In Italien glost eine Lunte, die eine Explosion auslösen könnte, die „Brexit“ und „Migration“ zu zweitrangigen Problemen der EU machen.
Niemand außerhalb Österreichs hat angenommen, dass der Gipfel in Salzburg bzw. Österreichs Ratspräsidentschaft die EU in entscheidenden Fragen voranbringt. Das könnten nur Deutschland oder allenfalls Frankreich. Deutschland indem es von seiner Wirtschaftspolitik – „Austerity“ plus „Lohnzurückhaltung“ – abrückte, Frankreich indem es einen Aufstand gegen diese Politik anführte.
Von beidem kann keine Rede sein. Obwohl die CDU fast so angeschlagen ist, wie die SPD, und obwohl die AfD nicht nur wächst, weil sie „Zuwanderung“ verteufelt, sondern auch weil sie den immer größeren Niedriglohnsektor bzw. schrumpfenden Mittelstand anprangert, trösten einander Angela Merkel und Andrea Nahles unverändert mit „Exportweltmeisterschaft“, „Rekordbeschäftigung“ und „schwarzer Null“. Dass dem zwingend „Marktverluste“, „Mehrverschuldung“ und „hohe Arbeitslosigkeit“ anderer EU-Volkswirtschaften gegenüberstehen müssen, glauben sie nicht. Schon gar nicht, dass eine andere Politik auch Deutschland mehr brächte.
Emanuel Macrons Plan, die Wirtschaft der EU durch Investitionen aus einem vergrößerten EU-Budget anzukurbeln ist am deutschen Widerstand gescheitert. Er hat auch keine wirtschaftlichen Erfolge an der Heimatfront – kann sie unter den durch Deutschland vorgegebenen Bedingungen unmöglich haben- und wird schon gar nicht reüssieren, indem er Deutschland zu kopieren sucht. Damit bleibt die EU wirtschaftlich unverändert weit hinter den USA zurück und leidet weiter unter jenen prekären Arbeitsverhältnissen und hohen Arbeitslosenraten, die das Problem der „Zuwanderung“ so sehr verschärfen.
In Italien glost daher bereits die Lunte, die die EU letztlich sprengen könnte.
Sonst werden wir aus der Festung Europa schießen
Kritiker von Sebastian Kurz haben mit Genugtuung festgestellt, dass es ihm nicht gelungen ist wenigstens Ägyptens Präsidenten zu einer seiner „Anlande-Plattformen“ zu überreden. Ich glaube, dass jener Ägypter Recht hatte, den Karim El–Gawharyi dazu befragte: „Da müssten die Europäer viel mehr bezahlen.“
Früher oder später werden sie das tun.
Kurz verweist zu Recht auf den grundlegenden Gesinnungswandel seit 2015: Niemand sagt mehr „Willkommen-wir schaffen das!“- alle Staatschefs sind einig, die EU zur Festung auszubauen. Das jedenfalls bedeutet das „gemeinsamen Bekenntnis zur Verstärkung von Frontex“ im Klartext. Wahrscheinlich ist es billiger, Frontex mittels nationaler Kräfte zu stärken, die von der EU bezahlt werden, als wie geplant, durch „übernationale“ Einheiten die Ängste Ungarns oder Italiens vor „Souveränitätsverlusten“ zu schüren.
Ich bleibe dabei, dass Kurz auch Recht hat, wenn er behauptet: Nur wenn Schiffbrüchige nicht in die EU gelangen, werden sie aufhören Schiffe zu besteigen und wenn nicht erreicht wird, dass sich Wirtschaftsflüchtlinge gar nicht erst auf den Weg machen, wird es dazu kommen, dass aus der Festung Europa mit Gewehren auf alle geschossen wird, die sich ihr nähern – egal ob sie eine „bessere Zukunft“ oder „Zuflucht vor Verfolgung“ suchen. Nur die Verbindung von „legalisierter Zuwanderung“, „Hilfe vor Ort“ und „Sperre der Flucht-Routen“ kann das verhindern.
Doch die Wiederholung der Brexit-Abstimmung?
Auch der Brexit ist letztlich der „Migration“ geschuldet. Es waren die Bilder über die Grenzen des „Continent“ strömender Massen, die UKIP dazu nutzte, die Emotion explosiv zu verdichten, die viele Briten seit Jahrzehnten der Zuwanderung aus dem Commonwealth entgegenbringen und die sie zuletzt auf die Zuwanderung aus Polen ausgeweitet haben. Nigel Farage und Boris Johnson sind die britischen Ausgaben von Donald Trump: verantwortungslose, psychopathische Brandstifter. Farage ist wenigstens out – Johnson darf weiter zündeln.
