Boykottieren wir doch wenigstens Starbucks

Die Steuervermeidung durch die größten und reichsten Konzerne der Welt, von Apple über IKEA bis Starbucks, die Sonntag Abends „Im Zentrum“ diskutiert wurde, gehört tatsächlich zu den größten Schweinereien der aktuellen Wirtschaftsordnung:

Sie vorenthalten ihrem Heimatland und den zahllosen Ländern in denen sie agieren nicht nur gigantische Beträge, für die letztlich andere aufkommen müssen, sondern sie verzerren auch den Wettbewerb als wichtigsten vernünftigen Grundsatz funktionierenden Kapitalismus. Wie soll ein österreichischer Möbelproduzent, der das Zwanzigfache an Steuern bezahlt mit Ikea oder wie ein österreichisches Kaffeehaus mit Starbucks konkurrieren?

Die EU ist wie so oft machtlos, weil nationale Steueroasen wie Luxemburg, Holland und Malta ob des Zwanges zur Einstimmigkeit jedes gemeinsame energische Vorgehen blockieren, obwohl ein solches ganz einfach wäre: Firmen, die Steueroasen nutzen, wird das Recht entzogen, in der EU Geschäfte zu tätigen. (Die USA haben Schweizer Banken, die mögliches Drogen-Schwarzgeld wuschen auf diese Weise blitzartig zur einlenkenden Kooperation gebracht).

„Möbel von IKEA kann man schwer boykottieren“

Im ORF „Im Zentrum“ blitzte kurz die Idee auf, man könnte die Steuer-vermeidenden Großkonzerne dadurch in die Knie zwingen, dass man sie öffentlich an den Pranger stellt. Jemand, ich weiß nicht mehr wer, hat sie gleich wieder verworfen, weil es praktisch ausgeschlossen sei Produkte wie das iPhone oder Möbel von IKEA zu boykottieren.

Das stimmt wahrscheinlich für IKEA- ich weiß kein anders Möbelhaus, das ein vergleichbar gutes Preis-Leistungs-Verhältnis mit im Durchschnitt so gutem Design verbindet – diesem Konzern ist wirklich eine Revolution in der breiten Einrichtungskultur zu danken.

Die er freilich in keiner Weise gefährdete, wenn er ordentlich Steuern zahlte – auf die Anzahl seiner Produkte aufgeschlagen, verteuerte es sie nur marginal.

Bei Apple bin ich bezüglich der Unersetzlichkeit nicht ganz so sicher –für Grafiker sind Apple-Computer unersetzlich – chinesische oder koreanische Smartphones kommen mit dem iPhone durchaus mit, chinesische kosten sogar nur ein Drittel.

Trotzdem halte auch ich auch diesen Boykott für chancenlos.

Aber ich glaube, dass wir in unserer Notwehrreaktion ein Recht haben, ein wenig parteiisch und unfair zu sein: Starbucks ist in keiner Weise unersetzlich, sein Kaffee ist keineswegs besonders preiswert und schmeckt in keiner Weise außergewöhnlich gut.

Warum können nicht wenigstens wir Österreicher, die wir die Kaffee-Weltkultur angeblich anführen, Starbucks so lange boykottieren, als es nicht von seinem Steuermodell abrückt.

Wenn ich jetzt schreibe, dass ich ab heute keinen Starbucks-Kaffee mehr trinke ist es leider nutzlos- ich habe schon bisher nie einen getrunken – aber vielleicht greift irgendein YouTube User die Idee auf und sorgt für eine „virale“ Verbreitung eines Boykotts.

11 Kommentare

  1. Die Hubers dürfen von der Lohnsteuer zwar den Kirchensteuer-Beitrag absetzen. Nicht aber den Kaufpreis für das kleine Steinhaus bei Krk. Für Arbeitnehmer gelten strenge Regeln. (Steuerleistung 2016 Lohn+Einkommensteuer: 33 Milliarden Euro).

    Es geht auch anders. Unseren großen Banken, Versicherungen und Handelsunternehmen wollte Finanzminister Grasser 2004 eine Freude machen. Haben sie Niederlassungen im Ausland, können sie die Ergebnisse Inland/Ausland zusammenwerfen und müssen nur von der Differenz Steuern zahlen = Gruppenbesteuerung.
    (Steuerleistung 2016 KÖST/Unternehmen: 6,5 Milliarden Euro).

    Die Unternehmen übertreffen sich seither im absetzen, ausbuchen, abwerten und gegenrechnen, bis das Ziel erreicht ist: wenig Gewinn = wenig Steuern. Die Finanzminister Molterer, Pröll, Fekter und Spindelegger nickten das komplizierte Konstrukt nur ab – sie wollten schließlich beim Opernball in der Treichl-Loge empfangen werden.

