Ist die Energiewende schon geschafft?

Der Welt führende Energieexperte behauptet, dass die Erzeug grüner Energie alle Erwartungen übertrifft und noch in diesem Jahrzehnt zum Ende der fossilen Ära führt.

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: „Die Welt steht am Anfang vom Ende der Ära der fossilen Brennstoffe. Das scheinbar unaufhaltsame Nachfragewachstum nach Kohle, Öl und Gas wird noch in diesem Jahrzehnt zu Ende gehen“, erklärte der Exekutivdirektor der „Internationalen Energie Agentur“ (IEA) Fatih Birol vergangene Woche der Financial Times. Und Birol ist nicht irgendwer: Time zählt ihn zu den hundert einflussreichsten Menschen weltweit und was „Energie“ betrifft, ist er zweifellos der weltweit führende Experte. In Istanbul studierte er Volkswirtschaft und Kraftwerksingenieurwesen, an der Technischen Universität Wien promovierte er zu „Energiewirtschaft“, um danach sechs Jahre lang im Sekretariat der OPEC zu erleben, wie Fördermengen und Preise fossiler Energie zustande kommen. Es folgten 20 Jahre als Chefökonom der Energieagentur der OECD, ehe er 2015 Direktor der IEA wurde und dort jedes Jahr den denkbar einflussreichen „Weltenergiebericht“ („world energy outlook“) verantwortet.

Dass dessen jüngste Prognose derart positiv ausfällt, begründet er mit den in jüngster Zeit ungeahnten Fortschritten bei der Herstellung grüner Energie, voran durch Photovoltaik, durch Wind- und in China forcierte Atomkraft. Gleichzeitig hätte sich die Struktur der Wirtschaft nicht nur in der EU und den USA, sondern auch in China dahin verändert, nicht mehr auf fossile Brennstoffe, sondern voran auf „grüne Energie“ zu setzen. Es sei zwar, so Birol, schon öfter von einem „Peak Oil“ gesprochen worden und das hätte sich immer wieder als falsch hausgestellt – im abgelaufenen Jahr sind mehr fossile Brennstoffe denn je zum Einsatz gekommen – aber jetzt deute alles darauf hin, dass diese Entwicklung innerhalb des kommenden Jahrzehnts ihren Höhepunkt und damit einen „historischen Wendepunkt“ erreicht: Danach würde der Verbrauch fossiler Energie kontinuierlich sinken und das würde zwangsläufig gewaltige Rückwirkungen auf den Klimawandel haben. Wenn zutrifft, was Birol der Financial Times sagt, wäre er Kampf gegen die Klimakatastrophe im Prinzip gewonnen.

Natürlich gibt es gegenteilige Ansichten: Ohne sie zu kennen, übte der Ex-Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts  Hans Werner Sinn in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, (die kurz darauf die Birol-Prognose der Financial Times zitierte) heftige Kritik an einer Klimapolitik, die, wie die deutsche, die internationale Entwicklung außer Acht lasse, denn diese sei dadurch gekennzeichnet, dass die OPEC ihre Förderkapazitäten erhöhen wolle. Schon zuvor habe ich hier den deutschen Ökonomen Heiner Flassbeck zitiert, der ebenfalls die Ansicht vertrat, dass nur eine internationale Vereinbarung über die kontinuierliche Drosselung der Ölförderung den Klimawandel abwenden würde – andernfalls würde alles Öl/Gas, das die EU oder USA weniger verbrauchen, sofort und ökonomisch unvermeidlich von China, Indien & Co aufgekauft und eben dort verbrannt, womit der Welt- CO2- Ausstoß vorerst unverändert bliebe.

Ich habe diese Befürchtung geteilt und muss sie revidieren, wenn Birols Behauptungen zutreffen. Ebenso revidieren müsste ich meine Befürchtung, dass die Erzeugung grünen Stroms zum Laden der Batterien von E-Autos nicht mit dem durch sie verursachten steigenden Bedarf an grünem Strom Schritt hält, so dass er mit Kohle-Strom gedeckt würde. Batterieelektrisch betriebene Autos wären, wenn Birol Recht hat, dank des optimalen Wirkungsgrades von E-Motoren Verbrenner-Autos zwingend überlegen. (Vorausgesetzt, dass auch die Gewinnung der Materialien zur Herstellung von Batterien nicht mit mehr CO2-Ausstoß belastet ist, als bisher auf Grund dürftigen Zahlenmaterials aus China oder dem Kongo angenommen wird.)

