Österreichs Feldzug gegen Atomenergie

Wir klagen gegen 11 Prozent unseres Strombedarfs. Niemand hält Kernkraft für ungefährlich-nur für vorerst unverzichtbar. Fossile Energie tötet täglich 24.000 Menschen.

Unter dem Druck seines Kanzlers hat Deutschlands grüner Wirtschaftsminister Robert Habeck die Laufzeit dreier Atomreaktoren bis April 2023 verlängert. Das hilft auch Österreich, denn er hat bekanntlich erklärt, uns bei der Gas- Beschaffung zu unterstützen und das fällt jetzt leichter, denn die drei Reaktoren produzieren rund halb soviel Strom, wie Deutschland mit Gas erzeugt. Die Möglichkeit Österreich zu helfen, wuchs also nicht unerheblich. Sehr erheblich, nämlich zu 11 Prozent, wird unser Strombedarf freilich ständig mit Strom aus umliegenden Kernkraftwerken gedeckt. Auf dass diese Unterstützung nicht vielleicht wachse, will Leonore Gewessler unter parteiübergreifendem Applaus beim EuGH dagegen klagen, dass die EU Atomstrom als “grün” einstuft.

Dabei ergab sich die Gewissheit so vieler Österreicher, dass Atomenergie des Teufels ist, eher zufällig: Als sie über Zwentendorf abstimmten, wollte Bruno Kreisky das erwartete positive Votum optimieren, indem er erklärte, zurückzutreten, falls es gegen das Kernkraftwerk ausginge. Das hatte zur Folge, dass selbst Granden der Industriellenvereinigung gegen Zwentendorf stimmten. Unter Soziologen besteht kein Zweifel, dass dieser Schwenk geeichter ÖVP-Wähler das Schicksal der Atomkraft in Österreich besiegelt hat: Kreisky trat nicht zurück, sondern funktionierte seine Niederlage in einen Sieg um, indem er den “Atomsperrvertrag” beschloss. Wie aus der “Neutralität” wurde daraus ein fester Bestandteil österreichischer Identität. International ist Gewesslers Klage freilich chancenlos: Zum einen, weil Österreich in seiner so vehementen Ablehnung der Kernkraft relativ isoliert ist – es werden derzeit  mehr Kernkraftwerke geplant als stillgelegt – zum anderen, weil ein zentrales Argument Gewesslers – die “ungelöste” / “unbezahlbare” Endlagerung von Atommüll- aktuell an Berechtigung verloren hat: Man muss ihn nicht, wie in Finnland 420 Meter tief in Granit einmauern, sondern kann ihn überall lagern, wenn man ihn chemisch zerlegt und mit Neutronen beschießt – in Holland funktioniert eine solche Anlage bereits.

Es sind voran gespenstische Erinnerungen, die die Atomkraft emotional so sehr belasten: Sie manifestierte sich erstmals in Hiroshima und Nagasaki; Tschernobyl und Fukushima waren spektakuläre Katastrophen;  Radioaktivität ist, weil unsichtbar, doppelt angsteinflößend. Zudem hatten an “Thesen” gewöhnte Atom-Physiker vielzitierte Berechnungen vorgelegt, wonach der  “größte anzunehmende Unfall” eines Kernkraftwerks tausende unmittelbare Tote mit sich brächte. Die in Fukushima gewaltige Differenz zu dieser Zahl fand hingegen kaum mediale Beachtung. Ähnlich selten werden die Todeszahlen anderer Energien nachgefragt. So lohnt es alle Wasserkraft -Toten zu addieren: Mindestens 130.000 Menschen starben durch Dammbrüche. Auch wenn oft nicht normale Nutzung, sondern Krieg die Dämme brechen ließ, sind Wasserkraftwerke wie Atomkraftwerke Risikobauten – nur dass man sie nie so nennt.

Der Vergleich der 130.000 Wasserkraft-Toten mit den Toten von Tschernobyl und Fukushima ist so schwierig, weil gewisse Tote mit ungewissen verglichen werden: Bei der Explosion von Reaktor 1 und 3 in Fukushima wurden 14 Arbeiter verletzt, einer starb an Kreislaufversagen. Von den getesteten Arbeitern waren fast 2.000 einer Strahlendosis über 100 Millisievert ausgesetzt – ab diesem Wert sind direkte Strahlenschäden nachweisbar. Sechs Arbeiter wurden mit künftig wohl tödlichen 678 Millisievert belastet. Die japanische Informationspolitik gleicht dabei stark der sowjetischen nach Tschernobyl: Natürlich  muss mit ständig steigenden Todeszahlen gerechnet werden – die Zahl von Schilddrüsenerkrankungen  stieg bereits. Für Tschernobyl ging ein Bericht der Internationalen Atomenergieagentur und der WHO von 50 direkten und 4000 künftigen Toten aus. Die heutige russische Akademie der Wissenschaften vermutet an Hand neuer Studien 200.000 Tote, zu denen auch noch weitere kommen. In Deutschland hält man auch das für zu niedrig,

Trotzdem erweisen sich selbst die höchsten Schätzungen als halb so eindrucksvoll im Rahmen des selten angestellten Vergleichs zwischen Atomtoten und Toten durch fossile Energien. Dazu publizierten Wissenschaftler der Universitäten Harvard, London, Birmingham und Leicester in der Umwelt-Zeitschrift Environmental Research 2021 schwer zu bestreitende Zahlen: fossiler Brennstoffe, Öl, Kohle Gas, mit denen wir derzeit 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs decken, töten im Wege von Luftverschmutzung durch Minipartikel pro Jahr 8 Millionen Menschen – 24.000 pro Tag.

