Nicht alles ist trump

Versuch eines differenzierten Urteils über die ersten drei Wochen des Wut-Präsidenten.

Der erste „Check“ verläuft stürmisch: Donald Trump nannte den Richter, der seinen Einreise-Bann gegenüber islamischen Ländern als verfassungswidrig außer Kraft setzte, einen „sogenannten Richter“, sein Urteil „lächerlich“; ein Bundesgericht verwarf den Einspruch des Justizministeriums, dessen Leiterin Trump zuvor abgesetzt hatte; Trumps Kandidat für den Supreme Court, der das Letzturteil fällen wird, nannte Trumps Verhalten gegenüber der Justiz „demoralisierend und entmutigend“.

Das zumindest ist ermutigend.

Trump wütet freilich auch dort, wo Gerichte keine Macht haben: Obamacare ist gekillt. Der dekretierte Rückbau von Barack Obamas Bankenregulierung kann den nächsten Finanzcrash heraufbeschwören. Man kann nur hoffen, dass der Finanzminister – ein Goldman-Sachs-Banker – keinen Kahlschlag verfügt. Zumindest in der Außenpolitik wurde nicht kahlgeschlagen: Die USA stehen „unerschütterlich“ zur NATO; sie sehen weitere israelische Siedlungen als „nicht hilfreich“ an; Sanktionen gegen „Russlands Aggression“ in der Ukraine bleiben aufrecht; der Iran-Deal ist vorerst nicht abgesagt.

Freihandel lehnt Trump ab – wie die Mehrheit der Deutschen. Dennoch verblüfft (entsetzt) sie, dass er 35 Prozent Steuer auf deutsche Waren, voran Autos, androht. Meine Verblüffung hält sich in Grenzen: Seit Gerhard Schröder jagt Deutschland allen anderen Volkswirtschaften Marktanteile ab, indem es seine Löhne nicht mehr im Ausmaß seiner Produktivitätszuwächse erhöht. Voran die Mitglieder der Eurozone können sich nicht wehren, weil ihnen das probateste Gegenmittel (die Abwertung der eigenen = Aufwertung der deutschen Währung) durch den gemeinsamen Euro versperrt ist. Hilflos müssen sie zusehen, wie ihnen die Arbeitsplätze verloren gehen, die Deutschland – zu Lasten der Realeinkommen breiter Schichten – hinzugewinnt.

Jetzt hat es das Pech, mit dieser Politik auf einen Kontrahenten zu stoßen, der sich wehren kann: die USA.

Trump will das US-Außenhandelsdefizit von 805 Milliarden Dollar nicht weiter hinnehmen. Und eines der größten Ungleichgewichte besteht gegenüber Deutschland, das um 60 Milliarden mehr in die USA exportiert als von dort importiert.

„Freihandel ist keine Einbahnstraße“, formulierte Trump eine in der Nationalökonomie unbestrittene Anforderung an freien globalen Handel. „Es muss ein kluger Handel sein, damit ich ihn fair nenne.“ Und es ist nicht fair, wenn Deutschland die Konkurrenzfähigkeit seiner Waren nicht nur zulässig durch deren ingeniöse Qualität, sondern auch unzulässig durch Lohndumping erhöht. Gegenüber den USA ergibt sich daraus ein Währungsproblem: Agierte Deutschland noch in der D-Mark, so hätte die längst zweistellig aufgewertet, und deutsche Autos wären für Amerikaner weit teurer als US-Autos – im Euro bleiben sie günstig.

Deutschland stößt auf einen Kontrahenten der sich wehren kann: die USA.

Selbst China agiert den USA gegenüber einsichtiger: Um deren Drängen auf Aufwertung des Yuan zu begegnen, hat es sein Lohnniveau massiv erhöht. Dennoch hat Obama 2009 eine Einfuhrsteuer von 35 Prozent auf chinesische Autoreifen verhängt, und die EU plant 200 Prozent Zoll auf chinesischen Stahl, um Europas Stahlindustrie zu schützen.

Es ist nicht abwegig, dass Trump die Industrie seines Landes nicht nur vor Chinas, sondern auch Deutschlands Dumping schützen will.

Angela Merkel hat behauptet, dass seine Einfuhrsteuern dem World-Trade-Abkommen widersprächen. Das Gegenteil ist der Fall: „Jede Vertragspartei“, so heißt es dort in Paragraf 12, „kann, um ihre Zahlungsbilanz zu sichern, die Menge der Importe begrenzen.“ Und weiter: „Die Vertragsparteien verpflichten sich, bei der Ausübung ihrer innerstaatlichen Politik das Gleichgewicht ihrer Zahlungsbilanz dauerhaft zu sichern.“

Grundbedingung einer dauerhaften Sicherung von Zahlungsbilanz- Gleichgewichten ist ein der Produktivität angemessenes Lohnniveau der beteiligten Volkswirtschaften: Die Löhne müssen im Ausmaß der Produktivitätszuwächse steigen. Nur dann sind Preise vergleichbar gestaltet, und nur so sichert jede Volkswirtschaft jeder anderen die gleichen Absatzchancen zu.

Weil voran Lohnsteigerungen die Inflation bedingen, hat die EU daher ein Inflationsziel von zwei Prozent vereinbart.

Es ist Deutschland, das seit Jahren gegen diese Grundbedingung verstößt, indem es seine Waren durch Lohn­dumping verbilligt und den Verkauf ausländischer Waren in Deutschland durch sein vermindertes Lohnniveau erschwert.

Professor Clemens Fuest von der Universität München hat prognostiziert, was es für Deutschland bedeutete, wenn Trump seine Drohung wahr macht: Eine Million deutscher Arbeitsplätze ist gefährdet. Dass der „Exportweltmeister“ sich erfolgreich wehren könnte, indem es seinerseits Strafzölle gegen Importe aus den USA verhängt, ist eine Illusion – denn er importiert eben viel weniger US-Waren.

Daher ist folgender Ausgang des Matchs wahrscheinlich: Nach Toyota, Ford und Fiat versprechen auch Daimler, BMW und VW den USA Arbeitsplätze. Unverändert wird nur die Eurozone unter Deutschlands Lohndumping leiden – wenn nicht zerbrechen.

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