Hartwig Löger und Walter Rothensteiner in Erklärungsnotstand. Was oder wer hat den Finanzminister zu seinem erstaunlichen Handeln gegenüber der Casino-AG veranlasst?
Spätestens seit Hartwig Löger erklärte, „ohne jeden Zusammenhang mit der Casino-Affäre“ nicht mehr als Finanzminister zur Verfügung zu stehen, ist die ÖVP in einen Korruptionsskandal verwickelt, der nicht einmal Sebastian Kurz zwingend unbehelligt lassen wird.
Initiiert wurden die Untersuchungen der Korruptions-Staatsanwaltschaft bekanntlich durch die anonyme Anzeige eines Insiders, wonach der Bestellung des ungenügend qualifizierten FPÖ-Mannes Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG (CASAG) ein Deal mit der FPÖ vorausgegangen sei, der dem Glückspielkonzern Novomatic neue Lizenzen bescheren würde. Ohne die Hilfe Lögers habe Sidlo nicht bestellt werden können. Dazu Löger: „Die gegen mich erhobenen Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage und werden sich sehr bald in Luft auflösen“. Schon wenn ich die länger bekannten Indizien betrachte, bezweifle ich zumindest das „bald“.
- Es gibt das Gutachten des Headhunters Egon Zehnder, das Sidlo jede Qualifikation für den Job des Finanzvorstandes abspricht und das dennoch nicht Gegenstand der Sitzung des CASAG -Aufsichtsrates war, bei der er bestellt wurde.
- Löger hat diesen Aufsichtsrat ersucht, bei seiner Personalentscheidung „die FPÖ jedenfalls zu berücksichtigen“.
Die neu erhobenen Indizien
Neuerdings kennt man zusätzlich eine Aktennotiz des VP-Aufsichtsratsvorsitzenden Walter Rothensteiner, wonach Löger ihm gesagt habe, dass Novomatic-Eigentümer Johann Graf „irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen“ habe: „Daher ist Sidlo ein Muss.“ Löger dementiert eine solche Äußerung. In den jüngsten Hausdurchsuchungsbefehlen wird seine Rolle allerdings gleich mehrfach erwähnt. So haben die Ermittler aus dem Terminkalender von Novomatic-Eigentümer Johann Graf ein Treffen der Novomatic-Vertreter mit Löger rekonstruiert. Zugleich liegt ihnen ein Chat vom 6. Februar zwischen Novomatic-Geschäftsführer Harald Neumann und H.C. Strache vor, worin Neumann schreibt: „War echt mühsam, aber hier hat Löger auch sehr geholfen.“
Löger, so heißt es daher zumindest in der Begründung für die Durchsuchung seines Hauses, habe „seine Befugnis wissentlich missbraucht“, indem er in Kenntnis eines FPÖ-Novomatic-Hintergrunddeals aus „ausschließlich parteipolitischen und koalitionstaktischen Erwägungen“ beim CASAG- Aufsichtsrat für die Bestellung Sidlos eintrat.
Dafür sprechen folgende neu erhobenen Indizien:
- Strache im Chat mit Novomatic-Chef Harald Neumann: „Bezüglich Peter Sidlo kann ich mich auf Dein Wort verlassen?“ „Ja“ lautet die Antwort, der Kabinettschef Lögers, Thomas Schmid sei auch dafür.
- Dazu übermittelte Schmid Neumann Unterlagen über die rechtlichen Voraussetzungen einer Glückspiel-online-Lizenz mit dem Zusatz „Gesetz für die Entflechtung notwendig“. Vier Stunden später habe Löger mit Novomatic besprochen, dass Sidlo ein „Muss“ sei.
Primär belastete die Bestellung Sidlos freilich den VP-Vorsitzenden des Aufsichtsrates Rothensteiner und seinen Stellvertreter VP-Ex-Finanzminister Josef Pröll. Beide haben mit Sidlo ein doppeltes Problem: Nicht nur, dass er bestellt wurde, ohne das negative Gutachten des Headhunters zu besprechen, musste auch noch der bisherige Finanzvorstand teuer abgelöst werden. Rothensteiner wird also erklären müssen, dass diese Ablöse aus ganz anderen Gründen und rechtmäßig erfolgt ist. (Wobei Rechtmäßigkeit im Allgemeinen angenommen wird, wenn, wie in diesem Fall, die Billigung durch den mehrköpfigen Aufsichtsrat gegeben ist. Andernfalls sähe sich Rothensteiner einer mehrstelligen Schadenersatzklage gegenüber und man könnte ihm auch Untreue unterstellen.)
Kritischer für ihn ist die Bestellung Sidlos entgegen dem Gutachten des Headhunters, denn sie könnte als Verstoß gegen das Aktiengesetz gewertet werden. Das verlangt von einem Aufsichtsrat nämlich, dass er sich „bei seiner unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt“ und dass er ”auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.”
Wer hat den schwarzen Peter?
