Der Jammer der FPÖ

Auch in der Koalition mit den Grünen lässt Sebastian Kurz rechts von seiner neuen ÖVP keinen Raum für erfolgreiche politische Agitation. Der FPÖ ist die rechte Themenführerschaft endgültig abhanden gekommen.

Primär war es erstaunlich, dass Sebastian Kurz die “präventive Verwahrungshaft” vom türkis-blauen Regierungsvorhaben zu einem Bestandteil des türkis-grünen Koalitionspaktes gemacht hat. Er musste wissen, wie leicht daraus in den Verhandlungen ein Stolperstein für sein ganzes Unterfangen werden konnte; er wusste um Österreichs historische Belastung und die Skepsis des Bundespräsidenten; und er kannte den Widerstand von Richtervereinigung und Rechtsanwaltskammer aus deren ersten Stellungnahmen. Selbst der ÖVP- nahe Europarechtsexperte Walter Obwexer, der der türkisblauen Indexierung der Kinderbeihilfe fälschlich eine vage Chance eingeräumt hatte, hegt keinen Zweifel, dass Österreichs Verfassung geändert werden müsste, um Kurz` Präventivhaft umzusetzen.

Der Koalitionspakt fordert salomonisch, dass die Regelung EU-Rechts- Menschenrechts- und Verfassungskonform sein müsse, aber wie die Präsidentin der Richtervereinigung Sabine Matejka kann ich mir keinen Wortlaut vorstellen, der diesen Anforderungen genügt – obwohl klar ist, dass es ein reales Problem darstellt, jemanden auf Grund seines Vorlebens für gefährlich zu halten und ihn dennoch nicht einsperren zu können. Ich fürchte, man muss zur Kenntnis nehmen, dass das Bemühen, jedwedes Risiko eines Verbrechens auszuschalten, mehr Probleme heraufbeschwört, als es beseitigt.

Jedenfalls zweifle ich, dass Österreich diesbezüglich den Stein der Weisen findet – und mindestens so sehr bezweifle ich, dass Kurz die Grünen, die SPÖ oder die NEOS überreden kann, das Risiko einer entsprechenden Verfassungsänderung einzugehen.

Warum also hat er sich die Mühsal dieses Vorhabens aufgehalst, obwohl es schwerlich von Erfolg gekrönt sein wird?

Ich glaube, der Grund lautet: Es genügt ihm, dass die Bevölkerung gesehen hat, dass er alles ihm Mögliche unternommen hat, um Gefahr durch “Migranten” von ihr abzuwenden. Wenn es ihm letztlich nicht gelungen ist, sind alle anderen schuld.

 Kurz ist alles eher als dumm

Schon bei diversen seiner vergangenen Gesetzesvorhaben musste auffallen, wie viele von ihnen am Verfassungsgerichtshof oder am EuGH gescheitert sind. So war beispielsweise jedem juristisch einigermaßen gebildeten Menschen von vornherein klar, dass die Deckelung der Mindestsicherung, ihre Anbindung an Deutschkenntnisse oder die Abspeisung des dritten Kindes mit 43 Euro weder EU-rechts noch verfassungskonform sein konnte. (weil EU-Recht ja Verfassungsrecht geworden ist.) Genauso war und ist jedem einigermaßen Rechtskundigen klar, dass der EuGH die Indexierung der Kinderbeihilfe nicht akzeptieren wird, und ich bilde mir nicht das Geringste darauf ein den Einwand der Kommission hier vorhergesagt zu haben.

Warum also hat der hochintelligente Sebastian Kurz selbst in diesen einfachen Fällen dieses keineswegs außergewöhnliche Rechtsverständnis vermissen lassen und die oberstgerichtliche Aufhebung lauthals verkündeter Regierungsvorhaben riskiert?

Weil er von der Kickl -FPÖ zu diesen Gesetzesvorhaben gedrängt wurde? Sicher nicht! Die hatte keine Möglichkeit ihn zu drängen, sondern war heilfroh durch ihn an die Futtertröge gelangt zu sein.

Der Grund ist meines Erachtens immer der gleiche: Es genügt Kurz, von der Bevölkerung als der Politiker wahrgenommen zu werden, der alles unternommen hat und weiter unternimmt, “Zuwanderung” so schwierig wie möglich zu machen – dass er dabei juristisch immer wieder zurecht gewiesen wird, nimmt er in Kauf. Denn das Entscheidende ist erreicht: Die Bevölkerung weiß um sein Bemühen und schreibt es ihm gut.

Ähnlich hat in Deutschland seinerzeit Franz Josef Strauß agiert: Rechts von seiner CSU, so sein Dogma, durfte kein Platz sein- auch wenn er sein Bayern als Landesherr durchaus nicht nur rechts sondern in manchen Bereichen recht fortschrittlich regiert hat. Tatsächlich ist die NPD in Deutschland und schon gar in Bayern, wo man ihr die relativ besten Chancen zugebilligt hätte, nie über ein Schattendasein hinausgekommen – erst jetzt da die “Zuwanderung” Thema wurde, hat die AfD ihre Chance.

