Österreich gab den letzten Anstoß. Die Breite des Flüchtlingsstroms erzwingt die Kapitulation der „Gutwilligen“.
Vor drei Monaten noch Undenkbares ist zur realen Möglichkeit geworden: das völlige Scheitern Angela Merkels. Nicht nur die CSU droht unverändert mit einer Verfassungsklage gegen ihre Flüchtlingspolitik – auch ihr Rückhalt in der CDU ist eingebrochen. Angeblich kursiert bereits ein „Plan B“: Wenn die Flüchtlinge nicht demnächst weniger werden, würde man Wolfgang Schäuble zum Kanzler machen, und der würde die Grenzen schließen.
Selbst Koalitionspartner SPD, bisher Merkels Airbag, hat sich schon gedreht: SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert ultimativ ein Ende des Flüchtlingsstroms. Nicht einmal die Grünen wollen noch „Willkommenskultur“ – nur die „Linke“ beharrt darauf, dass es beim Asyl keine Obergrenze geben könne.
Indem Österreich sie de facto einführte, ist Merkel restlos isoliert, wenn sie nicht nachzieht. De facto wird sie nachziehen: Vorerst wird Deutschland seine Grenze zwar nicht „schließen“, aber dicht genug machen, dass nur eine begrenzte Zahl an Flüchtlingen durchkommt. Das hat Österreich beim „Asylgipfel“ nur vorweggenommen, indem es beschloss, bloß noch 37.500 Flüchtlinge aufzunehmen.
Die Staaten entlang der Balkanroute werden im Dominoeffekt folgen. Bis hin nach Griechenland, dem gar nichts andres übrig bleibt, als seine Grenze von nun an mit Zähnen und Klauen zu verriegeln, obwohl das an einer Küste nur zu erreichen sein wird, indem viel mehr Menschen ertrinken.
De facto passiert damit alles, was Angela Merkel auf keinen Fall wollte.
Ich habe die Lage nie so falsch eingeschätzt wie vor drei Monaten, als ich von einem deutschen „Jahrhundert-Märchen“ schrieb: Wie wunderbar es doch sei, dass das Land, das noch vor 75 Jahren panische Flucht auslöste, heute zum Sehnsuchtsziel von Flüchtlingen geworden ist. Aber Märchen sind leider Märchen: Deutschland hat sich, wie Österreich oder Schweden, bis jetzt besser als die meisten Staaten verhalten – doch ab jetzt wird Europa zur Festung.
Es gibt Leute, die behaupten, dass das nicht funktionieren würde: Menschen, die vor Bomben fliehen, würden sich von Grenzen nicht aufhalten lassen. Aber die meisten Staatschefs sehen das pragmatisch: Es ist ihnen den Versuch jedenfalls wert. Das „Jahrhundert-Märchen“ scheitert nicht an den äußeren Bedingungen: Deutschlands arbeitfähige Bevölkerung schrumpft bis 2030 um neun Millionen. Es gibt zwölf Milliarden Budgetüberschuss, und im Gegensatz zu Österreich Arbeitskräftemangel statt Arbeitslosigkeit. Selbst wenn 1,5 Millionen Flüchtlinge tatsächlich Asyl erhielten, wären das nur 1,8 Prozent der aktuellen Bevölkerung.
Christian Konrad, Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, hat unverändert recht, wenn er es „unsere verdammte Pflicht“ nennt, Flüchtlinge aufzunehmen. Aber der praktizierende Katholik Konrad übersieht, dass praktizierende Christen – schon gar in christlich-sozialen Parteien – rar sind: Beim super-katholischen Andreas Khol endet die christliche „Nächstenliebe“ bekanntlich mittlerweile exakt wie bei Heinz-Christian Strache „bei die eigenen Leut“. Bei der CSU schon viel früher.
Die Einführung einer ‘Obergrenze‘ ist entgegen CSU- und ÖVP-Sicht rechtlich nicht zulässig. (…)
Das gilt es zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn man privat weiter anders handelt: Konrad, indem er Wohnraum auftreibt – ich, indem ich ihn zur Verfügung stelle.
Aber das ist ein Minderheitenprogramm – auch wenn „Zivilgesellschaft“ nach mehr klingt. Dieses Minderheitenprogramm trotz der Breite des Flüchtlingsstroms der Mehrheit aufdrängen zu wollen, führte nur zum Gegenteil: Flüchtlingen schlüge dann nur mehr Feindschaft entgegen; AfD und CSU würden stärkste Kraft in Deutschland; die FPÖ gewänne nicht nur die nächsten Wahlen, sondern Stammhirn und Bauch fast aller.
Deshalb blieb nichts übrig, als den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Da das durch eine Stärkung der EU-Außengrenzen vorerst nicht gelingt, muss es auf allen anderen rechtlich zulässigen Wegen geschehen.
Die Einführung einer „Obergrenze“ ist entgegen CSU- und ÖVP-Sicht rechtlich nicht zulässig: Die Genfer Konvention gesteht jedem Menschen das Recht auf Asyl zu, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt – der wegen seiner Rasse, Religion, politischen Einstellung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe verfolgt wird.
Aber wirtschaftliche Not zählt nicht unter diese Voraussetzungen – und selbst Krieg zählt nicht dazu: Afghanen oder Syrer werden in ihrer Heimat nicht aus den aufgezählten Asyl-Gründen zu Tode gebombt – nur Jesiden oder Christen im sogenannten „Islamischen Staat“ sind jenseits jedes Zweifels asylberechtigt.
Das Eindämmen des Flüchtlingsstroms ist also – ohne Verletzung der Genfer Konvention – in weit höherem Maße rechtlich möglich, als die Bevölkerung annimmt. Hoffentlich macht Österreich davon auf die relativ humanste Weise Gebrauch: indem wir Syrern und Afghanen weiterhin Asyl gewähren und so tun, als wären Marokko, Algerien oder Pakistan sichere Herkunftsländer.
Österreich muss sich nach außen hin weniger flüchtlingsfreundlich geben – um nach innen hin ein Land zu bleiben, das weiter so mit Flüchtlingen umgeht, wie das die „Zivilgesellschaft“ bisher getan hat.