Anders als Flassbeck oder Sinn vermuten, hätte sich die Wirtschaft laut Birol dank der Einsicht in die extreme Verbesserung und Verbilligung grüner Technologie in die ökologisch richtige Richtung entwickelt. In Europa hat freilich auch Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine und die damit verbundene drastische Erhöhung des Öl und Gaspreises wesentlich zur besseren Einsicht und dem von Birol diagnostizierten rasanten Fortschritt bei der Verbreitung der Photovoltaik  beigetragen – der mörderische Krieg könnte tatsächlich ein ungewollter „Segen für den Planeten“ gewesen sein.

Natürlich störte es mich nicht im geringsten, mich in meiner pessimistischen Annahme hinsichtlich der E-Mobilität geirrt zu haben, sondern ich wäre auch darüber denkbar glücklich. Nur bin ich nach sechzig Jahren journalistischer Beobachtung des Weltgeschehens vorsichtig und warte ab, ob sich Birols Annahmen in den nächsten Jahren auch bestätigen. Noch fällt es mir nämlich schwer mir vorzustellen, dass Inder, Südamerikaner oder gar Afrikaner nicht noch lange viel mehr zusätzliche Mengen fossiler Energie brauchen als Amerikaner, Europäer oder Chinesen dank besserer Einsicht einsparen. Aber ich will es mit größerem Optimismus als bisher für möglich halten, zumal wir durch technologische Unterstützung unterentwickelter Volkswirtschaften erheblich dazu beitragen können.

PS: Die neuerliche Zinsanhebung der EZB wird die durch sie ausgelöste Rezession vertiefen. Die Teuerung (Inflation passt als Bezeichnung schlechter), die schon bisher zurückgegangen ist, wird das weiter um so mehr tun, je mehr Photovoltaik und Windkraft russisches Gas ersetzen.

5 Kommentare

  1. Lieber Herr Lingens, der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist leider nicht mehr zu gewinnen, da in der Arktis und Antarktis eine bereits unumkehrbare Eisschmelze im Gange ist. Eine Grüne Energiewende kann diesen Prozess nicht mehr stoppen, sie kommt jedenfalls zu spät.

    1. Jeder Mensch, jeder Wald, jeder Fluss hat unzählige Abwehrmechanismen um Schadeinträge zu eliminieren und Selbstheilung zu erwirken. Für die Welt ist Co2 so ein Heilmittel, es regt das Planzenwachstum und die Humusbildung an. Dass der Mensch glaubt, durch das künsliche Licht die Dämmerung und die Nacht zu verschieben, zeigt nur auf, dass menschliche Einflüsse eine sehr geringen Wirkungsbereich haben. Es berechtigt uns aber nicht, Kriege mit unendlicher Ressourcenverschwendung zu planen und auszuführen. Weltweite menschliche Klimabeeinflussung gibt es allerdings in Form, von der WEF-Schülerin Angela Merkel, so gepriesenen, Methodik des Geoingenieurings und der magnetischen Resonanzbildung durch die HAARP-antennenwälder. Es können Erdbeben und Sturzfluten künstlich erzeugt werden. Warum berichten zwangsfinanzierte Medien nicht darüber? Wäre doch interessant für viele Menschen und Menschinnen oder sind informierte Personen weniger leicht manipulierbar?

    2. Für wen kommt die Energiewende zu spät? Wenn wir sorgsam mit allen Lebewesen und Ressourcen umgehen, gewinnen wir alle. Angst schürt nur unüberlegtes Handeln und hilft nicht. Die Welt wird den Virus mit dem schönen Namen Homosapiens sicher überleben.

  2. Viele neue PVAs und E Autos, allerdings kaum grundlastfähig. Bis zu 90% der Rohstoffe für die Alternativen kommen aus China. Grossspeicher nicht vorhanden. Die Welt braucht über 100 Mio. Fass Rohöl pro Tag.

  3. Chapeau! PML ist und bleibt einer der ganz wenigen herausragenden Journalisten weltweit. Er vereint Wissen mit Ergebnissen der Recherche, trennt Populismus von Klarheit und hinterfragt immer wieder seine Schlussfolgerungen ohne dabei seine Gesinnung zu leugnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.