Trotz der aktuellen „Sackgasse“ (Theresa May) glaube ich, dass es letztlich wenigstens zum „weichen Brexit“ kommen wird: Eine EU, die freundschaftliche Handelsabkommen mit unabhängigen Ländern wie Kanada oder Norwegen geschlossen hat, ohne deren Souveränität einzuengen, wird Groß-Britannien Ähnliches schwer vorenthalten können. Dazu scheint mir die gegenseitige Handelsverflechtung zu groß.
Natürlich wäre es am Einfachsten wenn May nicht auf ihrem unsinnigen „Brexit means Brexit“ beharrte, obwohl aktuelle Umfragen 60 Prozent Brexit-Ablehnung signalisieren. In Wirklichkeit gehörten knappe Volksabstimmungen grundsätzlich wiederholt, um zu eruieren, ob das Volk wirklich will, was es in seiner Emotion gefordert hat. Ganz gebe ich angesichts der Neuwahl-Gerüchte die Hoffnung auf Abstimmungs-Wiederholung auch nicht auf.
Ein neues Griechenland
Akut lebensgefährlich für die EU ist aber Italien. Die Regierung plant ein Budget mit erhöhten öffentlichen Investitionen und dennoch höheren Mindesteinkommen. Sie begründet das auch richtig: Nur große öffentliche Investitionen könnten die Arbeitslosigkeit rasch vermindern, nur mehr Geld in der Tasche der Menschen kann die Inlands-Kaufkraft stärken. Dass beides die Staatsschuld vorerst eher erhöhen als senken wird, wurde zwar nicht ausgesprochen, ist aber evident.
Also wird es von der EU, voran Deutschland, abgelehnt.
Der Italiener Mario Draghi hat sich gehütet, zu erklären, dass die EZB Italien vor einer „Reaktionen der Märkte“ auf seine offensive Wirtschaftspolitik schützen würde, und so sind die Zinsen italienischer Staatsanleihen prompt gestiegen. Das liefert der EU die optimale Begründung, diese Politik noch energischer zurückzuweisen.
Damit könnte Italien nur die Wahl bleiben, sich einem EU-Regime zu unterwerfen das seinen tristen Zustand prolongiert, oder zu erleben, wie die Politiker die Überhand gewinnen, die den Euro und die EU verlassen wollen.
6 Kommentare
Ich befuerchte, dass Sueditalien, auch wenn dort jedes Jahr Milliarden von der EU hineingepumpt wuerden, nicht viel weiterkommen wuerde. Die Mafia in ihren diversen Variationen wuerde den Grossteil des Geldes abschoepfen. Ich habe da auch keine Loesung.
Was die Mafia betrrifft haben Sie zweifellos Recht. Aber vor dem „Sparpakt“ und der deutschen „Lohnzurüvhaltung“ hat Italien trotz Mafia erträglich unktioniert.
CDU/CSU, SPD u. ä. werden in Europa wegen des „Flüchtlingsthemas“ – besser gesagt „Migration“ – mittelfristig untergehen. Die Menschen – die Wähler – sind auf Dauer nicht blöd, dass man ihnen Massenzuwanderung (in Verbindung „wir brauchen Arbeitskräfte“) als „was Gutes“ verkaufen kann. Auch an mögliche positive „Integration“ glauben Einheimische immer weniger, wenn sie alle paar Tage von „Messerattacken“ lesen. Klar denken Wähler über „Alternativen“ nach und wählen dann entsprechend.
Soeben in den Nachrichten (Radio Wien) und in der Krone: https://www.krone.at/1780122
Natürlich sind nicht immer Messer im Spiel, manchmal auch Eisenstangen oder „nur“ Fäuste und Füße … Aber alles nur „Einzelfälle“ …
„In Wirklichkeit gehörten knappe Volksabstimmungen grundsätzlich wiederholt“
… bis – hoffentlich – das „richtige“ Ergebnis rauskommt.
Aber was ist das richtige Ergebnis – und für wen? Und wenn eine neuerliche Abstimmung wieder ein „knappes Ergebnis – aber in die andere Richtung – bringt? Und was ist „ein knappes Ergebnis“?
Dann hat man wenigstens Zeit gewonnen, meinen die, die damals gegen den Brexit gestimmt haben.
Und die, die damals für den Brexit gestimmt haben, fühlen sich verarscht, wenn er dann doch nicht kommt.
Fairer wäre – wenn es überhaupt Fairness (in der Politik) gibt -, wenn man (z. B. per Gesetz) bestimmt, dass eine „Abstimmung“ zu einem bestimmten Thema nicht innerhalb der nächsten 10 Jahre wiederholt werden darf.
Jetzt, nachdem es eine „neue“ Regierung in Italien gibt, meldet sich die Italien „Fan Gemeinde, um diese zu diskreditieren, diese „Methode“ ist und war auch bei Ungarn und Polen so! Dem EU „Verein“ sei „dank“!