Wie man ein Land „absandelt“

Die wirtschaftliche Entwicklung der er Ära Faymann in nüchternen Zahlen statt in Worten gemessen.


Der Rücktritt Werner Faymanns veranlasste den ORF zu dem sorgenvollen Hinweis, dass Österreich in diversen Wirtschaftsrankings zurückgefallen sei, dass seine Wachstumsrate zu den niedrigsten der EU zähle und dass seine Arbeitslosenrate gestiegen sei, während sie EU-weit falle.

Ich will versuchen, diese Kritik an Zahlen zu messen.

Wichtigstes Kriterium für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist ihr reales BIP pro Kopf: Es ist in Österreich mit 36.608 € auch 2016 das höchste der EU nach den Steueroasen Luxemburg und Irland und dem Steuer-Schlupfloch Holland und vor Deutschland mit 35.327€.

Die OECD kommentiert diese Spitzenstellung wie folgt: „Vergleicht man die Situation 2013 mit der von 2003 (das entspricht dem Großteil der Ära Faymann) so liegen Luxemburg, Deutschland und Österreich noch weiter oberhalb des Durchschnitts der EU-28.“

Diese gute Performance wird durch folgende Daten erhärtet:

Der Investitionsanteil des BIP liegt in Österreich bei 22,5 Prozent, in Deutschland bei 20, im Schnitt der EU bei 19,5 Prozent des BIP. Auch bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegt Österreich mit 2,99 Prozent des BIP vor Deutschland mit 2,87 und wird nur von Dänemark, Schweden und Finnland (3,17 Prozent) knapp überboten.

Den Wehklagen der Industrie hat der Ökonom der Arbeiterkammer Markus Marterbauer schon in der ZIB 2 entgegengehalten, dass Österreichs Industrie zwischen 2010 und 2016 stärker als die deutsche gewachsen ist.

Über die gesamten zehn Jahre der Ära Faymann ist Österreichs Wirtschaft wie die deutsche jährlich um 1,3 Prozent gewachsen – gegenüber 0,7 Prozent der Eurozone.

Damit zu der vom ORF monierten Arbeitslosigkeit: Sie ist innerhalb der EU nur in Deutschland geringer. Aber nicht, weil Deutschland sich wirtschaftlich soviel besser entwickelt hätte: Setzt man die Beschäftigung des Jahres 2008 (vor Einsetzen der Finanzkrise) mit 100 an, so ist sie in Österreich seit 2001 von 95 Prozent auf heute 108,1 Prozent, in Deutschland von 99,1 auf 108,5 Prozent gestiegen. Dass Österreich dennoch mehr Arbeitslose ausweist, liegt daran, dass seine Bevölkerung bis 2016 durch mehr Arbeitsmigration (u.a. aus Deutschland) und mehr Flüchtlinge stärker als die deutsche gewachsen ist. Dass die Arbeitslosigkeit EU-weit falle, ist eine manipulative Behauptung: Der minimale Rückgang rührt vor allem davon her, dass der starke Rückgang in Deutschland den Durchschnitt senkt.

Dass Österreichs Wirtschaftswachstum derzeit innerhalb der EU ein besonders niedriges ist, hängt zwar sicher damit zusammen, dass Hans Jörg Schellings Steuerreform zu zaghaft und zu spät gekommen ist, hat aber auch selbstverständliche Gründe: Natürlich wachsen die Ex-Ostblock-Staaten von ihrer niedrigen Ausgangsbasis her weit stärker. Aber auch die Staaten, die einen besonders dramatischen Wachstumseinbruch erlitten haben, wie Irland, Spanien oder Griechenland, wachsen nach Erreichen der Talsohle natürlich stärker als Österreich, das die Finanzkrise unter allen Staaten der EU am besten- mit der bis 2012 geringsten Wachstumseinbuße und dem bis dahin geringsten Schuldenzuwachs- überwunden hat.

Über die gesamten zehn Jahre der Ära Faymann ist Österreichs Wirtschaft wie die deutsche jährlich um 1,3 Prozent gewachsen – gegenüber 0,7 Prozent der Eurozone.

Dass Faymanns „große Koalition“ dennoch eine derart schlechte Nachrede hat, hat unterschiedlichste Gründe:

O Weil sie in einem besonders wichtigen Bereich, der vom Bürger leichter zu durchschauen ist- der Bildungspolitik – und beim Management des Einmal-Ereignisses Hypo Alpe Adria katastrophal versagt hat.

O Weil alles, was ihr gelungen ist, allenfalls tüchtigen Unternehmen, nicht aber der Regierung und den Sozialpartnern gutgeschrieben wurde – obwohl es ohne deren Beitrag nicht gelungen wäre.