Walter Rothensteiner soll geäußert haben, er habe sich bei Sidlos Bestellung dem Druck Hartwig Lögers gebeugt – was Löger schwer belastete, sofern als erwiesen angesehen würde, dass er diesen Druck durch die Forderung, den freiheitlichen Partner “jedenfalls zu berücksichtigen”, tatsächlich ausgeübt hat und damit noch dazu „sachfremd“ agierte.
Ich gehe freilich davon aus, dass Löger erklären wird, dass er bei seinem Ersuchen -und mehr sei es nie gewesen- natürlich immer davon ausgegangen sei, dass die Gesetze eingehalten würden. Nie habe er für möglich gehalten, dass Sidlo entgegen dem Aktiengesetz bestellt werden könnte. Die negative Beurteilung durch den Headhunter sei ihm nicht bekannt gewesen.
Womit der schwarze Peter wieder bei Rothensteiner läge, der unverändert begründen müsste, warum der Headhunter-Bericht dem Aufsichtsrat nicht vorgelegt wurde und warum er meinte, zum Wohl der CASAG zu handeln.
Ich nehme an, dass er sagen wird, er habe angenommen, dass Sidlos Bestellung dem „Wohle der Gesellschaft” diene, weil der Finanzminister, im Wege der Beteiligung der Republik Miteigentümer der CASAG darauf Wert gelegt hätte. Womit der schwarze Peter wieder bei Löger läge.
Irgendwie wird er wohl auch ganz abseits des Strafgesetzes erklären müssen, wer oder was ihn zu solchem Einsatz für Sidlo veranlasst hat. Hat er ihn für ein Finanzgenie gehalten? Wenn ja auf welcher Basis? Hat er sich H.C. Strache verpflichtet gefühlt? Oder hat ihn vielleicht ein hoher Türkiser gebeten, so und nicht anders zu handeln?
15 Kommentare
Wir wissen derzeit viel zu wenig, um zu behaupten, dass es sich hier um ‚Korruption‘ im strafrechtlichen Sinn gehandelt hat und somit ist auch eine derartige Unterstellung unredlich.
Hier geht es in erster Linie nicht um allfällige Hintergrunddeals zwischen Novomatic und FPÖ; nicht um Interventionen eines Finanzministers; nicht um Postenschacher. Hier geht es in erster Linie um das Aktienrecht und um die Einhaltung desselben.
Trotz aller Unsicherheiten können wir (bisher) davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat der CA-AG keinen Hintergrunddeal mit Novomatic gemacht hat. Von daher ist der Aufsichtsrat absolut unschuldig.
Was wir jedoch eindeutig wissen, ist, dass hier ein Aufsichtsratspräsident (Rothensteiner) erschreckend versagt hat. Er hat sich offenbar dem Druck eines Minderheitsaktionärs gebeugt. Noch viel schlimmer: er hat das nachträglich auch zugegeben. Und um eine de fakto Selbstanzeige zu bestätigen, hat er gesagt, dass er sich für das kleinere Übel entscheiden mußte (dem Druck eines Minderheitsaktionärs nachzugeben). Das größere Übel wäre gewesen, aus Protest gegen die unsittliche, wenn nicht sogar illegale Vorgangsweise des Minderheitsaktionärs zurückzutreten.
Das beste System von Checks & Balances wird nicht funktionieren, wenn die handelnden Personen versagen. Hier hat jemand total versagt, der in seiner aktiven Karriere die höchsten Positionen in der österreichischen Finanzbranche innegehabt hat. Wem sollte der Bürger noch vertrauen, wenn der ehemals stärkste Mann im starken Raiffeisen-Sektor sich als kompletter Schwächling herausstellt? Aus meiner Sicht hat Herr Rothensteiner sämtliche persönliche Glaubwürdigkeit verspielt und sollte von sämtlichen öffentlichen Ämtern, inkl. Aufsichtsratsmandaten, zurücktreten. Ganz abgesehen davon, dass er möglicherweise strafrechtlich in die Verantwortung gezogen werden muss.
es einfach nur erschütternd, wie der Bevölkerung positive Veränderung vorgegaukelt wurde. Danke Strache wurde/Ibiza wurden das wahre Gesicht dieser Typen sichtbar aber leider die Österreicher sind einfach nur dumm und oberflächlich ,siehe Wahlresultat…
„…Löger ihm gesagt habe, dass Novomatic-Eigentümer Johann Graf ‚irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen‘ habe: ‚Daher ist Sidlo ein Muss‘.“
Da ist etwas unlogisch. Wenn Sidlo deswegen ein ‚muss‘ war, damit ein FPÖ/Novomatic Hintergrunddeal zustande kommt, dann muss doch für FPÖ (und vielleicht auch ÖVP) etwas auf dem Spiel gestanden haben, falls Sidlo nicht bestellt wird. Dann muss doch dieser Hintergrunddeal einen Nutzen für FPÖ (und vielleicht auch ÖVP) gehabt haben. Vielleicht eine große Spende von Novomatic oder sonst noch etwas, was der FPÖ (und vielleicht auch ÖVP) nützen würde? Nein, das Einzige, was auf dem Spiel stand, war offenbar, dass im Falle einer Nicht-Bestellung von Sidlo die Novomatic nicht mit einem für sie wohlwollendem Gesetz rechnen könnte. Wie gesagt, hier ist etwas unlogisch.
