Wie SPÖ, NEOS und FPÖ halte ich es für verfehlt, den aktuellen Lockdown selbst über Volksschulen zu verhängen: Wenn man die Kinder zur „Aufbewahrung“ doch dorthin schicken kann, dann kann das schwerlich gefährlicher sein, als sie auch gleich zu unterrichten.
Eine Untersuchung der MedUni Wien hat zwar ergeben, dass Kinder genau so oft Covid-19 haben wie Erwachsene, aber das ist etwas anderes als ihre Fähigkeit, andere Menschen anzustecken. Die Menge der Viren, die sie ausscheiden, der sogenannte Ct-Wert, ist nach allen mir bekannten Studien geringer, und das hat entscheidenden Einfluss auf die Ansteckungsgefahr und damit die Ausbreitung der Seuche.
Ich bin überzeugt, dass Pamela Rendi -Wagner um diesen Unterschied weiß und daher nicht nur aus „Opposition“ gegen den kompletten Schul-Lockdown gestimmt hat.
Rendi -Wagners Forderungen
Generell hat Rendi -Wagner von Beginn an die richtigsten Ratschläge zum Umgang mit dem Virus gegeben. Schon im Frühjahr hat sie darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, das Krankenhaus-Personal im Umgang mit dem Virus bis hin zum richtigen An- und Ausziehen der Schutzkleidung zu schulen- hätte man das in ausreichendem Ausmaß getan, gäbe es jetzt weniger Sorge, dass die Pfleger und Pflegerinnen für die Betreuung von Intensiv-Patienten nicht reichen. Und unmittelbar nachdem bekannt wurde, dass Roche einen Schnelltest entwickelt hat, der in 15 Minuten erlaubt, mit 96 Prozent Sicherheit festzustellen, dass jemand Covid-19 negativ ist, hat sie gefordert, sofort große Mengen dieses Test zu kaufen und zu verwenden- auch darin hätte man ihr sofort folgen sollen und Österreich wahrscheinlich einen zweiten Lockdown erspart.
Die fehlende Größe
Dass sich Rendi-Wagner bei der Abwehr der Pandemie durchwegs rechtzeitig richtig geäußert hat, ist kein Zufall: Schließlich ist sie Epidemiologin und Dozentin für public health. Aktuelle Politiker sind zwar der Überzeugung, absolut jedes Ressort leiten zu können, aber ich bin so altmodisch zu meinen, dass es ein Vorteil ist, wenn zumindest Gesundheitsminister und Finanzminister vom Fach sind. Der Volksschullehrer Rudolf Anschober hat seine Sache als Gesundheitsminister zweifellos erstaunlich gut gemacht- aber Rendi-Wagner wäre ebenso zweifellos geeigneter gewesen.
Wäre in der Politik Sachdenken wichtiger als Parteidenken so hätte Sebastian Kurz Pamela Rendi-Wagner zwar nicht zum Gesundheitsminister seiner türkis-grünen Koalition, wohl aber zur Leiterin jenes Corona-Krisenstabes gemacht, den NEOS-Gründer Matthias Strolz Sonntag „Im Zentrum“ gefordert hat. Mit entsprechender Vollmacht ausgestattet, hätte sie dafür die optimale Qualifikation und die gegenüber der Bevölkerung maximale Autorität besessen. Nebenher hätte ihre Einbindung maximale Zustimmung der Sozialdemokratie zu den beschlossenen Maßnahmen gesichert.
Aber Sebastian Kurz hat Kompetenz, Überparteilichkeit und Größe zu einer solchen Entscheidung gefehlt. Er hätte nie etwas getan, das Pamela Rendi-Wagner zu größerer Popularität verholfen und damit vielleicht der SPÖ geholfen hätte. Das macht den Unterschied zwischen einem begabten Politiker und einem Staatsmann aus.
Er dürfte es damit bezahlen, dass die Österreicher seine Corona- Politik mittlerweile nicht mehr als „gut“ einschätzen.