Worüber dort kaum geredet wird, ist das eigentliche Problem: Dass durch das deutsche Lohndumping eine im Verhältnis zum gehorteten Kapital viel zu geringe Nachfrage geschaffen wurde.

O Weil die ÖVP sich nicht als Regierung, sondern als Opposition geriert: Niemand geißelt die Wirtschaftspolitik so heftig wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph – „abgesandelt“ –Leitl. Das ist insofern amüsant, als sie in erster Linie von ihm selbst und vom schwarzen Finanz- und Wirtschaftsminister in Zusammenarbeit mit dem Sozialminister und dem ÖGB gemacht wurde – Faymann hatte als Kanzler kaum Wirtschaftskompetenzen.

O Weil ein hohes BIP nichts darüber aussagt, wie es der Mehrheit der Bevölkerung geht: Sie hat von Jahr zu Jahr Kaufkraftverluste erlitten, die für Geringverdiener Existenz bedrohend sind.

O Weil Österreicher ihr Land generell entweder sinnlos über- oder ebenso sinnlos unterschätzen.

Nicht zuletzt, weil Wirtschaftsmedien noch so lächerliche „Rankings“ – etwa des „Weltwirtschaftsforums“ – ernst nehmen, obwohl dort neoliberale gesinnte Top-Manager und Ökonomen die Länder im Wesentlichen danach reihen, ob Unternehmenssteuern und Sozialleistungen auch niedrig genug sind.

Worüber dort kaum geredet wird, ist das eigentliche Problem: Dass durch das deutsche Lohndumping eine im Verhältnis zum gehorteten Kapital viel zu geringe Nachfrage geschaffen wurde und dass Deutschland dieses Problem durch seinen Spar-Pakt maximal verschärft.

Ein Kommentar

  1. Stimme mit ihren Ausführungen überein, auch betreff Bildungspolitik, was die politischen Ausrichtungen betrifft. Inhaltlich jedoch gehen der Großteil der Begründungen für die gemeinsame Schule bis 14 ins Leere wenn man weiß, dass nur 20 % der Oberstufenschüler eine AHS-Matura besuchen (davon ein großer Anteil an BORGs von der HS oder NMS kommend). 80 % nehmen den Weg über die Berufsbildung, was zeigt, dass die soziale Durchlässigkeit gegeben ist. Die 80 % ergeben sich wie folgt: 30% Berufsschule, 50 % BMHS und 20 % AHS. D.h. 80 % der 15 bis 19-Jährigen besitzen nach Beendigung der Schule eine abgeschlossene Berufsausbildung. Zudem ist der Anteil der Maturanten an BHS höher als jener der AHS. Wo ist das Problem? (Ihr Einwand: Leseschwächen, Leseverständnis, etc. Dazu: hier hat die Regierung gemeinsam die richtigen Schienen gelegt)

    fragt mit freundlichen Grüßen
    Jürgen Rainer

    Das neue internationale Wettbewerbsranking des Schweizer Instituts für Management-Entwicklung (IMD) stellt, wie die Zeitschrift Trend zu berichten weiß, Österreich kein besonders gutes Zeugnis aus.“ Das Land hat sich zwar gegenüber dem Vorjahr um zwei Plätze auf Rang 24 verbessert, liegt bei harten Kriterien wie Besteuerung oder Reformen aber abgeschlagen zurück. Zufrieden darf man mit der Platzierung nicht sein, denn 2007 lag Österreich noch auf dem elften Platz. Insgesamt werden vom IMD jährlich 61 Staaten unter die Lupe genommen.“
    „Die Details haben es jedoch in sich. In einigen Einzelbewertungen, darunter in einigen wirtschaftlich sehr relevanten, liegt Österreich weit zurück. Beim Punkt „effektive Einkommensbesteuerung“ sogar auf dem letzten Platz. Beim „Bedarf nach wirtschaftlichen und sozialen Reformen“ liegt Österreich auf Rang 60, ist also vorletzter im Standort-Ranking. Keiner (0 Prozent) nannte Regierungskompetenz als eine Stärke Österreichs.
    Dass sich Österreich bei diesen miesen Daten überhaupt verbessern konnte liegt an den Top-Platzierungen bei den Soft Facts. Also Aspekten wie Lebensqualität (2), Gesundheits-Infrastruktur (3), Berufsausbildung (3), sozialer Verantwortung (3), Motivation der Arbeiter (4), aber auch Gesundheit- und Umwelt (je 5).
    Fast 92 Prozent der befragten Manager nannten die qualifizierten Arbeitskräfte als Pluspunkt in Österreich.“

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