Hätte Löger gesagt, dass Sidlo bestellt werden muss, um die FPÖ in der Koalition zu befrieden, hätte es Sinn gemacht. Hätte Löger gesagt, dass Sidlo bestellt werden muss, weil aufgrund einer Novomatic/FPÖ Absprache die Novomatic nur diesen und keinen anderen FPÖ-Mann als Vorstand akzeptieren würde, hätte es auch Sinn gemacht, weil auf diese Weise eine unbefriedete FPÖ in der Koalition vermieden worden wäre.
Aber zu sagen, dass Sidlo bestellt werden ‚muss‘, weil ansonsten der Staat die Möglichkeit verliert, der Novomatic ein für sie wohlwollendes Gesetz zu machen, das entbehrt der Logik.
Mich erinnert das alles wie Kreisky auf Biegen und Brechen Hannes Androsch in die Creditanstalt abgeschoben hat. Damals gab es halt noch keine Handys wo man all die Interventionen und den Druck vom Kreisky nachvollziehen konnte.
Androsch war aber wenigstens gut.
Der wäre bei keinem Headhunter durchgefallen…
Androsch war so gut dass er sogar 1988 wegen AKH und Steuerhinterziehungen verurteilt wurde!
Es wurde offensichtlich, dass die Bestellung des freiheitlichen „Finanzgenies“ Sidlos auf Basis eines Deals stattfand, der für Novomatic ein Versprechen beinhaltete, das Glückspielmonopol per Gesetz aufzuweichen, um die Interessen von Novomatic in Zukunft dahingehend zu verbessern um höhere Gewinne zu ermöglichen.
Es ist zu hoffen, dass ein Gericht die Verantwortlichen verurteilt. Zumindest höher bestraft als den ehemaligen Bürgermeister von Salzburg Heinz Schaden, der eine Verfehlung begangen, sich aber persönlich nicht bereichert hat. Dieser hat in Unkenntnis – was natürlich keinen Freibrief darstellen kann – gehandelt. Die involvierten Personen im Casino Skandal, haben wissentlich gehandelt und hätten der Republik – wären sie weiter in der Regierung verblieben – Schaden zugefügt.
Sollte tatsächlich jemand verurteilt werden dann bin ich aber gespannt, ob der Altbundespräsident Fischer dann den amtierenden Bundespräsidenten auch auffordern wird, all diese Verurteilten zu amnestieren.
Bei Ihrem Beispiel mit dem zu Gefängnis verurteilten SPÖ Bürgermeister Schaden hat tatsächlich Heinz Fischer von Van der Bellen einen Gnadenakt eingefordert!
Ich teile die Beurteilung von Löger, Rothensteiner und Pröll.
Aber zum Unterschied von dem Salzburger Kriminalfall ist es zu (noch) keinem Schaden der öffentlichen Hand gekommen, eine persönliche Bereicherung ist wie auch bei dem Salzburger Exbürgermeister ebenfalls nicht nachweisbar.
Politische Korruption ist strafrechtlich zu verfolgen, nur soll man nicht versuchen Straftaten der einen Seite dazu benützen, die andere Seite zu entlasten.
Herzlichen Glückwunsch zu der exzellenten Zusammenfassung der bisher bekannten Tatsachen, Herr Lingens!
Gespannt kann man auf die Reaktion der Kogler-Grünen sein. Ob sie ihre Glaubwürdigkeit schon vor dem Koalitionsantritt verlieren, wird spannend.
Die „Reaktion“ der Rendi-Wagner-SPÖ möchte ich hier gar nicht erörtern.
Und unser geschätzter Herr Bundespräsident …
@ einsitzen: Ainedter gibt den Fall Grasser vermutlich an die nächste Generation seiner Kanzlei weiter 😉
Ich bin gespannt ob die Glawischnig da auch involviert ist.
Ich bin ja gespannt, ob von den genannten Herren je einer einsitzen wird müssen.
Leute wie ich – im fortgeschrittenen Alter – werden das wahrscheinlich nie / nicht erleben, weil, wenn es zu Anklagen und Verurteilungen kommt, diese in die 97te Instanz gehen werden und sich über Jahrzehnte – Beispiel Grasser – erstrecken werden …
Dabei ist die Indizienkette mehr als eindeutig. Was gilt kann man da noch mehr „beweisen“ können? Und dass Beschuldigte ihre Missetaten immer abstreiten und lügen, ist hinlänglich bekannt.
Na ja, falls Löger nicht in seinen alten Job zurückkehren kann, wird vielleicht bei Novomatic oder den Casinos ein Platzerl frei sein!
Ein sehr lukratives „Ersatz“ Platzerl…
Ach ja…..