Die EU folgt Kurz auf allen Wegen

Jetzt ist auch die „Sperre der Mittelmeer-Route“ offizielle EU-Politik.

Sebastian Kurz denkt voraus – die EU folgt ihm nach einer Nachdenkpause.

Er war der erste, der die „Sperre der Balkanroute“ propagierte und auch tatkräftig dazu beitrug, sie zu verwirklichen. Heute ist sie selbstverständlicher, unbestrittener Teil der EU-Politik. (Nebenher hat  er damit Angela Merkels politisches Überleben gesichert und den Grundstein zu seinem Wahlsieg am 15. Oktober gelegt.)

Er war der Erste, der den Abbruch der Beitrittsgespräche mit der EU-forderte. Mittlerweile ist Angela Merkel, trotz Flüchtlingspaktes mit der Türkei auf seine Linie eingeschwenkt und die EU wird folgen.

Und er war der erste, der die Schließung der Mittelmeer-Route forderte, die seit dieser Woche offizielle Politik der EU ist, obwohl Christian Kern sie als „Vollholler“ bezeichnet hat.

Jedes Mal – darauf verwies Kurz in seinen Fernsehauftritten zurecht- schlugen ihm primär Zweifel, Ablehnung, ja Empörung entgegen. Jedes Mal erwiesen sich seine Argumente als stärker. Sein Grund-Gedankengang – ich wiederhohle mich an dieser Stelle – ist richtig: Solange ein bestimmter Weg Menschen mit einiger Wahrscheinlichkeit aus ihrer Not in die EU führt, wird er beschritten. Diesen Weg so weit wie möglich zu versperren und diese Sperre vor allem laut zu verkünden, führt zwar immer für einige Zeit zu „grausamen Bildern“(Kurz), aber es spricht sich herum und bremst den Flüchtlingsstrom damit wesentlich ein. Das Argument aller Kritiker, voran diverser NGOs, dass er unmöglich gestoppt werden kann, ist zwar immer richtig – aber schon die Verringerung ist ein quantitativer Unterschied von qualitativer Bedeutung.

Was Kurz-kritische Beobachter prüfen sollen, ist, wie energisch er sich in Zukunft für energische Hilfe vor Ort stark macht.“

Kurz Überlegung ist auch nicht „menschenverachtend“ auch wenn seine Wortwahl Empathie vermissen lässt. Man tut notleidenden Ländern Afrikas (wie etwa Nigeria) nichts Gutes, wenn die initiativsten, wirtschaftlich erfolgreichsten, meist am besten ausgebildeten jungen Leute sie verlassen. Und die EU würde durch den Populismus, den fortgesetzte ungeregelte Zuwanderung aus diesen Ländern provozierte, endgültig gesprengt.

Was Kurz-kritische Beobachter prüfen sollen, ist, wie energisch er sich in Zukunft für energische Hilfe vor Ort stark macht. In Worten hat er auch sie immer gefordert, aber eine persönliche Initiative, wie er sie bei der Balkan-Route unternommen hat, hat er noch nicht gesetzt.

Freilich auch noch niemand anderer.

Ich halte jedenfalls wenig davon, ihn vorauseilend der „Menschenverachtung“ zu zeihen – sie ist aus keiner seiner Äußerungen abzulesen. Und ich halte auch, wie Hans Rauscher im Standard, für unangemessen, ihn als „Neofeschist“ aufs Falter-Titelblatt zu rücken. Denn „Feschist“ war zwar in Bezug auf Jörg Haider ein geniales Wortspiel und in Verbindung mit seinem Neoliberalismus ist es das auch in Bezug auf Kurz aber es geht zu weit am Ziel vorbei: Man mag manche Kurz -Äusserungen populistisch, seine Inszenierung und innerparteiliche Verehrung übertrieben finden, aber mit Faschismus hat das alles noch sehr, sehr lange nichts zu tun.

Dass jemand sich in seiner Partei das Recht gesichert hat, das Personal auszuwählen und die Linie vorzugeben, so lange er sie führt, ist nicht faschistoid sondern zielführend: Keine Zeitungsredaktion funktioniert anders.

Ich habe Kurz` geplante Wirtschaftspolitik im Falter heftig kritisiert, weil ich sie für verfehlt- nicht für unanständig- halte, und ich werde die Problematik seiner Koalition mit der FPÖ aufzeigen – ihn auch nur satirisch in die Nähe des Faschismus zu rücken, verniedlicht diese Epoche.

P.S.: Ein Kulturtipp: Falls Sie den Film „Mein Fleisch und Blut“ nicht auf ORF1 gesehen haben, schauen Sie in sich dringend im Kino an: Ein grandioser Psycho-Thriller, der einmal mehr beweist, wie kraftvoll sich der österreichische Film entwickelt hat.

Denn „Mein Fleisch und Blut“ ist der erste Film von Michael Ramsauer, der als Regisseur und Autor gleichermaßen überzeugt. Wie in jedem sehr guten Krimi entwickelt sich seine Story langsam: Ein erfolgreicher Foto-Journalist lebt mit seiner hübschen Frau in einem Haus mit sonnigem Garten und Pool am Stadtrand. Einen Schatten auf die Beziehung wirft nur die Entwicklungsstörung des einzigen Kindes, eines kleinen Buben mit panischer Angst vor Wasser. Als im Nachbarhaus eine junge Frau auftaucht scheint auch das eine gute Wendung zu nehmen: Der kleine Tobias freundet sich mit ihr an und ist erstmals bereit, die Beine im Schwimmbad baumeln zu lassen. In Wirklichkeit ist es eine Wende zum Schrecklichen, das sich galoppierend steigert. Anfangs Unwahrscheinliches, aber nie Unglaubwürdiges fügt sich am Ende kriminalistisch so logisch wie psychiatrisch stimmig zu einem gespenstischen Verbrechen zusammen. Man folgt der glänzend geführten Kamera mit ständig gesteigerter Spannung.

Die Täter erregen wie in großen Dramen Abscheu und Mitleid zugleich.

Gespielt wird durchwegs grandios: Andreas Kiendl ist als gestresster Journalist, verlegen zärtlicher Vater und mutiger Beschützer seiner Familie gleichermaßen glaubwürdig. Ursula Strauss zeichnet, wie so oft gekonnt eine Frau, auf deren scheinbarem Glück ein Schatten liegt. Nikolai Kinkosch spielt den entwicklungsgestörten kleinen Buben wie ein Großer. Und eine Entdeckung ist Lilli Epply als erotisch anziehende, abstoßende „Borderlinerin“- besser kann man diese psychische Erkrankung nicht wiedergeben.

Ein Film, der internationale Preise gewinnen müsste, sofern sich die Jurys nicht bloß am Namen des Regisseurs orientieren.

 

3 Kommentare

  1. Kurzens „Vordenker“ war ein gewisser HC-Strache. Das sollte man – der Fairness halber – nicht unerwähnt lassen. Egal, wie man zu dem Blauen steht …

  2. Der unüberlegte „Vollholler“- Sager vom Christian Kern ist auch ein Mosaikstein seines krachenden Bauchflecks.

    Und zwar zu recht!

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