Die (kühle) schwarz-blaue Zukunft 2

Sachlich ist sie logisch, innerparteilich ist sie wahrscheinlich, wirtschaftlich wird sie neoliberal sein. Zweifellos entspricht sie dem Willen einer Wähler-Mehrheit. Politisch lässt sie mich frösteln aber hoffentlich nicht frieren.

Der Wähler hat einmal mehr nicht bestimmt, welche Regierung er bekommt. Da die SPÖ entgegen meiner Erwartung hauchdünn auf Platz 2 geblieben ist, ist nach wie vor alles möglich – auch die von mir zu Unrecht für nahezu ausgeschlossen gehaltene SP-FP- Koalition mit Hans Peter Doskozil als Kanzler.

Wenn er der FPÖ die Hälfte aller Ministerien, darunter das Finanzministerium, anbietet, bleibt denkbar, dass H.C. Strache ihn erhört. Denn der FP-Obmann hat zweifellos in Erinnerung, wie seine Partei als personell schwächere von zwei Rechts-Parteien in der Koalition mit der ÖVP Wolfgang Schüssels von 30 auf 10 Prozent Zustimmung abgestürzt ist.

Dieses Risiko ist zweifellos weit geringer, wenn sie den „bürgerlichen“ Part in einer SP-geführten Regierung übernähme. Denn nur durch sie wären „bürgerliche“ Wähler dann vertreten.

Auch die Selbstbehauptung fiele Strache gegenüber Doskozil wohl leichter als gegenüber Sebastian Kurz.

Aus freiheitlicher Sicht spricht gegen diese Lösung eigentlich nur, dass Strache sie ausgeschlossen hat: „Wir werden Kern als zweiten nicht zum ersten machen.“

Aber erstens ginge es nicht um Kern sondern um Doskozil und zweitens haben FP-Wähler schon ganz andere Schwenks akzeptiert. Ich glaube kaum, dass sie revoltierten wenn Strache erklärte: „Die ÖVP hat in ihrem Siegestaumel gemeint, wir würden uns mit der Rolle des Steigbügelhalters für Herrn Kurz begnügen. Aber wir sind angetreten um freiheitliche Zielen zu verwirklichen und das akzeptiert nur die SPÖ. Hans Peter Dokozil ist ein perfekter Kanzler.“

Wenn ich diese SP-FP Variante von ihrer Wahrscheinlichkeit her dennoch hinter die VP-FP-Variante reihe, dann weil ich glaube, dass die Stimmung an der roten „Basis“, unter den kleineren SP-Funktionären, eher der Aussage Christian Kerns in den „Sommergesprächen „entspricht: „Entweder ich führe die SPÖ zum Sieg oder in die Opposition.“

Wenige Tage später hat er diese Aussage zwar auf Zuruf Hans Niessl revidiert, aber sie entspricht zweifellos weiterhin seiner Überzeugung. Und trotz der roten Niederlage ist Kern in der SPÖ nicht out. Immerhin hat er ein Plus vor ihr Ergebnis gezaubert, während Niessl im Burgenland ernüchternd abgeschnitten hat: Nur die FP ist stärker, seine SP schwächer geworden.

Zumindest nachdenklicheren Genossen dürfte zudem klar sein, dass die SPÖ ohne Kern noch schlechter abgeschnitten hätte: Der Vorsprung aus der „Schließung der Balkanroute“ war von niemandem aufzuholen.

So haben sich nicht nur Wiens scheidender Michael Häupl sondern auch Niederösterreichs Hans Schnabl und selbst Niessl noch am Wahlabend für Kerns Verbleib an der Parteispitze ausgesprochen.

Schon deshalb halte ich auch die von Strache immer wieder heraufbeschworene Vorstellung, dass Doskozil die SPÖ übernehmen und in eine neuerliche schwarz-rote Koalition führen könnte für so gut wie ausgeschlossen. Zu deutlich hat Kurz zudem erklärt, dass in ihr „nichts mehr gegangen“ ist. Kurz´ ganzer Nimbus des „neuen Regierens“ wäre dahin, wenn er sie erneuerte – er könnte es den eigenen Leuten nicht erklären. Der Applaus in den sie ausbrachen, als es schien, dass die FPÖ sogar die SPÖ überholt hätte, spricht diesbezüglich Bände: Sie wollen schwarz-blau.

Und so wenig ich sie mag, muss ich doch zugestehen, dass es die Koalition ist, die auch Österreichs Wähler am ehesten wollten. Sie haben zum Zeitpunkt der Abstimmung mit ihr gerechnet. Und sie haben aus den zahllosen TV-Konfrontationen gewusst, wie sehr diese beiden Parteien nicht nur in der Flüchtlingsfrage sondern auch wirtschafts- und bildungspolitisch übereinstimmen.

Es wäre sachpolitisch wiedersinnig, wenn sie nicht koalierten.

