulden lieber. Geld ist ja für Sinnlosigkeiten genug da. Not macht erfinderisch. Dies zeigen die widerwärtigen, befohlenen Sanktionen gegenüber einem mächtigen Energielieferanten deutlich. Schäuble hat die Verlässlichkeit Deutschlands nicht aufs Spiel gesetzt.

  3. Eines sollte uns allerdings schon bewußt sein – wenn alle Entscheidungsträger der Welt aus Wolfgang Schäuble’s bestünden, dann gäbe es möglicherweise weniger Wachstum und etwas weniger Wohlstand. Aber es gäbe Stabilität. Und es gäbe auch einen gut funktionierenden und finanziell abgesicherten Wohlfahrtsstaat à la Ludwig Erhard. Möglicherweise gäbe es auch mehr „Wohlstand für alle“. Zumindest glaube ich das. Viele Griechen haben beispielsweise Schäuble als ‚Staatsfeind Nr. 1‘ auserkoren. Griechenland wurde kürzlich vom Economist als erfolgreichste Wirtschaft unter 35 Ländern auserkoren. Zumindest teilweise verdanken sie das Schäuble. Hätte er unter Tsipras nicht auf eine Rosskur bestanden, dann hätte Mitsotakis wohl nicht auf so soliden Finanzen aufbauen können.

    1. Das mit der Stabilität ist so eine Sache, die Frage ist, was mehr oder weniger stabil ist. Solange unser Wirtschaftssystem auf immerwährendem Wachstum und immer steigendem Energie- und Ressourcenverbrauch ausgerichtet ist, ist dieser Begriff sowieso unangebracht.

      Entscheidend ist nicht sosehr, ob ein Staat mehr ausgibt als er einnimmt, sich also immer weiter verschuldet. Entscheidend ist, wofür das Geld ausgegeben wird. Denn der steigenden Verschuldung stehen meist gestiegene Vermögenswerte des Staates, wie etwa neu gebaute Schulen, Spitäler usw., gegenüber. Und: Ausgaben der Einen (des Staates) sind immer Einnahmen der Anderen.

      Dazu ein simples Beispiel (aus „Weltuntergang fällt aus“ von Jan Hegenberg):
      „Ein fiktiver, geldpolitisch souveräner Staat mit eigener Währung (z.B. Plumps) will ein großes Spital um 200 Millionen Plumps bauen. Er kann die Notenpresse anwerfen, Bargeld im Wert von 200 Millionen Plumps drucken und damit den Spitalsbau durch einheimische Firmen und einheimische Arbeiter finanzieren.

      Hat er damit Schulden gemacht? Bei wem denn? Also nein, keine Schulden, niemand muss diese 200 Millionen Plumps jemals zurückzahlen. Der Staat hat nur die Geldmenge erhöht, die in di reale Wirtschaft geflossen ist.

      Wenn das Spital fertig ist, hat er keine 200 Millionen Plumps Schulden, aber trotzdem ein Spital um 200 Millionen im Anlagevermögen. Während des Baus und auch danach gibt es zusätzliche Arbeitsplätze, verdienen Menschen Geld, das sie wieder ausgeben. Und auch die beteiligten Firmen haben nicht nur Umsatz, sondern hoffentlich auch Gewinne gemacht, die sie wieder in die reale Wirtschaft investieren können.

      Dadurch, dass der Staat zunächst 200 Millionen mehr ausgegeben als eingenommen hat, hat er die Geldmenge erhöht und sich selbst, seine Unternehmen und seine Bürger reicher gemacht.“

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