Der einsame Kampf der EZB: Seit einem Jahr trägt QE zu mehr Investitionen bei – aber es wachsen auch die Risiken.
Das in meinem Augen gravierendsten Problem der aktuellen Flüchtlingskrise ist nicht „kultureller Abstand“ sondern „ökonomischer Niedergang“: Die Volkswirtschaften der EU können – Deutschland ausgenommen- Millionen Flüchtlinge in keiner Weise brauchen. Es gibt überall zu viel, statt zu wenig Arbeitskräfte.
Wie stehen die Chancen, dass Europas Wirtschaft 2016 wenigsten soweit wächst, dass die Arbeitslosigkeit nicht noch stärker steigt?
Dass Öl so billig wie nie ist, sollte eigentlich helfen: Selbst in Österreich mit seiner viel zu geringen steuerlichen Entlastung bleibt den Konsumenten deutlich mehr Geld in der Tasche, weil Autofahren und Heizen billiger geworden ist. Die Binnenkonjunktur sollte also überall in der EU einen Schub in vielfacher Milliardenhöhe erhalten. Gleichzeitig verbilligen sich industrielle Produktion und Fracht, so dass Europas starke Industrie theoretisch mehr exportieren können müsste. Nur dass seine Exportmärkte leider schrumpfen: Nicht nur Russland, selbst Saudi Arabien kann wegen des gesunkenen Ölpreises weniger importieren. Und weltweit sinkt er nicht nur wegen des gestiegen Angebotes durch Fracking, sondern wegen der fallenden Nachfrage aus Schwellenländern, voran China.
Ökonomen betrachten den niedrigen Ölpreis daher zu Recht mit höchst gemischten Gefühlen- niemand kann sagen ob für Europas Wirtschaft die positiven oder die negativen Auswirkungen überwiegen.
Ökonomen betrachten den niedrigen Ölpreis zu Recht mit höchst gemischten Gefühlen“
Die EU überlässt die wirtschaftliche Entwicklung der Zeit, der EZB und dem Spar-Pakt. Die Zeit hat zwingende Meriten: Irgendwann haben Länder wie Spanien, Portugal oder selbst Griechenland die ökonomisch Talsohle durchschritten und wachsen wieder- dank der Terror-bedingten Übernahme des gesamten tunesischen, ägyptischen oder marokkanischen Tourismusgeschäftes sogar deutlich. (Für Kollegen, die das dem Spar-Pakt gutschreiben: Spaniens BIP liegt 2015 noch immer unter dem Niveau von 2005).
Motor des zarten Wachstums auch anderswo ist die lockere Geldpolitik der EZB, die Mario Draghi durchwegs gegen den energischen Widerstand Deutschlands, voran des Bundesbank-Chefs Jens Weidemann und Wolfgang Schäubles, exekutiert.
Deren These, dass lockeres Geld zwangsläufig gefährliche Inflation auslösen müsse – hierzulande wurde sie von der Agenda Austria, von Christian Ortner und bis vor kurzem der Wirtschaftsredaktion der „Presse“ geteilt – ist angesichts der aktuellen Deflation beim besten Willen schwer zu halten: Nikolaus Jilch trug sie daher in seinem jüngsten Presse-Leitartikel verdienstvoll zu Grabe.
Sie beruhte m.E. auf einer falschen Theorie der Inflation: Mehr umlaufendes Geld löst dann kritische Preissteigerungen aus, wenn sich das Güterangebot nicht beliebig vermehren lässt. (Wie etwa im wirtschaftlich kaputten Deutschland nach dem 1.Weltkrieg) Bei intakter Wirtschaft müssen die Verkäufer einender hingegen weiterhin preislich unterbieten, wenn sie Geschäftsabschlüsse tätigen wollen. Schon gar in einer Nachfragekrise, wie wir sie haben.
Nun mussten sie das Geld, das die EZB ihnen durch Anleihe- Ankäufe in die Hand drückte, als Kredite weiterverleihen, wenn sie nicht ständig Geld verlieren wollten.
Noch dazu kam anfangs kaum mehr Geld in Umlauf: Die EZB bot den Banken zwar die Möglichkeit, es reichlicher und billiger anzubieten, aber die machten davon kaum gebrauch – sie vergaben Kredite weiter nur zögerlich.
Das änderte sich noch nicht einmal mit „Quantitative Easing“: Dass die EZB den Banken Anleihen abkaufte, drückte ihnen zwar mehr Geld in die Hand, aber sie gaben davon weiterhin nur einen Bruchteil als Kredite an Produzenten und Konsumenten weiter und parkten den Rest bei der EZB.
Damit war erst Schluss, als die EZB den Banken ab 2015 für dieses Parken „Strafzahlungen“ – negative Zinsen- verrechnete: Nun mussten sie das Geld, das die EZB ihnen durch Anleihe- Ankäufe in die Hand drückte, als Kredite weiterverleihen, wenn sie nicht ständig Geld verlieren wollten.
Tatsächlich hat das die Vergabe von Krediten angekurbelt und ist Basis des leisen Aufschwunges.
Jilch hat, wie ich, die gleichzeitigen Risiken dieser Geldpolitik, nie übersehen: Dort wo Geld tatsächlich vermehrt in Umlauf gebracht wird und auf eine nicht beliebig vermehrbare Gütermenge trifft, müssen die Preise tatsächlich steigen. So geschehen bei City-Baugrund, Aktien oder „Kunst“ wo sich kritische Blasen bilden können. Draghi glaubt, dieses Risiko unter Kontrolle zu haben, indem er, wenn es einzutreten drohte, die Banken zwänge Kredite für Immobilien- und Aktienkäufe mit mehr Eigenkapital zu unterlegen.
Bisher gibt es in der EU noch keine „Aktienblase“: Die Kursgewinnverhältnisse blieben im Rahmen. in den USA bin ich dessen nicht ganz so sicher. Dass Georg Soros soeben gegen den US-Aktienmarkt wettet, muss nachdenklich machen. Nicht zuletzt besteht das Risiko, dass Anleger wie seinerzeit in „Derivate“ sorglos in neue, unbekannte Finanzinstrumente investiert haben, deren Qualität und Menge niemand kennt. Probleme dort können QE-Kritikern jederzeit doch noch Recht geben.
Ich befürworte es daher unverändert nur mit Bauchweh – um wie viel solider wäre es, auf den Spar-Pakt zu verzichten und den Staat wieder mehr investieren zu lassen.