Und so wenig es mir gefällt muss ich es auch demokratiepolitisch bejahen: Zwei Parteien mit fast deckungsgleichem Programm, die eine deutliche Mehrheit erringen konnten, sollen selbstverständlich die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen zu verwirklichen

Durch Jahre haben CDU/CSU und FDP in Deutschland vorgeführt, dass das meist erfolgreicher als die Zusammenarbeit politisch sehr verschiedener Parteien abläuft. Zudem schafft es dem Wähler die Möglichkeit, sich ein eindeutiges Bild zu machen und eine versagende Regierung bei der nächsten Wahl zu Recht abzulösen.

Wenn es in Österreich dennoch ein Problem aufwirft, dann weil die FPÖ der AfD soviel ähnlicher als der FDP ist. Weil sie einen Obmann hat, der in seiner Jugend der Neonazi-Szene angehörte, auch wenn er sich heute von dieser „Jugendsünde“ distanziert und Funktionäre, die sich „braun“ geäußert haben ausgeschlossen und Antisemiten nach hinten gerückt hat.

Aber das ändert nichts daran, dass ihresgleichen in seiner Partei sehr viel zahlreicher als anderswo sind und mich fröstelt, wenn ich mir einige seiner Burschenschafter als Minister vorstelle.

Kurz hat diese Problematik in seiner TV- Konfrontation mit Strache übrigens angesprochen und darauf verwiesen, dass Österreich in Sachen „Vergangenheit“ eine besondere Verantwortung trage.

Ich will ein Optimist sein und davon ausgehen, dass er sie als Bundeskanzler für die gesamte VP-FP Regierung wahrnehmen wird.

Denn diese Regierung wird kaum zu verhindern sein.

Sie wird eine neoliberale Wirtschaftspolitik betreiben, die ich für verfehlt halte, auch wenn sie Österreich kaum „absandeln“, nur die Ungleichheit vertiefen wird. Einige Angst sollte auch jeder vor einem neuerlichen blauen Korruptionsschub haben, wie ihn uns die Ära Schüssel beschert hat.

Und mein Frösteln wird hoffentlich nicht zum Frieren werden.

 

7 Kommentare

  1. Ich glaube auch, in der durch quälende Endlosdiskussion in den Wahlkampf-Arenen erzeugten Verbrannte-Erde-Stimmung haben jetzt nur „klare Ansagen“ eine Chance auf Zustimmung. Würde die SPÖ erneut mit einer der beiden großen Parteien „packeln“ (so würde das empfunden), dann ginge es der „gespaltenen“ SPÖ wie Theresa May: kein Schritt ohne nervtötende Kakophonie.

    Kompetente Opposition in einer Demokratie – welch ehrenvolle Aufgabe! Wer diese verachtet, sollte sich fragen, warum er oder sie in der Politik ist.

  2. Herrlich, wie Sie die FP in Angst und Schrecken von einer türkis-schwarz – blauen Koalition schreiben. Die Türen zur SP mit Argumenten schließen! Leider wird Österreich leiden. Ein erklecklicher Anteil der „Veränderungs“-Wähler sind darunter. Ein „selbst schuld“ verbessert leider erst in 5 unheilvollen Jahren etwas.

  3. Möglich könnte auch sein, dass die SPÖ mit der FP-Koalition winkt, damit Strache Kern bei seinen Ministerwünschen abräumt. Strache könnte ja immer wieder drohen: Die Mitgift der roten Braut ist wertvoller als das Kurzangebot. Jeder zusätzliche FP-Minister wäre eine Katastrophe für Österreich. So ist das eben für die Bewohner eines Landes mit 60 Prozent Reaktionären. Das Dreieck ÖVP-FPÖ und Neos ist nämlich eine Steigerungsstufe von „Neoliberal“.

    1. Eines wird offenbar übersehen oder ist noch nicht bewusst geworden: Kurz, Strache und Strolz haben jetzt eine bequeme Mehrheit von über 2/3 und können Verfassungsgesetze ohne die SPÖ beschließen, besonders weil die GrünInnen paralysiert wurden.

      Mich würde nicht wundern, wenn jetzt Abschaffung des Bundespräsidenten oder des Bundesrates gefordert und umgesetzt wird.

  4. Wenn es – wie zu erwarten – zu ÖVP-FPÖ kommt, wird Kurz mindestens 1 1/2 Jahrzehnte Kanzler sein. Das kann man gut finden oder auch nicht. Ich halte diesen – wohl sehr spekulativen – Aspekt für den wesentlichsten Punkt der aktuellen Koalitionsverhandlungen, der bei denen „ganz oben“ mitschwingt. „Sager“ im Wahlkampf und allfällige (Wirtschafts-)Programme interessieren höchstens 10% des (Wahl-)Volkes.

    Die SPÖ wird es so oder so zerreißen, ob der verfehlten „Flüchtlings“-Politik der letzten zwei Jahre. Bei den Grünen ist das schon passiert …

  5. Herr Lingens, haben Sie übersehen, dass auch Michael Häupl 8 Jahre lang strammer Burschenschafter bei der Rugia Krems war?

    Als er dann zum Verband sozialistischer Studenten wechselte, da zeigte er gleich was er in der Burschenschaft gelernt hat: Er schmiß seinen Kommilitonen PETER PILZ hochkantig hinaus.

    Der Rest ist Zeitgeschichte……

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