Sebastian Kurz wird mit seiner neuen ÖVP im September vielleicht doch nicht ganz den erhoffen Erdrutschsieg feiern – er sieht zurzeit etwas älter aus.
Das Buch, in dem der ausgetauschte Chefredakteur des Kurier Helmut Brandstätter höchst glaubwürdig beschreibt, wie er message control zu üben suchte (und Brandstätter letztlich auch los wurde) könnte ihn Sympathien kosten. Aber kaum entscheidend: Bruno Kreisky pflegte Journalisten, die ihm nicht aus der Hand fraßen, (wie Peter Rabl) Interviews zu verweigern, erreichte bei den Eigentümern der Zürcher Zeitung die Abberufung des Österreich-Korrespondenten, verhinderte Gerd Bacher als deutschen Fernsehintendanten und forderte von der Industriellenvereinigung meine sofortige Entlassung, als ich ihn in der Causa Wiesenthal kritisierte – nichts davon hat ihm bei seinen Wählern messbar geschadet.
Nur dass die Industriellenvereinigung der Forderung nach meiner Entlassung damals nicht nachgab – Brandstätter dagegen hat sie ausgetauscht. Zu Zeiten Christin Konrads wäre das nicht passiert.
Nicht jeder schreddert jeden Tag
Auch die geschredderten Festplatten aus den Druckern des Bundeskanzleramtes werden Kurz ein paar Stimmen kosten. Meines Erachtens nicht mit der gleichen Berechtigung. Alle Kanzler, Minister oder vergleichbar exponierten Personen löschen zu Recht Informationen, die nicht zu Akteninhalten geworden sind. (Beamte, denen mündlich etwas ihnen nicht Genehmes nahegelegt wurde, machen daher darüber zu Recht Aktenvermerke.)
Auch kein Chefredakteur wollte vermutlich, dass andere Leute alles lesen, was er je an einen Drucker gesendet hat.
Der Mitarbeiter, der mit der Vernichtung der Festplatten betraut wurde, hat sich zweifellos auffällig – denkbar patschert – benommen, aber so erstaunlich wie für Armin Wolf scheint mir das nicht: Natürlich hatte er die Sorge, dass Mitarbeiter des Reißwolf in Versuchung kommen könnten, Daten aus Festplatten des Bundeskanzleramtes abzusaugen, ehe sie sie schreddern und hat daher, wenn er das erste Mal mit ihrer Vernichtung betraut wurde, übertriebene und entsprechend auffällige Vorsichtsmaßnahmen getroffen: Seinen Namen und sein Amt verschwiegen, der Schredderung zugesehen, sie wiederholt und sogar die Überreste mitgenommen. Dass er in Folge aufs Zahlen vergessen hat, nachdem bei Reisswolf keine Barzahlung möglich war, scheint mir auch mehr patschert als verdächtig.
Die Staatsanwälte überschätzen Kurz´ strategisches Genie
Die Staatsanwaltschaft hatte zweifellos das Recht, wegen Betruges nachzuforschen und natürlich kann die Nähe der Verschredderung zum Auftauchen des Ibiza Videos den Verdacht eines Zusammenhangs begründen.
Strafrechtlich relevant wäre dieser Zusammenhang freilich nur, wenn sich aus der Festplatte Hinweise ergäben, dass die ÖVP oder Kurz dieses Video aus anderen als journalistischen Gründen in Auftrag gegeben und daher verbotene Filmaufzeichnungen gemacht hätte, (Wenn die Aufzeichnungen gemacht wurden, um einen anders nicht zu ermittelnden Tatbestand von überragendem öffentlichen Interesse aufzudecken, ist die Aufzeichnung nämlich nicht strafbar.)
Ich bezweifle aber massiv, dass Kurz oder die ÖVP zu irgendeinem Zeitpunkt die Absicht hatten, die zweifellos öffentlich interessierende Bestechlichkeit der Spitzen ihres blauen Koalitionspartners aufzudecken. Soviel richtigen Instinkt traue ich ihr nicht zu.
Und dass Kurz 2017 einen solchen Film in Auftrag gab, um die FPÖ 2019 los zu werden, erscheint mir-bei allem Respekt vor seinem strategischen Talent – genau so ausgeschlossen.
Eigentlich hat die Staatsanwaltschaft also meines Erachtens gar nicht so leicht den ernsthaft begründeten Verdacht haben können, dass die Schredderung eine strafbare Handlung im Zusammenhang mit Ibiza verdecken sollte.
Aber Staatsanwälte wüssten natürlich auch nur zu gern, welche Informationen im Bundeskanzleramt geheim getauscht wurden. Als Journalist kann ich das total verstehen- als Staatsbürger nicht unbedingt. So wenig Sympathien ich Kurz entgegenbringe.
9 Kommentare
zu kreisky gibts einen kleinen absatz, der rest des artikels beschäftigt sich mit kurz & schredder gate. wenn sie mein posting als hassposting bezeichnen ist das ihr problem – auf die beschriebenen fakten gehen sie überhaupt nicht ein! irrtum der mehrheit – hat das nicht schüssel nach seiner abwahl geglaubt? im übrigen geht sie meine meinung gar nichts an, ich habe sie um diese auseinandersetzung nicht gebeten! fakten diskutieren sie nicht, aber hauptsache sie verkünden ihre meinung über mich und meine vermeintlichen motive. polemisch gesagt: sie liegen anscheinend vor kurz am bauch und unterstellen mir mangelnde urteilsfähigkeit – gehts noch?