    Endlich überprüfte der Rechnungshof den Steuerentgang durch die Gruppenbesteuerung. Das Ergebnis – ein Desaster. Das Finanzministerium kann mangels ausreichender Daten die meisten Unternehmens-Ergebnisse seit Jahren nur mehr schätzen (!). Vehement fordert RH-Präsidentin Dr. Kraker mehr Transparenz, eine Evaluierung der Gruppenbesteuerung oder besser gleich, sie abschaffen.

    Schelling sagt nein. Als ehemaliger LUTZ-Chef ist er Experte bei der Gruppenbesteuerung, bei steuerelastischen Buchungen über Malta und auch beim Thema Stiftung.
    Schelling auch nein sagt zum Bankdaten-Austausch mit Luxemburg und zur Einführung von EU-weiten Geldwäscheregeln.

    Wird die neue Regierung den Mut haben, von unseren Großunternehmen angemessene Steuern einzuheben?

    P.S. Ich wette eine Flasche Schampus dagegen.

  2. Ich frage mich, wieso kriegen solche Firmen eine Gewerbegenehmigung von Beamten. Wieso bekommen sie noch günstige Flächen. Die öffentliche Hand muss dann noch die Strassen bauen. Dafür zahlen Ikea und Co. keine Einkommensteuern, dort wo sie entstehen?

  3. Die EU wird nichts aendern und auch Oesterreich nicht. Denn die deutsche Wirtschaft macht im Ausland viel mehr Gewinne, als im Inland, versteuert aber das Welteinkommen in Deutschland. Die USA oder China koennten vielleicht auch auf die Idee kommen, dass der Umsatz bzw. Gewinn, den z.B. BMW in China macht, in China zu besteuern ist. Deshalb bleibt alles beim Alten!

  4. Ich möchte Ihnen eigentlich ganz persönlich für ihre Blogplattform danken. Weil ich immer noch ihre Art des Journalismus sehr schätze.

  5. Das ist halt „unser“ System. Deshalb ist es etwas übertrieben, die Demokratie, den Kapitalismus hochzujubeln und – vollkommen berechtigte – Kritik an der EU mit Austrittswilligkeit gleichzusetzen.

    Es gibt bei uns halt ganz wenige „aktive“ Politiker (und von mir aus Politikerinnen), die Fehlentwicklungen ganz klar ansprechen. Und wenn z. B. in Ungarn die Regierung bei der „Migrationskrise“ auf die EU scheißt, wird sie stark kritisiert, wenn sie sich wirksam zur Wehr setzt. Aber das hält sie aus …

    „Einzelboykott“ klingt lieb, bringt aber gar nichts. Wenn sich allerdings ein ganzer Staat gegen EU-Schwachsinn / Unwilligkeit / Unfähigkeit auflehnt, würde das sehr wohl was beeinflussen. Nur traun muss man sich halt.

  6. Ist nicht jede im Finanzbereich tätige Person bei dieser Gesetzeslage VERPFLICHTET, die Möglichkeiten der EU zu nützen? Mit welchem Argument und aus welchem Motiv sollte jemand eine Investorengruppe dazu überreden, eine legale Möglichkeit „Geld zu machen“, aktiv nicht zu nützen? Wenn ein ganzer Kontinent, wie man sieht, dies mit seinen Gesetzen befürwortet?

    Nur die EU kann das ändern – mit einem Federstrich. Genau solche Situationen kann nur ein Staat lösen, ab einer bestimmten Größe nur die EU. Warum trifft die EU selbst so einfache, wichtige ENTSCHEIDUNGEN NICHT? (In solchen Momenten verstehe ich die Briten.)

    1. Das steht doch eh im Artikel: Weil die EU dafür Einstimmigkeit braucht. Und es immer Staaten gibt (darunter manchmal auch Österreich), die das nicht wollen.

  7. Man könnte noch deutlicher herausstreichen, dass jede(r) deshalb so viel Steuer zahlen muss bzw. Leistungen eingeschränkt werden, weil Starbucks & Co. kaum legale Steuervermeidung betreiben. Wenn dieser Hinweis bei Migranten funktioniert, obwohl er hier falsch ist, wird er hoffentlich auch in diesem Fall funktionieren, weil er sogar wahr ist. Im Zusammenhang mit den Migranten hat er sogar die letzte Wahl mitentschieden, vielleicht reichtz es wenigstens dazu, die Attac.Petition zu unterzeichnen: https://www.attac.at/kampagnen/steuertricks-stoppen/steuergeschenke.html Wär doch schon was!

  8. Für physische Produkte könnte das funktionieren. Ich fürchte allerdings, es ist den Menschen schlichtweg egal. Zumindest übersteigt die Energie nicht das „Mitraunz“-Niveau. Bei Unternehmen mit virtuellen Produkten wird das Festmachen an Landesgrenzen ein Thema für die Steuergesetzgebung. Zudem handelt es sich z.T. um „legale“ Steuertricks. Also dann … ich bin auch dabei beim Boykottieren eines nie besuchten Selbstbedienungsladens. Die 17-jährigen sitzen mit iPhone und iBook drinnen und surfen auf der IKEA Seite. Tja…

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