Es ist kein Zufall, dass Kurz unter deutschen Konservativen soviel Bewunderung entgegenschlägt: Er hat es verstanden, Migration von Anfang an zu “seinem” Thema zu machen. Und rechts von sich keinen Platz zu lassen.

 Die FPÖ hat keine Thema mehr

In Österreich bringt er damit genau die Partei in nachhaltige Schwierigkeiten, die er zuvor mit an die Regierung gebracht hat: die FPÖ. Er hat nicht nur verhindert, dass sie vor SPÖ und ÖVP zu stärksten Partei geworden ist, sondern er sorgt jetzt für ihren Abstieg: Sie ist der Kurz- ÖVP als Ausländer-Stopp- Partei um Längen unterlegen. Weder kann sie auf einen Beitrag zur Schließung der Balkanroute verweisen, noch wird sie immer wieder als die Partei erwähnt, die dafür eintritt auch die Mittelmeerroute zu schließen Und mittlerweile kann sie nicht einmal mehr Gesetzesvorlagen präsentieren, die in Fragen der Zuwanderung härter wären, als die von Kurz leider nicht durchgebrachten.

Insofern ist Norbert Hofers Ankündigung die FPÖ würde “kantige Opposition” gegen Türkis -Grün machen, ein Schlachtruf, der ihn nicht schrecken muss.

Zählt man hinzu, dass den Freiheitlichen mit H.C. Strache ihr bis dahin populärster Redner abhanden gekommen ist, und dass er dabei ist, ein Konkurrenzunternehmen aufzumachen (dem freilich aus allen hier aufgezählten Gründen auch kein sonderlicher Erfolg beschieden sein wird) so ist es keine Kunst, auf die FPÖ eine Reihe empfindlicher Wahlschlappen zukommen zu sehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6 Kommentare

  1. Nachdem ich Ihren Artikel gelesen habe, glaube ich endlich zu verstehen, warum die Grünen den Koalitionspakt mit der ÖVP nolens volens eingehen konnten mit dem Ziel so die FPÖ ein für allemal auszubremsen. Diese strategische und gescheite Überlegung traue ich auch Köhler zu.

  2. Ich vertrete die Auffassung, dass im Vorjahr der FPÖ zwei schwere taktische Fehler unterlaufen sind, die sie letztendlich in die Bedeutungslosigkeit führen wird.

    Der erste Fehler passierte am 27. Mai, als die FPÖ einen Mißtrauensantrag der SPÖ unterstützte und damit die Regierung Kurz davonjagte. Kurz wurde daraufhin zum Märtyrer und konnte mit Triumph sieben Monate später wieder in das Bundeskanzleramt zurückkehren. Hätten die FPÖ Abgeordneten damals das Nationalratsplenum verlassen, dann hätte es kein mehrheitliches Mißtrauensvotum gegeben; Kurz hätte nicht die Chance gehabt, sofort mit seinem von Erfolg gekrönten Wahlkampf zu beginnen. Das war der erste schwere Fehler der FPÖ.

    Der zweite war die Aussage von FPÖ Chef Norbert Hofer nach der Wahlniederlage, dass mit diesem Ergebnis die FPÖ keinen Regierungsauftrag hat. Damit hat sich die FPÖ selbst ins Abseits gestellt.

    Zwei schwerwiegende Fehler, die offenbar auf Frust, Enttäuschung, Emotion und Rache basieren.

    1. Nein, lieber Herr Staberl, sie irren sich! Der allergrößte Fehler der FPÖ war es nach dem Ibiza-Skandal und dem Rücktritt von Strache nicht auf die Absicht von Kurz, die Regierung weiter zu führen, jedoch mit der Auflage Innenminister Kickl abzulösen, einzugehen! Ich war und bin immer noch überrascht über das mangelnde strategische Denkvermögen der FPÖ Granden! Es musst eigentlich klar sein, dass man bei Neuwahlen nur verlieren konnte und so auch die Chance, bei vergleichbarem Mandatstand, wieder in einer Regierungs-Koalition dabei zu sein aufs Spiel setze. Genau so ist es gekommen. Hätte die FPÖ Kurzs Forderungen erfüllt gäbe es heute noch eine türkis-blaue Regierung, die FPÖ wäre nach wie vor mit der selben Anzahl von Abgeordneten im Parlament, die Grünen wären draußen! Strache konnte, wie er es jetzt ohnehin tut, aus seiner erzwungene Auszeit wieder ins Rampenlicht zurück kehren. Ob das einigen nicht gefallen hätte – was solls? Fakt ist – die FPÖ hat sich in beide Knie geschossen und ist auf Jahre weg von einer Regierungsbeteiligung. Viel dümmer konnte man nicht agieren!

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