Unser k&k Beitrag zur Atombombe

Fürs Kino war J. Robert Oppenheimer der “Vater der Atombombe”. In Wirklichkeit war es mit Leó Szilárd, ein ungarischer Jude, der sich als Altösterreicher fühlte.

Das wohl aktuellste Kinoereignis des Sommers, der Thriller “Oppenheimer”, beschreibt die Entwicklung der Atombombe an Hand des Physikers J. Robert Oppenheimer, der einer 1888 in die USA ausgewanderten jüdisch-deutschen Familie entstammte und als amerikanischer Staatsbürger mit der Leitung des “Manhattan Project” betraut war. Dass dieses Projekt, dass Physiker verschiedenster Nation in Los Alamos (New Mexiko) vereinte, überhaupt zustande kam, geht freilich ebenso wie die wissenschaftliche Grundlage der Bombe nicht auf Oppenheimer, sondern auf den ungarischen Juden Leó Szilárd zurück, der sich, mit einer Wienerin verheiratet, zeitlebens als Altösterreicher fühlte. Da der Wiener Physiker Victor Weisskopf, den die Wissenschaftler zum Bürgermeister von Los Alamos gewählt hatten, Szilárds engster Freund war, waren die beiden nach dem Krieg einige Male gemeinsam in Wien, so dass die Chance bestand, sie zu treffen. (Zu begreifen, wen wir nicht mehr zu Bürgern hatten)

Unter Physikern wurde Szilard als “Marsianer” bezeichnet, weil seine Intelligenz  selbst ihnen außerirdisch erschien. Ursprünglich hatte er Elektrotechnik und Biologie studiert, leistete wesentliche Beiträge zur biologischen Forschung und meldete als Ingenieur unter anderem Patente für das Elektronenmikroskop an. Letztlich aber voran der theoretischen Physik zugewandt, war er der erste, der die Idee hatte, die laut Albert Einstein im Atomkern gebundene Energie praktisch zu nutzen. Er war damit “Vater der Atomkraftwerke”, für die er diverse Patente anmeldete, ehe er zum “Vater der Atombombe” wurde. Denn es war seine Überzeugung, dass sich mittels Kettenreaktion eine Waffe von nie da gewesener Sprengkraft entwickeln ließe, die das  “Manhattan-project” politisch ermöglichte: Er war es, der den in der Folge auch von Albert Einstein und andern unterschrieben Brief entwarf, mit dem US-Präsident Franklin D. Roosevelt gedrängt wurde, das Geld für die Entwicklung der Bombe freizugeben, um Hitler-Deutschland zuvor zu kommen. (In Kenntnis seiner deutschen Kollegen war Szilard der falschen Überzeugung, dass auch sie die Bombe entwickeln würden.)

Szilárds Vorstellung vom Einsatz der Bombe war freilich die eines Humanisten: Man sollte sie, wie beim ersten Versuch des Manhattan-Teams, irgendwo in der Wüste zünden, aber die Kriegsgegner einladen, die Folgen der Explosion zu studieren – das würde sie zum Einlenken bewegen. In einer an Roosevelt gerichteten Petition fordert er Vergleichbares vor dem Abwurf der ersten Atombombe auf Japan, aber das Schreiben kam Roosevelt nie zu Gesicht. Wohl aber trug es dazu bei, dass Szilárd in der Ära McCarthy die Berechtigung entzogen wurde, an weiteren kriegswichtigen Projekten mitzuarbeiten, was er letztlich mit Erleichterung quittierte. Ich habe jedenfalls wenige Menschen kennengelernt, die so sehr wie Szilárd auf eine gewaltlose Zukunft hofften und dabei von beinahe naiver Zuversicht waren. Unter anderem schrieb er das Kinderbuch “The Voice Of The Dolphins”, in dem weise Delphine friedliches Regieren lehren.

Während Weisskopf den Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima insofern verteidigte, als sie den Krieg mit Japan sofort beendete, so dass trotz der furchtbaren Folgen der Explosion letztlich viel weniger Menschen starben als bei der langwierigen Fortsetzung des Krieges mit Hitler-Deutschland den Tod gefunden haben, kritisierte ihn Szilárd mit der beschriebenen  Argumentation. Den zweiten Abwurf auf Nagasaki bezeichneten beide Männer als Kriegsverbrechen. Im Übrigen verband humanes Bewusstsein die überwältigende Mehrheit der in Los Alamos Tätigen: Sie waren überzeugt, mit der Bombe einen Beitrag zum Frieden zu leisten, und im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung ist sie das auch: Ohne die Angst vor dem Weltuntergang in einem Atomkrieg hätte es längst den großen, direkten Krieg zwischen den USA und der UdSSR oder zwischen Indien und Pakistan gegeben, und derzeit hält die Angst vor der Bombe den Ukraine-Krieg in Grenzen.