Das ist die Zahl, die es zu verringern gilt. Dazu eignen sich idealer Weise Wasserkraft, Windkraft und Solarparks. Nur dass deren Leistung nach Jahreszeit, Wetterlage und Tageszeit gewaltig schwankt. Um diese Schwankungen abzufangen, braucht es sichere Stromquellen und man hat dabei, solange es nicht genug grünen Wasserstoff gibt, nur die Wahl zwischen den fossilen Brennstoffen, die man dringend ersetzen will und Atomenergie.

Seit das Endlager-Poblem technisch gelöst ist, konzentrieren sich Gewessler und Co im Anti-Atom- Feldzug auf einen Einwand, wie er ursprünglich gegen alternative Energien erhoben wurde: Kernkraftwerke wären nur Dank staatlicher Subventionen konkurrenzfähig und änderten nichts am Klimawandel. Mag sein. Ich wäre seit der “Endlagerung” nur nicht so sicher wie Gewessler, die Zukunft einer Technologie vorhersagen zu können.

 

 

 

 

 

 

 

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6 Kommentare

  1. ” Man muss ihn nicht, wie in Finnland 420 Meter tief in Granit einmauern, sondern kann ihn überall lagern, wenn man ihn chemisch zerlegt und mit Neutronen beschießt – in Holland funktioniert eine solche Anlage bereits.”
    Haben Sie einen entsprechenden Verweis / Link, wo man diese Technik nachlesen kann ?
    mfG WR

  2. Schwerer Nonsense Atomkraftwerke stillzulegen ! Die Weiterentwicklung der Entsorgung der radioaktiven Brennstäbe, nicht über Chemie oder Endlagerung , sondern z.B . diese in den Anziehungsbereich unserer Sonne zu bringen ( mit Hilfe z. B. von Space X ) wäre die richtige Alternative gewesen. Ich bin kein Atomkraftwerkanhänger, aber was einmal unauslöschlich eingraviert wurde ist nicht leicht zu entfernen. ( siehe Friedrichsdorf).
    Einen derartigen Schwachsinn überhaupt nur gedanklich durchzuführen, grenzt bereits an dekadenter Demenz der Entscheider, die kaum eine Ahnung hatten von den Folgen. Daß Kreisky für Österreich, zwar teuer und ineffizient, sehr positiv das Problem über die Bühne brachte, ehrt ihn posthum. Warum er es tat, weiß nur Jahwe ! Ein Fehler der stattgefunden hat, muß ausgetragen werden ! Wir hätten sicher für 5,7 Milliarden Euro Still-legungskosten nur für Friedrichsdorf einiges innovatives für die Entsorgung entwickeln können, die unser Erdendasein von dem Druck des “Atomtodes” entlastet hätte. Und jetzt kommen die weiteren kosten der anderen stillzulegenden Werke ! Die Deutschen müssen zukünftig einen Geldscheißer engagieren um in den nächsten 50 Jahren diese Schnapsidee abzustottern !

  3. Guten Tag,
    das sind die Argumente, die die Zentralverwaltung der Hochfinanz und des industriellen Komplexes vorgeben. Dezentrale Versorgung ist pfui = Machtverlust. Weltfriede ist pfui = Machtverlust. Darum findet er derzeit noch nicht statt. Die schweigende Masse macht es möglich. Zukunftsfähige Energiekonzepte werden einfach von den Medien und den vorgeschalteten, gekauften Argenturen totgeschwiegen.
    Die gleichen Argumente hat auch die Zentralverwaltung der Gesundheitsindustrie mit der ach so heilbringenden Genspritze verbreitet. Die Demütigungen gesunder, ungeimpfter Personen ist und bleibt eine Schande unserer Zivilisation. An den Taten kann man sie erkennen. Die Hälse beginnen sich langsam zu wenden!
    Bitte genau hinschauen. Die gigantische, durch ständige Werbung antrainierte Verschwendungssucht schafft viel Spielraum für gegenseitige Hilfeleistung und Bescheidenheit. Ohne Angst werden wir die Zukunft am besten bewältigen.
    Atomkraft, wenn diese dezentral beherrschbar ist (z.B. Schweröl in Conatainerschiffen ersetzt) und aktive Brennstababfälle neutralisieren kann, soll ihre Chance bekommen.
    Zentrale Großkraftwerke sind pfui und anfällig für Terrorakte. Siehe Ukraine.

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