@nichtschweiger: weder hasse ich kurz noch bin ich ein niederträchtiger mensch. die obstruktion der regierung kern/mitterlehner durch kurz & co ist evident – wenn das nicht intrigant ist, was dann? mit einer rechtsextremen partei zu koalieren und beim bvt-putsch zuzusehen und, wie sich beim untersuchungsausschuss diesbez. herausstellt, völlig ahnungslos zu sein, ist ja wohl staatsgefährdend. seine erste rede nach ibizagate ist reiner wahlkampf und er versucht die spö mittels silberstein in ibizagate hineinzuziehen. dass ich ihm etwas zutraue bedeutet nicht, dass ich ihm etwas unterstelle. an seinen taten sollten wir ihn messen – genau das habe ich getan, auch wenn dollkurz eine polemische formulierung ist, das gebe ich schon zu. der unter identitärem druck erfolgte ausstieg aus dem uno-migationspakt wurde von ihm mit dem vermeidenwollen der vermischung von migration und flüchtlingsasyl begründet, wohl wissend, dass 1 oder 2 wochen später der uno-flüchtlingspakt veröffentlicht wird – was ist das, wenn nicht verlogen?
Sie lesen in dem Artikel von Lingens auf welche Art und Weise Kreisky mit ihm unliebsamen Journalisten und Kritikern umgegangen ist und trotzdem hinterlassen sie einen Kommentar über Kurz der als „Hassposting“ angesehen werden kann. Kreiskys Verhalten in Falle Wiesenthal ist mit „kritikwürdig“ nur unzureichend zu beschreiben und sie mögen sich vorstellen, was los wären würden heute Unterstellungen ähnlicher Art von einem Politiker der FPÖ in die Welt gesetzt. Kreisky koalierte mit FPÖ Politikern die Blut an ihren Händen hatten. Es ist ganz offensichtlich, dass sie nicht in der Lage sind objektiv zu urteilen und daher, mehr unbewusst als bewusst mit zweierlei Maß messen. Ich gestehe ihnen als SPÖ-Anhänger ihren Ärger und Frust über den Verlust der relativen Mehrheit und damit das Amt des Bundeskanzlers zu bin selber aber ausgesprochen froh, dass es so gekommen ist. Leider hat sich bei SPÖ-Politikern und auch ihren Anhängern immer noch keine Einsicht über die Gründe, wie es so weit gekommen konnte, eingestellt. Sie denken immer noch die Mehrheit wäre zu blöd oder hätte sich ganz einfach geirrt und beim nächsten mal wird alles wieder anders. Man muss kein besonderer Prophet sein um vorherzusehen, dass das nicht der Fall sein wird.
angesichts der kurzschen verlogenheit, seines intrigantentums sowie der jahrelang vorbereiteten machtübernahme traue ich ihm sehr wohl zu, zumindest von ibizagate 2017/18 gewusst zu haben und dies bei bedarf zu nutzen. e-mail-affaire und schreddergate sind schon eigenartige und dubiose vorgänge, die vor der wahl genauestens untersucht gehören – was wenn der dollkurz, der lt. seinem lebenslauf noch immer bundeskanzler ist, uns wieder ein x für ein u vormachen will?
Dieser Kommentar sagt mehr über ihren Charakter aus als über den von Kurz. Ein derart vor Niedertracht, Hass und Unterstellungen strotzendes Posting sollte eigentlich, vorwiegend zu ihrem eigenen Schutz, gar nicht veröffentlicht werden.
Wieder eine brillante Schlussfolgerung die, gegen den Strom selbsternannter investegativ Journalisten, mit Logik und politischem Sachverstand Klarheit schafft. Journalismus aus einer Edelfeder die selten geworden ist.
„Und dass Kurz 2017 einen solchen Film in Auftrag gab, um die FPÖ 2019 los zu werden, erscheint mir-bei allem Respekt vor seinem strategischen Talent – genau so ausgeschlossen.“
Sehr geehrter Herr Lingens, wen haben Sie in Verdacht, wenn Sie die ÖVP ausschließen.
Die SPÖ?
Wer sollte sonst Interesse an dieser – von langer Hand geplanten – „genialen Aktion“ gehabt haben?
Eigentlich interessiert mich nur am Rand, wer diesen Film in Auftrag gegeben hat – obwohl ich natürlich wie jeder Journalist neugierig bin, es zu erfahren. Entscheidend ist für mich, was der Film aufgezeigt hat- nämlich die abenteuerliche Bereitschaft der FP-Spitze zu Rechtsbrüchen, medialer Manipulation und Korruption. Davon zu erfahren sollte eigentlich im Interesse aller Österreicher liegen. Natürlich sollte jede Oppositionspartei daran das größte Interesse gehabt haben. Leider traue ich der SPÖ soviel Professionalität nicht zu. Sofern der Film gedreht wurde, um eine anders nicht aufzudeckende Korruptionsbereitschaft wichtiger Politiker zu dokumentieren, ist der Mitschnitt im Übrigen auch auch nicht strafbar. Die konkreten Akteure könnten aber auch aus rein finanziellen Interessen gehandelt haben.
Auch wenn das Video nicht von Kurz beauftragt war ( wovon ich ausgehe) schließt das nicht aus, das er das Video schon länger kannte. Es gab ja schon im April Gerüchte von Neuwahlen (BZÖ).