Weisskopf, nach dem Krieg “Head of Physics” des Massachusetts Institute of Technology (MIT), danach erster Chef des europäischen Kernforschungszentrums CERN und Berater Bruno Kreiskys in Fragen der Atomenergie, erklärte mir übrigens wie Szilárd bereits zu Ende der Fünfzigerjahre überzeugend, dass der Klimawandel durch den industriell verursachten Glashauseffekt die größte Herausforderung der Zukunft sei. Beide waren überzeugt, dass die Atomenergie als Brücken-Technologie einen entscheidenden Beitrag dazu leisten würde, sie zu bewältigen. Obwohl eine Leserin darüber erschüttert war, dergleichen im “Falter” zu lesen, teile ich diese Ansicht heute mehr denn je: Seit es möglich ist, Atom-Müll durch Elektronenbeschuss weit kostengünstiger und einfacher als bisher endzulagern, sind die Vorteile “grüner” Atomenergie größer als ihre Risiken. Ganz losgelöst davon, dass Bill Gates Patente für Atom-Kleinkraftwerke angemeldet hat, die diesen Müll unmittelbar für ihren Weiterbetrieb nutzen. Leider kann ich deren Konzeption nicht mehr mit Weisskopf oder Szilárd diskutieren: Szilárd starb 1964 an Krebs, obwohl er seinen Tod durch ein selbst entwickeltes hoch-radioaktives Implantat um Jahre hinauszuzögern vermochte, Weisskopf starb 2002.

PS: Ich will mir nicht vorstellen, was Szilárd und Weisskopf zur jüngsten Entwicklung Israels sagten.

4 Kommentare

  1. Ihr Herausgeber Armin Thurnher, hat sich ebenfalls negativ über dieses nationalistische Verhalten einer österreichischen Hilfsorganisation geäußert. Fragen Sie doch einfach nach! Und verschonen Sie uns in Wochen wie diesen mit großteils historischen Erläuterungen zur A-Bombe. Und: es käme und kommt nicht drauf an, was Szilard und Weisskopf zu Israel sagen, sondern die US-Administration und die jüdische Bevölkerung in den USA und in Israel selbst.

  2. Als Österreicher und Europäer hätte ich eigentlich einen Beitrag von ihnen erwartet, der sich damit auseinandersetzt, dass es im Süden Östereichs und vor allem in Slowenien Tausende Menschen gibt, die durch die Unwetter der vergangenen Woche um ihr gesamtes Hab und Gut gebracht wurden – die haben derzeit sicher kein Interessse an Ihren Ausführungen zum Thema Atombombe. was mich abe rzusätzlich nervt, das ist der Umstand, dass die Aktion “Nachbar in Not” bis dato kein Ohrwaschel gerührt hat, für die Flutopfert in Slowenien, unserem unmittelbaren Nachbarstaat, ein Spendenkonto einzurichten ! Ich halte das nicht für eine ‘Ungehörigkeit’, sondern für eine Schweinerei: man sch,mückt sich bei ‘Nachbar in Not’ gerne mit der Spendenbereitschaft und der Großzügigkeit der Österreicher und -innen, findet es aber nicht für nötig, einem Nachbarn tatsächlich Hilfe zuteil werden zu lassen. Ich habe das ‘schäbig’ genannt und stehe auch dazu: Die Aktion oder die Aktionist*Innen von Nachbar in Not sind schäbige Propagandisten, die sich gern mit Hilfe der von anderen geleisteten Spenden ins Rampenlicht setzen – bei Syrien, der Ukraine, die beide weit weg sind, ist das der Fall, die aber nicht bei unseren slowenischen Nachbarn und Freunden tätig werden wollen!

    Ihr Herausgeber Armin Thurnher, hat sich ebenfalls negativ über dieses nationalistische Verhalten einer österreichischen Hilfsorganisation geäußert. Fragen Sie doch einfach nach! Und verschonen Sie uns mit k&k-Kinkerlitzchen in Wochen wie diesen.

  3. Dazu gibt es sehr gute Literatur, z.B.; “Martians of Science: Five Physicists Who Changed the Twentieth Century”. Edward Teller, John von Neumann, Theodor von Karman, Eugene Wigner, Leo Szilard – “unsere” Helden aus Budapest, alle aus den gleichen Gymnasien und Universitäten hervorgegangen.

  4. Sehr geehrter Herr Lingens,
    vielen Dank für diesen höchst wichtigen und informativen Beitrag!!
    Mit herzlichen Grüßen
    Wilfried Stadler

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